Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.194/2007
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1C_194/2007 /daa

Urteil vom 16. November 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann,
Gerichtsschreiber Haag.

1. A.________,
2.B.________,
3.C.________,
4.D.________,
5.E.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Swisscom Mobile AG, vertreten durch Rechtsanwalt Alexander Rey,
Gemeinderat Rudolfstetten-Friedlisberg, Friedlisbergstrasse 11, 8964
Rudolfstetten-Friedlisberg,
Regierungsrat des Kantons Aargau, Rechtsdienst,  Laurenzenvorstadt 9, 5001
Aarau.

Beschwerdeverfahren betreffend Baubewilligung,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 8. Juni 2007 des Verwaltungsgerichts des
Kantons Aargau, 3. Kammer, Präsident.

Sachverhalt:

A.
Am 19. Dezember 2005 erteilte der Gemeinderat Rudolfstetten-Friedlisberg der
Swisscom Mobile AG die Baubewilligung für eine Mobilfunkanlage auf der
Parzelle Nr. 1462 an der Grossmattstrasse. Dagegen erhoben A.________ und 63
Mitbeteiligte Beschwerde beim Regierungsrat des Kantons Aargau. Dieser hiess
die Beschwerde mit Entscheid vom 21. Februar 2007 gut und hob die
Baubewilligung auf. Der Entscheid wurde den Beschwerdeführern F.________,
C.________, D.________, A.________ und E.________ zugestellt.

Die Swisscom Mobile AG gelangte in der Folge an das Verwaltungsgericht des
Kantons Aargau mit dem Antrag, der Entscheid des Regierungsrats vom 21.
Februar 2007 sei aufzuheben und die Baubewilligung zu bestätigen. Am 28. März
2007 stellte der zuständige Kammerpräsident die Beschwerde der F.________,
C.________, D.________, A.________ und E.________ zu und stellte ihnen frei,
sich bis am 27. April 2007 am Verfahren zu beteiligen und eine Vernehmlassung
zur Beschwerde einzureichen. Gleichzeitig erging der Hinweis, dass mit einer
Verfahrensbeteiligung ein allfälliges Kostenrisiko für den Fall des
Unterliegens verbunden sei. Für den Fall, dass innert Frist keine
Vernehmlassung eingereicht werde, gehe das Gericht davon aus, dass keine
Verfahrensbeteiligung erfolge.

Am 5. April 2007 wurde den Beteiligten eine dem Gemeinderat
Rudolfstetten-Friedlisberg bewilligte Fristerstreckung bis 15. Mai 2007 zur
Kenntnisnahme zugestellt.

Mit Eingabe vom 14. Mai 2007 erstatteten die F.________, C.________,
D.________, A.________ und E.________ eine gemeinsam für alle 64 Betroffenen
der abgewiesenen Baubewilligung verfasste Vernehmlassung.

Mit Verfügung vom 8. Juni 2007 wies der Präsident der 3. Kammer des
Verwaltungsgerichts die Vernehmlassung aus dem Recht. Gleichzeitig stellte er
fest, "dass A.________ und Mitbeteiligte wegen Fristversäumnis am
vorliegenden Verfahren nicht beteiligt sind".

B.
Mit gemeinsamer Beschwerde vom 7. Juli 2007 beantragen A.________,
C.________, D.________, E.________ und B.________ im Wesentlichen, die
verwaltungsgerichtliche Präsidialverfügung vom 8. Juni 2007 sei aufzuheben,
und ihre Vernehmlassung sei in das Verfahren des Verwaltungsgerichts
einzubeziehen.

Die Swisscom Mobile AG beantragt, die Beschwerde abzuweisen und die
Präsidialverfügung vom 8. Juni 2007 zu bestätigen. Das Verwaltungsgericht und
der Gemeinderat Rudolfstetten-Friedlisberg schliessen auf Abweisung der
Beschwerde.

C.
Mit Verfügung vom 8. Oktober 2007 wies der Präsident der I.
öffentlich-rechtlichen Abteilung ein Gesuch der Beschwerdeführer um
aufschiebende Wirkung ab.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Dem angefochtenen Entscheid des Verwaltungsgerichts liegt ein
Beschwerdeverfahren wegen Verweigerung einer baurechtlichen Bewilligung für
eine Mobilfunkanlage und damit eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit zu
Grunde. Gestützt auf Art. 82 lit. a BGG beurteilt das Bundesgericht
Beschwerden gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts.
Dieses Rechtsmittel steht auch auf dem Gebiet des Raumplanungs- und Baurechts
zur Verfügung. Das Bundesgerichtsgesetz enthält dazu keinen Ausschlussgrund.
Gemäss Art. 34 Abs. 1 RPG in der Fassung nach Ziff. 64 des Anhangs zum
Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesverwaltungsgericht (VGG; SR
173.32; vgl. AS 2006 2261) gelten für die Rechtsmittel an die Bundesbehörden
die allgemeinen Bestimmungen über die Bundesrechtspflege (BGE 133 II 249 E.
1.2 S. 251; Urteil des Bundesgerichts 1C_2/2007 vom 4. Oktober 2007 E. 2.1).
1.1 Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um eine verfahrensleitende
Verfügung des Kammerpräsidenten, der das verwaltungsgerichtliche Verfahren
betreffend das umstrittene Vorhaben der Swisscom Mobile AG nicht abschliesst.
Der Kammerpräsident stellt in der angefochtenen Verfügung jedoch fest, dass
die Beschwerdeführer am verwaltungsgerichtlichen Verfahren wegen
Fristversäumnis nicht beteiligt sind. Insoweit liegt für die betroffenen
Beschwerdeführer ein Entscheid vor, der für sie das Verfahren abschliesst. In
dieser Hinsicht ist die beanstandete Verfügung einem Endentscheid im Sinne
von Art. 90 BGG gleichzusetzen, welcher innert 30 Tagen mit Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gemäss Art. 82 lit. a BGG anfechtbar
ist (Art. 100 Abs. 1 BGG).

