Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.276/2007
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1C_276/2007

Urteil vom 27. November 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Gerber.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Baukommission der Gemeinde Lindau, Tagelswangerstrasse 2, 8315 Lindau,
Beschwerdegegnerin.

Baubewilligung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 18. Juli 2007
des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich,

1. Abteilung, 1. Kammer.
Sachverhalt:

A.
Mit Beschluss vom 22. Februar 2007 erteilte die Baukommission Lindau den
Eheleuten Y.________ die nachträgliche Baubewilligung für einen bereits
erstellten Hühner-Unterstand am Stationsweg in Tagelswangen (Kat.-Nr. 1243).

B.
Auf den hiergegen erhobenen Rekurs des Nachbarn X.________ (Eigentümer der
Parzellen Nrn. 1240 und 1241) trat die Baurekurskommission III am 16. Mai
2007 mit der Begründung nicht ein, dass dieser die Zustellung des
baurechtlichen Entscheids nicht innert der 20-tägigen Frist von § 315 Abs. 1
des Planungs- und Baugesetzes vom 7. September 1975 (PBG) verlangt habe,
weshalb sein Rekursrecht gemäss § 316 Abs. 1 PBG verwirkt sei.

C.
Dagegen führte X.________ Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich. Dieses wies die Beschwerde am 18. Juli 2007 ab.

D.
Gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid hat X.________ am 13. September
2007 "Rekurs" an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt, der angefochtene
Entscheid sei aufzuheben und die Sache sei zur Neubeurteilung an die Gemeinde
Lindau zurückzuweisen. Am 16. September 2007 reichte er einen Nachtrag zur
Beschwerdeschrift ein. Mit Schreiben vom 28. September 2007 machte er
Ausführungen zu einer an diesem Tag erfolgten Ortsbesichtigung der
Baukommission.

E.
Das Verwaltungsgericht beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit
darauf einzutreten sei. Die Baukommission der Gemeinde Lindau hat eine
Kurzvernehmlassung eingereicht, ohne formell Antrag zu stellen.

F.
In seiner Replik vom 20. Oktober 2007 hält der Beschwerdeführer an seinen
Anträgen fest.
Mit unaufgeforderten Eingaben vom 12. und 18. November 2007 machte der
Beschwerdeführer weitere Angaben und reichte Kopien seiner Korrespondenz mit
dem Gemeinderat Lindau ein.

Erwägung:

1.
Weil der angefochtene Entscheid nach dem Datum des Inkrafttretens des
Bundesgesetzes über das Bundesgericht (BGG, SR 173.110), dem 1. Januar 2007
(AS 2006, 1242), ergangen ist, untersteht die Beschwerde dem neuen Recht
(Art. 132 Abs. 1 BGG).

Gegen den angefochtenen, kantonal letztinstanzlichen Entscheid steht die
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich offen. Da
auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen vorliegen, ist auf die Beschwerde
- vorbehältlich rechtsgenügend begründeter Rügen (Art. 42 Abs. 2 i.V.m. Art.
106 Abs. 2 BGG) - in diesem Verfahren einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer wirft dem Verwaltungsgericht zunächst eine formelle
Rechtsverweigerung vor, weil es auf zahlreiche Rügen nicht eingetreten sei.
Es habe die umfangreichen Vorbringen des Beschwerdeführers zur Sache als "von
vornherein unbehelflich" bezeichnet und habe auch die Rügen betreffend zwei
weitere illegale Bauten auf dem Grundstück Nr. 1243 nicht behandelt.

Der Streitgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens war aufgrund der
angefochtenen Verfügung (Baubewilligung für den Hühner-Unterstand) und des
vorinstanzlichen Entscheids auf die Frage beschränkt, ob die
Baurekurskommission auf den Rekurs des Beschwerdeführers gegen die
Bewilligung des Hühner-Unterstands hätte eintreten müssen. Nachdem das
Verwaltungsgericht dies verneint hatte, durfte es Rügen "zur Sache", d.h. zur
Rechtmässigkeit der angefochtenen Baubewilligung, nicht mehr prüfen. Gleiches
gilt für die Rügen des Beschwerdeführers betreffend andere illegal erstellte
Grenzbauten: Diesbezüglich lag weder eine anfechtbare Verfügung der
Baukommission vor, noch hatte der Beschwerdeführer Rechtsverweigerungs- oder
-verzögerungsbeschwerde gegen eine allfällige Untätigkeit der kommunalen
Behörden in dieser Sache erhoben.

3.
Auch das Bundesgericht ist an den Streitgegenstand gebunden. Im Folgenden
sind daher nur diejenigen Rügen zu behandeln, die sich auf den
Nichteintretensentscheid der Baurekurskommission und dessen Bestätigung durch
das Verwaltungsgericht beziehen. Dabei kann das Bundesgericht Auslegung und
Anwendung des kantonalen Bau- und Verfahrensrechts nicht frei prüfen, sondern
nur unter dem Blickwinkel des Verfassungsrechts, namentlich des
Willkürverbots.

3.1 Das Verwaltungsgericht hielt den Einwand des Beschwerdeführers, der
Ablauf der Frist gemäss § 315 Abs. 1 PBG am 12. Januar 2007 könne ihm nicht
entgegengehalten werden, weil keine Visiere ausgesteckt worden seien, für
unbegründet: Bei Bauten, die ohne Bewilligung erstellt worden seien, müssten
keine Visiere mehr ausgesteckt werden, weil der Bau mit seinen Dimensionen
allfälligen Betroffenen bereits bekannt sei.

Der Beschwerdeführer hält den Verzicht auf Visiere weiterhin für
gesetzeswidrig, legt aber nicht dar, inwiefern die Erwägungen des
Verwaltungsgerichts das Willkürverbot oder andere Grundrechte verletzen.
Damit ist auf diese Rüge mangels genügender Begründung nicht einzutreten.

3.2 Weiter prüfte das Verwaltungsgericht, ob die Gemeindeverwaltung
verpflichtet gewesen sei, dem Beschwerdeführer das Baugesuch schriftlich
anzuzeigen oder ihn auf die Ausschreibung besonders hinzuweisen. Auch dies
verneinte das Verwaltungsgericht, weil der Beschwerdeführer keine Anzeige
gegen den ohne Bewilligung errichteten Hühner-Unterstand erstattet hatte;
eine Anzeige sei lediglich durch die Nachbarin Z.________ (Kat.-Nr. 1245)
erfolgt.

Der Beschwerdeführer macht dagegen geltend, er habe am 15. Januar 2007, im
Gespräch mit dem Bausekretär, vom nachträglichen Baugesuch erfahren und
dagegen protestiert; damit habe er ebenfalls Anzeige erstattet. Zu diesem
Zeitpunkt war jedoch die Frist gemäss § 315 PBG schon abgelaufen und somit
das Rekursrecht gegen den baurechtlichen Entscheid bereits verwirkt. Der
Beschwerdeführer legt auch nicht dar, weshalb die Gemeindebehörde
verpflichtet gewesen wäre, aufgrund seiner Anzeige vom 15. Januar 2007 ein
neues Bewilligungsverfahren und damit eine neue Frist gemäss § 315 PBG zu
eröffnen, obwohl bereits ein Baubewilligungsverfahren hängig war.

3.3 Das Verwaltungsgericht hielt schliesslich den Vorwurf für unbegründet,
der Bausekretär habe den drohenden Fristablauf treuwidrig verschwiegen, als
der Beschwerdeführer am 11. Januar 2007 habe vorsprechen wollen. Der
Beschwerdeführer habe den Bausekretär nicht auf den unbewilligten
Hühner-Unterstand angesprochen oder nach dem Stand eines allfälligen
Bewilligungsverfahrens gefragt, sondern einzig um einen Gesprächstermin
"wegen Grenzbauten" gebeten. Der streitbetroffene Hühner-Unterstand stehe
nicht an der Grenze zur Liegenschaft des Beschwerdeführers, weshalb der
Bausekretär habe annehmen dürfen, die vom Beschwerdeführer angesprochenen
Grenzbauten beträfen andere, an der Grenze zwischen den Liegenschaften
X.________ und Y.________, erstellte Kleinbauten.

Auch diese Erwägung lässt keine Willkür erkennen. Dabei spielt es keine
Rolle, ob der Bausekretär zum damaligen Zeitpunkt Kenntnis von den zwischen
dem Beschwerdeführer und den Nachbarn Y.________ streitigen Bauten und
Anlagen an der Grenze zwischen den Parzellen Nrn. 1243 und 1240 hatte oder
nicht. Entscheidend ist vielmehr, dass der Bausekretär keinen Anlass hatte,
den Anruf des Beschwerdeführers mit dem unbewilligten Hühner-Unterstand in
Verbindung zu bringen, und er deshalb auch nicht gehalten war, den Anrufer
auf die Ausschreibung des Bauvorhabens und den drohenden Fristablauf
aufmerksam zu machen.

3.4 Der Beschwerdeführer macht schliesslich geltend, aufgrund der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts müssten Nachbarn einer illegal
errichteten Baute stets damit rechnen, dass für diese irgendwann ein
Baugesuch ausgeschrieben werde, ohne dass dies durch Visiere angekündigt
werde. Die Nachbarn müssten deshalb jede einzelne Ausgabe des Amtsblattes
nach einem allfälligen Baugesuch absuchen, um die 20-tägige Frist gemäss §
315 PBG nicht zu verpassen. Dies sei unzumutbar.

Wie das Verwaltungsgericht dargelegt hat, steht es dem Nachbarn jedoch frei,
eine eigenmächtig erstellte Baute der Baubehörde anzuzeigen und dadurch ein
(nachträgliches) Bewilligungsverfahren in Gang zu setzen, in dem ihm die
öffentliche Bekanntmachung eines Baugesuchs i.d.R. schriftlich anzuzeigen
ist. Das Verwaltungsgericht hat auch erwogen, bereits die Anzeige eines ohne
Bewilligung ausgeführten Bauvorhabens als Begehren um Zustellung des
baurechtlichen Entscheids aufzufassen (E. 2.2 des angefochtenen Entscheids).
Aus den Akten geht hervor, dass der Beschwerdeführer schon im September 2006
Kenntnis von der unbewilligten Errichtung des Hühner-Unterstands hatte (vgl.
Brief des Beschwerdeführers an die Nachbarn Y.________ vom 27. September 2006
S. 6 f.). Wenn er es damals unterliess, Anzeige an die Baubehörde zu
erstatten, so nahm er in Kauf, an einem nachträglich eröffneten
baurechtlichen Verfahren nicht von Amtes wegen beteiligt zu werden, und sich
über das Amtsblatt informieren zu müssen.

4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten (Art. 65 f. BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Baukommission der Gemeinde
Lindau und dem Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 1. Abteilung, 1.
Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. November 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:

Aemisegger Gerber