Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.4/2007
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{T 0/2}
1B_4/2007 /ggs

Urteil vom 15. Februar 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio,
Gerichtsschreiber Störi.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat
Dr. Stefan Suter,

gegen

Besonderes Untersuchungsrichteramt des Kantons Basel-Landschaft, Rheinstrasse
12, 4410 Liestal,
Verfahrensgericht in Strafsachen des Kantons
Basel-Landschaft, Kanonengasse 20, 4410 Liestal.

Haftverlängerung,

Beschwerde in Strafsachen gegen den Beschluss
des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft vom 26.
Januar 2007.
Sachverhalt:

A.
Das Besondere Untersuchungsrichteramt des Kantons Basel-Landschaft (BUR)
führt gegen X.________ ein Strafverfahren wegen qualifizierter Widerhandlung
gegen das Betäubungsmittelgesetz und qualifizierter Geldwäscherei. X.________
wurde am 28. Februar 2006 in Untersuchungshaft genommen.

Am 26. Januar 2007 verlängerte die Präsidentin des Verfahrensgerichts in
Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft die Untersuchungshaft gegen
X.________ auf Antrag des BUR um acht Wochen bis zum 26. März 2007. Sie
befand, dieser sei der ihm vorgeworfenen Verbrechen dringend verdächtig, es
bestehe Fluchtgefahr, und die Verhältnismässigkeit sei gewahrt.

B.
Mit Beschwerde vom 30. Januar 2007 beantragt X.________, diesen Entscheid der
Verfahrensgerichtspräsidentin aufzuheben und ihn sofort aus der Haft zu
entlassen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung.

Die Verfahrensgerichtspräsidentin beantragt in ihrer Vernehmlassung, die
Beschwerde abzuweisen. X.________ hält in seiner Replik an der Beschwerde
vollumfänglich fest.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der angefochtene Entscheid ist nach dem 1. Januar 2007 und damit nach dem
Inkrafttreten des Bundesgerichtsgesetzes vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ergangen, womit sich seine Anfechtung nach dessen Bestimmungen richtet (Art.
132 Abs. 1 BGG). Es handelt sich um einen Entscheid in Strafsachen im Sinne
von Art. 78 Abs. 1 BGG, gegen den die Beschwerde ans Bundesgericht zulässig
ist (vgl. Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege, BBl 2001, S. 4313). Der angefochtene Entscheid ist
kantonal letztinstanzlich (Art. 80 i.V.m. Art. 130 Abs. 1 BGG). Er schliesst
das Verfahren gegen den Beschwerdeführer nicht ab, weshalb es sich um einen
Zwischenentscheid handelt. Da dieser einen nicht wieder gutzumachenden
Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG bewirken kann, ist die
Beschwerde auch insoweit zulässig (Botschaft, a.a.O., S. 4334). Mit dem
angefochtenen Entscheid wurde die Untersuchungshaft gegen den
Beschwerdeführer verlängert. Er ist damit befugt, ihn anzufechten (Art. 81
Abs. 1 BGG), wobei er nach Art. 98 BGG nur die Verletzung verfassungsmässiger
Rechte geltend machen kann (Botschaft, a.a.O., S. 4337). Die Rügen, das
Verfahrensgericht habe das Willkürverbot (Art. 9 BV), die persönliche
Freiheit (Art. 10 und Art. 31 BV) und das Beschleunigungsgebot (Art. 5 Ziff.
3 EMRK) verletzt, sind damit zulässig. Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen
geben zu keinen Bemerkungen Anlass, sodass auf die Beschwerde einzutreten
ist. Da nach Art. 107 Abs. 2 BGG das Bundesgericht bei Gutheissung der
Beschwerde in der Sache selbst entscheiden kann, ist auch der Antrag auf
Haftentlassung zulässig.

2.
Nach § 77 der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Landschaft vom 3. Juni
1999 (StPO) kann Untersuchungshaft u.a. verhängt werden, wenn neben dem
allgemeinen Haftgrund des dringenden Tatverdachts Flucht-, Kollusions- oder
Fortsetzungsgefahr besteht. Liegt ausser dem allgemeinen Haftgrund des
dringenden Tatverdachts einer dieser besonderen Haftgründe vor, steht einer
Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft auch unter dem Gesichtswinkel der
persönlichen Freiheit von Art. 10 Abs. 2 BV grundsätzlich nichts entgegen.

2.1
2.1.1 Die Verfahrensgerichtspräsidentin hält den Beschwerdeführer für dringend
verdächtig, an einem banden- und gewerbsmässigen Drogenhandel beteiligt
gewesen zu sein und dabei rund 5 kg Heroin in die Schweiz eingeführt zu
haben. Er sei zudem für den Rücktransport des Verkaufserlöses nach Albanien
zuständig gewesen; in diesem Zusammenhang seien ihm insgesamt 143'000 Franken
übergeben worden. Der Beschwerdeführer könne nicht plausibel erklären,
weshalb er im November 2005 und im Februar 2006 vom mutmasslichen
Drogenhändler A.________ insgesamt 60'500 Franken erhalten habe, um es nach
Albanien zu bringen bzw. in Olten B.________ zu übergeben. Die 30'500
Franken, die ihm am 27. Februar 2006 übergeben worden seien, seien zudem
signifikant mit Heroin kontaminiert. Ebenso sei unklar, weshalb er C.________
beauftragt habe, 83'000 Franken nach Albanien zu transportieren; auf Grund
der sichergestellten Hinweise müsse jedenfalls davon ausgegangen werden, dass
sich sein Gebrauchtwagenhandel auf einem viel tieferen finanziellen Niveau
bewegt habe. Die Gebrauchtwagen seien überdies in den Kosovo verkauft worden,
das Geld sei aber nach Albanien gebracht worden.

Dieser Tatverdacht stützt sich vor allem auf die Auswertung von
Telefonprotokollen, nach welchen bei Gesprächen des Beschwerdeführers mit
anderen mutmasslichen Drogenhändlern Codewörter verwendet worden seien, ohne
dass der Beschwerdeführer dafür eine plausible Erklärung habe liefern können.

2.1.2 Der Beschwerdeführer bringt dagegen vor, die Telefonprotokolle seien
die einzigen ihn belastenden Beweismittel. Aus keinem einzigen von ihnen
ergebe sich seine Verstrickung in einen Drogenhandel. Das BUR entnehme den
Telefonaten eine Art Geheimsprache, sei allerdings nicht in der Lage, sie zu
entschlüsseln. Seine "Übersetzung" basiere auf reinen Mutmassungen. Die
Beweislage sei jedenfalls in diesem weit fortgeschrittenen Stadium der
Untersuchung nicht ausreichend, um eine Fortsetzung der Haft zu
rechtfertigen.

2.1.3 Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer mit mutmasslichen
Drogenhändlern, die zum Teil durch Drogenfunde direkt belastet werden,
verkehrte. Bei telefonischen Kontakten mit diesen verwendete er zudem eine
codierte Sprache. Dies bestreitet der Beschwerdeführer auch nicht ernsthaft;
er macht nur geltend, dass die Untersuchungsbehörden diese Geheimsprache
nicht verständen und falsch interpretieren würden. Dies ändert indessen
nichts daran, dass er mit mutmasslichen Drogenhändlern in einer Geheimsprache
verkehrte. Es ist gerichtsnotorisch, dass die Verschleierung von
Telefongesprächen für den bandenmässig organisierten Drogenhandel typisch
ist. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer aus diesen Kreisen erhebliche, zum
Teil mit Rauschgift kontaminierte Geldbeträge in bar erhielt, die weder mit
dem von ihm offenbar betriebenen Gebrauchtwagenhandel noch sonstwie schlüssig
erklärbar sind. Diese Indizien lassen den Beschwerdeführer durchaus dringend
verdächtig erscheinen, an einem Drogenhandel beteiligt gewesen zu sein; die
Einschätzung der Verfahrensgerichtspräsidentin ist nicht zu beanstanden. Ob
sie für eine Verurteilung ausreichen, ist eine andere, hier nicht zu prüfende
Frage.

2.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, es bestehe kein dringender Tatverdacht
und damit naturgemäss auch keine Fluchtgefahr. Die
Verfahrensgerichtspräsidentin behaupte zu Unrecht, es seien keine
Ersatzmassnahmen möglich. Er wolle im Übrigen in der Schweiz bleiben und
fürchte nichts so sehr wie eine Ausweisung.

In ihrem früheren Haftverlängerungsentscheid vom 6. Oktober 2006, auf den sie
verweist, hat die Verfahrensgerichtspräsidentin Fluchtgefahr bejaht mit der
Begründung, der Beschwerdeführer habe in der Schweiz keine Stelle mehr und
verfüge über eher geringe familiäre und soziale Bindungen, zumal sich der
Rest seiner Familie nicht in der Schweiz befinde. Er sei Bürger von
Serbien-Montenegro und Miteigentümer eines Hauses in Albanien. Unter diesen
Umständen erscheine es wahrscheinlich, dass sich der Beschwerdeführer der ihm
für den Fall einer Verurteilung drohenden massiven Freiheitsstrafe durch eine
Flucht entziehen könnte. Diese Beurteilung ist ohne weiteres vertretbar, der
Beschwerdeführer bringt nichts vor, was sie in Frage stellen würde.
Insbesondere legt er nicht dar, durch welche mildere Ersatzmassnahme die
Fluchtgefahr wirksam gebannt werden könnte, und das ist auch nicht
ersichtlich.

3.
Der Beschwerdeführer bringt vor, das BUR habe die Untersuchung unter
Verletzung des Beschleunigungsverbots verschleppt, weshalb die Fortführung
der Haft unverhältnismässig sei.