1.2 Die Beschwerdeführer haben am Verfahren vor der Vorinstanz teilgenommen,
sind durch den angefochtenen Entscheid besonders berührt und haben ein
schutzwürdiges Interesse an dessen Aufhebung oder Änderung (Art. 89 Abs. 1
BGG).

1.3 Rechtsschriften haben nach Art. 42 Abs. 1 BGG unter anderem die Begehren
und deren Begründung mit Angabe der Beweismittel zu enthalten. In der
Begründung ist in gedrängter Form darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt
Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 Satz 1 BGG). Damit obliegt den
Beschwerdeführern, die behaupteten Rechtsverletzungen zu nennen und diese
Rügen zu begründen (allgemeine Rüge- und Begründungspflicht).

Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von
Grundrechten sowie von kantonalem und interkantonalem Recht. Bei solchen
Rügen gilt der Grundsatz der Rechtsanwendung von Amtes wegen nicht. Vielmehr
sind diese Rügen präzise vorzubringen und zu begründen (Art. 106 Abs. 2 BGG).
Führt der Beschwerdeführer nicht zumindest in erkennbarer Weise an, welches
Grundrecht seiner Meinung nach verletzt sei, und legt er nicht kurz dar,
worin die behauptete Verletzung bestehe, unterbleibt die Prüfung durch das
Bundesgericht (vgl. Botschaft zur Totalrevision der Bundesrechtspflege vom
28. Februar 2001, BBl 2001 4344 f.). Im Anwendungsbereich von Art. 106 Abs. 2
BGG ist demnach die Praxis zum Rügeprinzip gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG
(vgl. dazu BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f.; 129 I 113 E. 2.1 S. 120)
weiterzuführen (BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254).

1.4 Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten sind erfüllt und geben zu keinen
weiteren Bemerkungen Anlass. Auf die Beschwerde ist somit unter Vorbehalt
gehörig begründeter Rügen (E. 1.3 hiervor) einzutreten.

2.
Die Beschwerdeführer werfen dem Verwaltungsgericht überspitzten Formalismus
vor.

2.1 Jede Person hat in Verfahren vor Gerichts- und Verwaltungsinstanzen
Anspruch auf gleiche und gerechte Behandlung, auf Beurteilung innert
angemessener Frist sowie auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 1 und 2 BV).
Überspitzter Formalismus als besondere Form der Rechtsverweigerung liegt vor,
wenn für ein Verfahren rigorose Formvorschriften aufgestellt werden, ohne
dass die Strenge sachlich gerechtfertigt wäre, wenn die Behörde formelle
Vorschriften mit übertriebener Schärfe handhabt oder an Rechtsschriften
überspannte Anforderungen stellt und damit dem Bürger den Rechtsweg in
unzulässiger Weise versperrt (BGE 130 V 177 E. 5.4.1 S. 183 mit Hinweisen).
Ob eine solche Rechtsverweigerung vorliegt, prüft das Bundesgericht frei (BGE
128 II 139 E. 2a S. 142 mit Hinweisen). Die Auslegung und Anwendung des
einschlägigen kantonalen Rechts untersucht es indessen unter dem
Gesichtswinkel der Willkür (BGE 131 I 217 E. 2.1 S. 219, 350 E. 2 S. 352, 467
E. 3.1 S. 473 f., je mit Hinweisen).

Das Verbot des überspitzten Formalismus weist einen engen Bezug zum
verfassungsmässigen Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 BV) auf.
Das Bundesgericht hat mehrfach entschieden, dass es überspitzt formalistisch
sei, eine Prozesserklärung buchstabengetreu auszulegen, ohne zu fragen,
welcher Sinn ihr vernünftigerweise beizumessen sei (BGE 113 Ia 94 E. 2 S. 96
f. mit Hinweisen; Urteile des Bundesgerichts 1P.192/2001 vom 14. Mai 2001, E.
2c, und 1A.80/2002 vom 18. Juni 2002, E. 3). Parteierklärungen, die im Rahmen
eines Prozesses abgegeben werden, sind unter Berücksichtigung von Treu und
Glauben auszulegen (BGE 105 II 149 E. 2a S. 152 mit Hinweisen), d.h. sie
müssen so ausgelegt werden, wie sie der Empfänger nach den gesamten Umständen
in guten Treuen verstehen durfte und verstehen musste (BGE 116 Ia 56 E. 3b S.
58 mit Hinweisen). Aus dem Verbot des überspitzten Formalismus (Art. 29 BV)
folgt sodann die Pflicht, den Beschwerdeführer bzw. dessen Vertreter auf
Mängel der Rechtsschrift aufmerksam zu machen und ihm eine angemessene Frist
zur Behebung des Mangels anzusetzen mit der Androhung, dass die Rechtsschrift
sonst unbeachtet bleibe (BGE 114 Ia 20 E. 2 S. 22 ff.; Urteile des
Bundesgerichts 2P.271/2002 vom 12. Februar 2003 E. 2.2; 1A.80/2002 vom 18.
Juni 2002, E. 3 und 1P.424/2003 vom 3. September 2003, E. 2.5).
2.2 Aus den Akten des vorliegenden Verfahrens ergibt sich, dass die Gemeinde
Rudolfstetten-Friedlisberg am 2. April 2007 um Erstreckung der vom
Verwaltungsgericht auf den 27. April 2007 angesetzten Frist zur Erstattung
einer Vernehmlassung ersuchte. Das Verwaltungsgericht bewilligte dieses
Fristerstreckungsgesuch und brachte auf dem Gesuch der Gemeinde selbst einen
Stempel mit den Vermerken "Fristerstreckung bewilligt bis 15. Mai 2007" und
"Kopie z.K. an die Beteiligten" an. Das derart bewilligte Gesuch wurde am 5.
April 2007 unter anderem auch den heutigen Beschwerdeführern zugestellt.
Diese interpretierten die Zustellung als generelle Fristerstreckung, die auch
ihnen gegenüber gelte. Sie bringen vor, sie hätten von dieser Bedeutung der
Fristerstreckung ausgehen dürfen, da die Zustellung an sie ansonsten keinen
Sinn mache. Ausserdem sei im Verfahren vor dem Regierungsrat betreffend
dasselbe Vorhaben eine Fristerstreckung erfolgt, von welcher ausdrücklich
alle Verfahrensbeteiligten hätten Gebrauch machen können. Es sei für sie als
juristische Laien nicht ersichtlich gewesen, dass hier eine Abweichung von
den früher gemachten Erfahrungen mit einer Fristerstreckung gelte. Vielmehr
seien sie - wie die Gemeinde - von einer einheitlichen Handhabung solcher
Begehren ausgegangen. Im Übrigen hätten sie sich beim Verwaltungsgericht über
die Modalitäten der Fristwahrung erkundigt. Schliesslich habe die Ausnützung
der längeren Frist nicht zu einer Verzögerung des verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens geführt.

2.3 Aus dem den Beschwerdeführern zur Kenntnisnahme zugestellten bewilligten
Fristerstreckungsgesuch ergibt sich, dass sich die Fristerstreckung auf das
Gesuch der Gemeinde bezog. Dass die Erstreckung auch die den anderen
Verfahrensbeteiligten angesetzten Fristen betreffen sollte, lässt sich der
Zustellung nicht entnehmen. Sinn der Zustellung war lediglich die Information
sämtlicher Beteiligten über die der Gemeinde gewährte Fristerstreckung.
Hätten die Beschwerdeführer ihrerseits in den Genuss einer Fristerstreckung
kommen wollen, so hätten sie darum separat nachsuchen müssen. Dass die
Beschwerdeführer eine anderslautende Auskunft erhalten hätten, ist nicht
ersichtlich. Der Umstand, dass der Rechtsdienst des Regierungsrats im
vorangegangenen Verfahren auf ein Fristerstreckungsgesuch einer
verwaltungsinternen Dienststelle hin allen Verfahrensbeteiligten die
Vernehmlassungsfrist erstreckte, ändert daran nichts. In der damaligen
Fristerstreckungsverfügung wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass alle
Verfahrensbeteiligten von der Erstreckung Gebrauch machen können. Ein solcher
Hinweis ist in der hier vorliegenden Bewilligung der Fristerstreckung
gegenüber der Gemeinde nicht enthalten. Von überspitztem Formalismus kann
auch unter Beachtung der von den Beschwerdeführern dargelegten Umstände keine
Rede sein. Im Übrigen beanstanden die Beschwerdeführer die Schlussfolgerung
des Verwaltungsgerichts, dass sie nach dem Versäumnis einer rechtzeitigen
Äusserung zur Beschwerde am Verfahren nicht mehr beteiligt sind, nicht,
weshalb das Bundesgericht diese Frage nicht beurteilen kann (vgl. E. 1.3
hiervor).

3.
Es ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten
werden kann. Die Gerichtskosten sind bei diesem Ausgang den Beschwerdeführern
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG). Diese haben die anwaltlich vertretene
Swisscom Mobile AG angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 2 und 4 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden den Beschwerdeführern auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführer haben die Swisscom Mobile AG für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Gemeinde Rudolfstetten-Friedlisberg
sowie dem Regierungsrat und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 3.
Kammer, Präsident, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 16. November 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Haag