Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.22/2007
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1C_22/2007 /daa

Urteil vom 8. August 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio,
Gerichtsschreiber Thönen.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Politische Gemeinde Güttingen, vertreten durch den Gemeinderat,
Bahnhofstrasse 15, 8594 Güttingen,
Schulgemeinde Güttingen, vertreten durch die Schulvorsteherschaft, Im Rain,
8594 Güttingen,
Departement für Bau und Umwelt des Kantons Thurgau, Promenade, Postfach, 8510
Frauenfeld,
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau, Frauenfelderstrasse 16, 8570
Weinfelden.

Baubewilligung,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Thurgau vom 17. Januar 2007.

Sachverhalt:

A.
Die Schulgemeinde Güttingen beabsichtigt den Neubau einer Mehrzweckhalle mit
Aussenanlagen auf Parzelle Nr. 48 in Güttingen. Das Grundstück liegt am
westlichen/südwestlichen Dorfrand und ist seit 1996 der Zone für öffentliche
Bauten und Anlagen zugewiesen.

Am 29. Oktober 2003 hiess das Departement für Bau und Umwelt des Kantons
Thurgau (im Folgenden: Departement) eine erste Beschwerde gut und verweigerte
die Baubewilligung wegen unzulässiger Erschliessung des Baugebiets.

In der Folge erteilte das Departement die Baubewilligung für die neue
verkehrsmässige Erschliessung der Parzelle Nr. 48. X.________ und zwei
weitere Einsprecher bemängelten mit Beschwerde an das Verwaltungsgericht des
Kantons Thurgau insbesondere die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit
wegen der Parkplätze. Das Verwaltungsgericht wies diese Beschwerde mit Urteil
vom 20. Oktober 2004 ab. Das Bundesgericht trat auf die staatsrechtliche
Beschwerde nicht ein (Urteil 1P.700/2004 vom 20. Januar 2005).

B.
Am 13. Dezember 2005 reichte die Schulgemeinde Güttingen das Baugesuch für
die Mehrzweckhalle mit Aussenanlagen ein. Es wurde öffentlich aufgelegt.
X.________ erhob am 9. Januar 2006 Einsprache. Am 29. August 2006 erhob er
eine weitere Einsprache gegen die nachträgliche öffentliche Auflage der Pläne
für die Kaminanlage der Mehrzweckhalle.

Das Departement wies die Einsprachen mit Entscheid vom 28. September 2006 im
Sinne der Erwägungen ab und erteilte die Baubewilligung unter Auflagen und
Bedingungen.

Mit Urteil vom 17. Januar 2007 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde von
X.________ ab, soweit es darauf eintrat.

C.
Mit Eingabe vom 5. März 2007 (Poststempel 7. März 2007) führt X.________
Beschwerde an das Bundesgericht. Er beantragt, der Entscheid der Vorinstanz
sei aufzuheben und zur Neuentscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen, weil
das rechtliche Gehör verweigert worden sei; weil die Auslegung des
Baureglementes der Gemeinde Güttingen nicht der Wahrheit entspreche und weil
durch Nichteinhalten der Bauvorschriften des Baureglementes und des
kantonalen Planungs- und Baugesetzes vom 16. August 1995 (PBG/TG) unnötig
Menschenleben in Gefahr gesetzt würden.

D.
In ihren Vernehmlassungen beantragen die Schulgemeinde, die politische
Gemeinde Güttingen und das Verwaltungsgericht die Abweisung der Beschwerde.
Das Departement hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Der angefochtene Entscheid ist nach Inkrafttreten des
Bundesgerichtsgesetzes (BGG; SR 173.110) am 1. Januar 2007 ergangen. Auf das
vorliegende Verfahren ist das BGG anwendbar (Art. 132 Abs. 1 BGG).

1.2 Gestützt auf Art. 82 lit. a BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden
gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts. Dieses
Rechtsmittel steht auch auf dem Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts zur
Verfügung. Das Bundesgerichtsgesetz enthält dazu keinen Ausschlussgrund (Art.
83 BGG).

1.3 Gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten berechtigt, wer vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen
hat (oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat, lit. a), durch den
angefochtenen Entscheid besonders berührt ist (lit. b) und ein schutzwürdiges
Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat (lit. c).

Nach der Rechtsprechung grenzen diese Kriterien die Beschwerdelegitimation
von Nachbarn gegen unzulässige Popularbeschwerden ab. Verlangt ist neben der
formellen Beschwer (lit. a), dass der Beschwerdeführer über eine spezifische
Beziehungsnähe zur Streitsache verfügt (lit. b) und einen praktischen Nutzen
aus der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Entscheids zieht (lit. c).
Beschwerdegründe Privater, mit denen ein bloss allgemeines öffentliches
Interesse an der richtigen Anwendung des Rechts verfolgt wird, ohne dass dem
Beschwerdeführer im Falle des Obsiegens ein praktischer Nutzen entsteht, sind
bei der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig. In
jedem Fall kann aber der Beschwerdeführer die Verletzung von Parteirechten
rügen, deren Missachtung auf eine formelle Rechtsverweigerung hinausläuft
(Urteile 1C_3/2007 vom 20. Juni 2007 E. 1.3 [zur Publikation vorgesehen] und
1C_64/2007 vom 2. Juli 2007 E. 2).

1.4 Vorliegend hat der Beschwerdeführer am vorinstanzlichen Verfahren
teilgenommen. Er ist Eigentümer der Parzelle Nr. 47, die in der
Landwirtschaftszone liegt und an das Baugrundstück (Parzelle Nr. 48)
angrenzt. Allerdings liegt die geplante Mehrzweckhalle über 100 m von der
Parzellgrenze 47/48 entfernt und der Beschwerdeführer wohnt in ca. 500 m
Entfernung (angefochtenes Urteil, S. 6/9).

2.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist das Baugesuch vom 13. Dezember
2005. Soweit die Beschwerde darüber hinausgeht, ist darauf nicht einzutreten.
Nicht zu behandeln sind namentlich die Vorbringen betreffend den Augenschein
vom 18. August 2004, die Parkplätze und die Verkehrssicherheit.

3.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches
Gehör.

3.1 Soweit sich seine Rüge auf frühere Verfahren bezieht, ist sie nicht zu
behandeln (E. 2). Dies betrifft den Augenschein und die Überprüfung der
Parkplatzanordnung betreffend der Verkehrssicherheit. Soweit er geltend
macht, die Stellungnahme der Denkmalpflege sei zu Unrecht abgelehnt worden,
ist auf die Rüge einzutreten.

3.2 Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien in Verfahren vor Gerichts-
und Verwaltungsinstanzen Anspruch auf rechtliches Gehör. Daraus fliesst -
nach Massgabe der einschlägigen Rechtsprechung - u.a. das Recht des
Betroffenen, sich vor Erlass eines ihn belastenden Entscheides zur Sache zu
äussern, erhebliche Beweise beizubringen und mit erheblichen Beweisanträgen
gehört zu werden. Dem Mitwirkungsrecht der Parteien entspricht die Pflicht
der Behörde, die Beweisanträge entgegenzunehmen und zu prüfen (BGE 124 I 241
E. 2; 126 I 97 E. 2b).

3.3 Der Beschwerdeführer verlangte vor Verwaltungsgericht eine schriftliche
Stellungnahme der kantonalen Denkmalpflege zum Bauprojekt. Das
Verwaltungsgericht führt dazu aus, eine Stellungnahme sei bisher nicht
eingeholt worden. Die Frage der Eingliederung der Mehrzweckhalle sei durch
die Ausscheidung der Parzelle Nr. 47 (richtig: 48) im Jahr 1996 zum grössten
Teil vorweggenommen worden und könne heute nicht mehr in Frage gestellt
werden. Die geplante Mehrzweckhalle wahre einen respektablen Abstand zur
Dorfzone, sie sei nicht höher als die zulässige Bauhöhe in der Dorfzone und
in Farb- und Materialwahl so gehalten, dass sie sich in die "landschaftliche
und ortsbildmässige Umgebung" eingliedere. Das Fehlen einer Stellungnahme der
Denkmalpflege sei deshalb irrelevant.

Das Verwaltungsgericht hat also den Antrag des Beschwerdeführers behandelt
und - bei einer Betrachtung im Ergebnis - ohne Verfassungsverletzung
abgewiesen. Wesentlich für diese Beurteilung ist die Tatsache, dass das
Verwaltungsgericht Ortskenntnis hat, dass die Überschreitung der
vorgeschriebenen Maximalbauhöhe im Sinne einer Ausnahme nicht willkürlich ist
(hiernach E. 4) und dass zwischen der geplanten Halle und dem Grundstück des
Beschwerdeführers ein beträchtlicher Abstand von rund 100 m liegt. Bei dieser
verfassungsrechtlichen Gesamtbeurteilung erscheint die Ablehnung des Antrags
auf Einholung einer Stellungnahme hinreichend begründet.

Bei dieser Gesamtbeurteilung unter dem Blickwinkel der Wahrung des
rechtlichen Gehörs ist nicht entscheidend, ob die Darlegungen des
Verwaltungsgerichts in allen Einzelheiten zutreffen. Es kann namentlich
offenbleiben, ob die Aussage, auch die Maximalbauhöhe der Dorfzone sei
eingehalten, richtig ist.

3.4 Die Rüge der Gehörsverletzung ist unbegründet, soweit darauf einzutreten
ist.

4.
Der Beschwerdeführer rügt, die geplante Mehrzweckhalle sei zu hoch. Die
Gebäudehöhe von 9,6 m überschreite die für das Baugrundstück in der Zone für
öffentliche Bauten und Anlagen zulässige maximale Gebäudehöhe wie auch jene
für die angrenzende Dorfzone um zwei Meter.

4.1 Die Verletzung kantonalen Rechts ist kein zulässiger Beschwerdegrund und
der Beschwerdeführer rügt keine Verletzung des Willkürverbots, mit der er
eine Prüfung der Anwendung kantonalen Rechts erwirken könnte (vgl. Art. 95
und Art. 106 Abs. 2 BGG). Es ist daher zweifelhaft, ob auf das Vorbringen
überhaupt einzutreten ist. Die Frage kann aber offenbleiben, da die Rüge sich
als unbegründet erwiese, wenn sie zu behandeln wäre. Dies aus folgenden
Erwägungen:
4.2 Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen
Organen ohne Willkür behandelt zu werden. Nach der Praxis des Bundesgerichts
liegt Willkür in der Rechtsanwendung vor, wenn der angefochtene Entscheid
offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem
Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass
verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft
(BGE 131 I 467 E. 3.1; 127 I 38 E. 2a; 54 E. 2b; 60 E. 5a; 126 I 168 E. 3a,
je mit Hinweisen).

4.3 Das Verwaltungsgericht begründet die Überschreitung der maximalen
Gebäudehöhe im Wesentlichen mit der kantonalen Ausnahmebestimmung von § 79
Ziff. 2 PBG/TG. Danach kann, sofern keine öffentlichen Interessen verletzt
werden, die Gemeindebehörde für Bauten und Anlagen zur Erfüllung gesetzlicher
Aufgaben oder Vorschriften, nach Abwägung der beteiligten privaten
Interessen, Ausnahmen von kommunalen Vorschriften oder Plänen bewilligen.

Das Verwaltungsgericht führt aus, eine Turnhalle diene der Erfüllung der
gesetzlichen Aufgabe einer Schulgemeinde. Sie müsse eine lichte Höhe von
mindestens 7 m aufweisen und es bestehe ein gewichtiges öffentliches
Interesse an funktional richtigem Bauen zur Erfüllung einer gesetzlichen
Aufgabe. Demgegenüber seien bei der Abwägung der beteiligten privaten
Interessen keine Gründe auszumachen, die zugunsten des Beschwerdeführers
sprächen. Das abstrakte öffentliche Interesse an der Einhaltung des
Baureglementes vermöge die Interessenabwägung nicht zu verändern.

4.4 Diese Rechtsansicht ist nicht willkürlich. Das Verwaltungsgericht stützt
seine Entscheidung auf eine kantonale Ausnahmebestimmung, die die Abweichung
von den kommunalen Vorschriften über die maximale Bauhöhe gestattet. Eine
offensichtlich fehlerhafte Anwendung kantonalen Rechts ist nicht erkennbar.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers erwiese sich als unbegründet, wenn es
als Willkürrüge entgegenzunehmen wäre.

5.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 BGG). Es sind keine
Parteientschädigungen auszurichten; der Antrag der Schulgemeinde auf
Zusprechung einer "ausserrechtlichen Entschädigung" ist abzulehnen (Art. 68
Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der politischen Gemeinde  und der
Schulgemeinde Güttingen, sowie dem Departement für Bau und Umwelt und dem
Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. August 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: