Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.224/2007
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2007


Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
1C_224/2007

Urteil vom 10. April 2008
I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Reeb, Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiber Härri.

Parteien
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Anton Burri,

gegen

Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern, Verkehrsprüfungen, Arsenalstrasse 45,
6010 Kriens,
Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons Luzern, Bahnhofstrasse 15,
Postfach 4168, 6002 Luzern.

Gegenstand
Verkehrsprüfungen,

Beschwerde gegen das Urteil vom 12. Juli 2007
des Verwaltungsgerichts des Kantons Luzern.

Sachverhalt:

A.
X.________ betreibt im Kanton Luzern eine Fahrschule für alle Kategorien von
Fahrzeugen.

Am 29. Dezember 2005 verweigerte das Strassenverkehrsamt des Kantons Luzern
seinem Fahrschüler Y.________ die Abnahme der Führerprüfung der Kategorie D
(Motorwagen zum Personentransport mit mehr als acht Sitzplätzen ausser dem
Führersitz); dies mit der Begründung, es fehle beim Prüfungsfahrzeug eine
Eingriffsmöglichkeit für den Experten.

Am 13. Februar 2006 erliess das Strassenverkehrsamt auf Ersuchen von X.________
eine Feststellungsverfügung. Darin hielt es fest, eine Führerprüfung mit einem
Motorfahrzeug der Kategorie D könne nur erfolgen, wenn der Verkehrsexperte auf
der Prüfungsfahrt über eine Eingriffsmöglichkeit verfüge; denn gemäss Art. 27
Abs. 2 der Verkehrsregelnverordnung vom 13. November 1962 (VRV; SR 741.11)
müsse auf Lern- und Prüfungsfahrten der Begleiter neben dem Führer Platz nehmen
und wenigstens die Handbremse leicht erreichen können. Beim Fahrzeug von
X.________ fehle diese Eingriffsmöglichkeit, weil sich die Handbremse auf der
linken Seite des Fahrers befinde.

Dagegen erhob X.________ beim Justiz- und Sicherheitsdepartement des Kantons
Luzern Beschwerde. Er beantragte die Aufhebung der angefochtenen Verfügung und
die Feststellung, dass bei einer Führerprüfung mit einem Motorfahrzeug der
Kategorie D auf der Prüfungsfahrt keine Eingriffsmöglichkeit des Experten
benötigt werde, wenn der zu Prüfende - wie Y.________ - bereits über einen
Führerausweis der Kategorie C (Motorwagen, ausgenommen jene der Kategorie D,
mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 3'500 kg) verfüge.

Am 13. November 2006 wies das Justiz- und Sicherheitsdepartement die Beschwerde
ab, soweit es darauf eintrat. Es kam zum Schluss, das Strassenverkehrsamt habe
sich an den Wortlaut von Art. 27 Abs. 2 VRV gehalten und diese Bestimmung
richtig angewandt.

Die von X.________ dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern (Abgaberechtliche Abteilung) am 12. Juli
2007 ab.

B.
X.________ führt Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem
Antrag, das Urteil des Verwaltungsgerichtes sei aufzuheben; es sei
festzustellen, dass bei einer Führerprüfung mit einem Motorfahrzeug der
Kategorie D auf der Prüfungsfahrt keine Eingriffsmöglichkeit des Experten
benötigt werde, wenn der zu Prüfende bereits über einen Führerausweis der
Kategorie C verfüge.

C.
Das Verwaltungsgericht beantragt unter Hinweis auf die Erwägungen im
angefochtenen Urteil die Abweisung der Beschwerde.

Das Justiz- und Sicherheitsdepartement sowie das Bundesamt für Strassen (ASTRA)
haben Gegenbemerkungen eingereicht je mit dem Antrag, die Beschwerde
abzuweisen.

Das Strassenverkehrsamt hat sich nicht vernehmen lassen.

Erwägungen:

1.
1.1 Der angefochtene Entscheid betrifft eine Angelegenheit des öffentlichen
Rechts. Damit ist gemäss Art. 82 lit. a BGG die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegeben.

1.2 Es geht hier um kein Sachgebiet, bei dem die Beschwerde nach Art. 83 BGG
ausgeschlossen ist.

Insbesondere stellt der angefochtene Entscheid keinen solchen nach Art. 83 lit.
o BGG über die Typengenehmigung eines Fahrzeugs auf dem Gebiet des
Strassenverkehrs dar. Gemäss Art. 2 der Verordnung vom 19. Juni 1995 über die
Typengenehmigung von Strassenfahrzeugen (TGV; SR 741.511) gilt als Typ das
Muster, das der Genehmigung serienmässig hergestellter Fahrzeuge (...) zugrunde
liegt (lit. a). Als Typengenehmigung gilt die amtliche Bestätigung der
Übereinstimmung eines Typs mit den einschlägigen technischen Anforderungen und
seiner Eignung zum vorgesehenen Gebrauch (lit. b). Um eine solche amtliche
Bestätigung geht es hier nicht.

1.3 Die Vorinstanz hat kantonal letztinstanzlich als oberes kantonales Gericht
entschieden. Die Beschwerde ist somit nach Art. 86 Abs. 1 lit. d in Verbindung
mit Abs. 2 BGG zulässig. Verfügt ein Kanton in Verwaltungssachen - wie hier -
über eine einzige Gerichtsinstanz, gilt diese als oberes Gericht im Sinne von
Art. 86 Abs. 2 BGG (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4326).
1.4
1.4.1 Gemäss Art. 89 Abs. 1 BGG ist zur Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten berechtigt, wer a) vor der Vorinstanz am Verfahren teilgenommen
hat oder keine Möglichkeit zur Teilnahme erhalten hat; b) durch den
angefochtenen Entscheid besonders berührt ist; und c) ein schutzwürdiges
Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung hat.

Verlangt ist somit neben der formellen Beschwer (lit. a), dass der
Beschwerdeführer über eine spezifische Beziehungsnähe zur Streitsache verfügt
(lit. b) und einen praktischen Nutzen aus der Aufhebung oder Änderung des
angefochtenen Entscheids zieht (lit. c). Die Voraussetzungen von Art. 89 Abs. 1
lit. b und lit. c BGG hängen eng zusammen. Insgesamt kann insoweit an die
Grundsätze, die zur Legitimationspraxis bei der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
nach Art. 103 lit. a OG entwickelt worden sind, angeknüpft werden (BGE 133 II
468 E. 1 S. 469 ff.; 400 E. 2.2 S. 404 f.; 249 E. 1.3.1 S. 252 f.).

Danach liegt ein schutzwürdiges Interesse vor, wenn die tatsächliche oder
rechtliche Situation des Beschwerdeführers durch den Ausgang des Verfahrens
beeinflusst werden kann. Das rechtliche oder auch nur tatsächliche Interesse
braucht mit dem Interesse, das durch die als verletzt bezeichnete Norm
geschützt wird, nicht übereinzustimmen. Der Beschwerdeführer muss durch den
angefochtenen Entscheid stärker als jedermann betroffen sein und in einer
besonderen, beachtenswerten, nahen Beziehung zur Streitsache stehen. Das
schutzwürdige Interesse besteht damit im Umstand, einen materiellen oder
ideellen Nachteil zu vermeiden, den der angefochtene Entscheid mit sich brächte
(BGE 133 II 468 E. 1 S. 470; 133 V 188 E. 4.3.1 S. 191 f., mit Hinweisen).
1.4.2 Der Beschwerdeführer hat am vorinstanzlichen Verfahren teilgenommen.

Er könnte, wenn es beim angefochtenen Entscheid bliebe, im Kanton Luzern mit
seinem Motorfahrzeug der Kategorie D (Reisecar) keine Kandidaten mehr zur
Prüfungsfahrt bringen. Damit würden voraussichtlich mögliche Fahrschüler davon
abgehalten, seine Dienste in Anspruch zu nehmen, was für ihn zu einer
wirtschaftlichen Einbusse führte. Wollte er dies vermeiden, müsste er einen
neuen Reisecar beschaffen, der die Handbremse rechts vom Fahrer hat, oder
gegebenenfalls seinen Reisecar so umbauen lassen, dass die Handbremse rechts
vom Fahrer liegt. Beides wäre für ihn mit einem finanziellen Mehraufwand
verbunden. Er ist damit durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt und
hat ein schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung.

Die Beschwerdelegitimation nach Art. 89 Abs. 1 BGG ist gegeben.

1.5 Der angefochtene Entscheid untersagt es dem Beschwerdeführer, mit seinem
Motorfahrzeug Y.________ zur Prüfungsfahrt zu bringen. Der angefochtene
Entscheid schliesst das Verfahren ab. Es handelt sich somit um einen
Endentscheid. Dagegen ist die Beschwerde nach Art. 90 BGG zulässig.

1.6 Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen geben zu keinen Bemerkungen Anlass.
Auf die Beschwerde ist einzutreten.

1.7 Gemäss Art. 95 BGG kann der Beschwerdeführer unter anderem die Verletzung
von Bundesrecht rügen (lit. a).

2.
2.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, die kantonalen Instanzen hätten Art. 27
Abs. 2 VRV zu Unrecht angewandt. Diese Bestimmung, die eine
Eingriffsmöglichkeit des Begleiters verlange, komme nur bei Lernfahrten zur
Anwendung. Um eine Lernfahrt handle es sich, wenn jemand einen Lernfahrausweis
benötige. Dies sei bei Kandidaten wie Y.________ nicht der Fall. Dieser sei
Inhaber des Führerausweises der Kategorie C. Als solcher dürfe er
Motorfahrzeuge der Kategorie D ohne Lernfahrausweis lenken, sofern sich niemand
darin befinde. Zudem müsse er kein "L" am Fahrzeug anbringen. Der Gesetzgeber
gehe somit davon aus, dass der Kandidat, der bereits über den Führerausweis der
Kategorie C verfüge, die Verkehrsregeln kenne und ein schweres Fahrzeug lenken
könne. Auf entsprechenden Übungsfahrten gehe es denn auch nicht mehr darum, das
Lenken eines schweren Fahrzeuges zu erlernen, sondern den Fahrstil zu
verfeinern im Hinblick darauf, dass mit einem Fahrzeug der Kategorie D Personen
befördert würden. Sei hier Art. 27 Abs. 2 VRV nicht anwendbar, bedürfe es bei
der Prüfungsfahrt keiner Eingriffsmöglichkeit des Verkehrsexperten. Damit
stelle es kein Hindernis dar, wenn sich die Handbremse beim Reisecar des
Beschwerdeführers auf der linken Seite des Fahrers befinde und nicht auf der
rechten.

2.2 Art. 15 des Strassenverkehrsgesetzes vom 19. Dezember 1958 (SVG; SR 741.01)
regelt, wie sich aus seinem Randtitel ergibt, die Ausbildung der
Motorfahrzeugführer. Danach dürfen Lernfahrten auf Motorwagen nur mit einem
Begleiter unternommen werden, der das 23. Altersjahr vollendet hat und seit
wenigstens drei Jahren den entsprechenden Führerausweis besitzt (Abs. 1). Der
Begleiter sorgt dafür, dass die Lernfahrt gefahrlos durchgeführt wird und der
Fahrschüler die Verkehrsvorschriften nicht verletzt (Abs. 2). Der Bundesrat
kann Vorschriften über die Ausbildung der Motorfahrzeugführer erlassen (Abs. 4
Satz 1).

Gestützt darauf hat der Bundesrat Art. 27 VRV erlassen. Diese Bestimmung trägt
die Überschrift "Lernfahrten" und sieht Folgendes vor: Solange Motorfahrzeuge
von Inhabern eines Lernfahrausweises geführt werden, müssen sie auf der
Rückseite an gut sichtbarer Stelle eine blaue Tafel mit weissem "L" tragen. Die
Tafel ist zu entfernen, wenn keine Lernfahrt stattfindet (Abs. 1). Auf Lern-
und Prüfungsfahrten mit Motorwagen muss der Begleiter neben dem Führer Platz
nehmen, ausgenommen auf Übungsplätzen, beim Rückwärtsfahren oder beim
Parkieren; der Begleiter muss wenigstens die Handbremse leicht erreichen können
(Abs. 2). Der Inhaber eines Lernfahrausweises darf auf Motorrädern sowie auf
oder in anderen Motorfahrzeugen, mit welchen er Lernfahrten ohne Begleitperson
ausführen darf, keine Passagiere mitführen, die nicht selber über den
entsprechenden Führerausweis verfügen (Abs. 3). Fahrschüler dürfen
verkehrsreiche Strassen erst befahren, wenn sie genügend ausgebildet sind,
Autobahnen und Autostrassen erst, wenn sie prüfungsreif sind (Abs. 4). Auf
verkehrsreichen Strassen sind Anfahren in Steigungen, Wenden, Rückwärtsfahren
und ähnliche Übungen untersagt, in Wohngebieten sind sie möglichst zu vermeiden
(Abs. 5).

Die Vorinstanz stützt ihren Entscheid - wie bereits das Strassenverkehrsamt und
das Justiz- und Sicherheitsdepartement - auf Art. 27 Abs. 2 VRV. Sie hält
dafür, diese Bestimmung sei hier entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers
anwendbar.

Gemäss Art. 4 Abs. 5 lit. b der Verordnung vom 27. Oktober 1976 über die
Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Strassenverkehr
(Verkehrszulassungsverordnung, VZV; SR 741.51) berechtigt im Binnenverkehr der
Führerausweis der Kategorie C zum Führen unter anderem von leeren Fahrzeugen
der Kategorie D.
Y.________ ist unstreitig Inhaber des Führerausweises der Kategorie C. Er darf
somit leere Fahrzeuge der Kategorie D führen.

Nach Art. 5 Abs. 1 lit. b VZV benötigen Inhaber des Führerausweises der
Kategorie C, die ein Gesuch um den Führerausweis der Kategorie D stellen,
keinen Lernfahrausweis.

Gemäss Art. 17 Abs. 1 VZV gilt als Lernfahrt jede Fahrt mit einem
Motorfahrzeug, dessen Führer im Besitz eines Lernfahrausweises sein muss.

Da Y.________ keinen Lernfahrausweis für die Kategorie D benötigt, gelten die
von ihm durchgeführten Übungsfahrten mit einem Reisecar demnach nicht als
Lernfahrten. Ein "L" muss er nach Art. 27 Abs. 1 VRV bei solchen Fahrten nicht
anbringen.

Art. 27 VRV trägt, wie gesagt, die Überschrift "Lernfahrten". Absatz 2 dieser
Bestimmung spricht jedoch nicht nur von Lernfahrten, sondern von Lern- und
Prüfungsfahrten. Im vorliegenden Fall geht es um eine Prüfungsfahrt. Nach dem
Wortlaut von Art. 27 Abs. 2 VRV muss somit die Handbremse beim Prüfungsfahrzeug
rechts des Fahrers sein, weil nur so der Verkehrsexperte die Handbremse leicht
erreichen kann.

Die Auslegung der Vorinstanz stützt sich auf den Wortlaut von Art. 27 Abs. 2
VRV. Es stellt sich die Frage, ob hier davon abgewichen werden darf.
2.3
2.3.1 Nach der Rechtsprechung darf die Auslegung vom klaren Wortlaut eines
Rechtssatzes nur dann abweichen, wenn triftige Gründe dafür bestehen, dass er
nicht den wahren Sinn der Bestimmung wiedergibt. Solche triftigen Gründe können
sich aus der Entstehungsgeschichte, aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift und
aus dem Zusammenhang mit anderen Gesetzesbestimmungen ergeben. Entscheidend ist
danach nicht der vordergründig klare Wortlaut einer Norm, sondern der wahre
Rechtssinn, welcher durch die anerkannten Regeln der Auslegung zu ermitteln
ist. Bestehen triftige Gründe dafür, dass der Wortlaut den wahren Rechtssinn
einer Vorschrift - die ratio legis - nicht wiedergibt, ist es nach dem Gesagten
zulässig, von ihm abzuweichen und die Vorschrift entsprechend zu deuten (BGE
131 II 217 E. 2.3 S. 221 f., mit Hinweisen).
2.3.2 Art. 27 VRV stützt sich, wie gesagt, auf Art. 15 SVG, der die Ausbildung
der Motorfahrzeugführer regelt. Sämtliche in Art. 27 enthaltenen Regeln sind
zugeschnitten auf Neulenker, die über keine bzw. wenig Erfahrung beim Führen
des entsprechenden Motorfahrzeugs verfügen und dessen fahrtechnische
Beherrschung erst noch erlernen müssen. Vor diesem Hintergrund ist auch die
Regelung von Art. 27 Abs. 2 VRV zu sehen, wonach der Begleiter neben dem Führer
Platz nehmen und wenigstens die Handbremse leicht erreichen können muss. Der
Verordnungsgeber geht offensichtlich davon aus, dass der Begleiter - wenn sich
insbesondere aufgrund des beschränkten Könnens des Lernenden eine gefährliche
Situation ergibt - eingreifen und die Handbremse betätigen können muss. Nach
seinem Sinn und Zweck ist Art. 27 Abs. 2 VRV somit dann anwendbar, wenn es um
einen Neulenker geht, der über keine oder wenig Erfahrung beim Führen des
Motorfahrzeuges der entsprechenden Kategorie verfügt und dessen fahrtechnische
Beherrschung erst noch erlernen muss.

