Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.231/2007
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1C_231/2007 /fun

Urteil vom 14. November 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Reeb, Eusebio,
Gerichtsschreiber Thönen.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard
Zollinger,

gegen

Bundesamt für Migration, Quellenweg 6, 3003 Bern.

Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil vom 7.
Juni 2007 des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung III.

Sachverhalt:

A.
X. ________ (geboren 1961) reiste am 13. April 1991 in die Schweiz ein. Sein
Asylgesuch wurde vom Bundesamt für Flüchtlinge (heute: Bundesamt für
Migration) am 19. Juli 1994 abgelehnt, und er wurde aufgefordert, die Schweiz
bis zum 15. November 1994 zu verlassen.

Am 16. September 1994 heiratete er die Schweizer Bürgerin Y.________.
Gestützt auf diese Ehe reichte er am 16. September 1997 ein Gesuch um
erleichterte Einbürgerung ein. Am 21. Januar 1999 unterzeichneten die
Ehegatten eine gemeinsame Erklärung, wonach sie in einer tatsächlichen,
stabilen ehelichen Gemeinschaft zusammenleben würden und weder Trennungs-
noch Scheidungsabsichten hätten. X.________ wurde am 7. Mai 1999 erleichtert
eingebürgert.

Die Ehe wurde am 4. September 2001 geschieden. Am 30. April 2002 heiratete
X.________ die nigerianische Staatsangehörige Z.________, mit der er drei
Kinder hat (geboren 1990, 1995 und 2000).

B.
Am 19. Februar 2002 leitete das Bundesamt für Ausländerfragen (heute:
Bundesamt für Migration) gegen X.________ ein Verfahren betreffend
Nichtigerklärung der erleichterten Einbürgerung ein. Am 30. März 2004
erteilte das Gemeindeamt des Kantons Zürich auf Gesuch des Bundesamts für
Migration vom 24. März 2004 die Zustimmung zur Nichtigerklärung der
erleichterten Einbürgerung.

Mit Verfügung vom 16. April 2004 erklärte das Bundesamt für Migration die
erleichterte Einbürgerung von X.________ für nichtig.

C.
Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde von X.________ mit Urteil
vom 7. Juni 2007 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, er habe mit Frau
Z.________ (seiner heutigen Gattin) drei Kinder, die beiden jüngeren habe er
während der Ehe mit Frau Y.________ gezeugt. Die beiden älteren habe er im
Einbürgerungsverfahren verschwiegen. Aufgrund des Ereignisablaufs sei zu
vermuten, dass er seinen familiären Schwerpunkt stets bei Frau Z.________ und
den gemeinsamen Kindern behalten habe, dass er mit Frau Y.________ keine
wirkliche Ehe habe führen wollen und dies im Einbürgerungsverfahren
wissentlich verschwiegen habe. Daher sei es hinreichend erstellt, dass er die
erleichterte Einbürgerung erschlichen habe.

D.
Mit Eingabe vom 20. August 2007 führt X.________ Beschwerde an das
Bundesgericht und beantragt, die erfolgte Einbürgerung sei ordnungsgemäss zu
belassen, die Zeugenbefragung mit der früheren Schweizer Ehefrau sei, unter
Gewährung des Teilnahme- und Fragerechts, zu wiederholen, und es sei seine
heutige Ehefrau zu befragen. Er rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs
und der Abklärungspflicht. Er macht geltend, der Beweis für den Umstand, dass
die Einbürgerung erschlichen worden sei, werde nicht erbracht, und die
Fünf-Jahres-Frist für die Nichtigerklärung der Einbürgerung sei überschritten
worden.

E.
Das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesamt für Migration haben auf eine
Vernehmlassung verzichtet.

Mit Präsidialverfügung vom 5. September 2007 wurde der Beschwerde die
aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Auf das Beschwerdeverfahren ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG, SR 173.110) anwendbar (siehe Art.
132 Abs. 1 BGG). Die Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (Art. 82 lit. a BGG) des
Bundesverwaltungsgerichts (Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG). Die Ausnahme der
ordentlichen Einbürgerungen gemäss Art. 83 lit. b BGG erstreckt sich nicht
auf die Nichtigerklärung der Einbürgerung, es sind auch keine weiteren
Ausnahmen vom Beschwerderecht gemäss Art. 83 BGG gegeben.

Die I. öffentlich-rechtliche Abteilung ist zur Beurteilung von Beschwerden,
die das Bürgerrecht betreffen, zuständig (Art. 29 Abs. 1 lit. f Reglement für
das Bundesgericht vom 20. November 2006, SR 173.110.131).

2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, weil er
an der Einvernahme seiner früheren Ehefrau vom 25. November 2003 nicht
anwesend war.

2.2 Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien in Verfahren vor Gerichts-
und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf rechtliches Gehör. Daraus fliesst nach
Massgabe der einschlägigen Rechtsprechung u.a. das Recht des Betroffenen, an
der Erhebung wesentlicher Beweise entweder mitzuwirken oder sich zumindest
zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses geeignet ist, den Entscheid zu
beeinflussen. Dem Mitwirkungsrecht entspricht die Pflicht der Behörde, die
Argumente und Verfahrensanträge der Partei entgegenzunehmen und zu prüfen
sowie die ihr rechtzeitig und formrichtig angebotenen Beweismittel
abzunehmen, es sei denn, diese beträfen eine nicht erhebliche Tatsache oder
seien offensichtlich untauglich, über die streitige Tatsache Beweis zu
erbringen (BGE 126 I 15 E. 2a/aa S. 16; 124 I 241 E. 2 S. 242; 117 Ia 262 E.
4b S. 268 f.).
2.3 Wie das Bundesverwaltungsgericht darlegt, wurde den Einwänden des
Beschwerdeführers dadurch Rechnung getragen, dass die Befragung seiner
früheren Ehefrau vom 25. November 2003 nicht berücksichtigt wurde.
Stattdessen wurde auf Erkenntnisse aus den Akten des Scheidungs- und
Einbürgerungsverfahrens abgestellt. Dabei hat sich gezeigt, dass das
Aktenmaterial als Beleg für die Nichtigerklärung der Einbürgerung ausreicht
und dass auf die Erkenntnisse der Einvernahme vom 25. November 2003 nicht
zugegriffen werden muss. Die Einvernahme vom 25. November 2003 hat das
angefochtene Urteil nicht beeinflusst; die Rüge der Gehörsverletzung geht
daher fehl.

2.4 Soweit die Gehörsrüge im Zusammenhang mit dem Verzicht auf die Befragung
der heutigen Ehefrau steht, und soweit der Beschwerdeführer über das bereits
Behandelte eine Verletzung der Abklärungspflicht rügt, fehlt in der
Beschwerde eine Begründung. Gemäss Art. 106 Abs. 2 und Art. 42 Abs. 2 BGG ist
auf diese Vorbringen nicht einzutreten.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, der Beweis dafür, dass die
Einbürgerung erschlichen worden wäre, werde nicht erbracht. Die Beweislast
liege bei der Behörde. Selbst die Vorinstanz gehe lediglich davon aus, dass
"gewichtige Indizien" für ein Erschleichen der Einbürgerung vorliegen würden.
Indizien stellten aber keinen Beweis dar.

3.2 Voraussetzung für die Nichtigerklärung nach Art. 41 Abs. 1 BüG ist, dass
die Einbürgerung durch falsche Angaben oder Verheimlichung erheblicher
Tatsachen erschlichen worden ist. Die erleichterte Einbürgerung setzt gemäss
Art. 27 Abs. 1 lit. c BüG u.a. voraus, dass der Gesuchsteller seit drei
Jahren in ehelicher Gemeinschaft mit einem Schweizer Bürger bzw. einer
Schweizer Bürgerin lebt. Verlangt wird nach der Rechtsprechung eine
tatsächliche Lebensgemeinschaft, d.h. dass der Wille der Ehegatten zu einer
stabilen ehelichen Gemeinschaft intakt ist (BGE 130 II 482 E. 2 S. 484; 128
II 97 E. 3a S. 99). Es muss somit der Wille des Betroffenen erkundet werden.
Um diesen "inneren" Sachverhalt zu ermitteln muss die Behörde notgedrungen
auf "äussere" Umstände abstellen. Ein Hinweis auf den fehlenden Willen, die
eheliche Gemeinschaft aufrecht zu erhalten, kann nach der Rechtsprechung
darin erblickt werden, dass kurze Zeit nach der Einbürgerung das
Scheidungsverfahren eingeleitet wird (BGE 128 II 97 E. 3a S. 99). Auch die
Würdigung des Ereignisablaufs und allfälliger Einwände des Beschwerdeführers
kann zur Annahme einer erschlichenen Einbürgerung führen (BGE 130 II 482 E. 3
S. 485).

3.3 Das Vorbringen, der Beweis gemäss Art. 41 Abs. 1 BüG werde nicht
erbracht, weil die Behörde nicht mehr als "gewichtige Indizien" nenne, geht
nach dem Gesagten fehl.

4.
Der Beschwerdeführer rügt, die Fünf-Jahres-Frist für die Nichtigerklärung der
Einbürgerung sei bereits überschritten.

Gemäss dem Wortlaut von Art. 41 Abs. 1 BüG massgebend ist die
Nichtigerklärung des Bundesamts, nicht allfällige spätere Urteile der
Rechtsmittelbehörde. Entsprechend hat das Bundesgericht entschieden, dass das
Tätigwerden der erstinstanzlich zuständigen Behörde, also des Bundesamts,
genügt. Der Sinn dieser Bestimmung sei es, der zuständigen Behörde den
vorgesehenen zeitlichen Handlungsspielraum zu gewähren, ohne dass dieser
durch notorische Verzögerungsmöglichkeiten im Rechtsmittelverfahren verkürzt
werde (Urteil 5A.3/2002 vom 29. April 2002 E. 3). Abzustellen ist demnach auf
den Entscheid des Bundesamtes vom 16. April 2004, mit dem die Einbürgerung
vom 7. Mai 1999 nichtig erklärt wurde. Dieser erging innert der
Fünf-Jahres-Frist gemäss Art. 41 Abs. 1 BüG. Die Rüge ist unbegründet.

5.
Der Beschwerdeführer beantragt im bundesgerichtlichen Verfahren die
Einvernahme seiner früheren und der heutigen Ehefrau. Das Bundesgericht ist
grundsätzlich an den Sachverhalt gebunden, den die Vorinstanz festgestellt
hat (Art. 105 BGG). Zeugenbefragungen und andere Beweiserhebungen gemäss Art.
55/56 BGG bleiben, da das Bundesgericht als höchstes Gericht vornehmlich
Rechtsfragen behandelt, die Ausnahme. Im vorliegenden Fall wurde der
Sachverhalt hinreichend abgeklärt, so dass keine weiteren Beweise zu erheben
sind. Die Anträge sind abzuweisen.

6.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Gerichtskosten (Art.
66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bundesamt für Migration und dem
Bundesverwaltungsgericht, Abteilung III, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. November 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: