Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.31/2007
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2007
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2007


{T 0/2}
1B_31/2007 /ggs

Urteil vom 19. März 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Eusebio,
Gerichtsschreiber Forster.

X. ________, zzt. Bezirksgefängnis Frauenfeld, Beschwerdeführer,

gegen

Kantonales Untersuchungsrichteramt des Kantons Thurgau, Zürcherstrasse 323,
8510 Frauenfeld,
Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau, Staubeggstrasse 8, 8510 Frauenfeld,
Präsident der Anklagekammer des Kantons Thurgau, Marktgasse 9, Postfach 339,
9220 Bischofszell.

Haftverlängerung,

Beschwerde in Strafsachen gegen die Verfügung des Präsidenten der
Anklagekammer des Kantons Thurgau vom 6. Februar 2007.
Sachverhalt:

A.
Das Kantonale Untersuchungsrichteramt des Kantons Thurgau (URA) führt eine
Strafuntersuchung gegen X.________. Dem mehrfach einschlägig vorbestraften
Angeschuldigten werden gewerbs- und bandenmässiger Diebstahl, gewerbsmässiger
Betrug und weitere Delikte zur Last gelegt. Gestützt auf einen
internationalen Haftbefehl wurde er am 6./7. November 2006 auf den
Philippinen verhaftet und in die Schweiz überführt.

B.
Auf Antrag des URA vom 7. November 2006 ordnete der Präsident der
Anklagekammer des Kantons Thurgau (PAK) am 14. November 2006 die
Untersuchungshaft gegen X.________ an. Er befristete die Zwangsmassnahme
zeitlich bis zum 7. Dezember 2006. Die Haftanordnungsverfügung vom 14.
November 2006 blieb unangefochten.

C.
Mit Hafterstreckungsgesuch vom 30. November 2006 beantragte das URA die
Verlängerung der Untersuchungshaft bis zum 5. Februar 2007. Am 22. Dezember
2006 bewilligte der PAK die Hafterstreckung. Eine vom Inhaftierten dagegen
erhobene staatsrechtliche Beschwerde wies das Bundesgericht mit Urteil vom 9.
Februar 2007 ab, soweit es darauf eintrat (Verfahren 1P.47/2007).

D.
Am 2. Februar 2007 beantragte das URA eine weitere Haftverlängerung. Mit
prozessleitender Verfügung vom 6. Februar 2007 setzte der PAK dem
Inhaftierten eine Frist bis zum 9. Februar 2007 ein, innert der dieser zum
Haftverlängerungsgesuch Stellung nehmen konnte. Am 22. Februar 2007
erstreckte der PAK die Haft bis zum 5. März 2007.

E.
Gegen die prozessleitende Verfügung vom 6. Februar 2007 gelangte X.________
mit Eingabe vom 22. (Postaufgabe: 23.) Februar 2007 erneut an das
Bundesgericht. Er beantragt unter anderem seine Haftentlassung. Das URA hat
auf eine Stellungnahme ausdrücklich verzichtet. Der PAK beantragt in seiner
Vernehmlassung vom 7. März 2007, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten.
Der Beschwerdeführer erhielt Gelegenheit zur Replik.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz [BGG; SR 173.110]) in Kraft getreten. Der
angefochtene Entscheid erging nach dem 1. Januar 2007. Gemäss Art. 132 Abs. 1
BGG ist hier deshalb das Bundesgerichtsgesetz anwendbar. Das Bundesgericht
prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen (Art. 29 Abs. 1 BGG).

1.1 Gestützt auf Art. 78 Abs. 1 BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden
gegen Entscheide in Strafsachen. Der Begriff "Entscheide in Strafsachen"
umfasst sämtliche Entscheidungen, denen materielles Strafrecht oder
Strafprozessrecht zu Grunde liegt. Mit anderen Worten kann grundsätzlich
jeder Entscheid, der die Verfolgung oder die Beurteilung einer Straftat
betrifft und sich auf Bundesrecht oder auf kantonales Recht stützt, mit der
Beschwerde in Strafsachen angefochten werden (Botschaft vom 28. Februar 2001
zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001, S. 4313). Anfechtbar sind
insbesondere letztinstanzliche kantonale Haftprüfungsentscheide (Urteile des
Bundesgerichtes 1B_6/2007 vom 20. Februar 2007 und 1B_12/2007 vom 26. Februar
2007, je E. 1).

1.2 Die Beschwerde richtet sich ausdrücklich gegen die prozessleitende
Verfügung des kantonalen Haftrichters vom 6. Februar 2007 (vgl.
Beschwerdeschrift, S. 2 Ziff. 8). Dabei handelt es sich nicht um einen
letztinstanzlichen Haftprüfungsentscheid. Vielmehr räumte der Haftrichter dem
Angeschuldigten bzw. dessen Offizialverteidiger darin eine Frist bis zum 9.
Februar 2007 ein, innert der zum Haftverlängerungsgesuch der
Untersuchungsbehörde vom 2. Februar 2007 Stellung genommen werden konnte. Der
Entscheid über die Haftprüfung (nach Gewährung des rechtlichen Gehörs) wurde
ausdrücklich vorbehalten, und die Weiterdauer der Untersuchungshaft lediglich
"einstweilen bis zum Entscheid über das Haftverlängerungsbegehren" als
zulässig erklärt. Gegen die selbständige prozessleitende Verfügung des
kantonalen Haftrichters vom 6. Februar 2007 ist die Beschwerde nicht
zulässig.

1.3 Es kann offen bleiben, ob die vom Inhaftierten verfasste Eingabe vom 22.
Februar 2007 (bzw. seine Replik vom 14. März 2007) als form- und fristgültige
Beschwerde gegen den letztinstanzlichen Haftentscheid vom 22. Februar 2007
zulässig erschiene. Selbst wenn dies bejaht werden könnte, erwiesen sich die
gegen den Haftentscheid (sinngemäss) erhobenen Rügen jedenfalls als
offensichtlich unbegründet:
1.3.1 Schon in seinem Urteil vom 9. Februar 2007 (Verfahren 1P.47/ 2007) hat
das Bundesgericht festgestellt, dass die Haftanordnung vom 14. November 2006
in Rechtskraft erwachsen ist und dass die Umstände der Verhaftung des
Beschwerdeführers auf den Philippinen (und seiner Überführung bzw.
vereinfachten Auslieferung in die Schweiz) nicht Gegenstand der angefochtenen
Haftprüfungsentscheide bilden. Ebenso wenig ist der "Haftvollzug" bzw. sind
allfällige konkrete Gesuche betreffend Haftbedingungen (Besuchsbewilligungen,
Bücherbezug etc.) Streitgegenstand des Entscheides vom 22. Februar 2007.

1.3.2 Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, seine Inhaftierung entbehre
einer "konkreten Grundlage in einem formellen Gesetz", ist auf den
ausführlich begründeten haftrichterlichen Entscheid vom 22. Februar 2007
sowie auf die früher erfolgten Haftprüfungsentscheide zu verweisen. Darin
wird zutreffend dargelegt, dass sich die Fortdauer der Untersuchungshaft auf
§ 106 der thurgauischen Strafprozessordnung (StPO/TG) stützt. Ebenso wird in
verfassungskonformer Weise begründet, inwiefern im vorliegenden Fall
gesetzliche Haftgründe (dringender Tatverdacht von Verbrechen und Vergehen
sowie Kollusions- bzw. Fluchtgefahr) erfüllt erscheinen (vgl. Entscheid vom
22. Februar 2007, S. 11-19).

1.3.3 Nicht stichhaltig ist auch der Vorwurf des Beschwerdeführers, er sei im
Februar 2007 ohne gültigen Hafterstreckungsentscheid inhaftiert gewesen. Wie
sich aus den Akten ergibt, ist die Hafterstreckung bis zum 5. Februar 2007
(gestützt auf den haftrichterlichen Entscheid vom 22. Dezember 2006 und das
Urteil des Bundesgerichtes vom 9. Februar 2007) in Rechtskraft erwachsen.
Drei Tage vor Ablauf dieser Haftfrist, nämlich am 2. Februar 2007 (und damit
in Übereinstimmung mit § 113d Abs. 2 StPO/TG), hat die kantonale
Untersuchungsbehörde ein weiteres förmliches Haftverlängerungsgesuch
gestellt. Der Haftrichter hat das Gesuch mit prozessleitender Verfügung vom
6. Februar 2007 provisorisch bestätigt. Nach erfolgter Gewährung des
rechtlichen Gehörs wurde am 22. Februar 2007 die definitive Hafterstreckung
bis zum 5. März 2007 bewilligt.

1.3.4 Dieses Vorgehen ist verfassungskonform. Wie im Urteil des
Bundesgerichtes vom 9. Februar 2007 (Erwägung 2.2) bereits näher dargelegt
wurde, hält ein kantonales Haftprüfungsverfahren, das ca. drei Wochen dauert,
auch im Hinblick auf das Beschleunigungsgebot in Haftsachen vor der
Verfassung (Art. 31 Abs. 4 BV) grundsätzlich stand. Dies gilt umso mehr für
das hier zu beurteilende Haftprüfungsverfahren, bei dem der Beschwerdeführer
das rechtliche Gehör sehr intensiv in Anspruch nahm (zur betreffenden
Prozessgeschichte vgl. Haftentscheid vom 22. Februar 2007, S. 3-10). Wie sich
aus den Akten ergibt, ist der vom Beschwerdeführer beanstandete Zeitablauf in
erster Linie auf seine verschiedenen Eingaben, prozessualen Anträge und
unbegründeten Beanstandungen im kantonalen Haftprüfungsverfahren
zurückzuführen.