Wer den Führerausweis der Kategorie D erwerben will, muss nach Art. 8 Abs. 1
VZV nachweisen, dass er während eines Jahres regelmässig Motorwagen der
Kategorie C oder Trolleybusse geführt hat.

Y.________ hat unstreitig während mehr als eines Jahres regelmässig Motorwagen
der Kategorie C geführt. Es handelt sich bei ihm somit um keinen Neulenker. Es
darf bei ihm aufgrund seiner Fahrpraxis angenommen werden, dass er die
Verkehrsregeln kennt und ein schweres Motorfahrzeug zu lenken versteht. Wer ein
Motorfahrzeug der Kategorie C beherrscht, beherrscht auch ein solches der
Kategorie D jedenfalls so, dass er keinen Begleiter neben sich braucht, der
notfalls die Handbremse ziehen können muss.

Nach seinem Sinn und Zweck ist Art. 27 Abs. 2 VRV im vorliegenden Fall demnach
nicht anwendbar.

Auch der Zusammenhang mit den oben angeführten weiteren Bestimmungen der
Verkehrszulassungsverordnung spricht gegen die Anwendung von Art. 27 Abs. 2 VRV
im vorliegenden Fall. Danach darf jemand, der - wie Y.________ - Inhaber des
Führerausweises der Kategorie C ist, in der Schweiz ein leeres Motorfahrzeug
der Kategorie D alleine führen; er braucht keine Begleitperson und muss kein
"L" am Fahrzeug anbringen. Daraus ergibt sich, dass dem Inhaber des
Führerausweises der Kategorie C ohne weiteres zugetraut wird, auch ein Fahrzeug
der Kategorie D sicher im Verkehr führen zu können. Verhielte es sich anders,
dürfte man ihn nicht alleine mit einem Fahrzeug der Kategorie D auf die Strasse
lassen.
Das ASTRA bemerkt in der Vernehmlassung, bei einer Prüfungsfahrt bestehe eine
aussergewöhnliche Situation, weshalb die Regelung von Art. 27 Abs. 2 VRV auch
in der vorliegenden Konstellation einen Sinn ergebe. Das Vorbringen überzeugt
nicht. Das ASTRA will offenbar sagen, bei einer Prüfungsfahrt bestehe für den
Kandidaten eine besondere Stresssituation, weshalb der Verkehrsexperte
nötigenfalls eingreifen und die Handbremse betätigen können müsse.
Vergleichbare Stresssituationen sind jedoch bereits vor der Prüfungsfahrt
denkbar. So kann der Inhaber der Kategorie C, der auf einer Übungsfahrt ein
Fahrzeug der Kategorie D lenkt, etwa plötzlich mit einer gefährlichen
Verkehrssituation konfrontiert werden. Gleichwohl wird von ihm erwartet, dass
er dabei angemessen reagiert und das Fahrzeug unter Kontrolle hält. Sonst
dürfte man ihn auch ein leeres Fahrzeug der Kategorie D nicht alleine führen
lassen. Stresssituationen vor der Prüfungsfahrt sind für den Kandidaten auch in
anderer Weise denkbar. Erhält er etwa während einer Pause auf der Übungsfahrt
die Nachricht, er müsse wegen eines schwer wiegenden Vorfalls (Todesfall oder
Ähnliches) sofort nach Hause kommen, wird ihm ebenfalls zugetraut, dass er das
Fahrzeug - trotz Stresssituation - unter Kontrolle hält. Es ist nicht
einzusehen, weshalb ein Lenker, der - unter Vorbehalt der einzuhaltenden
Ruhezeiten - beliebig lange alleine leere Motorfahrzeuge der Kategorie D führen
und dabei etwa bei schlechter Witterung (Regen, Schnee) und starkem
Verkehrsaufkommen Autobahnen oder enge Passstrassen befahren darf, bei der
Prüfungsfahrt plötzlich jemanden neben sich brauchen sollte, der Zugriff auf
die Handbremse hat. Im Übrigen kann der Verkehrsexperte während der
Prüfungsfahrt anderweitig auf die Fahrweise des Kandidaten Einfluss nehmen.

