Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.428/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_428/2007 /fun

Urteil vom 19. Juni 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann,
Gerichtsschreiber Kessler Coendet.

Parteien
- X.________,
- Y.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Ehepaar Z.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Humbert
Entress,
Politische Gemeinde Tobel-Tägerschen, vertreten durch den Gemeinderat,
Hauptstrasse 22, 9555 Tobel,
Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau, Promenade, Postfach, 8510
Frauenfeld.

Gegenstand
Baubewilligung und Ausstand,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 5. September 2007 des Verwaltungsgerichts
des Kantons Thurgau.

Sachverhalt:

A.
X.________ und Y.________ sind Eigentümer der Parzelle Nr. 81 in der
Politischen Gemeinde Tobel-Tägerschen. Das angrenzende, überbaute Grundstück
Nr. 83 gehört dem Ehepaar Z.________. Letztere renovierten im März 2005 den im
Eingangsbereich ihrer Liegenschaft befindlichen Anbau und ersetzten dabei
dessen Dach mit anderer Dachform. Auf Intervention von X.________ und
Y.________ entschied der Gemeinderat, diese baulichen Massnahmen seien nicht
bewilligungspflichtig.

B.
Das Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau (DBU) hiess einen
dagegen gerichteten Rekurs von X.________ und Y.________ am 20. November 2006
teilweise gut. Das DBU wies die Gemeinde an, für den Ersatz des Daches über dem
Anbau - nicht aber für den Anbau selbst, wie von den Rekurrenten ebenfalls
verlangt - ein Baubewilligungsverfahren durchzuführen.

C.
Die Eheleute Z.________ fochten den Entscheid des DBU vom 20. November 2006
nicht an. X.________ und Y.________ zogen den Entscheid jedoch an das
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau weiter. Dieses wies ihre Beschwerde am
5. September 2007 ab.

D.
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid führen X.________ und Y.________
beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten.

Das Ehepaar Z.________ ersucht um Abweisung der Beschwerde. Denselben Antrag
stellen die Gemeinde, das DBU und das Verwaltungsgericht. In der Replik haben
die Beschwerdeführer an ihren Begehren festgehalten.

E.
Der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung hat der Beschwerde mit
Verfügung vom 10. Januar 2008 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.
Auf das Beschwerdeverfahren ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (BGG; SR 173.110) anwendbar (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG). Die
Sachurteilsvoraussetzungen sind an sich erfüllt; auf die Beschwerde ist unter
dem Vorbehalt der Zulässigkeit der einzelnen erhobenen Rügen einzutreten. Das
Rechtsmittel erweist sich indessen als offensichtlich unbegründet und ist im
vereinfachten Verfahren gemäss Art. 109 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 BGG mit
summarischer Begründung zu erledigen. Nur in einem Punkt rechtfertigt sich eine
eingehende Begründung (vgl. E. 2.1 hiernach).

2.
Umstritten ist zunächst, ob der Präsident des Verwaltungsgerichts in den
Ausstand hätte treten müssen. Die Beschwerdeführer, die dies beanspruchen,
machen dafür verschiedene Gründe geltend.

2.1 Während des Verfahrens vor Verwaltungsgericht absolvierte die Tochter des
Gerichtspräsidenten ihr Anwaltspraktikum im Advokaturbüro Entress Wenger
Bommer. Rechtsanwalt Entress vertrat bereits im kantonalen Verfahren die
Eheleute Z.________ und war somit Gegenanwalt der Beschwerdeführer. In der
Rechtsprechung ist es anerkannt, dass besondere Gegebenheiten hinsichtlich des
Verhältnisses zwischen einem Richter und einem Parteivertreter die
Voreingenommenheit des Ersteren begründen können (BGE 133 I 1 E. 5.2 S. 4 mit
Hinweisen).

Zwar hat das Bundesgericht in einem älteren publizierten Urteil einen privaten
Schiedsrichter als befangen erachtet, weil seine Ehefrau juristische
Mitarbeiterin des Gegenanwalts war. Dabei wurde aber zum einen der besonders
nahen Beziehung zwischen Ehegatten Rechnung getragen; zum andern hatte dieser
Anwalt den Schiedsrichter selbst eingesetzt (BGE 92 I 271 E. 5 S. 276 f.). In
einem jüngeren Entscheid vom 13. Februar 2007 hat das Bundesgericht
demgegenüber die Ausstandspflicht eines staatlichen Richters verneint, dessen
Sohn als angestellter Anwalt in der Kanzlei des Vertreters der Gegenpartei
arbeitete. Dabei waren keine Hinweise auf eine Verfahrensbeteiligung des Sohnes
erkennbar (Urteil 1P.754/2006, E. 2.4).

Die im letztgenannten Entscheid angestellten Überlegungen lassen sich auf den
vorliegenden Fall übertragen. Der Anwalt der Beschwerdegegner hat glaubhaft
versichert, dass sich die Tochter des Gerichtspräsidenten nicht mit dem Fall
befasst hat. Eine entsprechende Arbeitsorganisation erscheint als möglich, sind
doch in der gleichen Kanzlei zwei weitere Rechtsanwältinnen tätig. Dass
letztere gleichzeitig auch als Richterinnen am Verwaltungsgericht amten, ändert
nichts an der Beurteilung. Daraus lässt sich nicht der von den
Beschwerdeführern gezogene Schluss ziehen, das ganze Büro weise eine besondere
Nähe zum Gerichtspräsidenten auf (vgl. BGE 133 I 1 E. 6.4.4 S. 8). Insgesamt
erweckt die Konstellation, dass die Tochter des Gerichtspräsidenten - ohne
unmittelbare Verfahrensbeteiligung - als Praktikantin in der Kanzlei des
Gegenanwalts arbeitet, nicht in objektiver Weise den Anschein, dass dieser
Richter befangen ist.

