Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.340/2007
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1C_340/2007

Urteil vom 28. Januar 2008

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiber Haag.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Josef Ulrich,

gegen

Miteigentümergemeinschaft Y.________, bestehend aus:
1.A.________,
2.B.________,
3.C.________,
4.D.________,
5.E.________,
6.F.________,
Erbengemeinschaft Z.________, bestehend aus:
1.G.________,
2.H.________,
3.I.________,
4.J.________,
5.K.________,
Beschwerdegegner, alle vertreten durch Rechtsanwalt Cyrill Egli,
Gemeinderat Hergiswil, Seestrasse 54, 6052 Hergiswil, vertreten durch
Rechtsanwalt Dr. Beat Zelger,
Regierungsrat des Kantons Nidwalden, Dorfplatz 2, 6371 Stans.

Zonenplan,

Beschwerde gegen das Urteil vom 8. Januar 2007
des Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden, Verwaltungsabteilung.
Sachverhalt:

A.
Die Gemeindeversammlung der Politischen Gemeinde Hergiswil vom 20. Mai 2005
beschloss auf Antrag des Gemeinderats in den Gebieten Klein Ledi, Farnweidli
und Rütholtern Einzonungen in die Wohnzone W2D. Ferner wurde die
Erschliessung des eingezonten Landes über die Sonnenbergstrasse im
Verkehrsrichtplan festgehalten. Zuvor lehnte die Gemeindeversammlung folgende
im Einspracheverfahren von X.________ dagegen erhobene Begehren ab:
Nichteintretensantrag betreffend Teilgenehmigung der Zonenplanung.
Antrag auf Verzicht der Erschliessung der Gebiete Klein Ledi/Farnweidli/
Rütholtern über die Sonnenbergstrasse.
Abänderungsantrag auf Verzicht der Erschliessung der Liegenschaft Rütholtern
über die Liegenschaft Klein Ledi, anstelle der Erschliessung über die
Buolterlistrasse.
Einsprache gegen die Einzonung der Gebiete Klein Ledi/Farnweidli/Rütholtern.

B.
Gegen diese Beschlüsse der Gemeindeversammlung erhob X.________ Beschwerde
beim Regierungsrat des Kantons Nidwalden. Der Beschwerdeführer verlangte die
Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und die Ablehnung der Teilrevision der
Ortsplanung und des Verkehrsrichtplans. Der Regierungsrat behandelte die
Beschwerde mit Entscheid vom 14. März 2006 teilweise als
Abstimmungsbeschwerde und wies diese ab (Dispositiv-Ziff. 1). Soweit sich die
Beschwerde gegen den Verkehrsrichtplan und den Zonenplan richtete, trat der
Regierungsrat darauf nicht ein (Dispositiv-Ziff. 2 und 3).

C.
X.________ zog den Entscheid des Regierungsrats an das Verwaltungsgericht des
Kantons Nidwalden weiter. Er beantragte im Wesentlichen, die Ziff. 3.1, 3.2
und 3.3 des Regierungsratsentscheids, welche die Beschwerde gegen den
Zonenplan betrafen, seien aufzuheben und die Sache sei an die Vorinstanz
zurückzuweisen. Eventualiter verlangte er zudem, die Einsprache des
Beschwerdeführers gutzuheissen und die Beschlüsse der Gemeindeversammlung
aufzuheben. Das Verwaltungsgericht wies die Beschwerde mit Urteil vom 8.
Januar 2007 ab.

D.
Gegen dieses Urteil des Verwaltungsgerichts führt X.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht. Er stellt den
Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und der
Regierungsrat sei anzuweisen, auf die Beschwerde des Beschwerdeführers
einzutreten und in der Sache zu entscheiden. Eventualiter sei die
Angelegenheit zur Neubeurteilung der Beschwerdelegitimation an das
Verwaltungsgericht, subeventualiter an den Regierungsrat zurückzuweisen.

E.
Die Politische Gemeinde Hergiswil schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Die
Miteigentümergemeinschaft Y.________ und die Erbengemeinschaft Z.________
beantragen, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten.

F.
Mit Präsidialverfügung vom 9. November 2007 wurde ein Gesuch des
Beschwerdeführers um aufschiebende Wirkung abgewiesen.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die Zulässigkeit der
Beschwerde von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.1 S.
251).

1.1 Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts ist ein Endentscheid
einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d, Art. 90 BGG). Ihm
liegt ein Beschwerdeverfahren wegen Verweigerung einer baurechtlichen
Bewilligung und damit eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit zu Grunde. Die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten nach Art. 82 lit. a BGG
steht auch auf dem Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts zur Verfügung. Das
Bundesgerichtsgesetz enthält dazu keinen Ausschlussgrund. Gemäss Art. 34 Abs.
1 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung
(Raumplanungsgesetz, RPG, SR 700) in der Fassung nach Ziff. 64 des Anhangs
zum Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (VGG; SR
173.32) gelten für die Rechtsmittel an die Bundesbehörden die allgemeinen
Bestimmungen über die Bundesrechtspflege (BGE 133 II 249 E. 1.2 S. 251, 400
E. 2.1 S. 404).

Auf letztinstanzliche kantonale Entscheide betreffend einen kommunalen
Nutzungsplan tritt das Bundesgericht nur ein, wenn dieser von der zuständigen
kantonalen Behörde im Sinne von Art. 26 Abs. 3 RPG genehmigt wurde (Urteil
des Bundesgerichts 1C_190/2007 vom 7. Dezember 2007). Das gilt allerdings
nur, wenn der Nutzungsplan in materieller Hinsicht beim Bundesgericht
angefochten wird. Im vorliegenden Fall ist der Zonenplan als solcher nicht
Verfahrensgegenstand. Vielmehr ist zu prüfen, ob die Legitimation des
Beschwerdeführers im kantonalen Planungsverfahren zu Recht verneint wurde.
Diese Frage prüft das Bundesgericht im Verfahren der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, ohne dass die Plangenehmigung bereits
vorliegen müsste.

1.2 In Bezug auf das mit dem umstrittenen Zonenplan eingezonte Gebiet und
dessen Erschliessung beanstandet der Beschwerdeführer, das Verwaltungsgericht
habe im angefochtenen Urteil den Regierungsratsentscheid vom 14. März 2006 in
verfassungswidriger Weise bestätigt. Der Regierungsrat hätte ihm die
Legitimation hinsichtlich seiner Beschwerde betreffend den Zonenplan nicht
absprechen dürfen. Indem das Verwaltungsgericht den Regierungsratsentscheid
in dieser Hinsicht geschützt habe, habe es ihm gegenüber eine formelle
Rechtsverweigerung begangen. Zu dieser Rüge ist der Beschwerdeführer vor
Bundesgericht ohne weiteres berechtigt. Da seine Beschwerde auch die übrigen
Prozessvoraussetzungen erfüllt, ist darauf einzutreten.