3.1 Nach Art. 5 Ziff. 3 EMRK und Art. 31 Abs. 3 Satz 2 BV darf eine an sich
gerechtfertigte Untersuchungshaft die mutmassliche Dauer der zu erwartenden
Freiheitsstrafe nicht übersteigen (BGE 105 Ia 26 E. 4b mit Hinweisen).
Die Rüge, das Strafverfahren werde nicht mit der verfassungs- und
konventionsrechtlich gebotenen Beschleunigung geführt, ist im
Haftprüfungsverfahren nur soweit zu beurteilen, als die Verfahrensverzögerung
geeignet ist, die Rechtmässigkeit der Untersuchungshaft in Frage zu stellen
und zu einer Haftentlassung zu führen. Dies ist nur der Fall, wenn sie
besonders schwer wiegt und zudem die Strafverfolgungsbehörden, z.B. durch
eine schleppende Ansetzung der Termine für die anstehenden
Untersuchungshandlungen, erkennen lassen, dass sie nicht gewillt oder nicht
in der Lage sind, das Verfahren nunmehr mit der für Haftfälle verfassungs-
und konventionsrechtlich gebotenen Beschleunigung voranzutreiben und zum
Abschluss zu bringen.
Ist die gerügte Verzögerung des Verfahrens weniger gravierend, kann offen
bleiben, ob eine Verletzung des Beschleunigungsgebotes vorliegt. Es genügt
diesfalls, die zuständige Behörde zur besonders beförderlichen Weiterführung
des Verfahrens anzuhalten und die Haft gegebenenfalls allein unter der
Bedingung der Einhaltung bestimmter Fristen zu bestätigen. Ob eine Verletzung
des Beschleunigungsgebots gegeben ist, kann in der Regel denn auch erst der
Sachrichter unter der gebotenen Gesamtwürdigung (BGE 124 I 139 E. 2c)
beurteilen, der auch darüber zu befinden hat, in welcher Weise - z.B. durch
eine Strafreduktion - eine allfällige Verletzung des Beschleunigungsgebotes
wieder gutzumachen ist (BGE 128 I 149 E. 2.2).
3.2 Der Beschwerdeführer befindet sich seit dem 28. Februar 2006 und damit
seit rund einem Jahr in Untersuchungshaft. Er behauptet zu Recht nicht, mit
der im angefochtenen Entscheid bewilligten Fortführung um acht Wochen nähere
sich die Untersuchungshaft der für den Fall einer Verurteilung zu erwartenden
Freiheitsstrafe. Unbestritten ist sein Vorwurf, das BUR führe die
Strafuntersuchung gegen ihn schleppend. Die Verfahrensgerichtspräsidentin hat
diesen anerkannt. Nach ihrer Beurteilung sind die Verzögerungen jedoch (noch)
nicht derart gravierend, dass der Beschwerdeführer deswegen ungeachtet der
nach wie vor bestehenden Haftgründe freigelassen werden müsste. Sie hat das
BUR auf eine straffe Verfahrensführung verpflichtet und es darauf
hingewiesen, dass weitere Haftverlängerungen nur gegen den Nachweis bewilligt
werden könnten, das Verfahren werde nunmehr mit der verfassungsmässig
gebotenen Beschleunigung vorangetrieben.

3.3 Nach den Ausführungen der Verfahrensgerichtspräsidentin sind die
wesentlichen Untersuchungshandlungen seit dem 23. November 2006
abgeschlossen. Da offenbar die Rechtshilfeakten noch nicht vollständig
übersetzt sind, fehlen noch die Ergebnisse der rechtshilfeweisen
Ermittlungen, mit denen der Beschwerdeführer gegebenenfalls zu konfrontieren
sein wird. Dies wird einige Zeit beanspruchen, ebenso wie das Erstellen der
Anklageschrift. Die Einschätzung der Verfahrensgerichtspräsidentin, die dem
BUR anzulastenden Verfahrensverzögerungen seien nicht derart gravierend, dass
sie eine Haftentlassung des Beschwerdeführers vor dem 26. März 2007
rechtfertigen könnten, ist nicht zu beanstanden, vor allem weil auch kein
Grund zur Annahme besteht, das BUR werde die Forderung der
Verfahrensgerichtspräsidentin missachten, das Untersuchungsverfahren nunmehr
raschmöglichst abzuschliessen. Sind somit die möglicherweise vom BUR zu
vertretenden Verfahrensverzögerungen (zurzeit) nicht geeignet, die
Rechtmässigkeit der Untersuchungshaft in Frage zu stellen, kann im
Haftprüfungsverfahren offen bleiben, ob eine Verletzung des
Beschleunigungsgebotes vorliege (oben E. 3.1).

4.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66
Abs. 1 BGG). Er hat zwar ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und
Verbeiständung gestellt, welches indessen abzuweisen ist, da seine
Bedürftgikeit nicht ausgewiesen ist (Art. 64 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
2.1 Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird
abgewiesen.

2.2 Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie dem Besonderen
Untersuchungsrichteramt und dem Verfahrensgericht in Strafsachen des Kantons
Basel-Landschaft schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Februar 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: