Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.34/2007
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2007
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2007


{T 0/2}
1B_34/2007 /fun

Urteil vom 27. März 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz,
Gerichtsschreiberin Gerber.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwälte Carmine Baselice
und Thierry Frei,

gegen

Staatsanwaltschaft See/Oberland, Wilstrasse 11, Postfach, 8610 Uster,
Bezirksgericht Meilen, Haftrichterin,
Untere Bruech 139, Postfach, 8706 Meilen.

Untersuchungshaft,

Beschwerde in Strafsachen gegen die Verfügung des Bezirksgerichts Meilen,
Haftrichterin, vom 13. Februar 2007.

Sachverhalt:

A.
Am 10. Februar 2007 wurde X.________ wegen des dringenden Verdachts des
Drogenhandels vorläufig festgenommen. Am 13. Januar 2007 ordnete die
Haftrichterin des Bezirks Meilen Untersuchungshaft wegen Kollusionsgefahr und
Wiederholungsgefahr an.

B.
Dagegen hat X.________ am 28. Februar 2007 Beschwerde ans Bundesgericht
erhoben. Er beantragt, die Verfügung der Haftrichterin sei aufzuheben und er
sei umgehend auf freien Fuss zu setzen. Eventualiter sei ihm die
unentgeltliche Rechtspflege zu gewähren und Rechtsanwalt Carmine Baselice als
unentgeltlicher Rechtsbeistand zu bestellen.

C.
Die Staatsanwaltschaft See/Oberland beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
Die Haftrichterin hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

D.
In seiner Replik vom 23. März 2007 beantragt der Beschwerdeführer, auf die
Ausführungen der Staatsanwaltschaft zu neuen Verdachtsgründen, die sich erst
nach Erlass der angefochtenen Haftrichterverfügung ergeben hätten, sei nicht
einzutreten.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG; SR 173.110) in Kraft getreten. Der
angefochtene Entscheid erging nach dem 1. Januar 2007. Gemäss Art. 132 Abs. 1
BGG ist deshalb das Bundesgerichtsgesetz anwendbar.

Nach Art. 78 Abs. 1 BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen
Entscheide in Strafsachen. Der Begriff "Entscheide in Strafsachen" umfasst
sämtliche Entscheidungen, denen materielles Strafrecht oder Strafprozessrecht
zu Grunde liegt. Mit anderen Worten kann grundsätzlich jeder Entscheid, der
die Verfolgung oder die Beurteilung einer Straftat betrifft und sich auf
Bundesrecht oder auf kantonales Recht stützt, mit der Beschwerde in
Strafsachen angefochten werden (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur
Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4313). Die Beschwerde in
Strafsachen ist hier somit gegeben. Ein kantonales Rechtsmittel gegen den
angefochtenen Entscheid steht nicht zur Verfügung. Die Beschwerde ist nach
Art. 80 i.V.m. Art. 130 Abs. 1 BGG zulässig. Der Beschwerdeführer ist nach
Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt. Da auch die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer rügt, die angefochtene Verfügung verletze sein
verfassungsmässiges Recht auf persönliche Freiheit.

Bei Beschwerden, die gestützt auf das Recht der persönlichen Freiheit (Art.
10 Abs. 2, Art. 31 BV) gegen eine Haftverfügung oder gegen die Ablehnung
eines Haftentlassungsgesuches erhoben werden, prüft das Bundesgericht im
Hinblick auf die Schwere des Eingriffes die Auslegung und Anwendung des
entsprechenden kantonalen Rechtes frei (BGE 132 I 21 E. 3.2.3 S. 24 mit
Hinweisen).

Gemäss § 58 Abs. 1 des Zürcher Gesetzes betreffend den Strafprozess vom 4.
Mai 1919 (Strafprozessordnung; StPO/ZH) darf Untersuchungshaft nur angeordnet
werden, wenn der Angeschuldigte eines Verbrechens oder Vergehens dringend
verdächtigt wird und ausserdem auf Grund bestimmter Anhaltspunkte ernsthaft
befürchtet werden muss, er werde sich der Strafverfolgung oder der zu
erwartenden Strafe durch Flucht entziehen (Ziff. 1; Fluchtgefahr), er werde
Spuren oder Beweismittel beseitigen, Dritte zu falschen Aussagen zu verleiten
suchen oder die Abklärung des Sachverhaltes auf andere Weise gefährden (Ziff.
2; Kollusionsgefahr) oder, nachdem er bereits zahlreiche Verbrechen oder
erhebliche Vergehen verübt hat, erneut solche Straftaten begehen (Ziff. 3;
Wiederholungsgefahr).

3.
Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst das Vorliegen eines dringenden
Tatverdachts.

3.1 Dieser wird in der Haftverfügung wie folgt begründet: Der
Beschwerdeführer sowie eine unbekannte Person seien beim Bahnhof Feldbach aus
einem Personenwagen der Marke VW-Polo gesprungen und hätten die Flucht
ergriffen, als zwei Angestellte des privaten Sicherheitsdienstes die Insassen
dieses Personenwagens kontrollieren wollten. Im Personenwagen sei eine
kleinere Menge Marihuana sichergestellt worden. Bei der Flucht habe der
Beschwerdeführer einen grösseren Geldbetrag von ca. Fr. 10'000.-- und drei
Mobiltelefone weggeworfen. Die Mobiltelefone hätten nach der Verhaftung des
Beschwerdeführers ununterbrochen geläutet, weshalb die Staatsanwaltschaft
annehme, dass Drogenkonsumenten mit dem Beschwerdeführer Kontakt aufzunehmen
versuchten.

Der Aussage des Beschwerdeführers, er sei vor den Angestellten des
Sicherheitsdienstes nicht geflüchtet und habe das Geld und die Mobiltelefone
unfreiwillig verloren, schenkte die Haftrichterin auf Grund des
widersprüchlichen Aussageverhaltens des Beschwerdeführers keinen Glauben.

3.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, selbst wenn sich der Vorfall so
abgespielt hätte, wie er in der Verfügung geschildert werde, ergebe sich
daraus kein Anhaltspunkt für den Handel mit Drogen: Er habe keine Drogen bei
sich geführt und es seien mit Ausnahme einer kleineren Menge Marihuana auch
keine weiteren Drogen im Fahrzeug gefunden worden. Es gebe auch keine
Anhaltspunkte dafür, dass die Fr. 10'000.--, die im Übrigen zu Boden gefallen
und nicht weggeworfen worden seien, aus dem Drogenhandel stammten.

3.3 Nach der Rechtsprechung ist es bei der Prüfung des dringenden
Tatverdachts nicht Sache des Bundesgerichts, dem Sachrichter vorgreifend eine
erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender Umstände
vorzunehmen. Zu prüfen ist vielmehr, ob genügend konkrete Anhaltspunkte für
eine Straftat und eine Beteiligung des Beschwerdeführers daran vorliegen, die
Untersuchungsbehörden somit das Bestehen eines dringenden Tatverdachts mit
vertretbaren Gründen bejahen durften (BGE 116 Ia 143 E. 3c S. 146).

Dabei sind die Anforderungen an den dringenden Tatverdacht zu Beginn der
Strafuntersuchung noch geringer; im Laufe des Strafverfahrens ist ein immer
strengerer Massstab an die Erheblichkeit und Konkretheit des Tatverdachts zu
stellen (Urteile 1P.255/2000 vom 22. Mai 2000 E. 3b; 1P.464/1999 vom 31.
August 1999 E. 3a; 1P.662/1995 vom 11. Dezember 1995 E. 3).

3.4 Aufgrund der Aussage der beiden Angestellten des privaten
Sicherheitsdienstes mussten die Zürcher Behörden davon ausgehen, dass sich
der Beschwerdeführer der Kontrolle entziehen wollte und sich bei seiner
Flucht eines grossen Geldbetrags und der Mobiltelefone entledigte. Dies ist
ein Indiz dafür, dass das Geld kriminellen Ursprungs sein und die
Mobiltelefone hierzu belastende Hinweise enthalten könnten.
Nachdem der Beschwerdeführer schon zweimal (2001 und 2004) wegen Vergehens
gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden ist und im Jahr 2006 vom
Bezirksgericht Hinwil wegen Verbrechens gegen das Betäubungsmittelgesetz
erstinstanzlich zu 3 Jahren Zuchthaus verurteilt worden ist (wogegen der
Beschwerdeführer Berufung erhoben hat), liegt der Verdacht nahe, das Geld
könne aus dem Drogenhandel stammen.

Der Beschwerdeführer behauptete bei seiner Hafteinvernahme, das Geld stamme
aus dem Autohandel; er habe es mitgeführt, um sofort zahlen zu können, wenn
er zufällig ein Auto zum Kauf sehen würde. Diese Erklärung erscheint jedoch
wenig glaubhaft, zumal der Beschwerdeführer seinen angeblichen Autohandel in
keiner Weise belegt hat und in seiner Beschwerdeschrift ans Bundesgericht (im
Zusammenhang mit dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege) geltend macht, er
sei mittellos.

Im Übrigen verstrickte sich der Beschwerdeführer bei seinen Aussagen in
zahlreiche Widersprüche (vgl. z.B. zur Frage, ob er mit dem Auto oder dem Zug
zum Bahnhof Feldbach gekommen sei: polizeiliche Befragung vom 10. Februar
2007 S. 2 oben und S. 4 oben; zum angeblichen Kauf und Verkauf des VW-Polo:
polizeiliche Einvernahme vom 12. Februar 2007 S. 1 ff. und staatsanwaltliche
Einvernahme vom 12. Februar 2007 S. 3; zum Funktionieren der drei
Mobiltelefone: polizeiliche Befragung vom 12. Februar 2007 S. 3 unten).

Unter diesen Umständen durfte die Haftrichterin am 13. Februar 2007 den
dringenden Tatverdacht bejahen.

3.5 Es kann daher offen bleiben, ob und inwiefern die in der Vernehmlassung
der Staatsanwaltschaft erwähnten neuen Verdachtsmomente im vorliegenden
Verfahren berücksichtigt werden dürften.

4.
Der Beschwerdeführer wendet sich weiter gegen die Annahme von
Kollusionsgefahr. Er macht geltend, er wisse gar nicht, mit wem er
kolludieren könne. Die Mobiltelefone hätten erst nach seiner Festnahme
geläutet, weshalb er nicht wissen könne, wer versucht habe, ihn zu erreichen.
Er habe auch keine Möglichkeit mehr, die Mobiltelefone zu behändigen und
allfällige Anrufer zu identifizieren.
Dagegen ist einzuwenden, dass der Beschwerdeführer - sofern er tatsächlich
mit Drogen gehandelt haben sollte - zumindest diejenigen Personen kennt, die
in der Vergangenheit regelmässig Drogen bei ihm bestellt haben und denen er
zu diesem Zweck eine seiner Mobiltelefonnummern überlassen hatte. Mit diesen
Personen könnte er im Falle seiner Freilassung Kontakt aufnehmen und
versuchen, sie von einer belastenden Aussage abzuhalten. Die Möglichkeit der
Kollusion besteht deshalb, solange die Staatsanwaltschaft die Auswertung der
drei Mobiltelefone noch nicht abgeschlossen hat und die betreffenden Personen
noch nicht alle einvernommen worden sind.

Die Gefahr einer solchen Beeinflussung erscheint auch genügend konkret,
nachdem der Beschwerdeführer nach Angaben der Staatsanwaltschaft schon in
früheren Verfahren Belastungszeugen bedroht habe; dies wurde vom
Beschwerdeführer in seiner Replik nicht bestritten.

5.
Auch der Haftgrund der Wiederholungsgefahr ist gegeben, nachdem der
Beschwerdeführer bereits mehrfach wegen Drogenhandels verurteilt worden ist
und zum Zeitpunkt seiner Verhaftung das Berufungsverfahren gegen die
Verurteilung zu 3 Jahren Zuchthaus wegen Drogenhandels durch das
Bezirksgericht Hinwil hängig war.

6.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet und ist
abzuweisen.

Der Beschwerdeführer hat um die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
und Verbeiständung ersucht. Er macht geltend, er verfüge über keinerlei
finanzielle Mittel. Dies erscheint glaubhaft, da im gegenwärtigen Zeitpunkt
davon auszugehen ist, dass die Geldsumme, die bei seiner Verhaftung
sichergestellt wurde, beschlagnahmt bleibt.

Da die Haft einen schweren Eingriff in die persönliche Freiheit darstellt,
konnte sich der Beschwerdeführer zur Beschwerde veranlasst sehen. Das Gesuch
um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung nach Art. 64 BGG wird
deshalb bewilligt. Es sind keine Kosten zu erheben und dem Vertreter des
Beschwerdeführers ist eine Entschädigung auszurichten.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung
gewährt.

2.1 Es werden keine Kosten erhoben.

2.2 Rechtsanwalt Carmine Basilice wird als amtlicher Vertreter des
Beschwerdeführers bestellt, und es wird ihm für das bundesgerichtliche
Verfahren aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 1'500.--
ausgerichtet.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft See/Oberland
und dem Bezirksgericht Meilen, Haftrichterin, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. März 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: