Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 1C.107/2007
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1C_107/2007 /fun

Urteil vom 21. Mai 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Reeb,
Gerichtsschreiber Härri.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Marcel Bosonnet,

gegen

Bundesamt für Justiz, Abteilung Internationale Rechtshilfe, Sektion
Auslieferung, Bundesrain 20, 3003 Bern,
Bundesstrafgericht, II. Beschwerdekammer,
Postfach 2720, 6501 Bellinzona.

Auslieferung an die Türkei,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des
Bundesstrafgerichts,
II. Beschwerdekammer, vom 2. Mai 2007.

Sachverhalt:

A.
Am 29. August 2006 bewilligte das Bundesamt für Justiz die Auslieferung von
X.________ an die Türkei zur Verfolgung eines Tötungsdelikts.

Mit Urteil vom 23. Januar 2007 wies das Bundesgericht die von X.________
dagegen erhobene Verwaltungsgerichtsbeschwerde sowie die Einrede des
politischen Delikts ab (BGE 133 IV 76). Es ergänzte den Entscheid des
Bundesamtes wie folgt:
Der Vollzug der Auslieferung wird von der zusätzlichen Bedingung abhängig
gemacht, dass die ersuchende Behörde folgende förmliche Garantieerklärung
abgibt:
Der schweizerischen Botschaft in Ankara wird das Recht zugesichert, Vertreter
zu bezeichnen, die den Verfolgten nach dessen Auslieferung ohne
Überwachungsmassnahmen jederzeit besuchen können. Ebenso dürfen diese
Vertreter sich jederzeit über den Verfahrensstand erkundigen sowie an
sämtlichen Gerichtsverhandlungen teilnehmen. Der Verfolgte hat jederzeit das
Recht, sich an diese Vertreter zu wenden."
Mit Verfügung vom 15. März 2007 stellte das Bundesamt für Justiz fest, dass
die von der türkischen Botschaft in Bern mit Note vom 2. März 2007
übermittelte zusätzliche Zusicherung vollständig sei und mit dem Wortlaut der
vom Bundesgericht verlangten Garantie übereinstimme.

Die von X.________ hiergegen erhobene Beschwerde hiess das Bundesstrafgericht
(II. Beschwerdekammer) am 2. Mai 2007 teilweise gut. Es verfügte, das
Bundesamt habe dem ersuchenden Staat nach Erhalt des bundesstrafgerichtlichen
Entscheids umgehend eine letztmalige und nicht erstreckbare Frist von maximal
14 Tagen für den Nachweis anzusetzen, dass die förmliche Garantieerklärung
gemäss dem Urteil des Bundesgerichtes vom 23. Januar 2007 von der zuständigen
Behörde abgegeben wurde. Im Übrigen wies das Bundesstrafgericht die
Beschwerde ab, soweit es darauf eintrat.

B.
X.________ führt mit Eingabe vom 14. Mai 2007 Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, diese sei im Sinne von
Art. 84 BGG zuzulassen und das Urteil des Bundesstrafgerichts aufzuheben.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gemäss Art. 84 des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht
(Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) ist die Beschwerde gegen einen
Entscheid auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe in Strafsachen nur
zulässig, wenn er unter anderem eine Auslieferung betrifft und es sich um
einen besonders bedeutenden Fall handelt (Abs. 1). Ein besonders bedeutender
Fall liegt insbesondere vor, wenn Gründe für die Annahme bestehen, dass
elementare Verfahrensgrundsätze verletzt worden sind oder das Verfahren im
Ausland schwere Mängel aufweist (Abs. 2).

Der Beschwerdeführer beruft sich auf diese Bestimmung. Er macht geltend, es
gehe um eine Auslieferung und es liege ein besonders bedeutender Fall vor.
Wie es sich mit Letzterem verhält, kann aus den folgenden Erwägungen offen
bleiben.

Gemäss Art. 80p des Bundesgesetzes vom 20. März 1981 über internationale
Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG; SR 351.1) - der auch im
Bereich der Auslieferung anwendbar ist (BGE 123 II 511 E. 4a S. 515) - kann
unter anderem die Rechtsmittelinstanz die Gewährung der Rechtshilfe an
Auflagen knüpfen (Abs. 1). Das Bundesamt prüft, ob die Antwort des
ersuchenden Staates den verlangten Auflagen genügt (Abs. 3). Die Verfügung
des Bundesamtes kann innert zehn Tagen ab der schriftlichen Mitteilung mit
Beschwerde bei der Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichtes angefochten
werden. Der Entscheid der Beschwerdekammer ist endgültig (Abs. 4).

Im vorliegenden Fall hat das Bundesamt in Anwendung von Art. 80p Abs. 3 IRSG
geprüft, ob die Antwort des ersuchenden Staates ausreicht. Die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des
Bundesstrafgerichts ist damit nach der ausdrücklichen Sonderbestimmung von
Art. 80p Abs. 4 Satz 2 IRSG unzulässig (vgl. Heinz Aemisegger, Der
Beschwerdegang in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in:
Ehrenzeller/Schweizer [Hrsg.], Die Reorganisation der Bundesrechtspflege -
Neuerungen und Auswirkungen in der Praxis, St. Gallen 2006, S. 185; Rudolf
Wyss, Strafrechtshilfe - wie weiter?, in: Aus der Werkstatt des Rechts,
Festschrift für Heinrich Koller, Basel 2006, S. 298). Diese Bestimmung - die
der Beschwerdeführer übergeht, obwohl das Bundesstrafgericht in der
Rechtsmittelbelehrung ausdrücklich darauf hingewiesen hat - ist am gleichen
Tag erlassen worden wie das Bundesgerichtsgesetz und gleichzeitig mit diesem,
am 1. Januar 2007, in Kraft gesetzt worden. Sie geht als Sonderbestimmung
Art. 84 BGG vor und ist somit auch dann anwendbar, wenn es um eine
Auslieferung geht und ein besonders bedeutender Fall vorliegen sollte.

Auf die Beschwerde kann danach nicht eingetreten werden.

2.
Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung (Art. 64 BGG). Die Unzulässigkeit der Beschwerde nach Art. 80p
Abs. 4 IRSG war für seinen Anwalt ohne weiteres erkennbar, zumal das
Bundesstrafgericht - wie gesagt - in der Rechtsmittelbelehrung auf diese
Bestimmung hingewiesen hat. Die Beschwerde war daher aussichtslos. Das Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung kann deshalb nicht
bewilligt werden. Da von der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers auszugehen
ist, rechtfertigt es sich jedoch, auf die Erhebung einer Gerichtsgebühr zu
verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Bundesamt für Justiz, Abteilung
Internationale Rechtshilfe, Sektion Auslieferung, und dem Bundesstrafgericht,
II. Beschwerdekammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Mai 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: