Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.433/2007
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1C_433/2007

Urteil vom 11. März 2008

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Thönen.

1. X.________,
2.Y.________,
3.Z.________,
Beschwerdeführer,

gegen

A.A.________,
B.A.________,
Beschwerdegegner, beide vertreten durch Rechtsanwalt Christian Heydecker,
Gemeinderat Dörflingen, Dorfstrasse 33,
8239 Dörflingen,
Regierungsrat des Kantons Schaffhausen, Beckenstube 7, 8201 Schaffhausen.

Baubewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 2. November 2007 des Obergerichts des
Kantons Schaffhausen.
Sachverhalt:

A.
A. A.________ und B.A.________ beabsichtigen, auf dem Grundstück
GB Dörflingen Nr. 588 mit Wohnhaus BK Nr. 188 eine Stützmauer und eine
Böschung mit Löffelsteinen an der Ostseite des Grundstücks, einen Lichthof
für ein Fenster im Untergeschoss an der Ostfassade, eine Tür in der östlichen
Sitzplatzmauer und einen Kamin für das Gartencheminée zu erstellen. Das
Bauvorhaben wurde am 13. Oktober 2006 öffentlich ausgeschrieben.

Die Nachbarn X.________, Y.________, Z.________ und eine weitere Person
erhoben mit Schreiben vom 20. Oktober 2006 Einwendungen. Der Gemeinderat
Dörflingen erteilte den Baugesuchstellern aufgrund eines Beschlusses vom 28.
November 2006 am 2. Dezember 2006 die Baubewilligung.

B.
Der Regierungsrat des Kantons Schaffhausen wies den Rekurs der genannten
Einsprecher mit Entscheid vom 20. März 2007 ab, nachdem ein Augenschein
durchgeführt worden war.

Das Obergericht des Kantons Schaffhausen wies mit Entscheid vom 2. November
2007 die Beschwerde von X.________, Y.________ und Z.________ ab. Es war
ebenfalls ein Augenschein durchgeführt worden.

C.
Mit Eingabe vom 4. Dezember 2007 (Poststempel: 5. Dezember 2007) führen
X.________, Y.________ und Z.________ "Subsidiäre Verfassungsbeschwerde" an
das Bundesgericht. Sie beantragen, der Entscheid des Obergerichts sei
aufzuheben.

Mit Präsidialverfügung vom 24. Januar 2008 hat das Bundesgericht das Gesuch
der Beschwerdeführer um aufschiebende Wirkung abgewiesen.

D.
In der Vernehmlassung beantragen A.A.________ und B.A.________ sowie der
Regierungsrat, die Beschwerde abzuweisen. Das Obergericht hat sich zur
Beschwerde geäussert, ohne einen Antrag zu stellen. Der Gemeinderat
Dörflingen hat sich nicht vernehmen lassen.

Im weiteren Verfahren haben sich die Beschwerdeführer mit Eingaben vom 10.
Februar 2008 und 2. März 2008, die Baugesuchsteller mit Eingabe vom 15.
Februar 2008 geäussert.

Erwägungen:

1.
Gegen den angefochtenen, kantonal letztinstanzlichen Entscheid steht
grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen
(Art. 82 ff. BGG). Dieses Rechtsmittel steht auch auf dem Gebiet des
Raumplanungs- und Baurechts zur Verfügung. Das als "subsidiäre
Verfassungsbeschwerde" bezeichnete Rechtsmittel ist als Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten entgegenzunehmen; die falsche
Bezeichnung des Rechtsmittels ändert an dessen Zulässigkeit nichts (BGE 133
II 409 E. 1.1 S. 411). Die Beschwerdeführer sind als Eigentümer des
unmittelbar angrenzenden Weggrundstücks Nr. 589 und als Teilnehmende am
kantonalen Verfahren gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde berechtigt. Auf
das gemäss Art. 100 Abs. 1 BGG rechtzeitig eingereichte Rechtsmittel ist
einzutreten.

2.
Die Beschwerdeführer rügen eine willkürliche Anwendung des kantonalen
Baugesetzes sowie eine Verletzung der bundesrechtlichen Vorschriften über die
Baubewilligung gemäss Art. 22 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die
Raumplanung (Raumplanungsgesetz, RPG, SR 700). Bei der geplanten Aufschüttung
des Gartens, der Errichtung der Stützmauer und beim Einbau der Türe in die
Sitzplatzwand handle es sich um eine bewilligungspflichtige Baute, die einen
Grenzabstand von 2,5 m oder 4 m einzuhalten habe. Es fehle die gemäss Art. 32
Abs. 1 Baugesetz/SH erforderliche schriftliche Zustimmung der Nachbarn im
Falle des unterschrittenen Grenzabstands. Auf der Krone des aufgeschütteten
Bereichs solle ein 1,75 m breiter Weg angelegt werden, der zu Fuss und mit
Fahrzeugen benutzbar sei und die Räume des benachbarten Hauses der
Beschwerdeführer 1 und 2 einsehbar mache. Dies komme einer Nutzungsänderung
gleich. Zudem sei das gesamte Bauvorhaben als Einheit zu beurteilen; die
Aufspaltung des Bauvorhabens, d.h. die gesonderte Behandlung der Teile
"Stützmauer", "Löffelsteine" und "begehbare Fläche" durch das Obergericht sei
unzulässig. Es sei überdies willkürlich, dass das Bauvorhaben das Höhenmass
von 50 cm gemäss Art. 45 lit. a der Bauordnung der Gemeinde Dörflingen
übersteige. Schliesslich widerspreche das angefochtene Urteil einem früheren
Obergerichtsurteil vom 11. Juli 1985 betreffend eine Garagezufahrt.

3.
Das Obergericht führt im angefochtenen Urteil aus, die geplante Stützmauer
befinde sich seitlich entlang der Treppe. Sie solle eine vorbestehende
Böschung sichern, weshalb sie bis auf die Grenze gestellt werden könne. Die
südlich davon anschliessende Umgestaltung der Böschung mit Löffelsteinen
bewirke - so das Obergericht weiter - keine grundlegend neue
Terrainveränderung und halte das vorgeschriebene Höhen-Tiefen-Verhältnis ein.
Mit der Terrainanpassung oberhalb der Böschung und dem Durchbruch in der
Sitzplatzmauer solle ein Zugang zum gedeckten und nur gegen Westen offenen
Sitzplatz geschaffen werden. Der Zugang führe im Freien der Ostfassade des
Hauses der Baugesuchsteller entlang und verbinde den nördlich gelegenen
Hauseingang (Haustüre) mit dem südlich gelegenen Sitzplatz (geplante
Sitzplatztüre). Anders als beim Obergerichtsentscheid von 1985 betreffend
eine Zufahrtsrampe zu einer Garage sei hier die gewöhnliche Nutzung des
Grundstücks, nämlich der Zugang durch den Garten zu Fuss oder mit einen
Kinderwagen, und nicht ein eigentliches Zugangsbauwerk zu beurteilen. Die
Fälle seien daher nicht vergleichbar. Was schliesslich den Mauerdurchbruch
betreffe, so gelte die Besitzstandsgarantie für altrechtliche Bauten. Zwar
handle es sich um eine Anbaute, die den Grenzabstand von 4 m nicht einhalte.
Da der bisherige Zustand hinsichtlich Form, Stellung, Gestaltung, Umfang und
Nutzung im Wesentlichen erhalten bleibe, sei der Türeinbau zulässig. Von
einer grundlegend neuen Terrainaufschüttung könne nicht gesprochen werden.
Die Zugangsfläche sei bloss begehbar - allenfalls mit einem Kinderwagen
befahrbar - und stelle keine eigenständige bewilligungspflichtige Anlage dar.
Dieser Bereich sei im Übrigen schon früher mit Betonplatten versehen gewesen,
weshalb keine grundlegend neue Fläche geschaffen werde. Es bestehe kein
genereller Anspruch auf Schutz vor Einsicht in das Nachbargrundstück und es
sei nicht genügend dargetan, dass die baulichen Änderungen übermässige
Einwirkungen bewirken würden.

4.
Gemäss Art. 22 Abs. 1 RPG dürfen Bauten und Anlagen nur mit behördlicher
Bewilligung errichtet oder geändert werden. Diese Bestimmung ist unmittelbar
anwendbar und garantiert einen bundesrechtlichen Minimalstandard, den die
Kantone nicht unterschreiten dürfen.
Im vorliegenden Fall wurde die Bewilligungspflicht gemäss Art. 22 Abs. 1 RPG
mit der Baubewilligung vom 2. Dezember 2006 gewahrt. Zwar trifft der Einwand
der Beschwerdeführer zu, wonach das Obergericht das Bauvorhaben aufgespalten
und die Zugangsfläche - für sich allein - nicht als eigenständige
bewilligungspflichtige Anlage betrachtet hat. Es ist im vorliegenden Fall
aber nicht ersichtlich, dass dieses Vorgehen einer Umgehung des
Raumplanungsgesetzes gleichkäme. Nach Bundesrecht sind bauliche Kleinvorhaben
ohne nennenswerte Einflüsse auf Raum, Erschliessung und Umwelt nicht
bewilligungspflichtig. Die Kantone sind frei, ob sie für solche Kleinvorhaben
eine Bewilligungspflicht einführen wollen (Urteil 1C_12/2007 vom 8. Januar
2008 E. 2.2; B. Waldmann/P. Hänni, Raumplanungsgesetz, Kommentar, Bern 2006,
Art. 22 Rz. 12). Die Ansicht der Behörde, der Sitzplatzzugang sei eine
untergeordnete Veränderung und daher nicht bewilligungspflichtig, ist
haltbar. Überdies wird im vorliegenden Fall aus dem angefochtenen Urteil
deutlich, dass die kantonalen Behörden die baulichen Änderungen und ihre
räumlichen Auswirkungen - trotz der teilweise verneinten Bewilligungspflicht
- aus einer genügenden Gesamtperspektive betrachtet haben. So hat sich das
Obergericht zum - nicht bewilligungspflichtigen - Sitzplatzzugang und dessen
Auswirkungen geäussert. Der Sitzplatzzugang sei nicht mit einer
Garagezufahrt, einem Autoabstellplatz oder einer Strasse zu vergleichen. Zu
den bewilligungspflichtigen Elementen (Durchbruch der Sitzplatzmauer für die
Türe, Terrainveränderungen im Zugangsbereich) führte das Obergericht aus, das
Bauvorhaben bewirke keine erhebliche Zustands- oder Nutzungsänderung. Eine
Verletzung von Bundesrecht hinsichtlich der Prüfung des Baugesuchs und der
Einwendungen der Nachbarn ist nicht erkennbar.

5.
Im Weiteren rügen die Beschwerdeführer eine willkürliche Anwendung der
kantonalen Bestimmungen über den Grenzabstand, über das
Zustimmungserfordernis der Nachbarn und über die Besitzstandsgarantie für
altrechtliche Bauten sowie eine willkürliche Anwendung der kommunalen
Bauordnung.

5.1 Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen
Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Nach der ständigen Praxis des
Bundesgerichts liegt Willkür in der Rechtsanwendung vor, wenn der
angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen
Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen
Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid
jedoch nur auf, wenn nicht bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis
unhaltbar ist; dass eine andere Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar
zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 132 I 13 E. 5.1 S. 17 f.; 131 I 467
E. 3.1 S. 473 f., je mit Hinweisen).

5.2 Mit dem Baugesuch bezwecken die Beschwerdegegner unter anderem die
Errichtung eines Sitzplatzzugangs. Sie wollen durch den Garten einen Weg für
Fussgänger und Kinderwagen anlegen, der es ihnen erlaubt, den Sitzplatz zu
erreichen. Der Sitzplatz ist überdeckt und teilweise mit Mauern umgeben. Der
Zugang soll im Freien entlang der Ostfassade des Hauses verlaufen. Zudem
sollen eine Stützmauer errichtet und Löffelsteine eingebaut werden. In
tatsächlicher Hinsicht steht fest, dass im Bereich der Stützmauer und der
Löffelsteine bereits früher eine Böschung bestanden hat. Das kantonale Recht
schreibt bei untergeordneten Terrainveränderungen keinen Grenzabstand vor
(Art. 32 Abs. 3 Baugesetz/SH). Überdies lässt das Gesetz es zu, ältere
Bauwerke, die den Grenzabstand nicht einhalten, zu verändern, wenn damit
keine wesentliche Zustands- oder Nutzungsänderung verbunden ist (Art. 48 Abs.
2 Baugesetz/SH). Da das Terrain nicht wesentlich verändert werden soll und
bloss eine neue Verbindung entlang der Hausfassade errichtet wird, ist der
Schluss des Obergerichts nicht willkürlich, das Bauvorhaben stelle keine
wesentliche Veränderung des bestehenden Zustands dar. Handelt es sich aber
bloss um unwesentliche Veränderungen, so darf ohne Willkür von der
schriftlichen Zustimmung der Nachbarn gemäss Art. 32 Abs. 1 Baugesetz/SH
abgesehen werden. Ausserdem ist die Ansicht haltbar, wonach der
Sitzplatzzugang sich hinsichtlich der Einflüsse auf Raum und Umwelt
massgeblich von einer Zufahrtsrampe zu einer Garage unterscheide und mit dem
Obergerichtsurteil von 1985 nicht vergleichbar sei. Die Willkürrüge ist
unbegründet.

5.3 Aus den genannten Gründen (Erwägung 4 hiervor) geht auch die Rüge, die
kommunale Bauordnung sei willkürlich angewandt worden, fehl. Die Bauordnung
erklärt in Art. 45 lit. a Terrainveränderungen von mehr als 0,5 m Höhe für
bewilligungspflichtig. Damit werden Terrainveränderungen nicht verboten,
sondern bloss von einer behördlichen Genehmigung abhängig gemacht. Im
vorliegenden Fall hat die Gemeinde die Baubewilligung erteilt und damit die
Terrainveränderung - zumindest sinngemäss - genehmigt. Bei dieser
Ausgangslage ist es nicht willkürlich, dass das Obergericht die
Baubewilligung bestätigte.

6.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen. Bei diesem Ausgang tragen
die Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG) und haben die
privaten Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu
entschädigen (Art. 68 Abs. 2 BGG). Für beide Verpflichtungen - Gerichtskosten
und Parteientschädigung - haften die Beschwerdeführer solidarisch (Art. 66
Abs. 5 und Art. 68 Abs. 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden den Beschwerdeführern unter
Solidarhaft auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführer haben die privaten Beschwerdegegner für das
bundesgerichtliche Verfahren unter Solidarhaft mit insgesamt Fr. 1'500.-- zu
entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Dörflingen, dem
Regierungsrat und dem Obergericht des Kantons Schaffhausen schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 11. März 2008

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Thönen