2.
2.1 Nach Art. 33 Abs. 3 lit. a RPG in der Fassung gemäss Ziff. 64 des Anhangs
zum VGG gewährleistet das kantonale Recht die Legitimation mindestens im
gleichen Umfang wie für die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten an das Bundesgericht. Zur Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist berechtigt, wer vor der Vorinstanz
am Verfahren teilnahm oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhielt, durch den
angefochtenen Entscheid besonders berührt ist und ein schutzwürdiges
Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung besitzt (Art. 89 Abs. 1 BGG).
Verlangt ist somit neben der formellen Beschwer (Art. 89 Abs. 1 lit. a BGG),
dass der Beschwerdeführer über eine spezifische Beziehungsnähe zur
Streitsache verfügt (Art. 89 Abs. 1 lit. b BGG) und einen praktischen Nutzen
aus der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids zieht (Art. 89
Abs. 1 lit. c BGG). Die Nähe der Beziehung zum Streitgegenstand muss bei
Bauprojekten insbesondere in räumlicher Hinsicht gegeben sein. Ein
schutzwürdiges Interesse liegt vor, wenn die tatsächliche oder rechtliche
Situation des Beschwerdeführers durch den Ausgang des Verfahrens beeinflusst
werden kann (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4236). Die Voraussetzungen von Art. 89 Abs. 1
lit. b und lit. c BGG hängen eng zusammen; insgesamt kann insoweit an die
Grundsätze zur Legitimationspraxis bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nach
Art. 103 lit. a des früheren Organisationsgesetzes vom 16. Dezember 1943
(OG), angeknüpft werden (BGE 133 II 249 E. 1.3 S. 252, 353 E. 3 S. 356 f.,
400 E. 2.2 S. 404, je mit Hinweis auf BGE 120 Ib 48 E. 2a S. 51 f. und 379 E.
4b S. 386 f.). In Übereinstimmung mit diesen Vorschriften des Bundesrechts
sind nach dem kantonalen Recht Personen, die an der Abweisung oder Änderung
oder Aufhebung des angefochtenen Gesuchs, Beschlusses oder Entscheids ein
schutzwürdiges Interesse haben, zur Einreichung von Einsprachen und
Beschwerden befugt (Art. 238 des Gesetzes des Kantons Nidwalden über die
Raumplanung und das öffentliche Baurecht vom 24. April 1988, Baugesetz,
BauG).

2.2 Ein Kriterium für die Beurteilung der Beschwerdebefugnis eines Nachbarn
ist die räumliche Nähe seines Grundstücks zum umstrittenen Bauvorhaben. In
der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wurde die Legitimation von Nachbarn
hinsichtlich der Verwaltungsgerichtsbeschwerde bis zu einem Abstand von etwa
100 m regelmässig bejaht (vgl. BGE 121 II 171 E. 2b und c S. 174 f.; Urteile
1P.237/2001 vom 12. Juli 2001, E. 2c/bb; 1A.179/1996 vom 8. April 1997, publ.
in: Pra 87/1998 Nr. 5 S. 27 ff., E. 3a). Es handelt sich bei dieser
Abstandsangabe allerdings nicht um einen verbindlichen absoluten Wert. Die
Legitimation ergibt sich nicht allein aus der räumlichen Nähe, sondern aus
der daraus herrührenden besonderen Betroffenheit. Bei der Beurteilung der
Beschwerdelegitimation ist deshalb stets eine Würdigung aller rechtlich
erheblicher Sachverhaltselemente vorzunehmen. Eine besondere Betroffenheit
wird vor allem in Fällen bejaht, in welchen von einer Anlage mit Sicherheit
oder grosser Wahrscheinlichkeit Immissionen auf das Nachbargrundstück
ausgehen (BGE 121 II 171 E. 2b S. 174; 120 Ib 379 E. 4c S. 387) oder die
Anlage einen besonderen Gefahrenherd darstellt und die Anwohner einem
besonderen Risiko ausgesetzt werden (BGE 120 Ib 379 E. 4d S. 388).

2.3 Der Beschwerdeführer ist Eigentümer der Parzelle Nr. 732, GB Hergiswil.
Dieses Grundstück grenzt unmittelbar an das eingezonte Gebiet Klein Ledi
(Parzelle Nr. 275). Die nicht direkt an das Grundstück Nr. 732 angrenzenden
Gebiete Rütholtern (Parzelle Nr. 268) und Farnweidli (Parzelle Nr. 273) sind
nach den Akten ca. 40-50 m (Farnweidli) bzw. 220 m (Rütholtern) entfernt. Der
Beschwerdeführer ist von der Einzonung namentlich der Gebiete Klein Ledi und
Farnweidli in eigenen schutzwürdigen Interessen faktisch betroffen
(Beeinträchtigung der Aussicht, Lärmimmissionen, mögliche Wertverminderung
der Liegenschaft, eventuelle Landenteignung usw.) und zwar in einem höheren
Mass als es für die Allgemeinheit zutrifft. Dass ein Verzicht auf diese
Einzonungen für ihn einen praktischen Nutzen zur Folge hätte, ist
offensichtlich. Ob er ein Recht auf einen solchen Verzicht hat, ist nicht
Gegenstand der Frage der Beschwerdeberechtigung, sondern der materiellen
Überprüfung der Einzonungen.

Die umstrittenen Gebiete sollen über die an das Grundstück Nr. 732 des
Beschwerdeführers angrenzende Parzelle Nr. 275 verkehrsmässig erschlossen
werden. Die Parzelle Nr. 732 wird durch die Sonnenbergstrasse erschlossen,
welche zum Dorf Hergiswil führt. Von der Sonnenbergstrasse soll die
vorgesehene neue Erschliessungsstrasse als Stichstrasse in einer Entfernung
von ca. 50 m zur Parzelle Nr. 732 des Beschwerdeführers zu den neu
eingezonten Gebieten abzweigen. Ein erster Teil dieser Stichstrasse ist
bereits erstellt und dient der Erschliessung der Parzelle des
Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer verfügt in diesem Bereich der
Stichstrasse zu Lasten der Grundstücke Nrn. 275 und 287 über ein
Fahrwegrecht. Es ist unbestritten, dass auf der geplanten
Erschliessungsstrasse der Strassenverkehr im unmittelbaren Einzugsbereich der
Parzelle des Beschwerdeführers zunehmen wird. Damit hat die Einzonung der
drei Gebiete Klein Ledi, Farnweidli und Rütholtern für den Beschwerdeführer
unter anderem mehr Lärmimmissionen zur Folge, welche unter dem Gesichtspunkt
der Beschwerdelegitimation erheblich sind. Der Regierungsrat hätte ihm
deshalb das Recht zur Anfechtung dieser Einzonung nicht absprechen und das
Verwaltungsgericht hätte den Regierungsratsentscheid vom 14. März 2006 in
diesem Punkt nicht bestätigen dürfen. Dass zahlreiche weitere Anwohner der
Sonnenbergstrasse vom zusätzlichen Lärm in ähnlicher Weise betroffen sind,
vermag am Beschwerderecht des Beschwerdeführers nichts zu ändern. Auch der
Umstand, dass die Planungswerte der massgeblichen Empfindlichkeitsstufe II
(Anhang 3 Ziff. 2 der Lärmschutz-Verordnung vom 15. Dezember 1986, LSV, SR
814.41) vermutlich eingehalten werden können, ist im Zusammenhang mit der
Beurteilung der Beschwerdelegitimation unerheblich. Das ist vielmehr eine der
Fragen, welche im Rahmen einer materiellen Überprüfung der umstrittenen
Einzonungen hätte behandelt werden müssen.

3.
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Beschwerde gutzuheissen und das
angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts vom 8. Januar 2007 aufzuheben
ist. Die Sache wird zur neuen Prüfung an das Verwaltungsgericht
zurückgewiesen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten den privaten
Beschwerdegegnern aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Diese haben dem
Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine angemessene
Parteientschädigung auszurichten (Art. 68 Abs. 2 und 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das angefochtene Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Nidwalden vom 8. Januar 2007 aufgehoben. Die
Sache wird zur neuen Beurteilung an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von insgesamt Fr. 2'000.-- werden den privaten
Beschwerdegegnern zu gleichen Teilen unter solidarischer Haftbarkeit
auferlegt.

3.
Die privaten Beschwerdegegner haben den Beschwerdeführer für das
bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 2'000.-- unter solidarischer
Haftbarkeit zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Hergiswil sowie dem
Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Nidwalden,
Verwaltungsabteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 28. Januar 2008

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Haag