Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.27/2007
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{T 0/2}
1B_27/2007 /fun

Urteil vom 7. Mai 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Thönen.

A. X.________,
B.X.________,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Ignaz Mengis,

gegen

Jean-Pierre Greter, Untersuchungsrichter, Kantonales Untersuchungsrichteramt,
rue Mathieu-Schiner 1, Postfach, 1950 Sitten 2, Beschwerdegegner,
Präsident des Kantonsgerichts des Kantons Wallis, rue Mathieu-Schiner 1,
Postfach, 1950 Sitten 2.

Ablehnung des Untersuchungsrichters,

Beschwerde in Strafsachen gegen den Entscheid des Präsidenten des
Kantonsgerichts des Kantons Wallis vom 22. Januar 2007.

Sachverhalt:

A.
Gegen A.X.________ und B.X.________ wird eine Strafuntersuchung geführt wegen
Verdachts der Widerhandlung gegen das ANAG und eventuell Sozialversicherungs-
und Steuerdelikte.

A. X.________ und B.X.________ beantragten am 29. Dezember 2006 beim
Untersuchungsrichteramt des Kantons Wallis die Ablehnung des
Untersuchungsrichters Jean-Pierre Greter.

Mit Schreiben vom 9. Januar 2007 bestritt der abgelehnte Untersuchungsrichter
die Ausstandsgründe und überliess die Sache dem Kantonsgericht Wallis zur
Beurteilung.

Mit Entscheid vom 22. Januar 2007 wies der Präsident des Kantonsgerichts das
Ablehnungsbegehren ab.

B.
A.X.________ und B.X.________ führen staatsrechtliche Beschwerde mit dem
Antrag, den Entscheid des Kantonsgerichts vom 22. Januar 2007 aufzuheben und
das Ablehnungsbegehren gegen den Untersuchungsrichter gutzuheissen.

Mit Präsidialverfügung vom 16. März 2007 hat das Bundesgericht die Gesuche um
Verfahrenssistierung und um Gewährung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen.

C.
Der Präsident des Kantonsgerichts beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Der
abgelehnte Untersuchungsrichter hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Der angefochtene Entscheid erging nach dem 1. Januar 2007. Gemäss Art. 132
Abs. 1 BGG ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das Bundesgericht
(Bundesgerichtsgesetz, BGG, SR 173.110) anwendbar.
Es handelt es sich um einen letztinstanzlichen (Art. 80 BGG), selbständig
eröffneten Zwischenentscheid über ein Ausstandsbegehren (Art. 92 BGG), der
sich auf kantonales Strafprozessrecht abstützt (Art. 78 Abs. 1 BGG, Botschaft
vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001, S.
4313). Die Beschwerde in Strafsachen ist zulässig.

2.
Die Beschwerdeführer rügen eine willkürliche Anwendung der kantonalen
Ausstandsregel (Art. 34 lit. c StPO/VS) und eine Verletzung der Garantie des
verfassungsmässigen Richters (Art. 30 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK).

Ihrer Ansicht nach besteht Misstrauen in die Unparteilichkeit des
Untersuchungsrichters wegen Mängeln seiner Verfügung vom 18. Dezember 2006,
mit der die Vertretungsbefugnis von Rechtsanwalt Ignaz Mengis in der
vorliegenden Strafsache vollumfänglich aberkannt wird. Zum einen sei die
Annahme gemäss Verfügung aktenwidrig, die Beschwerdeführer verträten die
Ansicht, dass wegen ihrer Selbstanzeige das Verfahren eingestellt werden
müsse. Zum anderen ziele es auf Ausschluss eines gesetzlich statuierten
Strafmilderungsanspruches und auf eine Vorverurteilung, dass der
Untersuchungsrichter die Selbstanzeige gemäss kantonalem Steuerstrafrecht
erst im Zeitpunkt als erstattet betrachte, als sie bei der
Steuerveranlagungsbehörde aktenmässig erfasst worden sei. Zum dritten habe
der Untersuchungsrichter bei der Postfinance und sechs weiteren
Bankinstituten Auskunftsbegehren gestellt und damit auch Konten Dritter
erfasst, die in keiner Weise im Strafverfahren impliziert seien oder bei
denen Beziehungen zu den Beschwerdeführern ab diesem Datum nicht nachgewiesen
seien. Das Verhalten des Untersuchungsrichters müsse als Amtsmissbrauch und
Anstiftung zur Verletzung des Bankgeheimnisses taxiert werden. Zum vierten
sei die Behauptung des Untersuchungsrichters aktenwidrig, der Anwalt habe
umfassende Akteneinsicht erhalten. Fest stehe, dass die Akteneinsicht
bezüglich der sieben Belegdossiers bis dato nicht erfolgt sei.

