Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.254/2007
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1B_254/2007

Urteil vom 29. November 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Forster.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich, Weststrasse 70, Postfach 9717,
8036 Zürich.

Haftbeschwerde,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 2. November 2007 des Bezirksgerichts
Zürich, Haftrichter.
Sachverhalt:

A.
Die Staatsanwaltschaft III des Kantons Zürich führt eine Strafuntersuchung
gegen X.________ wegen Urkunden- und Wirtschaftsdelikten sowie weiteren
mutmasslichen Straftaten. Der Angeschuldigte wurde vom Haftrichter des
Bezirksgerichtes Zürich am 11. Oktober 2007 in Untersuchungshaft versetzt.
Ein Haftentlassungsgesuch vom 23. Oktober 2007 wies der kantonale Haftrichter
am 2. November 2007 ab.

B.
Gegen die haftrichterliche Verfügung vom 2. November 2007 gelangte X.________
mit Laieneingabe vom 6. November 2007 (und Ergänzung vom 7. November 2007) an
das Bundesgericht. Er beantragt zur Hauptsache seine sofortige
Haftentlassung.

Die Staatsanwaltschaft beantragt (mit Hinweis auf die Prozessakten) die
Abweisung der Beschwerde, sofern darauf einzutreten ist, während der
kantonale Haftrichter auf eine Vernehmlassung verzichtet hat.

Erwägungen:

1.
Die Laieneingabe kann als Beschwerde in Strafsachen (Art. 78 ff. BGG)
entgegengenommen werden. Die gesetzlichen Eintretensvoraussetzungen geben zu
keinen Bemerkungen Anlass.

2.
Nach Zürcher Strafverfahrensrecht darf Untersuchungshaft nur angeordnet bzw.
fortgesetzt werden, wenn der Angeschuldigte eines Verbrechens oder Vergehens
dringend verdächtig ist und ausserdem ein besonderer Haftgrund vorliegt. Ein
solcher ist namentlich erfüllt, wenn aufgrund bestimmter Anhaltspunkte
ernsthaft befürchtet werden muss, der Angeschuldigte werde sich der
Strafverfolgung oder der zu erwartenden Strafe durch Flucht entziehen (§ 58
Abs. 1 Ziff. 1 StPO/ZH).

3.
Der Beschwerdeführer bestreitet zunächst den allgemeinen Haftgrund des
dringenden Tatverdachtes.

3.1 Im Gegensatz zum erkennenden Sachrichter hat das Bundesgericht bei der
Überprüfung des allgemeinen Haftgrundes des dringenden Tatverdachtes keine
erschöpfende Abwägung sämtlicher belastender und entlastender
Beweisergebnisse vorzunehmen. Macht ein Inhaftierter geltend, er befinde sich
ohne ausreichenden Tatverdacht in strafprozessualer Haft, ist vielmehr zu
prüfen, ob aufgrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse genügend konkrete
Anhaltspunkte für eine Straftat und eine Beteiligung des Beschwerdeführers an
dieser Tat vorliegen, die Justizbehörden somit das Bestehen eines dringenden
Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften. Im
Haftprüfungsverfahren genügt dabei der Nachweis von konkreten
Verdachtsmomenten, wonach das inkriminierte Verhalten mit erheblicher
Wahrscheinlichkeit die fraglichen Tatbestandsmerkmale erfüllen könnte (vgl.
BGE 116 Ia 143 E. 3c S. 146). Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen lässt
dabei nur wenig Raum für ausgedehnte Beweismassnahmen. Zur Frage des
dringenden Tatverdachtes bzw. zur Schuldfrage hat der Haftrichter weder ein
eigentliches Beweisverfahren durchzuführen, noch dem erkennenden Strafrichter
vorzugreifen. Vorbehalten bleibt allenfalls die Abnahme eines liquiden
Alibibeweises (vgl. BGE 124 I 208 E. 3 S. 210 mit Hinweisen).

Bei Beschwerden, die gestützt auf das Recht der persönlichen Freiheit (Art.
10 Abs. 2, Art. 31 BV) wegen der Ablehnung eines Haftentlassungsgesuches
erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die Schwere des
Eingriffes die Auslegung und Anwendung des entsprechenden kantonalen Rechtes
frei. Soweit jedoch reine Sachverhaltsfragen und damit Fragen der
Beweiswürdigung zu beurteilen sind, greift das Bundesgericht nur ein, wenn
die tatsächlichen Feststellungen des kantonalen Haftrichters willkürlich sind
(vgl. BGE 132 I 21 E. 3.2.3 S. 24 mit Hinweisen).

3.2 Zur Begründung des dringenden Tatverdachtes wird im angefochtenen
Entscheid auf die Erwägungen in den haftrichterlichen Verfügungen vom 11.
bzw. 19. Oktober 2007 verwiesen. Dort erfolgt eine weitere Verweisung auf die
Stellungnahmen der Staatsanwaltschaft vom 10. bzw. 16. Oktober 2007.

Dem Beschwerdeführer wird im Wesentlichen vorgeworfen, er habe seit 2004 eine
grosse Zahl von Aktiengesellschaften gegründet (146 Gesellschaften allein
zwischen 2004 und 2005), deren Aktienkapital jeweils bloss zum Schein
liberiert worden sei. Die Mantelgesellschaften seien in der Folge (für bis zu
Fr. 6'000.--) auffallend günstig an Interessierte verkauft worden.
Sacheinlagen habe die Täterschaft jeweils lediglich der Form halber bzw.
treuhänderisch für die jeweiligen Gründungen bzw. bis zum Verkauf der
Gesellschaften eingebracht. Wertschriften, die als Sacheinlagen vorgelegt
wurden, seien überdies massiv überbewertet gewesen. Die faktisch fehlende
Liberierung sei unter anderem über Aktionärsdarlehen (in der Höhe der
fehlenden Vermögenswerte) vertuscht worden. Weitere Angeschuldigte hätten die
angebliche Richtigkeit und Vollständigkeit der Gründungsberichte fälschlich
bestätigt bzw. die Gründungsunterlagen notariell beurkundet. Mit diesen
irreführenden Unterlagen seien in der Folge die Handelsregisterführer
verschiedener Kantone getäuscht worden, was zur unrechtmässigen Eintragung
der (de facto kapitallosen) Mantelgesellschaften im Handelsregister geführt
habe. Der Beschwerdeführer sei der mehrfachen Falschbeurkundung (Art. 251
Ziff. 1 StGB), der mehrfachen Erschleichung einer falschen Beurkundung (Art.
253 Abs. 1 StGB) sowie der unwahren Angaben über kaufmännische Gewerbe (Art.
152 StGB, vgl. auch Art. 153 StGB) dringend verdächtig.

3.3 Was der Beschwerdeführer dagegen einwendet, lässt den dargelegten
Tatverdacht nicht dahinfallen. Dies gilt namentlich für die Vorbringen, im
Zeitraum 2004-2006 hätten noch keine Untersuchungshandlungen stattgefunden,
er sei bis Anfang Oktober 2007 davon ausgegangen, dass seine
Geschäftstätigkeit legal sei, und die Firmengründungen seien in aller
Öffentlichkeit erfolgt bzw. anstandslos in den Handelsregistern eingetragen
worden. Die Frage, ob Dritte am Vermögen geschädigt wurden bzw. ob die
untersuchten Gesellschaftsgründungen zu illegalen Zwecken missbraucht wurden,
kann hier offen bleiben. Art. 253 Abs. 1 StGB schützt primär den guten
Glauben in öffentliche Urkunden. Im Hinblick auf mögliche Schädigungen im
Wirtschafts- und Rechtsverkehr handelt es sich bei diesem Straftatbestand um
ein abstraktes Gefährdungsdelikt, das keinen Nachweis eines Vermögensschadens
bei Dritten tatbestandsmässig voraussetzt. Der kantonale Haftrichter hat
insbesondere den dringenden Tatverdacht der mehrfachen Erschleichung einer
falschen Beurkundung (Art. 253 Abs. 1 StGB) bejaht. Dies hält vor der
Verfassung stand.

3.4 Der Beschwerdeführer rügt in diesem Zusammenhang eine Verletzung des
rechtlichen Gehörs. Im Haftbeschwerdeverfahren sei seinen diversen
Stellungnahmen und Vorbringen keine Rechnung getragen worden.

Wie sich aus den Akten ergibt, wurden die zahlreichen Eingaben des
Beschwerdeführers von den kantonalen Behörden ins Haftdossier aufgenommen und
im Haftbeschwerdeverfahren ausreichend berücksichtigt. Der angefochtene
Entscheid ist zwar eher knapp und summarisch begründet und verweist
inhaltlich auf frühere haftrichterliche Verfügungen. Den betreffenden
Dokumenten lassen sich jedoch die wesentlichen Argumente für die Bejahung des
dringenden Tatverdachtes entnehmen. Dass der kantonale Haftricher den
Parteistandpunkten des Beschwerdeführers materiell nicht gefolgt ist, stellt
keine Verletzung des rechtlichen Gehörs dar.

4.
Der Beschwerdeführer bestreitet sodann das Bestehen eines besonderen
Haftgrundes, namentlich von Fluchtgefahr.

4.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes braucht es für die Annahme
von Fluchtgefahr eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass sich der
Angeschuldigte, wenn er in Freiheit wäre, der Strafverfolgung und dem Vollzug
der Strafe durch Flucht entziehen würde. Die Schwere der drohenden Strafe
darf als ein Indiz für Fluchtgefahr gewertet werden. Sie genügt jedoch für
sich allein nicht, um den Haftgrund zu bejahen. Vielmehr müssen die konkreten
Umstände des betreffenden Falles, insbesondere die gesamten
Lebensverhältnisse des Angeschuldigten, in Betracht gezogen werden (BGE 125 I
60 E. 3a S. 62; 117 Ia 69 E. 4a S. 70, je mit Hinweisen). So ist es zulässig,
die familiären und sozialen Bindungen des Häftlings, dessen berufliche
Situation und Schulden sowie Kontakte ins Ausland und Ähnliches
mitzuberücksichtigen. Auch bei einer befürchteten Ausreise in ein Land, das
den Angeschuldigten grundsätzlich an die Schweiz ausliefern bzw.
stellvertretend verfolgen könnte, ist die Annahme von Fluchtgefahr nicht
ausgeschlossen (BGE 123 I 31 E. 3d S. 36 f.).
4.2 Das Vorbringen, der Beschwerdeführer sei verheiratet und habe drei
Töchter, lässt die Annahme von Fluchtgefahr im vorliegenden Fall nicht als
verfassungswidrig erscheinen. Seine Ansicht, er habe stets über korrekt
geregelte Wohn- und Meldeverhältnisse verfügt, findet in den Akten keine
Stütze. Die kantonalen Strafjustizbehörden legen dar, dass der
Beschwerdeführer keinen geregelten Wohnsitz in der Schweiz habe. Laut
Register des Personenmeldeamtes der Stadt Zürich sei er am 8. Dezember 2005
mit unbekanntem Ziel weggezogen. Tatsächlich habe er jedoch an mehrfach
wechselnden Adressen in Zürich gewohnt. An der Adresse seiner Ehefrau in
Wattwil habe er sich erst am 9. Oktober 2007 anmelden lassen. Gemäss den
bisherigen Ermittlungen verfüge der Beschwerdeführer ausserdem über
geschäftliche Beziehungen nach Kamerun (Gold- und Diamantenförderung,
Tourismus). Er sei an einem dort ansässigen Unternehmen beteiligt, habe Geld
auf afrikanische Konten überwiesen und sich am 10. Juni 2007 offiziell nach
Kamerun abgemeldet. Anlässlich seiner Einvernahme im Haftanordnungsverfahren
habe er ausgesagt, er verfolge seit mehr als sieben Jahren namhafte
geschäftliche Projekte in Afrika und verfüge seit vier Jahren über eine
Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung in Kamerun. Wie sich weiter aus den Akten
ergibt, hat der Beschwerdeführer in der Schweiz hohe Schulden bzw. zahlreiche
hängige Betreibungen. Im Falle einer Verurteilung wegen Urkunden- und
Wirtschaftsdelikten sowie weiteren mutmasslichen Straftaten droht ihm
überdies eine empfindliche Freiheitsstrafe sowie der Widerruf des bedingten
Strafvollzuges für eine bereits ausgefällte Freiheitsstrafe von sechs Monaten
(wegen mehrfachen Betruges, Sachbeschädigung und Hausfriedensbruches gemäss
Urteil des Obergerichtes des Kantons Aargau vom 5. April 2001).

4.3 Bei dieser Sachlage hält die Annahme von Fluchtgefahr vor der Verfassung
stand. Es kann offenbleiben, ob darüber hinaus noch weitere besondere
Haftgründe (etwa Fortsetzungsgefahr) erfüllt wären. Auch die Ansicht der
kantonalen Behörden, der dargelegten Fluchtgefahr lasse sich im gegenwärtigen
Verfahrensstadium mit weniger einschneidenden Ersatzmassnahmen für Haft nicht
ausreichend begegnen, erscheint grundrechtskonform.

5.
Die vom Beschwerdeführer erhobene Rüge, die Weiterdauer der Haft sei
unverhältnismässig, erweist sich ebenfalls als unbegründet. Weder ist die
bisherige Haftdauer (von knapp zwei Monaten) bereits in grosse zeitliche Nähe
der Freiheitsstrafe gerückt, die dem Beschwerdeführer im Falle einer
strafrechtlichen Verurteilung droht, noch ergeben sich aus den vorliegenden
Akten Anhaltspunkte für schwere prozessuale Versäumnisse der Behörden, welche
eine Haftentlassung als geboten erscheinen liessen (vgl. dazu BGE 133 I 168
E. 4.1 S. 170 f.; 132 I 21 E. 4.1 S. 27 f. mit Hinweisen).

Auch die weiteren Vorbringen des Beschwerdeführers lassen (soweit sie sich
überhaupt auf das hier streitige Haftprüfungsverfahren beziehen) keine
Verletzung von Grundrechten erkennen.

6.
Die Beschwerde ist abzuweisen.

Gestützt auf Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG werden hier ausnahmsweise keine
Gerichtskosten erhoben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichter,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 29. November 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Forster