Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.368/2007
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_368/2007
1C_370/2007

Verfügung vom 9. Juni 2009
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Aemisegger, Instruktionsrichter.
Gerichtsschreiberin Gerber.

Parteien
1C_368/2007
Schweizerische Greina Stiftung zur Erhaltung der alpinen Fliessgewässer,
Sonneggstrasse 29,
Postfach 2272, 8033 Zürich, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt
Reto Nigg,

gegen

Regierung des Kantons Graubünden, Reichsgasse 35, 7000 Chur;

1C_370/2007
Pro Natura, Schweizerischer Bund für Naturschutz, Dornacherstrasse 192, 4018
Basel, handelnd durch
Pro Natura Graubünden, Berggasse 7, 7000 Chur,
World Wide Fund for Nature Schweiz (WWF), Stiftung für Natur und Umwelt,
Hohlstrasse 110, Postfach, 8010 Zürich, handelnd durch WWF Graubünden,
Oberalpstrasse 2, Postfach 747,
7002 Chur,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Reto Nigg,

gegen

X.________ AG, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Reto
Mengiardi,
Gemeinde Poschiavo, 7742 Poschiavo,
Gemeinde Pontresina, 7504 Pontresina,
Bürgergemeinde Pontresina, 7504 Pontresina,
Regierung des Kantons Graubünden, Reichsgasse 35, 7000 Chur.

Gegenstand
Konzession, Gerichtskosten,

Beschwerden gegen das Urteil vom 6. Juli 2007
des Verwaltungsgerichts des Kantons Graubünden,
1. Kammer.
Nach Einsicht
in den von Pro Natura, Schweizerischer Bund für Naturschutz (Pro Natura), der
Schweizerischen Greinastiftung (SGS) und dem World Wide Fund for Nature Schweiz
(WWF) mit der X.________ AG am 2. Juni 2009 geschlossenen Vergleich, der
folgenden Wortlaut hat:
"VERGLEICH
I. Vorbericht
1. X.________ hat sich bei den Gemeinden Poschiavo und Pontresina sowie bei der
Bürgergemeinde Pontresina sowohl um Konzessionen für den Weiterbetrieb der
bestehenden Anlagen als auch um Ausbaukonzessionen beworben.
Die Gemeinde Poschiavo erteilte am 2. Juli 1997 sowohl die Konzession für den
Weiterbetrieb der bestehenden Anlagen (Konzession I) als auch die Konzession
für den Ausbau der Anlagen (Konzession II).
Die Politische Gemeinde Pontresina und die Bürgergemeinde Pontresina erteilten
am 8. September 1998 ebenfalls sowohl die Konzession für den Weiterbetrieb der
bestehenden Anlagen (Konzession A) als auch die Konzession für den Ausbau der
Anlagen (Konzession B).
Die Konzessionen für den Weiterbetrieb der bestehenden Anlagen beinhalten das
Recht für die Nutzung der Gewässer im oberen Puschlav in den bestehenden
Kraftwerkanlagen. Demgegenüber haben die Ausbaukonzessionen den Ausbau der
Anlagen gemäss dem Konzessionsprojekt 1995 zum Gegenstand.
2. Alle Konzessionen sind von der Regierung des Kantons Graubünden unter
Bedingungen und Auflagen mit Entscheid vom 15. August 2006, mitgeteilt am 16.
August 2006, genehmigt worden. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden
hat die gegen den regierungsrätlichen Konzessionsgenehmigungsentscheid
erhobenen Beschwerden mit Urteil vom 6. Juli 2007, mitgeteilt am 24. September
2007, abgewiesen.
Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichtes des Kantons Graubünden haben Pro
Natura und WWF am 25. Oktober 2007 beim Bundesgericht öffentlich-rechtliche
Beschwerde eingelegt.
Am 25. Oktober 2007 hat auch SGS gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichtes
des Kantons Graubünden beim Bundesgericht öffentlich-rechtliche Beschwerde
erhoben, wobei mit dieser Beschwerde lediglich die Höhe der vom
Verwaltungsgericht den Beschwerdeführern auferlegten Gerichtskosten angefochten
wurde.
3. Im Spätsommer 2008 haben die Vertragsparteien auf Initiative von SGS
Verhandlungen aufgenommen, welche die Frage zum Gegenstand hatten, ob es zu den
Ausbaukonzessionen II bzw. B mögliche Varianten mit ökologischen Vorteilen
gebe, welche gleichzeitig wirtschaftlich tragbar und energiewirtschaftlich mit
den Ausbaukonzessionen II bzw. B gleichwertig sind. Das Bundesgericht wurde
daher mit Schreiben vom 9. Oktober 2008 durch SGS darüber in Kenntnis gesetzt,
dass die Vertragsparteien möglicherweise bald eine Sistierung der hängigen
Verfahren beantragen würden.
4. Angesichts dieser Verhandlungen haben Pro Natura, WWF und X.________
zusammen mit den Gemeinden Poschiavo und Pontresina sowie der Bürgergemeinde
Pontresina und der Regierung des Kantons Graubünden das Bundesgericht mit
Eingabe vom 19./20./21. Januar 2009 ersucht, die Behandlung ihrer
öffentlich-rechtlichen Beschwerde bis zum 31. Mai 2009 zu sistieren. Dem Gesuch
wurde mit Verfügung des Instruktionsrichters vom 23. Januar 2009 stattgegeben.
II. Einigung über die Grundzüge eines neuen Ausbaukonzeptes
5. Zur Abklärung der in Ziff. 3 beschriebenen Fragen wurde eine
interdisziplinäre Arbeitsgruppe eingesetzt, welche aus Fachleuten der
X.________, der Gemeinde Poschiavo, des kantonalen Amtes für Energie und
Verkehr (AEV), des kantonalen Amtes für Natur und Umwelt (ANU), der Pro Natura,
des WWF, der SGS und des kantonalen Fischereiverbandes Graubünden bestand und
immer noch besteht.
6. Die Arbeitsgruppe konnte inzwischen ein umfassendes Kraftwerkkonzept
entwickeln, dessen Machbarkeit aus technischer, umweltmässiger,
wirtschaftlicher und sozialer Sicht als gegeben erscheint.
Dieses Konzept besteht aus folgenden Hauptelementen:
a) Bau eines Pumpspeicherwerkes zwischen dem Lago Bianco und dem Lago di
Poschiavo
(i) Verbindung der beiden Seen mit einem Druckstollen Lago Bianco bis Böc da
Caral und einem Druckschacht von Böc da Caral zur Zentrale am Lago di
Poschiavo.
(ii) Installierte Leistung 1000 MW, entsprechend einer Wassermenge von ca. 92
m3/s im Turbinenbetrieb und ca. 71 m3/s im Pumpbetrieb.
(iii) Direkte Zuleitung des Wassers des Palügletschers und neue Zuleitung des
Wassers des Cancian in den Druckstollen Lago Bianco-Böc da Caral; Dotier- und
Ausbauwassermengen sowie Realisierbarkeit der geplanten Fassung Palü oben
(Gutachten ENHK notwendig) im neuen UVB noch näher abzuklären.
(iv) Wasserentnahme- und Rückgabebauwerk am Lago di Poschiavo und am Lago
Bianco, hier wie auch im Böc da Caral auch eine Apparatekammer.
(v) Erhöhung der Staumauern am Lago Bianco um 4.35 m.
(vi) Seekoten/Nutzvolumen:
- Lago Bianco Koten 2207.00-2239.00 m ü.M., Nutzvolumen 26 Mio. m³.
- Lago di Poschiavo Koten Sommer (15. Juni bis 15. Oktober) 958.50-961.50 m
ü.M., übrige Zeit 954.00-961.50 m ü.M., Nutzvolumen 14 Mio m3.

(vii) Pegelschwankungen:
- Lago di Poschiavo Sommer (15. Juni bis 15. Oktober) 958.50-961.50 m ü.M.,
Schwankung max. 1 m pro Tag, max. 2 mal eintägiger Ausreisser pro Monat, übrige
Zeit keine Einschränkungen.
- Lago Bianco keine Einschränkungen (abhängig von Lago di Poschiavo; im UVB
noch vertieft zu prüfen).
(viii) Substantielle Revitalisierungen des Poschiavino gemäss den Angaben in
Ziff. 9.1.2/6., S. 66 f. des gemeinsamen Berichtes zur Machbarkeitsanalyse vom
15.5.2009.
(ix) Ausweitung der UVP für das Pumpspeicherwerk auf ökologische, insbesondere
gewässerökologische Untersuchungen im Hinblick auf die angestrebte
Neukonzessionierung der Kraftwerkstufe Miralago-Campocologno.
(x) Konzessionsdauer 80 Jahre.
b) Anpassungen des Anlagenkonzeptes Weiterbetrieb, wenn Pumpspeicherwerk
realisiert wird
(i) Aufhebung der heutigen Stufe Lago Bianco-Lagh da Palü.
(ii) Reduktion der installierten Leistung im Kraftwerk Cavaglia von 7 MW auf
4.5 MW und Reduktion der Betriebswassermenge von max. 4.5 m3/s auf max. 3 m3/s.
(iii) Betrieb des Kraftwerkes Cavaglia so, dass in den Monaten Oktober bis
Dezember im Poschiavino unterhalb des Kraftwerkes Robbia ein maximales Schwall-
/Sunkverhältnis von 2:1 entsteht.
(iv) Wasserfassungen:
- Pila Nulldotierung mit SNP analog UVB Konzessionsprojekt 1995.
- Puntalta, Salva und Braita Dotier- und Ausbauwassermengen im neuen UVB erneut
abzuklären.
c) Grafische Darstellung der Projektvariante mit den Hauptmerkmalen
[Grafik weggelassen]
7. Die Vertragsparteien vereinbaren, das in Ziff. 6 beschriebene neue
Ausbaukonzept auch in Zusammenarbeit mit der in Ziff. 5 erwähnten
interdisziplinären Arbeitsgruppe weiterzubearbeiten.
8. Pro Natura, WWF und SGS erklären sich mit dem neuen Ausbaukonzept
grundsätzlich einverstanden und sichern der X.________ ihre konstruktive
Mitarbeit im Rahmen der weiteren Projektierung und der noch durchzuführenden
Umweltverträglichkeitsprüfung zu.
9. Falls das neue Ausbauprojekt konzediert wird, erklärt sich X.________
ihrerseits zu angemessenen, wirtschaftlich tragbaren und die effektiven
Auswirkungen auf Ökologie und Landschaft berücksichtigenden
Kompensationsmassnahmen bereit. Dabei besteht Einigkeit darüber, dass das neue
Ausbauprojekt gegenüber dem Ausbauprojekt 1995 an sich einen ökologischen
Fortschritt bildet.
10. Unter der Voraussetzung, dass die zu erwerbenden Konzessionen für die
gemeinsam erarbeitete neue Ausbauvariante nach dem Beurteilungsbericht der
kantonalen Umweltschutzfachstelle und nach dem Anhörungsbericht des Bundesamtes
für Umwelt (BAFU) sowie nach der in den gesetzlich vorgeschriebenen Fällen
erfolgten Begutachtung durch die ENHK als umweltverträglich beurteilt werden
und die entsprechenden Anträge dieser Amtsstellen im
Konzessionsgenehmigungsentscheid übernommen werden, verzichten Pro Natura, WWF
und SGS im Verfahren vor der Regierung auf Einsprachen gegen die Konzessionen
für das neue Ausbauprojekt und auf die Ergreifung von Rechtsmitteln gegen den
Konzessionsgenehmigungs- und Plangenehmigungsentscheid der Regierung.
III. Bundesgerichtlicher Vergleich:

11. X.________ zieht hiermit ihre Konzessionsgesuche an die Gemeinden Poschiavo
und Pontresina und an die Bürgergemeinde Pontresina und das
Konzessionsgenehmigungsgesuch an die Regierung vom 18.12.2002 betreffend die
Konzessionen für den Ausbau der Anlagen im oberen Puschlav (Konzession II der
Gemeinde Poschiavo sowie Konzessionen B der Politischen und der Bürgergemeinde
Pontresina) zurück.
Gegenüber den Gemeinden und dem Kanton Graubünden erfolgt der Rückzug mit der
Zustellung der Abschreibungsverfügung durch das Bundesgericht an die Gemeinden
bzw. an den Kanton.
Infolge dieses Rückzuges werden die von der Gemeinde Poschiavo am 2. Juli 1997
und von der Politischen und Bürgergemeinde Pontresina am 8. September 1998
erteilten, noch nicht rechtskräftig gewordenen Konzessionen für den Ausbau der
Anlagen (Konzession II der Gemeinde Poschiavo und Konzessionen B der
Politischen und der Bürgergemeinde Pontresina) und der entsprechende Teil des
Konzessionsgenehmigungsentscheides der Regierung (Ziff. VI/B, S. 130-139)
hinfällig.
X.________ anerkennt, dass nach den heutigen Erkenntnissen und Entwicklungen im
Umweltrecht das mit den angefochtenen Konzessionen für den Ausbau der Anlagen
verbundene Schwall-/Sunk-Verhältnis im Poschiavino zwischen Robbia und dem Lago
di Poschiavo den Anforderungen des geltenden Umweltrechts und den Standards
einer umweltfreundlichen Energieproduktion kaum mehr entspricht.
12. Soweit die öffentlich-rechtlichen Beschwerden von Pro Natura und WWF
(Verfahren Nr. 1C 370/2007/BMH/fun) sowie der SGS (Verfahren Nr. 1C 368/2007/
BMH/fun) durch den Rückzug von X.________ gemäss Ziff. 11 hiervor nicht
gegenstandslos geworden sind, ziehen Pro Natura, WWF und SGS ihre Beschwerden
hiermit zurück.
Infolge dieses Beschwerderückzuges werden die von der Gemeinde Poschiavo am 2.
Juli 1997 und von der Politischen und Bürgergemeinde Pontresina am 8. September
1998 erteilten Konzessionen für den Weiterbetrieb der bestehenden Anlagen
(Konzession I der Gemeinde Poschiavo und Konzessionen A der Politischen und der
Bürgergemeinde Pontresina) mit den dazugehörenden regierungsrätlichen
Bedingungen und Auflagen (Ziff. VI/A [Weiterbetrieb der bestehenden Anlagen],
S. 121 bis 129 des Konzessionsgenehmigungsentscheides vom 15./16. August 2006)
rechtskräftig.

13. Gestützt auf diesen Vergleich wird das Bundesgericht ersucht,
a) die von Pro Natura und WWF am 25. Oktober 2007 eingelegte
öffentlich-rechtliche Beschwerde Nr. 1C 370/2007/BMH/fun betreffend
Konzessionen für die Nutzung der Gewässer im oberen Puschlav abzuschreiben,
b) die von SGS am 25. Oktober 2007 erhobene öffentlich-rechtliche Beschwerde
Nr. 1C 368/2007/BMH/fun betreffend Konzession, Gerichtskosten, abzuschreiben.
14. Das Bundesgericht wird sodann ersucht, diesen Vergleich in seinem vollen
Wortlaut in die Abschreibungsverfügungen aufzunehmen."

verfügt:

1.
Die Verfahren 1C_368/2007 und 1C_370/2007 werden infolge Gegenstandslosigkeit
und Rückzugs abgeschrieben.

2.
Die Gerichtskosten in Höhe von insgesamt Fr. 6'000 werden zu sieben Zehnteln
(Fr. 4'200) der X.________ und zu je einem Zehntel (Fr. 600) den drei
Beschwerdeführerinnen auferlegt.

3.
Die X.________ hat WWF und Pro Natura für die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens mit insgesamt Fr. 4'000 zu entschädigen.

4.
Diese Verfügung wird den Parteien, den Gemeinde Poschiavo, der Gemeinde
Pontresina, der Bürgergemeinde Pontresina, der Regierung und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Juni 2009
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Instruktionsrichter: Die Gerichtsschreiberin:

Aemisegger Gerber