3.
Gemäss dem kantonalen Strafprozessrecht können die Richter, die
Gerichtsschreiber und Vertreter der Staatsanwaltschaft von den Parteien
abgelehnt werden oder in den Ausstand treten, wenn Umstände vorliegen, die
geeignet sind, Misstrauen in ihre Unparteilichkeit zu rechtfertigen (Art. 34
lit. c StPO/VS).

Im angefochtenen Entscheid wird erwogen, dass der Ausstand in einem
Spannungsverhältnis zum Anspruch auf den (primär) gesetzlichen Richter stehe
und die Ausnahme bleiben soll, damit die regelhafte Verfahrensordnung nicht
ausgehöhlt werde, dass das subjektive Empfinden einer Prozesspartei zur
Annahme der Befangenheit nicht genüge, sondern das Misstrauen durch ein
bestimmtes Verhalten des Richters gerechtfertigt erscheinen müsse, dass
prozessuale Fehler für sich allein keinen Anschein der Befangenheit
begründeten, dass im zu beurteilenden Fall keine Anhaltspunkte vorlägen für
besonders krasse oder wiederholte Irrtümer, die als schwere Verletzung der
Richterpflichten beurteilt werden müssten und die zu einem Ausstand führen
würden, dass der Untersuchungsrichter mit Verfügung vom 18. Dezember 2006
allein die Vertretungsbefugnis von Rechtsanwalt Mengis beurteilt, aber keinen
Beweismittelentscheid gefällt habe und dass das Recht auf Beweisergänzung
unberührt sei. Daher seien keine Umstände gegeben, welche den Anschein einer
Befangenheit des Untersuchungsrichters in den Strafverfahren gegen die
Beschwerdeführer begründen würden. Das Ablehnungsbegehren sei abzuweisen.

Diese Ansicht ist nicht willkürlich. Es ist sachgerecht, Ausstandsbegehren
gemäss Art. 34 lit. c StPO/VS auf besonders krasse und wiederholte Irrtümer
bzw. schwere Verletzungen der Richterpflicht zu beschränken. Die kantonale
Instanz konnte ohne Willkür festhalten, die Beschwerdeführer brächten keine
derartigen Umstände vor. Das Vorbringen ist unbegründet.

4.
Nach der Garantie des verfassungsmässigen Richters (Art. 30 Abs. 1 BV und
Art. 6 Ziff. 1 EMRK) hat der Einzelne Anspruch darauf, dass seine Sache von
einem unparteiischen, unvoreingenommenen und unbefangenen Gericht ohne
Einwirken sachfremder Umstände entschieden wird. Liegen bei objektiver
Betrachtungsweise Gegebenheiten vor, die den Anschein der Befangenheit und
die Gefahr der Voreingenommenheit zu begründen vermögen, so ist die Garantie
verletzt (BGE 131 I 113 E. 3.4; 126 I 68 E. 3a). Verfahrens- oder andere
Rechtsfehler, die einem Richter oder Gerichtsschreiber unterlaufen, können
nach der Rechtsprechung den Anschein der Befangenheit allerdings nur
begründen, wenn sie wiederholt begangen wurden oder so schwer wiegen, dass
sie Amtspflichtverletzungen darstellen (BGE 116 Ia 14 E. 5; 135 E. 3a).

Die Beschwerdeführer erachten den Sachverhalt als unrichtig erstellt
(doppelter Vorwurf der Aktenwidrigkeit), bestreiten eine Auslegung des
kantonalen Steuerrechts (rechtserheblicher Zeitpunkt der Selbstanzeige) und
rügen Ermittlungsmassnahmen im Strafverfahren (Auskunftsbegehren über
Bankkonten). Diese angeblichen Verfehlungen sind beim derzeitigen
Kenntnisstand im Lichte der Garantie des verfassungsmässigen Richters nicht
derart schwerwiegend, dass sie zu einem Ausstand führen würden. Damit
erübrigt sich eine Beurteilung der einzelnen Mängel. Die Rüge, die Garantie
des verfassungsmässigen Richters sei verletzt, ist demnach unbegründet.

5.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Da die Beschwerdeführer unterliegen, tragen
sie die Gerichtskosten unter Solidarhaft (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird den Beschwerdeführern auferlegt; sie
haften hierfür solidarisch.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Präsident des Kantonsgerichts des
Kantons Wallis schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Mai 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: