Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.268/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_268/2007

Urteil vom 2. April 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Schoder.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Adrian Strütt,

gegen

Eidgenössische Spielbankenkommission,
Eigerplatz 1, 3003 Bern.

Gegenstand
Widerhandlung gegen das Spielbankengesetz und Entzug des guten Rufes,

Beschwerde gegen das Urteil vom 9. Juli 2007
des Bundesverwaltungsgericht, Abteilung II.

Sachverhalt:

A.
Im Rahmen eines Aufsichtsverfahrens vor der Eidgenössischen
Spielbankenkommission (ESBK) im August 2003 wurde X.________, Geschäftsführer
und Direktor des Casinos A.________ AG (nachfolgend: Casino), von Mitarbeitern
bezichtigt, an Glücksspielautomaten des Casinos gespielt und damit gegen das
Spielverbot verstossen zu haben.

Am 20. August 2003 erliess die ESBK eine superprovisorische Verfügung mit der
an das Casino gerichteten Weisung, X.________ unverzüglich in seiner Funktion
als Geschäftsführer zu suspendieren. Im Verteiler der Verfügung war X.________
nicht aufgeführt.

Das Casino kündigte tags darauf den Arbeitsvertrag mit X.________ mit
sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund.

Die ESBK erliess am 12. September 2003 eine verfahrensleitende Verfügung, mit
welcher sie X.________ als Beigeladenen mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör
am Verfahren teilnehmen liess.

X.________ stellte vor der ESBK in Abrede, selbst gespielt zu haben. Er habe
lediglich interessierten Spielern auf deren ausdrücklichen Wunsch hin die
Starttaste der Geldspielautomaten gedrückt.

Mit Urteil vom 27. September 2004 sprach das Kreisgericht Werdenberg-Sargans
X.________ vom Vorwurf der Verletzung von Art. 56 Abs. 1 lit. g des
Bundesgesetzes über Glücksspiele und Spielbanken (Spielbankengesetz, SBG; SR
935.52) frei. Die Strafkammer des Kantonsgerichts St. Gallen bestätigte den
Freispruch mit Urteil vom 22. November 2005. Dieses Urteil erwuchs in
Rechtskraft.

In der Folge schrieb die ESBK das Verwaltungsverfahren gegen das Casino in
Sachen Suspendierung von X.________ mit Verfügung vom 26. Juni 2006 mit der
Begründung als gegenstandslos ab, das Arbeitsverhältnis sei gekündigt worden,
und X.________ verfüge am Erlass eines Sachentscheids über kein
Rechtsschutzinteresse mehr.

X.________ beschwerte sich gegen die Verfügung vom 26. Juni 2006 (Abschreibung
des Verwaltungsverfahrens) und die Verfügung vom 20. August 2003 (Anweisung der
Suspendierung) der ESBK bei der Eidgenössischen Rekurskommission für
Spielbanken und beantragte, die Verfügungen seien aufzuheben und seine
Suspendierung als Casino-Direktor sei zurückzunehmen. Weiter sei er vom Vorwurf
der Widerhandlung gegen das Spielbankengesetz freizusprechen, und es sei die
ESBK anzuweisen, ihm den aberkannten guten Ruf wiederherzustellen, unter
Kosten- und Wiedergutmachungsfolgen.

Am 5. Februar 2007 zeigte das Bundesverwaltungsgericht den Parteien an, dass
die Eidgenössische Rekurskommission für Spielbanken durch dasselbe ersetzt
worden war.

Mit Urteil vom 9. Juli 2007 hiess das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde
insofern gut, soweit es darauf eintrat, als Ziffer 1 des Dispositivs der
Abschreibungsverfügung der Eidgenössischen Spielbankenkommission vom 26. Juni
2006 aufgehoben wird. Im Übrigen wies es die Beschwerde ab (Ziffer 1). Weiter
stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass X.________ gegen das
Spielverbot laut Art. 21 SBG verstossen und damit spielbankenrechtliche
Vorschriften verletzt hat (Ziffer 2).

B.
X.________ hat gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts beim
Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erhoben. Er
beantragt, es sei Ziffer 2 des Dispositivs des Urteils des
Bundesverwaltungsgerichts aufzuheben und festzustellen, dass er nicht gegen
Art. 21 des Spielbankengesetzes verstossen habe. Eventuell sei die Sache zu
neuer Beurteilung an das Bundesverwaltungsgericht zurückzuweisen.

C.
Das Bundesverwaltungsgericht hat auf Vernehmlassung verzichtet. Die ESBK
beantragt Beschwerdeabweisung. X.________ liess sich unter Aufrechterhaltung
seiner Anträge nochmals vernehmen.

Erwägungen:

1.
Beim angefochtenen Urteil handelt es sich um einen Endentscheid des
Bundesverwaltungsgerichts (Art. 86 Abs. 1 lit. a, Art. 90 BGG). Es betrifft die
Feststellung einer Verletzung des Bundesgesetzes über Glücksspiele und
Spielbanken (Spielbankengesetz, SBG; SR 935.52), d.h. eine
öffentlich-rechtliche Angelegenheit im Sinne von Art. 82 lit. a BGG. Ein
Ausschlussgrund gemäss Art. 83 BGG liegt nicht vor. Der Beschwerdeführer ist
zur Beschwerde legitimiert, da er am Verfahren vor der Vorinstanz als Partei
teilgenommen hat, als Adressat des Urteils besonders berührt ist und ein
schutzwürdiges Interesse an der Aufhebung von Ziffer 2 des Urteilsdispositivs
hat, worin festgestellt wird, dass er gegen das Spielbankengesetz verstossen
habe (Art. 89 Abs. 1 BGG). Da das Bundesgericht im Falle der Gutheissung der
Beschwerde kassatorisch oder reformatorisch entscheidet (Art. 107 Abs. 2 BGG),
ist der auf Änderung des Feststellungsentscheids des Bundesverwaltungsgerichts
lautende Antrag zulässig. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten ist damit gegeben.

2.
2.1 Gemäss dem angefochtenen Urteil wurde das Verwaltungsverfahren nach
Eintritt der Rechtskraft des Strafurteils, mit welchem der Beschwerdeführer vom
Vorwurf des Verstosses gegen Art. 56 Abs. 1 lit. g SBG freigesprochen wurde, zu
Unrecht als gegenstandslos abgeschrieben. Der Beschwerdeführer habe ein
aktuelles praktisches Interesse an der Wiederherstellung seines guten Rufs
gehabt, welcher ihm in der superprovisorischen Verfügung vom 20. August 2003
von der ESBK explizit aberkannt wurde. Die ESBK hätte demzufolge einen
Sachentscheid fällen müssen, der die Frage geklärt hätte, ob der
Beschwerdeführer gegen das Spielbankengesetz verstossen und die Suspendierung
gerechtfertigt gewesen sei. Aus verfahrensökonomischen Gründen werde die Sache
durch das Bundesverwaltungsgericht reformatorisch entschieden.

In der genannten materiellrechtlichen Frage vertritt das
Bundesverwaltungsgericht die Auffassung, der Beschwerdeführer habe sich nicht
an das in Art. 21 SBG enthaltene Spielverbot gehalten. Im
Verwaltungsstrafverfahren sei lediglich geprüft worden, ob sich der
Beschwerdeführer wegen des Verstosses gegen das Spielverbot der Übertretung
laut Art. 56 Abs. 1 lit. g SBG schuldig gemacht habe. Der Freispruch ändere
nichts daran, dass der Beschwerdeführer als Casino-Direktor dem Spielverbot
unterstanden habe, welches der Sicherung eines geordneten Spielbetriebs diene.
Es sei aktenkundig und der Beschwerdeführer habe selbst zugegeben, an den
Glücksspielgeräten manipuliert zu haben. Der Verstoss gegen das Spielverbot
erfordere gemäss Art. 50 SBG zwingend verwaltungsrechtliche Massnahmen. Die
ESBK sei zur Anordnung der Suspendierung des Beschwerdeführers daher befugt
gewesen. Auch sei die angeordnete Massnahme als verhältnismässig zu betrachten.

2.2 Der Beschwerdeführer vertritt dagegen den Standpunkt, er werde zu Unrecht
einer spielähnlichen Handlung beschuldigt. Des Weitern hält er daran fest, dass
die Suspendierung in Anbetracht des minimalen Fehlers eine unverhältnismässige
Massnahme darstelle.

2.3 Gemäss Entscheid vom 22. November 2005 der Strafkammer des Kantonsgerichts
St. Gallen (E. 3 S. 4) ist vom folgenden, vom Beschwerdeführer nicht
bestrittenen Sachverhalt auszugehen: Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, als
Angestellter bzw. Organ des Casinos in Kenntnis des Spielverbots von Art. 21
SBG im Zeitraum von Juni bis 21. August 2003 wiederholt an Geldspielautomaten
des Casinos die Play-Tasten gedrückt zu haben. Allein am 22. Juli 2003
betätigte er zwischen 23.40 und 23.48 Uhr ungefähr vierzig Mal den Startknopf
zweier Glücksspielautomaten. Der Beschwerdeführer behauptet allerdings, die
Play-Tasten im Auftrag einer Spielerin betätigt zu haben. Diese habe den
Einsatz bezahlt, und er habe ihr bloss geholfen, ihr Geld zu verspielen. Es
habe klar festgestanden, dass ein allfälliger Gewinn nicht ihm, sondern der
Spielerin zugefallen wäre. Die betreffende Spielerin bestätigte diese
Darstellung des Beschwerdeführers anlässlich ihrer Befragung als Zeugin im
Strafverfahren.

2.4 Art. 21 SBG umschreibt den Kreis der Personen, die einem Spielverbot
unterliegen. Dabei können drei Kategorien unterschieden werden: Die erste
Kategorie ist sozialpolitisch motiviert; Personen unter 18 Jahren und Personen,
gegen die eine Spielsperre besteht, sollen nicht spielen dürfen (Art. 21 Abs. 1
lit. a und b SBG). Die zweite Kategorie betrifft die Mitglieder der Kommission
und des Sekretariats der Kommission (Art. 21 Abs. 1 lit. c SBG). Zur dritten
Kategorie gehören sämtliche Personen, die einen wesentlichen Einfluss auf
Führung und Betrieb des Spielbankunternehmens ausüben können (Art. 21 Abs. 1
lit. d-f und Abs. 2 SBG).

Der Beschwerdeführer war als Direktor/Geschäftsführer bei der Spielbank
angestellt. In dieser Stellung unterstand er unbestrittenermassen dem
Spielverbot nach Art. 21 Abs. 1 lit. d resp. f und Art. 21 Abs. 2 lit. a SBG.

Das Spielverbot für Organe und Angestellte des Spielbankunternehmens gemäss
Art. 21 Abs. 1 lit. d-f und Abs. 2 lit. a SBG ist im Zusammenhang mit Art. 2
Abs. 1 lit. a SBG auszulegen, wonach das Spielbankengesetz einen sicheren und
transparenten Spielbetrieb gewährleisten soll. Mit dem Spielverbot soll jeder
Anschein der Beeinflussung des Spiels ausgeschlossen werden (vgl. die Botschaft
zum Bundesgesetz über das Glücksspiel und über die Spielbanken
[Spielbankengesetz, SBG] vom 26. Februar 1997, BBl 1997 III 145 ff., 178).
Unerheblich ist deshalb, ob eine Beeinflussung des Geldspielautomaten
tatsächlich möglich gewesen wäre. Der Anschein der Beeinflussung durch die
Teilnahme am Spielbetrieb genügt bereits.

Gemäss Art. 29 Abs. 1 der Verordnung des EJPD vom 24. September 2004 über
Überwachungssysteme und Glücksspiele, (Glücksspielverordnung, GSV; SR
935.521.21) beginnt ein Spiel am Glücksspielautomaten mit dessen Auslösung
durch die Spielerinnen oder Spieler nach Leistung eines Einsatzes und endet mit
dem Entscheid über Gewinn oder Verlust, bevor ein Einsatz für ein neues Spiel
geleistet werden muss.

Im vorliegenden Fall betätigte der Beschwerdeführer die Play-Tasten des
Geldspielautomaten für eine Kundin des Casinos und löste damit das Spiel aus.
Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, der Kundin lediglich das
Funktionieren des Geldspielautomaten erklärt und durch das Drücken der
Play-Taste vorgezeigt zu haben. Im Gegenteil gibt er zu, dass es darum ging,
einen Gewinn zu erzielen, wenn dieser auch nicht ihm, sondern der Kundin
zugeflossen wäre. Damit hat der Beschwerdeführer aber im Sinne von Art. 29 Abs.
1 GSV am Glücksspiel teilgenommen. Ob der Einsatz, mit dem er spielte, aus
seiner eigenen oder einer fremden Tasche stammte, kann unter dem Blickwinkel
der Zielsetzung von Art. 21 Abs. 1 lit. d-f und Abs. 2 lit. a SBG, jeden
Anschein der Beeinflussung des Spiels durch Angestellte und Organe des
Spielbankunternehmens zu vermeiden, keine Rolle spielen.

Die Feststellung der Vorinstanz, der Beschwerdeführer habe gegen das
Spielverbot von Art. 21 Abs. 1 lit. d resp. lit. f SBG verstossen, ist somit
nicht bundesrechtswidrig.

2.5 Ob die Suspendierung des Beschwerdeführers verhältnismässig war, ist nicht
zu prüfen, da diese Frage auf den vor Bundesgericht gestellten Antrag auf
Feststellung, der Beschwerdeführer habe nicht gegen das Spielbankengesetz
verstossen, keinen Einfluss hat. Im Übrigen wäre die Verhältnismässigkeit der
Massnahme zu bejahen.

Die ESBK war gestützt auf Art. 50 Abs. 1-3 SBG ohne weiteres befugt, das Casino
anzuweisen, den Beschwerdeführer in seiner Funktion als Direktor/
Geschäftsführer zu suspendieren. Die Suspendierung eines mutmasslich fehlbaren
Mitarbeiters stellt nichts Ungewöhnliches dar. Eine Verwarnung des
Beschwerdeführers als mildere Massnahme kam im Zeitpunkt der Suspendierung
nicht in Frage, da die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zuerst hätten abgeklärt
werden müssen. Mit der Kündigung des Anstellungsverhältnisses kam das Casino
dem administrativen Untersuchungsverfahren der ESBK zuvor. Die Anordnung der
Suspendierung des Beschwerdeführers durch die ESBK war damit aber nicht
unverhältnismässig.

3.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist
demzufolge abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Ausgangsgemäss hat der
Beschwerdeführer die Gerichtskosten zu tragen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Eidgenössischen
Spielbankenkommission und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung II,
schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 2. April 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Féraud Schoder