1.3.5 Die übrigen Vorbringen des Beschwerdeführers haben keine über das
bereits Dargelegte hinausgehende selbständige Bedeutung.

1.4 Der Vollständigkeit halber und im Hinblick auf allfällige künftige
Prozesseingaben des Beschwerdeführers ist schliesslich noch auf die
Bestimmung von Art. 108 Abs. 1 lit. c BGG zu verweisen. Danach tritt das
Bundesgericht auf querulatorische oder rechtsmissbräuchliche Beschwerden im
vereinfachten Verfahren nicht ein.

Art. 31 Abs. 4 BV räumt dem Inhaftierten das Recht ein, jederzeit ein Gericht
anzurufen, das die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzuges prüft. Dies bedeutet
allerdings nicht, dass in Haftsachen einschränkungslos bzw.
rechtsmissbräuchlich eine trölerische Beschwerdeführung bis ans Bundesgericht
zulässig wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes sind
Haftentlassungsgesuche (oder entsprechende Stellungnahmen in
Haftprüfungsverfahren, die von Amtes wegen erfolgen) zwar "jederzeit", d.h.
in jedem Stadium des Strafprozesses, grundsätzlich zulässig. Selbständige
richterliche Haftprüfungen - und in diesem Zusammenhang auch Haftbeschwerden
an das Bundesgericht - sind jedoch von Verfassungs- und Bundesrechts wegen
lediglich in einigermassen vernünftigen Abständen zu gewährleisten (vgl. BGE
126 I 26 E. 2-4 S. 28 ff.; 123 Ia 31 E. 4c S. 38 f.; 116 Ia 60 E. 2 S. 63 f.;
s. auch BGE 130 III 729 E. 2.1.2 S. 731).

Ob die Beschwerdeführung eines Inhaftierten querulatorisch bzw.
rechtsmissbräuchlich im Sinne von Art. 108 Abs. 1 lit. c BGG erscheint oder
nicht, ist jeweils nach Massgabe der konkreten Verhältnisse des Einzelfalles
zu beurteilen. Dabei kommt es namentlich auf die geltend gemachten Rügen, den
Stand des Verfahrens, die bisherige Haftdauer und das prozessuale Verhalten
der Verfahrensbeteiligten an (vgl. BGE 111 Ia 148 E. 4 S. 149 f.; s. auch BGE
118 Ia 236 ff.). Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass die
Haftanordnung vom 14. November 2006 in Rechtskraft erwachsen ist, die
Rechtmässigkeit der Haft unterdessen vom kantonalen Haftrichter mehrmals und
mit ausführlicher Begründung geprüft worden ist, der Inhaftierte im
Strafverfahren bisher durch einen Offizialverteidiger verbeiständet war, der
ihn auch über prozessuale Fragen sachgerecht informieren und beraten konnte,
und dass das Bundesgericht erst vor wenigen Wochen (mit Urteil vom 9. Februar
2007) eine Laienbeschwerde des Inhaftierten abschlägig behandelt hat, in der
grossteils bereits analoge Rügen vorgebracht worden waren. Den genannten
Umständen wird künftig auch im Hinblick auf Art. 108 Abs. 1 lit. a bzw. c BGG
Rechnung zu tragen sein.

2.
Es ergibt sich, dass die Beschwerde als offensichtlich unbegründet abzuweisen
ist, soweit darauf überhaupt eingetreten werden kann.

Der Beschwerdeführer stellt ein Gesuch um unentgeltliche Prozessführung. Da
die Beschwerde sich als zum Vornherein aussichtslos erweist, sind die
gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt (Art. 64 Abs. 1 BGG). Im
vorliegenden Fall kann allerdings in Abwägung sämtlicher Umstände noch auf
die Erhebung von Gerichtskosten verzichtet werden (vgl. Art. 66 Abs. 1 Satz 2
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit auf sie eingetreten werden kann.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung wird abgewiesen.

3.
Auf die Erhebung von Gerichtskosten wird verzichtet.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie dem Kantonalen
Untersuchungsrichteramt, der Staatsanwaltschaft und dem Präsidenten der
Anklagekammer des Kantons Thurgau schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 19. März 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: