Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.69/2007
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{T 0/2}
1B_69/2007 /ggs

Urteil vom 7. Mai 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
Gerichtsschreiber Härri.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Andrea
Müller-Ranacher,

gegen

Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich, Selnaustrasse 28, Postfach, 8027
Zürich,
Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, Wengistrasse 28, Postfach, 8026 Zürich.

Entlassung aus dem vorzeitigen Strafvollzug,

Beschwerde in Strafsachen gegen die Verfügung
des Haftrichters des Bezirksgerichts Zürich
vom 22. März 2007.
Sachverhalt:

A.
X. ________ wurde ... geboren und stammt aus Mazedonien. Er steht unter dem
dringenden Verdacht, im Raume Zürich mit mehreren Kilo harter Drogen
gehandelt zu haben.

Am 12. April 2006 wurde er festgenommen und darauf in Untersuchungshaft
versetzt. Seit dem 27. Februar 2007 befindet er sich im vorzeitigen
Strafvollzug.

Am 16. März 2007 ersuchte X.________ um Entlassung aus dem vorzeitigen
Strafvollzug.

Mit Verfügung vom 22. März 2007 wies der Haftrichter des Bezirksgerichts
Zürich das Entlassungsgesuch ab.

B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, die Verfügung des
Haftrichters aufzuheben; er sei umgehend auf freien Fuss zu setzen.

C.
Der Haftrichter und die Staatsanwaltschaft haben auf Vernehmlassung
verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen
Entscheide in Strafsachen. Der Begriff "Entscheide in Strafsachen" umfasst
sämtliche Entscheidungen, denen materielles Strafrecht oder Strafprozessrecht
zu Grunde liegt. Mit anderen Worten kann grundsätzlich jeder Entscheid, der
die Verfolgung oder die Beurteilung einer Straftat betrifft und sich auf
Bundesrecht oder auf kantonales Recht stützt, mit der Beschwerde in
Strafsachen angefochten werden (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur
Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4313). Die Beschwerde in
Strafsachen ist hier somit gegeben.

Ein kantonales Rechtsmittel gegen den angefochtenen Entscheid steht nicht zur
Verfügung. Die Beschwerde ist nach Art. 80 i.V.m. Art. 130 Abs. 1 BGG
zulässig.

Der Beschwerdeführer ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt.

Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die
Beschwerde einzutreten.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt, der angefochtene Entscheid verletze sein Recht
auf persönliche Freiheit nach Art. 10 Abs. 2 und Art. 31 BV.

2.2 Bei Beschwerden, die gestützt auf das verfassungsmässige Recht der
persönlichen Freiheit wegen der Ablehnung eines Haftentlassungsgesuches
erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des
Eingriffes die Auslegung und Anwendung des entsprechenden kantonalen Rechtes
frei. Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der
Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn
die tatsächlichen Feststellungen der kantonalen Instanz offensichtlich
unrichtig sind (Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 132 I 21 E. 3.2.3, mit Hinweisen).

Die Haftvoraussetzungen müssen nicht nur für die Untersuchungshaft, sondern
auch den vorzeitigen Strafvollzug gegeben sein. Da dieser seine Grundlage
nicht in einem rechtskräftigen gerichtlichen Urteil hat, kann er gegen den
Willen des Betroffenen nur so lange gerechtfertigt sein, als die
Haftvoraussetzungen vorliegen (BGE 126 I 172 E. 3; 117 Ia 72 E. 1d S. 79 f.,
372 E. 3a).

Gemäss § 58 Abs. 1 StPO/ZH darf Untersuchungshaft angeordnet werden, wenn der
Angeschuldigte eines Verbrechens oder Vergehens dringend verdächtigt wird und
ausserdem auf Grund bestimmter Anhaltspunkte ernsthaft befürchtet werden muss
er werde (1) sich der Strafverfolgung oder der zu erwartenden Strafe durch
Flucht entziehen; (2) Spuren oder Beweismittel beseitigen, Dritte zu falschen
Aussagen zu verleiten suchen oder die Abklärung des Sachverhaltes auf andere
Weise gefährden; (3) nachdem er bereits zahlreiche Verbrechen oder erhebliche
Vergehen verübt hat, erneut solche Straftaten begehen (...).
2.3 Der Beschwerdeführer ist geständig. Der dringende Tatverdacht ist
unstreitig gegeben.
Der Beschwerdeführer wendet ein, es fehle an einem besonderen Haftgrund nach
§ 58 Abs. 1 StPO/ZH. Insbesondere bestehe entgegen der Auffassung des
Haftrichters keine Fluchtgefahr.

2.4 Nach der Rechtsprechung genügt für die Annahme von Fluchtgefahr die Höhe
der dem Angeschuldigten drohenden Freiheitsstrafe für sich allein nicht.
Fluchtgefahr darf nicht schon angenommen werden, wenn die Möglichkeit der
Flucht in abstrakter Weise besteht. Vielmehr müssen konkrete Gründe dargetan
werden, die eine Flucht nicht nur als möglich, sondern als wahrscheinlich
erscheinen lassen. Die Höhe der drohenden Freiheitsstrafe kann immer nur
neben anderen, eine Flucht begünstigenden Tatsachen herangezogen werden (BGE
125 I 60 E. 3a mit Hinweisen).

2.5 Der Beschwerdeführer ist - wie gesagt - geständig, mit mehreren Kilo
harter Drogen gehandelt zu haben. Er ist einschlägig und erheblich
vorbestraft. Am 13. September 2000 verurteilte ihn das Bezirksgericht Zürich
wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz,
Geldwäscherei und Widerhandlung gegen die Waffenverordnung zu 3 1/2 Jahren
Zuchthaus. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen für die ihm neu
vorgeworfenen Taten Anklage erhoben. Sie beantragt eine Freiheitsstrafe von 7
Jahren. Es kann dahingestellt bleiben, ob dieser Antrag - wie der
Beschwerdeführer einwendet - übersetzt sei. Jedenfalls hat der
Beschwerdeführer in Anbetracht der Vorstrafe und der grossen Menge harter
Drogen, um die es im neuen Verfahren geht, mit einer empfindlichen,
mehrjährigen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dies bildet einen erheblichen
Fluchtanreiz. Hinzu kommt Folgendes: Der Beschwerdeführer ist mazedonischer
Staatsangehöriger. Seine Eltern und ein Teil seiner Geschwister leben in
seinem Heimatland. Er verfügt dort somit nach wie vor über ein familiäres
Beziehungsnetz. Nach seinen eigenen Angaben hat er überdies Kontakt zu
Verwandten in Serbien. Wie sich aus seinem Reisepass ergibt, hat er sich in
der Vergangenheit regelmässig, meist zweimal jährlich, in Mazedonien
aufgehalten. Er pflegt zu seinem Heimatland somit nach wie vor einen
regelmässigen Kontakt.

Zwar hält sich der Beschwerdeführer seit längerer Zeit in der Schweiz auf.
Auch leben hier seine Frau und seine vier Kinder. Diese sind jedoch nicht
Schweizer Bürger. Sie haben zudem, wie in der Beschwerde (S. 8 und 9)
dargelegt wird, den Beschwerdeführer bei seinen Reisen nach Mazedonien und
Serbien jeweils begleitet. Es ist nicht ersichtlich, weshalb es ihnen
unmöglich sein sollte, dem Beschwerdeführer im Falle einer Flucht nach
Mazedonien - von wo er aufgrund seiner Staatsbürgerschaft nicht an die
Schweiz ausgeliefert werden könnte - oder Serbien zu folgen.

Aufgrund dieser Umstände besteht nicht nur die abstrakte Möglichkeit der
Flucht. Vielmehr sind erhebliche Anhaltspunkte gegeben, die für Fluchtgefahr
sprechen. Bei dieser Sachlage ist es verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden, wenn der Haftrichter diesen Haftgrund bejaht hat.

Ob allenfalls ein zusätzlicher Haftgrund nach § 58 Abs. 1 StPO/ZH in Betracht
komme, kann bei diesem Ergebnis offen bleiben. Ist ein Haftgrund gegeben,
genügt das für die Aufrechterhaltung der Haft.

2.6 Der Haftrichter erwägt, eine Pass- und Schriftensperre als milderes
Mittel gegenüber der Haft verfange nicht, da die schweizerischen
Strafverfolgungsbehörden bei Ausländern keinen Einfluss darauf hätten, ob die
Vertretung des Heimatlandes nicht ein Ersatzdokument oder ein
"Laisser-Passer" ausstellen könnte.

Dagegen bringt der Beschwerdeführer nichts vor. Eine Verfassungsverletzung
ist insoweit auch nicht ersichtlich.

3.
Die Beschwerde ist danach abzuweisen.

Die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers kann angenommen werden. Da die Haft
einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt, konnte er sich
zur Beschwerde veranlasst sehen. Die unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung nach Art. 64 BGG wird daher bewilligt. Damit sind keine Kosten
zu erheben und ist der Vertreterin des Beschwerdeführers eine Entschädigung
auszurichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird
gutgeheissen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Der Vertreterin des Beschwerdeführers, Rechtsanwältin Andrea Müller-Ranacher,
wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'500.--
ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft II des
Kantons Zürich, und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 7. Mai 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: