Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.136/2007
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1C_136/2007 /fun

Urteil vom 24. September 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Y.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Richard
Eichenberger,
Gemeinderat Endingen, Würenlingerstrasse 11, Postfach, 5304 Endingen,
Departement Bau, Verkehr und Umwelt des Kantons Aargau, Rechtsabteilung,
Entfelderstrasse 22,
5001 Aarau,
Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 3. Kammer, Obere Vorstadt 40, 5000
Aarau.

Baubewilligungspflicht für eine automatische Vogelschutzanlage,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil des
Verwaltungsgerichts des Kantons Aargau, 3. Kammer, vom 16. März 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Eingabe vom 2. September 2005 liess Y.________ dem Gemeinderat Endingen
das Gesuch stellen, es sei für die von X.________ im Rebgut Hörnli in
Endingen betriebene automatische Vogelschutzanlage (d.h. Vogelschreck- bzw.
-abwehranlage) ein ordentliches Baubewilligungsverfahren durchzuführen. Mit
Entscheid vom 17. Oktober 2005 verneinte der Gemeinderat die
Baubewilligungspflicht.

B.
Eine von Y.________ dagegen erhobene Verwaltungsbeschwerde wurde vom
kantonalen Departement Bau, Verkehr und Umwelt (BVU) am 2. Mai 2006
gutgeheissen; die Sache wurde an den Gemeinderat Endingen zurückgewiesen,
damit dieser nachträglich ein ordentliches Baubewilligungsverfahren
durchführe.

C.
Gegen diesen Entscheid erhob X.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Mit
Urteil vom 16. März 2007 wies die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts des
Kantons Aargau die Beschwerde ab.

Hiergegen führt X.________ Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten (Art. 82 ff. BGG). Gleichzeitig stellt er das Gesuch, der
Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zu erteilen.

D.
Der Präsident der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts hat
das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung mit Verfügung vom 29. Juni
2007 abgewiesen.

Aus Sicht der Gemeinde Endingen ist die Beschwerde gutzuheissen. Das BVU
schliesst demgegenüber auf Abweisung, während der private Beschwerdegegner
Y.________ beantragt, die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden könne. Das Verwaltungsgericht verzichtet unter Hinweis auf den
angefochtenen Entscheid auf eine Vernehmlassung. Desgleichen sieht das
Bundesamt für Umwelt (BAFU) von einer Stellungnahme ab.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) in Kraft getreten. Der
angefochtene Entscheid erging später. Gemäss Art. 132 Abs. 1 BGG ist hier
deshalb das Bundesgerichtsgesetz anwendbar.

1.2 Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts, einer letzten kantonalen
Instanz (Art. 86 Abs. 1 lit. d BGG), betrifft die Baubewilligungspflicht
einer Vogelschutzanlage, mithin eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit im
Sinne von Art. 82 lit. a BGG. Ein Ausschlussgrund nach Art. 83 BGG liegt
nicht vor.

Indes handelt es sich beim angefochtenen Urteil um einen Zwischenentscheid:
Mit der Bejahung der Baubewilligungspflicht wird das Verfahren nicht
abgeschlossen, sondern sinngemäss an die erste Instanz zurückgewiesen zur
Durchführung des ordentlichen Baubewilligungsverfahrens. Gemäss Art. 93 Abs.
1 lit. b BGG ist gegen (andere) selbständig eröffnete Vor- und
Zwischenentscheide die Beschwerde zulässig, wenn die Gutheissung der
Beschwerde sofort einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden
Aufwand an Zeit oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen
würde. Diese Bestimmung gibt die früher in Art. 50 Abs. 1 OG verankerte
Regelung wieder (vgl. Botschaft zum BGG in BBl 2001 S. 4334; siehe dazu auch
das zur Publikation vorgesehene Urteil 1B_88/2007 vom 12. September 2007, E.
3.2), welche für das zivilrechtliche Verfahren vor Bundesgericht galt. Ob die
Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG erfüllt sind, prüft das
Bundesgericht frei (vgl. BGE 118 II 91 E. 1a S. 92).

Würde das Bundesgericht vorliegend in Gutheissung der Beschwerde die
Baubewilligungspflicht für die Vogelschutzanlage verneinen, wäre das
Verfahren endgültig abgeschlossen und dem Beschwerdeführer bliebe der gesamte
mit einem Baugesuchsverfahren verbundene Aufwand erspart. Demzufolge ist von
einem Anwendungsfall von Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG auszugehen.

1.3 Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die vom Verwaltungsgericht bejahte
Baubewilligungspflicht seiner Vogelschutzanlage. Dazu ist er legitimiert
(siehe zur Legitimation nach Art. 89 Abs. 1 BGG BGE 133 II 249 E. 1.3.3). Die
Beschwerde wurde rechtzeitig (Art. 100 Abs. 1 BGG) erhoben. Insoweit sind die
Eintretensvoraussetzungen erfüllt.

1.4 Vorbehalten bleibt, dass die einzelnen vorgebrachten Rügen von den
Beschwerdeführern rechtsgenüglich begründet worden sind. Eine qualifizierte
Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von
kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche
Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und
begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Im Anwendungsbereich dieser
Bestimmung ist die Praxis zum Rügeprinzip gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b aOG
(vgl. dazu BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f.; 129 I 113 E. 2.1 S. 120)
weiterzuführen (vgl. die Botschaft, BBl 2001 S. 4344; BGE 133 II 249 E.
1.4.2).

2.
Der Beschwerdeführer rügt, das Verwaltungsgericht habe das rechtliche Gehör
verletzt, indem es auf einen Augenschein verzichtet habe.

2.1 Aus dem Gebot der Gewährung des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 29
Abs. 2 BV folgt der Anspruch der Parteien, mit rechtzeitig und formgültig
angebotenen Beweisanträgen und Vorbringen gehört zu werden, soweit diese
erhebliche Tatsachen betreffen und nicht offensichtlich beweisuntauglich sind
(BGE 127 I 54 E. 2b S. 56 mit Hinweisen). Keine Verletzung des rechtlichen
Gehörs liegt vor, wenn eine Behörde auf die Abnahme beantragter Beweismittel
verzichtet, weil sie auf Grund der bereits abgenommenen Beweise ihre
Überzeugung gebildet hat und ohne Willkür in vorweggenommener Beweiswürdigung
annehmen kann, dass ihre Überzeugung durch weitere Beweiserhebungen nicht
geändert würde (BGE 124 I 208 E. 4a S. 211; 122 II 464 E. 4a S. 469, je mit
Hinweisen).

2.2 Das aargauische Recht kennt keine explizite Norm zur Durchführung von
Augenscheinen. § 20 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege vom
9. Juli 1968 (VRPG/AG; SAR 271.100) sieht lediglich vor, dass die Behörden
den Sachverhalt unter Beachtung der Vorbringen der Beteiligten von Amtes
wegen prüfen und die hiezu notwendigen Ermittlungen anstellen. Sie würdigen
das Ergebnis der Untersuchung frei und wenden das Recht von Amtes wegen an.

Wird ein Augenschein beantragt, so steht der Entscheid, ob ein solcher
angeordnet werden soll, im pflichtgemässen Ermessen der mit der Sache
befassten Behörde. Eine dahingehende Pflicht besteht nur, wenn die
tatsächlichen Verhältnisse auf andere Weise nicht abgeklärt werden können
(Alfred Kölz/Jürg Bosshart/Martin Röhl, Kommentar zum
Verwaltungsrechtspflegegesetz des Kantons Zürich, 2. Aufl. 1999, § 7 N. 42).
Im vorliegenden Fall befinden sich diverse Pläne, mehrere Fotos vom mit der
Vogelschutzanlage ausgerüsteten Rebberg Hörnli sowie u.a. ein Prospekt mit
Beschrieb der "Electronic Obst- und Rebschutzanlage" in den Akten. Das
Verwaltungsgericht konnte sich daraus ein hinreichend klares Bild vom Umfang,
der Beschaffenheit und der Art der strittigen Anlage machen. Wenn es von
einem zusätzlichen Augenschein abgesehen hat, ist dies verfassungsrechtlich
nicht zu beanstanden.

3.
Dem Verwaltungsgericht ist auch keine Verletzung von Bundesrecht vorzuwerfen,
wenn es für die Installation einer Vogelschutzanlage ein Baugesuch verlangt.
Was der Beschwerdeführer dagegen vorbringt, überzeugt im Lichte von Art. 22
Abs. 1 RPG und der dazu bestehenden Rechtsprechung des Bundesgerichtes nicht
(siehe dazu etwa Urteil 1A.202/2003 des Bundesgerichts vom 17. Februar 2004,
E. 3.2 u. 3.3, in: ZBl 107/2006 S. 323; 1A.405/1996 vom 9. September 1997,
E. 3b mit Hinweisen in: URP 1997 S. 577; grundlegend BGE 113 Ib 314 E. 2b S.
315 f.; vgl. auch BGE 123 II 256 E. 3 S. 259; 120 Ib 379 E. 3c S. 383 f., 118
Ib 49 E. 2a S. 52). Er verkennt offensichtlich, dass sich das
Verwaltungsgericht mit der Unterstellung der Anlage unter die
Baubewilligungspflicht noch nicht über deren Bewilligungsfähigkeit geäussert
hat. Zudem kann er sich nicht auf die Bewilligungspraxis in anderen Kantonen
berufen. Es kann vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen im
angefochtenen Entscheid verwiesen werden. Weitere Erwägungen hierzu erübrigen
sich (Art. 109 Abs. 3 BGG).

4.
Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss eine Verletzung von Verfassungsrecht
geltend macht, vermag die Beschwerde den Begründungsanforderungen nicht zu
genügen. Inwiefern die Anwendung des kantonalen Rechts willkürlich sein soll,
legt er nicht rechtsgenüglich dar. Seine Ausführungen erschöpfen sich
weitgehend in appellatorischer Kritik und in gegen den Beschwerdegegner
gerichteten Vorwürfen; damit ist er nicht zu hören.

5.
Daraus ergibt sich, dass die Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf
eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die
Gerichtskosten (Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat dem Beschwerdegegner eine
angemessene Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat den privaten Beschwerdegegner für das
bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 2'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Gemeinderat Endingen, dem Departement
Bau, Verkehr und Umwelt und dem Verwaltungsgericht des Kantons Aargau, 3.
Kammer, sowie dem Bundesamt für Umwelt schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. September 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: