Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.28/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_28/2007

Urteil vom 22. April 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Thönen.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Oswald Rohner,

gegen

Y.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Beat Schelbert,
Gemeinderat Freienbach, Unterdorfstrasse 9, Postfach 140, 8808 Pfäffikon,
vertreten durch Rechtsanwalt Hans Rudolf Ziegler,
Regierungsrat des Kantons Schwyz, Bahnhofstrasse 9, Postfach 1260, 6431 Schwyz.

Gegenstand
Abweisung des Gesuchs um Enteignung eines Wegrechts zwecks Erschliessung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 26. Januar 2007 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Schwyz,
Kammer III.

Sachverhalt:

A.
X.________ ist Eigentümer (seit 13. Mai 2005 als Gesamteigentümer in
allgemeiner Gütergemeinschaft mit seiner Ehefrau) der Liegenschaft KTN 1486,
Hergishalten 26, Freienbach. Das Grundstück ist mit einem Einfamilienhaus
überbaut und über eine Privatstrasse (Hergishaltenstrasse) erschlossen, die im
Eigentum von Y.________ steht. X.________ ist befugt, den oberen Teil der
Privatstrasse bis zur Mündung Hergishaltenweg zu benutzen, danach führt die
Erschliessung über den Hergishaltenweg, der ebenfalls Y.________ gehört. Die
Benutzung des unteren Teils der Hergishaltenstrasse (zwischen Einmündung
Hergishaltenweg und Rainstrasse) ist X.________ nicht gestattet.

Das beschriebene Zufahrtsrecht ist mit Wegrechten zugunsten des Grundstücks von
X.________ (KTN 1486) abgesichert, die auf den beiden Grundstücken von
Y.________ KTN 2925 (Hergishaltenweg) und 2927 (Hergishaltenstrasse) lasten.

B.
Mit Schreiben vom 14. Oktober 2004 ersuchte X.________ den Gemeinderat
Freienbach, zugunsten seiner Liegenschaft KTN 1486 und zu Lasten der
Liegenschaft KTN 2927 von Y.________ sei das unbeschränkte Fuss- und
Fahrwegrecht gegen Entschädigung zu enteignen, und zwar bezüglich des unteren
Teils der Hergishaltenstrasse zwischen Einmündung Hergishaltenweg und
Rainstrasse. Der Gemeinderat Freienbach habe das enteignete Recht im Grundbuch
einzutragen. Er habe ferner die zuständige Schätzungskommission zu beauftragen,
die Entschädigung für die Rechtseinräumung und den Beitrag an die
Unterhaltskosten festzusetzen.

Dieses sog. Erschliessungshilfegesuch wurde mit Beschluss des Gemeinderats
Freienbach vom 10. November 2005 abgewiesen.

Mit Beschluss vom 14. Juni 2006 wies der Regierungsrat des Kantons Schwyz die
Beschwerde von X.________ ab.

C.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz wies die Beschwerde von X.________
mit Urteil vom 26. Januar 2007 ab.

D.
Mit Eingabe vom 8. März 2007 führt X.________ Beschwerde an das Bundesgericht.
Er beantragt, der Entscheid des Verwaltungsgerichts sei aufzuheben und in
Gutheissung seines Erschliessungshilfegesuches seien die entsprechenden
Anordnungen zu treffen. Eventuell sei die Sache an das Verwaltungsgericht zur
Sachverhaltsergänzung, zur Beweisergänzung und zu neuer Entscheidung
zurückzuweisen. Er beantragt ferner die Durchführung einer mündlichen
Verhandlung mit Augenschein.

E.
In ihren Vernehmlassungen beantragen der Gemeinderat Freienbach, der
Regierungsrat und das Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz je die Abweisung
der Beschwerde. Innert viermal erstreckter Frist beantragt Y.________
Nichteintreten. X.________ hat sich zu den Vernehmlassungen mit Eingabe vom 9.
November 2007 geäussert.

Mit Schreiben vom 20. November 2007 und vom 13. März 2008 hat sich Y.________
unaufgefordert geäussert. X.________ hat dazu mit Eingabe vom 28. März 2008
Stellung genommen und seine Ehefrau Z.________ als weitere Beschwerdeführerin
genannt.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1
BGG). Es untersucht deshalb grundsätzlich von Amtes wegen, ob und inwiefern auf
eine Beschwerde eingetreten werden kann (BGE 133 II 249 E. 1.1 S. 251).

Gegen den angefochtenen, kantonal letztinstanzlichen Entscheid steht
grundsätzlich die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten offen
(Art. 82 ff. BGG). Der angefochtene Entscheid bestätigt die Abweisung des
Gesuchs um Erschliessung des Grundstücks des Beschwerdeführers durch Enteignung
eines Anderen. Es handelt sich um ein beschwerdefähiges Rechtsgebiet gemäss
Art. 83 BGG.

Der Beschwerdeführer hat als Gesuchsteller am vorinstanzlichen Verfahren
teilgenommen, ist als Adressat der Gesuchsabweisung besonders berührt und hat
ein schutzwürdiges Interesse an der Änderung des angefochtenen Entscheids (Art.
89 Abs. 1 BGG). Indessen hat er vor Bundesgericht allein gehandelt, ohne
anzugeben, dass er das Grundstück KTN 1486, für welches er Erschliessungshilfe
beansprucht (mit Kostenfolgen für Rechtseinräumung und Wegunterhalt), seit 13.
Mai 2005 als Gesamteigentümer in allgemeiner Gütergemeinschaft mit seiner
Ehefrau hält. Er hat dies erst am 28. März 2008 offen gelegt, nachdem der
Beschwerdegegner am 13. März 2008 die Einrede der fehlenden Aktivlegitimation
erhoben hatte. Weil das Zivilrecht für die ausserordentliche Verwaltung des
Gesamtgutes bei Gütergemeinschaft gemeinsames Handeln der Ehegatten bzw. die
Einwilligung des andern Ehegatten voraussetzt (Art. 288 Abs. 1, Art. 653 Abs. 1
ZGB), und dieses Kriterium im Zeitpunkt der Beschwerdeführung und innert
Beschwerdefrist (Art. 100 Abs. 1 BGG) nicht erfüllt war, ist unklar, ob auf die
Beschwerde überhaupt eingetreten werden kann. Die Frage kann aufgrund des
Verfahrensausgangs jedoch offen bleiben.

2.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör,
weil das Verwaltungsgericht keinen Augenschein durchgeführt habe. Ferner rügt
er eine willkürliche Sachverhaltsfeststellung und eine willkürliche Anwendung
der kantonalen Vorschrift über die sog. Erschliessungshilfe. Die Anwendung von
§ 41 des kantonalen Planungs- und Baugesetzes vom 14. Mai 1987 (PBG/SZ) sei
unhaltbar, weil sie dem raumplanerischen Grundsatz der Landsparung zuwiderlaufe
und eine Doppelspurigkeit bewirken könne, indem dem Beschwerdeführer der Zugang
über die ausgebaute untere Hergishaltenstrasse verweigert werde, während er auf
zivilrechtlichem Weg den Ausbau des allzu schmalen Hergishaltenwegs erzwingen
müsse. Dieser sei an der schmalsten Stelle 2,1 m breit, obwohl die dinglich
gesicherte Wegrechtsbreite 3,5 m betrage, weshalb schwerere Fahrzeuge wie
Feuerwehrautos, Zügelwagen, Öl-Lieferwagen oder Krankenwagen den Weg nicht
befahren könnten. Der Weg sei durch die Überbauung des Grundstücks KTN 3495
gegenüber dem früheren Zustand von 1998 schmaler geworden. Indem das
Verwaltungsgericht sich geweigert habe, die Minderbreite als Tatsache zu
anerkennen oder per Beweisabnahme abzuklären und einen Augenschein
durchzuführen, habe es dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör verweigert.

3.
Das Verwaltungsgericht verweist im angefochtenen Urteil auf zwei frühere
Entscheide von 1997 und 1998. Daraus gehe hervor, dass der Hergishaltenweg
lediglich das Grundstück des Beschwerdeführers erschliesse und vom
Verkehrsaufkommen her eine fast bedeutungslose Privatstrasse sei. Das
Einfamilienhaus des Beschwerdeführers werde seit dem Bau in den 1950er-Jahren
über diese Strasse erschlossen und geniesse - auch hinsichtlich der
Erschliessung - eine Bestandesgarantie. Im aktuellen Verfahren könne keine
Erschliessungshilfe gemäss § 41 PBG/SZ gewährt werden, weil diese nach der
Rechtsprechung nur in Frage komme, wenn sie zur Schaffung einer hinreichenden
Erschliessung und mithin zur Herbeiführung der Baureife für ein Drittgrundstück
erforderlich sei. Im zu beurteilenden Fall stelle aber die Behörde die
vorhandene Erschliessung nicht in Frage und es gehe nicht darum, die Baureife
des bereits überbauten Grundstücks herbeizuführen. Aus den Akten ergebe sich
eine Mindestbreite des Hergishaltenwegs von 2,5 m, so dass sich die
Erschliessungssituation seit dem Verwaltungsgerichtsentscheid von 1998 nicht
verändert habe. An der Feststellung von damals, wonach das Grundstück des
Beschwerdeführers mit kleineren Lastfahrzeugen erreichbar sei, könne
festgehalten werden.

4.
4.1 Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen
Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Nach der ständigen Praxis des
Bundesgerichts liegt Willkür in der Rechtsanwendung vor, wenn der angefochtene
Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in
klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz
krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken
zuwiderläuft. Das Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht
bloss die Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist; dass eine andere
Lösung ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht
(BGE 132 I 13 E. 5.1 S. 17 f.; 131 I 467 E. 3.1 S. 473 f., je mit Hinweisen).

4.2 § 41 PBG/SZ erlaubt dem Gemeinderat die Enteignung von Rechten zum Zwecke
der Mitbenützung bestehender Erschliessungsanlagen gegen volle Entschädigung.
Dies betrifft nach der Gesetzessystematik die Feinerschliessung von
Baugrundstücken. Die Erschliessungshilfe muss nach dem Wortlaut von § 41 Abs. 1
PBG/SZ "zumutbar und für eine landsparende oder zweckmässige technische Lösung
notwendig" sein.

§ 41 PBG/SZ ist eine Kann-Vorschrift, die den Gemeinderat zur
Erschliessungshilfe bloss ermächtigt, nicht aber verpflichtet. Die
Gesetzessystematik, d.h. die Einordnung der Vorschrift bei der
Feinerschliessung von Baugrundstücken, spricht für die Ansicht des
Verwaltungsgerichts, wonach ein bereits erschlossenes und seit Jahren bebautes
Grundstück - im Gegensatz zu einem Baugrundstück - keine Erschliessungshilfe
beanspruchen könne. Die Liegenschaft des Beschwerdeführers besteht seit rund 50
Jahren und ist über den Hergishaltenweg von Osten her zugänglich. Es ist nicht
willkürlich, wenn die Gemeinde das Enteignungsgesuch ablehnt, weil sie das
Grundstück als erschlossen und die Gewährung einer zusätzlichen Erschliessung
von Westen (Rainstrasse) her nicht notwendig erachtet. Allfällige Probleme mit
der bestehenden Erschliessung müssen nicht zwingend über eine zusätzliche
Erschliessung gelöst werden. Die zurückhaltende Handhabung der
Erschliessungshilfe, die für andere Fälle vorgesehen ist und stets mit einem
Eingriff ins Eigentum des Enteigneten verbunden ist, ist verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden. Die Rüge der willkürlichen Anwendung des kantonalen
Rechts ist unbegründet.

4.3 Ist aber die Ansicht haltbar, die Erschliessungshilfe betreffe nur
Baugrundstücke, wogegen das Grundstück des Beschwerdeführers seit langem
erschlossen sei, musste das Verwaltungsgericht keine weiteren Sachabklärungen
vornehmen. Das Verfahren der Erschliessungshilfe gemäss § 41 PBG/SZ findet nach
der haltbaren Ansicht des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Fall keine
Anwendung. Infolgedessen verletzt es kein Verfassungsrecht, wenn das
Verwaltungsgericht schliesst, dass sich weitere Sachabklärungen erübrigen. Die
Rügen der willkürlichen Sachverhaltsfeststellung und der Verletzung des
rechtlichen Gehörs sind unbegründet.

Aus den gleichen Gründen ist der Antrag auf Durchführung eines Augenscheins
durch das Bundesgericht abzuweisen.

5.
Der Beschwerdeführer stellt vor Bundesgericht den Antrag auf Durchführung einer
mündlichen Verhandlung. Es fehlt dazu in der Beschwerde jedoch jede Begründung.
Gemäss dem angefochtenen Entscheid hat der Vertreter des Beschwerdeführers am
12. Januar 2007 telefonisch auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung
im kantonalen Verfahren verzichtet. Diese Tatsachenfeststellung ist nicht
bestritten und für das Bundesgericht verbindlich (Art. 105 BGG). Im
bundesgerichtlichen Verfahren kann der Abteilungspräsident gemäss Art. 57 BGG
eine mündliche Parteiverhandlung anordnen. Dafür besteht bei der vorliegenden
Sachlage kein Grund. Da auch eine mündliche Urteilsberatung gemäss Art. 58 Abs.
1 BGG ausser Betracht fällt, entscheidet das Bundesgericht auf dem Weg der
Aktenzirkulation (Art. 58 Abs. 2 BGG).

6.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf überhaupt
eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG) und hat den privaten Beschwerdegegner für
das bundesgerichtliche Verfahren angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2
BGG). Der Gemeinderat Freienbach ist praxisgemäss nicht zu entschädigen, da er
im amtlichen Wirkungskreis obsiegt (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat den privaten Beschwerdegegner für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Freienbach, dem Regierungsrat
und dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz, Kammer III, schriftlich
mitgeteilt.
Lausanne, 22. April 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Thönen