Aus dem Zusammenhang mit den angeführten Bestimmungen der
Verkehrszulassungsverordnung ergibt sich somit ebenfalls, dass Art. 27 Abs. 2
VRV in der vorliegenden Konstellation nicht anwendbar sein kann.
2.3.3 Nach dem Gesagten bestehen hier triftige Gründe dafür, vom Wortlaut von
Art. 27 Abs. 2 VRV abzuweichen.

2.4 Das Justiz- und Sicherheitsdepartement hat beim Chefexperten
Führerprüfungen des Strassenverkehrsamtes des Kantons Zürich eine Auskunft zur
dortigen Praxis eingeholt. Danach werden im Kanton Zürich bei Kandidaten, die
im Besitz des Führerausweises der Kategorie C sind, Fahrzeuge zur Führerprüfung
der Kategorie D zugelassen, die dem Experten keine Eingriffsmöglichkeit bieten
(Akten des Justiz- und Sicherheitsdepartements, Bel. 13). Wie sodann das ASTRA
in der Vernehmlassung bemerkt, verzichten einige Kantone in der vorliegenden
Konstellation auf die Eingriffsmöglichkeit des Experten und beobachten den
Kandidaten bei der Prüfungsfahrt aus der Warte des Passagiers.

Diese Praxis zeigt, dass für eine Eingriffsmöglichkeit des Experten in einem
Fall wie hier kein wirkliches Bedürfnis besteht. Sonst hätte sie sich nicht
entwickelt. Dass sie zu Problemen geführt hätte, legen weder die kantonalen
Instanzen noch das ASTRA dar.

2.5 Die Beschwerde wird danach gutgeheissen.

Gemäss Art. 107 Abs. 2 BGG kann das Bundesgericht in der Sache selbst
entscheiden. Es kann Feststellungen in das Dispositiv seines Urteils aufnehmen
(Botschaft, a.a.O., S. 4346). Es wird deshalb festgestellt, dass der
Verkehrsexperte bei einer Prüfungsfahrt mit einem Motorfahrzeug der Kategorie D
keine Eingriffsmöglichkeit haben muss, wenn der zu Prüfende bereits den
Führerausweis der Kategorie C besitzt und während eines Jahres regelmässig
Motorwagen der Kategorie C geführt hat.

3.
Der Kanton Luzern unterliegt. Er trägt keine Kosten (Art. 66 Abs. 4 BGG).
Dagegen hat er dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren eine
Entschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Luzern vom 12. Juli 2007 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der
Verkehrsexperte bei einer Prüfungsfahrt mit einem Motorfahrzeug der Kategorie D
keine Eingriffsmöglichkeit haben muss, wenn der zu Prüfende bereits den
Führerausweis der Kategorie C besitzt und während eines Jahres regelmässig
Motorwagen der Kategorie C geführt hat.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Luzern hat dem Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
eine Entschädigung von Fr. 2'500.-- zu bezahlen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Strassenverkehrsamt, dem Justiz-
und Sicherheitsdepartement sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern und
dem Bundesamt für Strassen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 10. April 2008
Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Härri