Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.362/2007
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1C_362/2007

Urteil vom 8. Januar 2008

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Reeb, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Gerber.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Geschäftsleitung des Kantonsrates des Eidgenössischen Standes Zürich,
Limmatquai 55, Postfach, 8090 Zürich.

Einzelinitiative,

Rechtsverweigerungs- bzw. -verzögerungsbeschwerde gegen die Geschäftsleitung
des Kantonsrates des Eidgenössischen Standes Zürich.
Sachverhalt:

A.
Am 1. März 2007 reichte X.________ eine Einzelinitiative "zur Beendigung der
Vertrauensunwürdigkeit der Zürcher Gesundheitsdirektion" ein, mit der
Änderungen des Zürcher Gesetzes über das Gesundheitswesen vom 4. November
1962 (Gesundheitsgesetz) beantragt wurden.

B.
Mit Schreiben vom 8. März 2007 teilte die Geschäftsleitung des Kantonsrats
X.________ mit, dass seine Einzelinitiative nicht auf die Geschäftsliste des
Kantonsrats gesetzt werde, und zwar aus drei Gründen:
a)Die Einzelinitiative sei nicht unterzeichnet;
b)der Antrag und insbesondere der Eventualantrag widersprächen Art. 31 des
eidgenössischen Medizinalberufegesetzes, das noch 2007 in Kraft treten werde;
c)das Gesundheitsgesetz werde derzeit total revidiert; der Kantonsrat habe
die erste Lesung eines neuen Gesundheitsgesetzes am 5. März 2007
abgeschlossen; bis die Einzelinitiative zur Abstimmung käme, wäre das
Gesundheitsgesetz vom 4. November 1962 längstens aufgehoben.

C.
Daraufhin reichte X.________ ein von ihm unterschriebenes "Corrigendum vom
14. März 2007" ein, zunächst mit normaler Post und anschliessend, am 4. Mai
2007, per Einschreiben. Hierauf erfolgte keine Reaktion der Geschäftsleitung
des Kantonsrats.

D.
Am 24. Oktober 2007 hat X.________ Beschwerde an das Bundesgericht erhoben.
Er beantragt, der Kantonsrat habe gemäss § 139 Abs. 2 des Zürcher Gesetzes
über die politischen Rechte vom 1. September 2003 (GPR) innert 6 Monaten
festzustellen, ob das Corrigendum vom 14. März 2007 und Begründung betr.
Einzelinitiative vom 1. März 2007 von mindestens 60 Ratsmitgliedern vorläufig
unterstützt werde. Es sei Rechtsverzögerung, Rechtsverweigerung und die
Verletzung von Völkerrecht, Bundesverfassung, Kantonsverfassung und GPR
festzustellen. Überdies beantragt der Beschwerdeführer, es sei ihm die
unentgeltliche Prozessführung und Prozessvertretung zu gewähren.

E.
Die Geschäftsleitung des Kantonsrats hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Auf die am 24. Oktober 2007, nach Inkrafttreten des Gesetzes über das
Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG, SR 173.110), erhobene Beschwerde ist
das neue Recht anwendbar.

Die hier in Betracht fallende Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten (Art. 82 lit. a und c BGG) ist zulässig gegen Entscheide
letzter kantonaler Instanzen (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG). Dies bedeutet, dass
der kantonale Instanzenzug ausgeschöpft werden muss, bevor Beschwerde ans
Bundesgericht erhoben wird. Zudem muss die Beschwerde hinreichend begründet
werden (Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG), namentlich wenn - wie im vorliegenden
Fall - die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem Recht gerügt wird
(Art. 106 Abs. 2 BGG).

Es erscheint fraglich, ob die Beschwerde diesen Anforderungen genügt. Die
Frage kann aber offenbleiben, wenn sich die Beschwerde als offensichtlich
unbegründet erweist.

2.
§ 139 Abs. 2 GPR sieht vor, dass der Kantonsrat innert sechs Monaten seit
Einreichung einer Einzelinitiative feststellt, ob diese von mindestens 60
Ratsmitgliedern vorläufig unterstützt wird. Diese Frist war im Zeitpunkt der
Einreichung der Beschwerde (am 24. Oktober 2007) knapp abgelaufen, wenn
angenommen wird, das "Corrigendum" sei schon im März 2007 eingereicht worden.
Wird dagegen auf das Datum der eingeschriebenen Sendung vom 4. Mai 2007
abgestellt, lief die Frist zu diesem Zeitpunkt noch.

Darauf kommt es aber nicht an. Entscheidend ist vielmehr, dass der
Beschwerdeführer, soweit aus den Akten ersichtlich, kein einziges Mal bei der
Geschäftsleitung des Kantonsrats nachgefragt hat, wann mit der Behandlung
seines "Corrigendums" durch den Kantonsrat zu rechnen sei bzw. weshalb dieses
nicht auf die Geschäftsliste des Kantonsrates gesetzt worden sei.

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung hängt die zulässige
Verfahrensdauer auch vom Verhalten der Partei selbst ab; insbesondere wird
von dieser erwartet, dass sie nicht tatenlos auf einen Entscheid wartet,
sondern die Behörde auf die Verzögerung hinweist und einen alsbaldigen
Entscheid anmahnt (1P.609/1993 vom 26. April 1994 E. 3, publ. in ZBl 96/1995
S. 174).
Dies wäre jedenfalls im vorliegenden Fall geboten gewesen, weil weder aus der
Eingabe des "Corrigendums" (ohne Begleitschreiben) noch aus seiner Aufmachung
(Umschlag, Titel, etc.) ersichtlich war, dass es sich inhaltlich um eine neue
Einzelinitiative handelte, die mit derjenigen vom 1. März 2007 nicht
identisch war, und deshalb eine neue Beurteilung erforderte. Erst ein
Vergleich des Initiativtextes mit dem geltenden Gesundheitsgesetz vom 4.
November 1962 einerseits und dem totalrevidierten Gesundheitsgesetz vom 2.
April 2007 andererseits ergibt, dass im "Corrigendum" nicht mehr die
Abänderung des geltenden, sondern des neuen, noch nicht in Kraft getretenen
Gesundheitsgesetzes verlangt wird.

Das Vorgehen des Beschwerdeführers, wie auch der Ausdruck "Corrigendum",
mussten bei der Geschäftsleitung des Kantonsrats den Eindruck erwecken, es
handle sich um eine unterschriebene Fassung der ursprünglichen
Einzelinitiative vom 1. März 2007, weshalb die Geschäftsleitung keinen Anlass
hatte, auf ihr Schreiben vom 8. März 2007 zurückzukommen. Hätte der
Beschwerdeführer in einem Begleitschreiben oder in einer späteren Anfrage
darauf hingewiesen, dass es sich inhaltlich um eine neue Einzelinitiative
handelt, die sich auf das neue Gesundheitsgesetz bezieht, hätte er mit
Sicherheit vor Beschwerdeerhebung eine Antwort der Geschäftsleitung erhalten,
ob, wann und wie der Kantonsrat die Einzelinitiative zu behandeln gedenke.

3.
Unter diesen Umständen erweist sich die Rechtsverzögerungsbeschwerde als
verfrüht und deshalb als offensichtlich unbegründet und ist im Verfahren
gemäss Art. 109 Abs. 2 lit a BGG abzuweisen.

Da das Rechtsbegehren von vornherein aussichtslos war, ist der Antrag auf
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung abzuweisen
(Art. 64 BGG). Der Beschwerdeführer wird deshalb kostenpflichtig (Art. 65 f.
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und der Geschäftsleitung des
Kantonsrates des Eidgenössischen Standes Zürich schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. Januar 2008

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Féraud Gerber