Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.252/2007
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_252/2007

Sitzung vom 5. März 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb, Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiber Thönen.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Federspiel,

gegen

Sicherheitsdirektion des Kantons Zürich, Neumühlequai 10, Postfach, 8090
Zürich.

Gegenstand
Lohnfortzahlung,

Beschwerde gegen den Entscheid vom 27. Juni 2007
des Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich,
4. Abteilung, 4. Kammer.

Sachverhalt:
A.
Der 1961 geborene X.________ wurde ab 1991 von verschiedenen Gerichten und
Behörden als Dolmetscher und Übersetzer auf Abruf beigezogen, unter anderem von
der Fremdenpolizei (heute: Migrationsamt, Abteilung Asyl) des Kantons Zürich
und vom Bundesamt für Flüchtlinge (heute: für Migration).
B.
Seit 1996 arbeitete X.________ für die Kantonspolizei Zürich im Bereich der
Telefonkontrolle. Zwischen 1996 und 1999 erhielt er für diese Einsätze
jährliche Brutto-Vergütungen zwischen Fr. 297.50 und Fr. 8'660.--. Ab dem Jahr
2000 erzielte X.________ bei der Kantonspolizei folgende Brutto-Erträge:
2000 Fr. 173'020.50, 2'051 Stunden
2001 Fr. 285'920.85, 3'939 Stunden
2002 Fr. 201'710.55, 2'827 Stunden
2003 Fr. 200'422.75, 2'922 Stunden
2004 Fr. 55'959.80, 737 Stunden, Januar bis März
Am 3. März 2004 teilte X.________ der Kantonspolizei unter Beilage eines
Arztzeugnisses mit, er sei wegen schwerer Erkrankung bis auf weiteres nicht
arbeitsfähig und verlange die üblichen Lohnfortzahlungen.
C.
Mit Verfügung vom 26. Juli 2004 stellte die Direktion für Soziales und
Sicherheit (heute: Sicherheitsdirektion) des Kantons Zürich fest, das
Rechtsverhältnis aus der Beschäftigung von X.________ bei der Kantonspolizei
Zürich sei als Auftragsverhältnis zu qualifizieren und die Arbeitsunfähigkeit
seit dem 3. März 2004 begründe keine Lohnfortzahlungspflicht.

Mit Entscheid vom 6. September 2006 wies der Regierungsrat des Kantons Zürich
den Rekurs von X.________ ab.

Mit Entscheid vom 27. Juni 2007 wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich
die Beschwerde von X.________ ab. Das Rechtsverhältnis sei infolge weitgehend
fehlender Subordination kein Arbeitsverhältnis.
D.
Mit Eingabe vom 3. September 2006 (richtig: 2007) führt X.________ Beschwerde
an das Bundesgericht. Er beantragt, der Entscheid des Verwaltungsgerichts vom
27. Juni 2007 und damit auch jene des Regierungsrates vom 6. September 2006 und
der Direktion für Soziales und Sicherheit vom 26. Juli 2004 seien aufzuheben.
Es sei festzustellen, dass das Rechtsverhältnis aus der Beschäftigung des
Beschwerdeführers bei der Kantonspolizei als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren
ist. Die Kantonspolizei sei zur gesetzlichen Lohnfortzahlung (12 Monate voller
Lohn von monatlich durchschnittlich Fr. 18'340.--) seit dem 3. März 2004
(Eintritt der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit) zu verpflichten.
Eventualiter sei das Verfahren bis zur Klärung des
sozialversicherungsrechtlichen Status zu sistieren. Ausserdem stellt X.________
ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
E.
Das Verwaltungsgericht schliesst auf Abweisung des Sistierungsgesuchs und
verzichtet im Übrigen auf eine Vernehmlassung. Die Sicherheitsdirektion
beantragt die Abweisung der Beschwerde.
F.
Das Bundesgericht hat den Fall anlässlich der öffentlichen Sitzung vom 5. März
2008 beraten.

Erwägungen:
1.
Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1
BGG). Es untersucht deshalb grundsätzlich von Amtes wegen, ob und inwiefern auf
eine Beschwerde eingetreten werden kann (BGE 133 II 249 E. 1.1 S. 251). Der
Entscheid des Verwaltungsgerichts, einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86
Abs. 1 lit. d BGG), betrifft ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis und
daher eine Angelegenheit im Sinne von Art. 82 lit. a BGG. Der Beschwerdeführer
macht eine Forderung von rund 220'000 Franken geltend. Es handelt sich um eine
vermögensrechtliche Angelegenheit (Art. 83 lit. g BGG) und die Streitwertgrenze
von 15'000 Franken ist überschritten (Art. 85 Abs. 1 lit. b BGG). Die I.
öffentlich-rechtliche Abteilung des Bundesgerichts ist zur Behandlung der
Beschwerde zuständig (Art. 29 Abs. 1 lit. g Reglement für das Bundesgericht vom
20. November 2006, SR 173.110.131). Auf die rechtzeitig eingelegte Beschwerde
ist einzutreten.
2.
Das Verwaltungsgericht erachtet die Weigerung zur Leistung von
Lohnfortzahlungen gemäss Verfügung der Sicherheitsdirektion vom 26. Juli 2004
als personalrechtliche Anordnung, weshalb das Anfechtungsverfahren offen stehe.
Es handle sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, da die Einsätze des
Beschwerdeführers im Rahmen einer Gerichts- bzw. Verwaltungstätigkeit
staatlicher bzw. hoheitlicher Natur erfolgt seien.

Ein Arbeitsverhältnis im Sinne des kantonalen Personalrechts sei anzunehmen,
wenn in analoger Anwendung des Zivilrechts ein Arbeitsverhältnis vorliege. Zwar
sei die Tätigkeit des Dolmetschers gemäss kantonaler Dolmetscherverordnung vom
26./27. November 2003 als Auftrag ausgestaltet, bei gegenseitiger Zustimmung
zum Dolmetscher- oder Übersetzereinsatz entstehe in diesem Umfang aber ein
öffentlich-rechtliches Vertragsverhältnis zwischen der Behörde und dem
Dolmetscher, worauf die Bestimmungen des Obligationenrechts über den Auftrag
sinngemäss anwendbar seien. Massgeblich für die rechtliche Qualifikation sei
die tatsächliche Ausgestaltung der Rechtsbeziehung. Die Behörde habe den
Beschwerdeführer immer wieder von Neuem mündlich für die Übernahme von
Einsätzen angefragt. Die konkrete Präsenzzeit bzw. die Verfügbarkeit an
Wochenenden seien jeweils mit dem verfahrensführenden Sachbearbeiter
abgesprochen worden. Der Beschwerdeführer hätte diese Anfragen jeweils ablehnen
können. Dieser Umstand spreche für ein Auftragsverhältnis. Die
sozialversicherungsrechtliche Behandlung (Sozialabzüge, fehlende Regelung des
Ferienanspruchs) sei für die Rechtsnatur des Vertragsverhältnisses nicht
massgebend. Es bestünden keine Hinweise für eine Überwachung von Präsenz- oder
Arbeitszeit. Weisungen und Kontrollmechanismen hätten keine bestanden. Der
Beschwerdeführer sei in Gestaltung und Ausübung seiner Tätigkeit weitgehend
frei gewesen. Das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses sei infolge weitgehend
fehlender Subordination zu verneinen. Daher bestehe kein Anspruch auf
Lohnfortzahlung und es könne offen bleiben, ob ein Auftrag oder ein Werkvertrag
vorliege.
3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei während vier Jahren ausschliesslich
für den Kanton Zürich tätig gewesen. Es liege eine Unterordnung hinsichtlich
Arbeitszeit und -organisation vor, die auf eine unselbständige Tätigkeit
schliessen lasse. Er habe ausschliesslich in den Räumlichkeiten des Kantons
gearbeitet und er sei nach einer einheitlichen Tarifstruktur innerhalb eines
vom Kanton festgelegten Rahmens entschädigt worden. Es hätten Weisungen
bestanden, da er strafrechtlich auf das Amtsgeheimnis und auf richtige
Übersetzung verpflichtet worden sei. Der Kanton habe insbesondere bestimmt,
dass der Beschwerdeführer im Bereich der Telefonkontrolle eingesetzt werde. Die
Verneinung eines Subordinationsverhältnisses sei willkürlich. Überdies sei es
widersprüchlich und treuwidrig, dass eine selbständige Tätigkeit hinsichtlich
der Sozialabgaben verneint, hinsichtlich des Personalrechts aber bejaht werde.
4.
Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen Organen
ohne Willkür behandelt zu werden. Nach der ständigen Praxis des Bundesgerichts
liegt Willkür in der Rechtsanwendung vor, wenn der angefochtene Entscheid
offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Das
Bundesgericht hebt einen Entscheid jedoch nur auf, wenn nicht bloss die
Begründung, sondern auch das Ergebnis unhaltbar ist; dass eine andere Lösung
ebenfalls als vertretbar oder gar zutreffender erscheint, genügt nicht (BGE 132
I 13 E. 5.1 S. 17 f.; 131 I 467 E. 3.1 S. 473 f., je mit Hinweisen).
5.
5.1 In tatsächlicher Hinsicht besteht Einigkeit über Dauer und Umfang der
Tätigkeit des Beschwerdeführers. Streitig ist jedoch das Bestehen eines
Arbeitsverhältnisses. Das Rechtsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und
dem Kanton untersteht nach den Ausführungen des Verwaltungsgerichts dem
kantonalen öffentlichen Recht. Das Obligationenrecht wurde ergänzend und
sinngemäss herangezogen; es gilt daher als subsidiäres öffentliches Recht des
Kantons Zürich. Das Bundesgericht kann die Verletzung kantonalen Rechts nur
insoweit prüfen, als in der Beschwerde entsprechende Verfassungsrügen erhoben
werden. Die Einschränkung der Beschwerdegründe hinsichtlich des kantonalen
Rechts ergibt sich aus Art. 95 BGG, die Rüge- und Begründungspflicht aus Art.
106 Abs. 2 i.V.m. Art. 42 Abs. 2 BGG (Urteile 1C_68/2007 vom 14. September 2007
E. 2.3 sowie 1C_195/2007 vom 17. Dezember 2007 E. 4).
5.2 Gemäss Lehre und Rechtsprechung zum Privatrecht entscheidet sich aufgrund
einer Gesamtbeurteilung des Rechtsverhältnisses und einer Mehrzahl von
Kriterien, ob ein Arbeitsverhältnis vorliegt. Für das Vorliegen eines
Arbeitsvertrags sprechen im Einzelnen folgende Merkmale: rechtliche
Subordination, wirtschaftliche Abhängigkeit des Beschäftigten, fixes Gehalt,
Sozialabzüge, Dauer des Rechtsverhältnisses, Vereinbarungen betreffend
Ferienanspruch, Probezeit und Konkurrenzverbot sowie der Umstand, dass der
Betrieb Werkzeug, Material und Arbeitsräume zur Verfügung stellt (Wolfgang
Portmann, Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 4. Auflage, Basel 2007, Rz. 14
ff. zu Art. 319 OR; Adrian Staehelin, Zürcher Kommentar, 4. Auflage, Zürich
2006, Rz. 32 f. zu Art. 319 OR).
5.3 Das Verwaltungsgericht qualifizierte das vorliegend zu beurteilende
Rechtsverhältnis zwischen dem Beschwerdeführer und dem Kanton als Auftrag. Es
begründete seinen Standpunkt im Wesentlichen damit, dass die Arbeitseinsätze
des Beschwerdeführers stets neu ausgehandelt wurden und dass kein
Subordinationsverhältnis bestand, dies mangels Weisungen und Kontrollen,
namentlich mangels Arbeitszeit- und Präsenzkontrollen und mangels
Mitarbeiterbeurteilungen. Dagegen mass das Verwaltungsgericht den Kriterien der
wirtschaftlichen Abhängigkeit des Beschwerdeführers, der ausschliesslich für
den Kanton tätig war, der vierjährigen Dauer der Tätigkeit, den Sozialabzügen
und der Benützung der Arbeitsräume des Kantons keine entscheidende Bedeutung
bei.

Im vorliegenden Fall kommen die bundesrechtlichen Abgrenzungskriterien des
Arbeitsverhältnisses lediglich als subsidiäres öffentliches Recht des Kantons
zum Tragen (E. 5.1 hiervor), weshalb die Anwendung des kantonalen Rechts nur
auf Willkür zu untersuchen ist. Im Unterschied zu einer Appellationsinstanz
kann das Bundesgericht den angefochtenen Entscheid nicht mit voller Kognition
überprüfen. Eine Gutheissung der Beschwerde kommt nur in Betracht, wenn der
angefochtene Entscheid schlechterdings unhaltbar ist (hiervor E. 4). Unter
diesem eingeschränkten Blickwinkel betrachtet, erweist sich das angefochtene
Urteil als haltbar. Das Verwaltungsgericht hat das Rechtsverhältnis anhand
rechtlich zutreffender Kriterien beurteilt und ist zu einem nachvollziehbaren
Ergebnis gelangt. Die Willkürrüge ist unbegründet.
5.4 Da das angefochtene Urteil unabhängig vom sozialversicherungsrechtlichen
Status des Beschwerdeführers Bestand hat, ist das Sistierungsgesuch abzuweisen.
6.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang
wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Da jedoch sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung
bewilligt wird (Art. 64 BGG), sind keine Gerichtskosten zu erheben. Der
Vertreter des Beschwerdeführers ist aus der Bundesgerichtskasse zu
entschädigen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird bewilligt.
3.
Es werden für das Verfahren vor Bundesgericht keine Gerichtskosten erhoben.
4.
Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Rechtsanwalt Jürg Federspiel, wird aus der
Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'000.-- ausgerichtet.
5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Sicherheitsdirektion und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 4. Abteilung, 4. Kammer, schriftlich
mitgeteilt.
Lausanne, 5. März 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Thönen