Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.213/2007
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1C_213/2007

Urteil vom 12. März 2008

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Kessler Coendet.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher
Gerhard Hauser-Schönbächler,

gegen

Erziehungsdirektion des Kantons Bern, Sulgeneckstrasse 70, 3005 Bern.

Befristete Anstellung,

Beschwerde gegen das Urteil vom 20. Juni 2007
des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung.
Sachverhalt:

A.
X. ________ war in den Schuljahren 2003/04, 2004/05 und 2005/06 jeweils
befristet für ein Jahr als Philosophielehrer am Gymnasium Y.________ mit
einem Teilpensum angestellt gewesen. Die für die Anstellung zuständige
Schulkommission für das Gymnasium und die Fachmittelschule Y.________ (im
Folgenden: Schulkommission) eröffnete X.________ mit Verfügung vom 5. April
2006, er werde nur noch für das erste Semester des Schuljahres 2006/07
befristet weiterbeschäftigt.

B.
Die Verfügung vom 5. April 2006 focht X.________ bei der Erziehungsdirektion
des Kantons Bern an. Er verlangte, ab dem 1. August 2006 unbefristet
angestellt zu werden. Die Erziehungsdirektion wies die Beschwerde am 30.
August 2006 ab. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern wies die hiergegen
eingereichte Beschwerde mit Urteil vom 20. Juni 2007 ab.

C.
X.________ erhebt gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil beim Bundesgericht
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, eventualiter subsidiäre
Verfassungsbeschwerde. Er beantragt die Aufhebung des angefochtenen
Entscheids und die Überführung in ein unbefristetes Anstellungsverhältnis.

Das Verwaltungsgericht ersucht um Abweisung der Beschwerde. Die
Erziehungsdirektion hat zunächst Verzicht auf eine Vernehmlassung erklärt. In
der Replik hat der Beschwerdeführer an seinen Begehren festgehalten.
Daraufhin hat die Erziehungsdirektion Stellung zu den Vorbringen in der
Replik genommen. Der Beschwerdeführer hat sich dazu vernehmen lassen und
wiederum seine Anträge bekräftigt.

Erwägungen:

1.
Auf das Beschwerdeverfahren ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (BGG; SR 173.110) anwendbar (vgl. Art. 132 Abs. 1 BGG).
Angefochten ist ein Endentscheid einer letzten kantonalen Instanz (Art. 86
Abs. 1 lit. d, Art. 90 BGG). Dieser betrifft ein öffentlich-rechtliches
Arbeitsverhältnis, d.h. eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit im Sinne von
Art. 82 lit. a BGG. Vor der Vorinstanz beantragte der Beschwerdeführer die
Verpflichtung der Schulkommission zur Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses
über das erste Semester des Schuljahres 2006/07 hinaus. Er hat im
bundesgerichtlichen Verfahren präzisiert, dass er entsprechende Lohnansprüche
stellt. Es geht um eine vermögensrechtliche Streitigkeit, weshalb der
Ausschlussgrund von Art. 83 lit. g BGG nicht gegeben ist. Die
Streitwertgrenze von Fr. 15'000.-- (Art. 51 Abs. 1 lit. a, Art. 85 Abs. 1
lit. b BGG) ist erreicht. Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten steht daher offen. Für die eventualiter erhobene subsidiäre
Verfassungsbeschwerde verbleibt kein Raum (Art. 113 BGG).

2.
2.1 Das Anstellungsverhältnis von Lehrpersonen an Maturitätsschulen des
Kantons Bern richtet sich nach dem kantonalen Gesetz vom 20. Januar 1993 über
die Anstellung der Lehrkräfte (LAG/BE). Art. 5 LAG/BE hält fest, dass
Lehrkräfte grundsätzlich unbefristet anzustellen sind, wenn sie über ein
anerkanntes Lehrpatent oder einen entsprechenden Wahlfähigkeitsausweis
verfügen und wenn die übrigen gesetzlichen Bestimmungen es erlauben. Die
Ausnahmen von der Regel der unbefristeten Anstellung sind in Art. 7 Abs. 2
der hier massgeblichen Ausführungsverordnung vom 21. Dezember 1994 (LAV/BE)
konkretisiert. Danach darf eine befristete Anstellung bei Vorliegen einer
ausreichenden fachlichen Qualifikation nur erfolgen, wenn das Ende einer
Anstellung mit grosser Wahrscheinlichkeit feststeht. Ob das Ende hinreichend
absehbar ist, wird von der Vorinstanz als Rechtsfrage verstanden. Sie billigt
aber den zuständigen Anstellungs- und Fachbehörden einen grossen
Beurteilungsspielraum im Hinblick auf die Prognose zu, die in diesem Rahmen
anzustellen ist.

2.2 Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Beschwerdeführer die
erforderlichen Ausweise betreffend die fachliche Qualifikation besitzt. Die
Vorinstanz hat die befristete Anstellung ausschliesslich mit
schulorganisatorischen Gründen gerechtfertigt. An den Schulen Y.________
besteht ein Gymnasium und eine Fachmittelschule. Das Pensum des
Beschwerdeführers betrug im ersten Semester 2006/07, wie im Vorjahr, rund
30 Stellenprozente; er hatte sein Pensum bis anhin ausschliesslich im Rahmen
des Gymnasiums ausgeübt. Daneben war eine Lehrkraft mit einem
Philosophie-Pensum im Umfang von 75 Prozent unbefristet angestellt. Nach den
Feststellungen der Vorinstanz fielen ab dem zweiten Semester 2006/07 vier
zusätzliche Philosophie-Lektionen an der Fachmittelschule an. Dabei
entspricht 1 Lektion etwas mehr als 4 Stellenprozenten, die fraglichen vier
Lektionen machen also rund 16 Prozent eines Vollpensums aus. Die
Schulkommission sah vor, das zusätzliche Teilpensum an der Fachmittelschule
nicht an den Beschwerdeführer zu vergeben, obwohl sich dieser bereit erklärt
hatte, es zu übernehmen. Die Schulleitung der Fachmittelschule hatte dagegen
Vorbehalte angemeldet, welche die Vorinstanz für nachvollziehbar hielt.
Weiter strebte die Schulkommission an, im Fach Philosophie weiterhin nur zwei
Lehrkräfte zu beschäftigen, die zudem beide an den zwei Schulen einsetzbar
sein sollten. Sie entschloss sich folglich, neben der bereits unbefristet
angestellten Lehrkraft eine weitere Festanstellung für das zweite Pensum mit
einer Bandbreite von 40 bis 50 Prozent ab dem zweiten Semester 2006/07
vorzunehmen. Diese Zielsetzung schloss es aus, den Beschwerdeführer definitiv
anzustellen. In diesem Sinne ging die Vorinstanz davon aus, dass das Ende der
Anstellung des Beschwerdeführers mit erheblicher Wahrscheinlichkeit abzusehen
gewesen sei.

3.
3.1
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine Gehörsverletzung hinsichtlich
der Prognose über die Pensenentwicklung an der Fachmittelschule vor. Im
Verfahren vor der Vorinstanz bestritt er, dass die zusätzlichen Lektionen für
das zweite Semester 2006/07 einer langfristigen entsprechenden Pensenerhöhung
gleichgesetzt werden dürften. Er legte ausführlich dar, weshalb eine solche
Prognose seiner Ansicht nach zu hoch gegriffen sei; richtigerweise könne es
sich nur um eine bis zwei Jahreslektionen zusätzlich handeln. Vor
Bundesgericht beanstandet der Beschwerdeführer, der angefochtene Entscheid
habe sich mit diesem Einwand nicht auseinandergesetzt. Dabei macht er nicht
geltend, das kantonale Recht und der Gehalt des von ihm ebenfalls erwähnten
Art. 6 Ziff. 1 EMRK gehe über den in Art. 29 Abs. 2 BV gewährleisteten
Gehörsanspruch hinaus. Deshalb ist einzig zu prüfen, ob die aus dieser
Verfassungsnorm abgeleiteten Garantien verletzt sind.

3.2 Der verfassungsmässige Anspruch auf rechtliches Gehör verlangt, dass die
Behörde die Vorbringen des vom Entscheid in seiner Rechtsstellung Betroffenen
auch tatsächlich hört, prüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt (BGE
129 I 232 E. 3.2 S. 236 mit Hinweis). Die Begründungspflicht und der Anspruch
auf Begründung sind nicht bereits dadurch verletzt, dass sich die urteilende
Behörde nicht mit allen Parteistandpunkten einlässlich auseinandersetzt und
jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich widerlegt. Vielmehr kann sie sich auf
die für den Entscheid wesentlichen Punkte beschränken (vgl. BGE 133 I 270 E.
3.1 S. 277; 133 III 439 E. 3.3 S. 445, je mit Hinweisen). Keine Verletzung
des rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn ein Gericht auf die Abnahme
beantragter Beweismittel verzichtet, weil es auf Grund der bereits
abgenommenen Beweise seine Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in
vorweggenommener Beweiswürdigung annehmen kann, dass seine Überzeugung durch
weitere Beweiserhebungen nicht geändert würde (BGE 131 I 153 E. 3 S. 157; 130
II 425 E. 2.1 S. 429; 124 I 208 E. 4a S. 211, je mit Hinweisen).

3.3 Der fragliche Einwand wurde nicht bereits in der Beschwerdeschrift an die
Vorinstanz, sondern in einer späteren Eingabe geäussert. Diese reichte der
Beschwerdeführer mehrere Monate, nachdem ihm das Gericht die Vernehmlassung
der Erziehungsdirektion zur Kenntnisnahme zugestellt hatte, ein. Die
Vorinstanz hatte zwar, wegen früherer Eingaben des Beschwerdeführers im
Anschluss an die Vernehmlassung der Erziehungsdirektion, den Schriftenwechsel
förmlich geschlossen. Weder im angefochtenen Entscheid noch in der
Vernehmlassung an das Bundesgericht hat die Vorinstanz aber argumentiert, die
diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers seien wegen Verspätung oder
wegen der Schliessung des Schriftenwechsels nicht zulässig gewesen. Es ist
somit davon auszugehen, dass die Vorinstanz verpflichtet war, diese
Ausführungen zu berücksichtigen.

3.4 Im Hinblick auf die geltend gemachten schulorganisatorischen Gründe
stellt die Prognose über die langfristige Pensenentwicklung einen
entscheidwesentlichen Punkt dar. Die Vorinstanz räumt den Anstellungsbehörden
hinsichtlich der Prognose einen grossen Beurteilungsspielraum ein (vgl. E.
2.1 hiervor). Diese sind allerdings nicht davon befreit, über ihre Prognose
Rechenschaft abzulegen. Es ist dem Beschwerdeführer beizupflichten, dass von
der kurzfristigen Zunahme im zweiten Semester 2006/07 nicht ohne Weiteres auf
eine entsprechende langfristige Prognose geschlossen werden konnte. Die
Vorinstanz erwähnt in ihrer Vernehmlassung im bundesgerichtlichen Verfahren
zwei Schreiben der Schulbehörden vom Frühling 2006 und führt aus, daraus
ergebe sich die damalige, vorliegend massgebliche Optik. Bei Durchsicht
dieser Schreiben fällt jedoch auf, dass dort nichts mehr als die blosse
Behauptung einer langfristigen Pensenerhöhung an der Fachmittelschule im
Umfang von vier Lektionen Philosophie steht. Der Beschwerdeführer zog diesen
Wert vor der Vorinstanz in Zweifel und äusserte eine wesentlich tiefere
Einschätzung. Die Vorinstanz hat weder im angefochtenen Entscheid noch vor
Bundesgericht den Standpunkt vertreten, die genaue Höhe der Pensenzunahme sei
im Ergebnis unwesentlich. Sie hält dem Beschwerdeführer einzig vor, er habe
bei seinen Vorbringen Argumente und Beweismittel aus einer rückblickenden
Sichtweise heraus verwendet. Dieser Umstand gereicht ihm indessen hier nicht
zum Nachteil; er konnte sich damit begnügen, die Behauptung der Schulbehörden
zur Prognose konkret zu bestreiten. Diesfalls oblag es der Vorinstanz, den
umstrittenen Punkt zu klären und darüber eine Feststellung zu treffen. Es
verletzt den Gehörsanspruch des Beschwerdeführers, dass die Vorinstanz diese
Abklärung nicht vorgenommen hat.

3.5 Die beschriebene Verletzung des rechtlichen Gehörs kann im
bundesgerichtlichen Verfahren nicht geheilt werden, wenn - wie hier - nicht
nur Rechtsfragen, sondern auch Sachverhaltselemente umstritten sind; letztere
kann das Bundesgericht von vornherein nicht mit freier Kognition überprüfen
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Hinzu kommt Folgendes: Die Unterinstanzen hatten die
Befristung des Anstellungsverhältnisses mit weiteren Gründen gerechtfertigt,
die unter anderem die bisherige Unterrichtsführung betrafen. Diese Aspekte
hatten eine selbstständige Bedeutung im Vergleich zu den Vorbehalten der
Schulleitung der Fachmittelschule gegenüber einem Einsatz des
Beschwerdeführers an dieser Schule. Die Vorinstanz hat diese zusätzlichen
Gründe ausdrücklich als nicht entscheidwesentlich qualifiziert. Auch insoweit
sind teilweise Sachverhaltsfragen betroffen. Daher fällt eine Prüfung der
Verfassungsmässigkeit der Befristung des Arbeitsverhältnisses mit dieser
zusätzlichen Begründungslinie im vorliegenden Verfahren ausser Betracht. Dies
führt zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids.

4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen und das angefochtene Urteil
aufzuheben. Die Sache ist zu neuer Beurteilung an das Verwaltungsgericht
zurückzuweisen (Art. 107 Abs. 2 BGG). Entsprechend dem Ausgang des
bundesgerichtlichen Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 66
Abs. 4 BGG). Dem Beschwerdeführer steht eine angemessene Parteientschädigung
zu (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, vom 20. Juni 2007 wird
aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Beurteilung an das Verwaltungsgericht
zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Der Kanton Bern hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Erziehungsdirektion, dem
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, sowie
der Schulkommission für das Gymnasium und die Fachmittelschule Y.________
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. März 2008

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Kessler Coendet