2.2 Ferner halten die Beschwerdeführer den Gerichtspräsidenten für
voreingenommen, weil er ihnen gegenüber mehrfach seine Antipathie zum Ausdruck
gebracht habe. In diesem Punkt erweist sich die Rüge als verspätet; nach Treu
und Glauben hätte der Gerichtspräsident im Anschluss an die von den
Beschwerdeführern erwähnten Äusserungen abgelehnt werden müssen (vgl. BGE 131 I
31 E. 2.1.1 S. 34 mit Hinweisen). Selbst wenn auf die Rüge eingetreten werden
könnte, wäre sie jedoch unbegründet. Dass der Gerichtspräsident Kritik an der
Verfahrensführung der Beschwerdeführer übte, bildet noch keinen Ausstandsgrund.
Wesentlich ist, dass diese Kritik keine negativen Bemerkungen enthielt, die
sich gegen die Person der Beschwerdeführer gerichtet hätte (vgl. Urteil 1P.687/
2005 vom 9. Januar 2006, E. 7.2 mit Hinweisen, in: Pra 2007 Nr. 26 S. 161).

3.
3.1 Es ist unbestritten, dass das Gebäude der Beschwerdegegner innerhalb der
Bauzone liegt. Die Beschwerdeführer werfen die Frage auf, ob für den ganzen
Anbau dieser Liegenschaft und nicht nur für dessen Dach ein
Baubewilligungsverfahren geboten ist. Das Verwaltungsgericht hat aufgrund von
Fotos von 1972 und 1973 festgestellt, dass die Gebäudehülle des Anbaus (unter
Ausklammerung des Dachs) damals bereits gebaut war und Bestand hatte. Es erwog
unter Hinweis auf BGE 107 Ia 121, dieser Gebäudeteil sei nach über 30 Jahren in
seinem Bestand geschützt und brauche deshalb nicht mehr einem nachträglichen
Baubewilligungsverfahren unterzogen zu werden.

3.2 Die Beschwerdeführer halten dem Verwaltungsgericht eine willkürliche und
gehörsverletzende Sachverhaltsermittlung vor; sie stützen sich dabei auf Art.
97 Abs. 1 BGG. Im kantonalen Verfahren hatten sie den Bericht eines Fotografen
eingereicht, um zu belegen, dass der Umfang des Anbaus im Zustand der siebziger
Jahre nicht demjenigen von 2005 vor den Bauarbeiten entspreche. Es hält aber
vor dem Willkürverbot stand, wenn das Verwaltungsgericht die aktenkundigen
Fotografien nach eigener Anschauung für genügend deutlich hielt, um die
Identität des umstrittenen Gebäudeteils ohne Weiteres zu bejahen. Es musste
sich weder mit der fraglichen Fachmeinung im Einzelnen auseinandersetzen noch
ein förmliches Beweisverfahren durchführen.

3.3 Das Verwaltungsgericht hat die hier massgeblichen Rechtsprechungsgrundsätze
zutreffend wiedergegeben und daraus die richtigen Schlüsse für den vorliegenden
Fall gezogen. Die ihm obliegende Begründungspflicht hat es auch bezüglich der
rechtlichen Würdigung hinreichend erfüllt. Auf die diesbezüglichen Erwägungen
des angefochtenen Entscheids lässt sich verweisen (Art. 109 Abs. 3 BGG). Damit
kann es auf die Bewilligungsfähigkeit des umstrittenen Gebäudeteils nach Art.
22 RPG (SR 700) nicht mehr ankommen; die Rüge der Beschwerdeführer, diese
Bundesnorm sei verletzt, stösst ins Leere. Ein Verstoss gegen die in diesem
Zusammenhang zusätzlich angerufenen verfassungsmässigen Rechte und Grundsätze
(Willkürverbot, Rechtsgleichheitsgebot, Legalitätsprinzip, Eigentumsgarantie)
liegt nicht vor, soweit diese Verfassungsbestimmungen überhaupt tangiert sind.
Es bedeutet auch keine formelle Rechtsverweigerung im Sinne von Art. 29 Abs. 1
und 2 BV, dass die Beschwerdeführer im fraglichen Umfang kein nachträgliches
Baubewilligungsverfahren mehr beanspruchen können.

4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde im Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen,
soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang tragen die Beschwerdeführer
die Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Sie haben den Beschwerdegegnern
eine angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 und 4 BGG).
Eine Entschädigung an die Gemeinde fällt ausser Betracht (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter
solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführer haben den Beschwerdegegnern für das bundesgerichtliche
Verfahren, unter solidarischer Haftbarkeit, eine Parteientschädigung von
insgesamt Fr. 2'500.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Politischen Gemeinde Tobel-Tägerschen, dem
Departement für Bau und Umwelt sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 19. Juni 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Kessler Coendet