Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.237/2007
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1B_237/2007

Urteil vom 8. Januar 2008

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Eusebio,
Gerichtsschreiber Kessler Coendet.

X. ________, Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Bahnhofplatz 3a, 4410
Liestal.

Abweisung des Gesuchs um Verteidigerwechsel,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 15. Oktober 2007 des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft, Abteilung
Zivil- und Strafrecht.
Sachverhalt:

A.
Das Strafgericht Basel-Landschaft verurteilte X.________ am 24. August 2007
wegen Vermögens-, Urkunden- und Verkehrsdelikten zu einer mehrjährigen
Freiheitsstrafe. Der Verurteilte erklärte gegen das Urteil die Appellation;
das Rechtsmittelverfahren ist beim Kantonsgericht Basel-Landschaft hängig.
Der Angeklagte befindet sich in Sicherheitshaft.

B.
Am 30. Juli 2007 hatte das Präsidium des Strafgerichts das Begehren von
X.________ um Wechsel seines Offizialverteidigers abgelehnt. X.________
gelangte gegen diese Verfügung an das Kantonsgericht, das die Beschwerde am
14. August 2007 abwies. Auf eine hiergegen erhobene Beschwerde in Strafsachen
trat das Bundesgericht mit Urteil vom 19. September 2007 mangels
hinreichender Beschwerdebegründung nicht ein (Verfahren 1B_193/2007).

C.
Mit Schreiben vom 24. August 2007 und weiteren Eingaben ersuchte der
Angeklagte das Kantonsgericht erneut um die Bewilligung des
Verteidigerwechsels. Das Kantonsgericht wies dieses Gesuch mit Verfügung vom
15. Oktober 2007 ab. Dabei erwog es, die neuen Vorbringen würden zu keiner
anderen Beurteilung führen.

D.
Gegen die Verfügung vom 15. Oktober 2007 reicht X.________ beim Bundesgericht
wiederum Beschwerde in Strafsachen ein. Er beantragt im Wesentlichen, das
Kantonsgericht sei anzuweisen, ihm einen neuen Offizialverteidiger zu
bestellen. Ausserdem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege im
bundesgerichtlichen Verfahren.

Das Kantonsgericht und die Staatsanwaltschaft Basel-Landschaft schliessen auf
Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten sei. X.________ hat zu
diesen Eingaben Stellung genommen.

E.
Der Instruktionsrichter im bundesgerichtlichen Verfahren hat mit Verfügung
vom 6. Dezember 2007 das Gesuch des Beschwerdeführers um Gewährung der
aufschiebenden Wirkung abgewiesen.

Erwägungen:

1.
Auf das Beschwerdeverfahren ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (BGG; SR 173.110) anwendbar (Art. 132 Abs. 1 BGG).

1.1 Der angefochtene Entscheid erging im Rahmen eines Strafverfahrens. Er
stützt sich auf kantonales Strafprozessrecht. Hiergegen fällt die Beschwerde
in Strafsachen gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG in Betracht (vgl. zur
Veröffentlichung bestimmtes Urteil 1B_84/2007 vom 11. September 2007, E. 2).

1.2 Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen Zwischenentscheid,
der das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer nicht abschliesst. Gegen
Vor- und Zwischenentscheide, die weder die Zuständigkeit noch den Ausstand
betreffen (vgl. dazu Art. 92 BGG), ist die Beschwerde an das Bundesgericht -
von hier nicht betroffenen Ausnahmen abgesehen - nur unter den
Voraussetzungen von Art. 93 Abs. 1 BGG zulässig. Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
sieht die Beschwerdemöglichkeit vor, wenn der angefochtene Zwischenentscheid
dem Beschwerdeführer einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken
kann. Im Folgenden ist zu prüfen, ob eine solche Konstellation hier gegeben
ist. Nach Art. 93 Abs. 1 lit. b BGG steht die Beschwerde gegen einen
Zwischenentscheid ferner offen, wenn die Gutheissung der Beschwerde sofort
einen Endentscheid herbeiführen und damit einen bedeutenden Aufwand an Zeit
oder Kosten für ein weitläufiges Beweisverfahren ersparen würde; eine
derartige Konstellation liegt hier offensichtlich nicht vor.

1.3 Im Verfahren der Beschwerde in Strafsachen entspricht der Begriff des
nicht wieder gutzumachenden Nachteils gemäss Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
demjenigen des früheren Art. 87 Abs. 2 OG bezüglich der Anfechtbarkeit eines
Zwischenentscheids mit der staatsrechtlichen Beschwerde. Folglich muss der
nicht wieder gutzumachende Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG
nicht bloss tatsächlicher, sondern rechtlicher Natur sein (BGE 133 IV 139 E.
4 S. 141; vgl. auch genanntes Urteil 1B_84/2007 vom 11. September 2007, E.
4).

1.4 Die Abweisung eines Gesuchs um einen Wechsel des Offizialverteidigers
hat, besondere Umstände vorbehalten, keinen nicht wieder gutzumachenden,
rechtlichen Nachteil zur Folge. Die Beeinträchtigung des
Vertrauensverhältnisses zwischen dem Gesuchsteller und dem Verteidiger
verunmöglicht eine wirksame Verteidigung in aller Regel nicht. Der bisherige
Offizialverteidiger bleibt verpflichtet, im Einvernehmen mit dem Mandanten
oder in dessen mutmasslichem Interesse eine geeignete Verteidigungsstrategie
festzulegen und diese im Verfahren zu vertreten (genanntes Urteil 1B_84/2007,
E. 4 mit Hinweis auf BGE 126 I 207 E. 2b S. 211 zu Art. 87 Abs. 2 OG).

1.5 Im Lichte der dargelegten Rechtsprechung fehlt es am verlangten
rechtlichen Nachteil, soweit der Beschwerdeführer die Prozessführung durch
seinen Offizialverteidiger kritisiert. Der Beschwerdeführer behauptet nicht
ausdrücklich, in seinem Fall seien besondere Umstände gegeben, die
ausnahmsweise ein Eintreten auf seine Beschwerde gebieten würden. Immerhin
macht er in zweierlei Hinsicht eine Konfliktsituation zu seinem Verteidiger
geltend, auf die nachfolgend näher einzugehen ist.

1.6 Der Beschwerdeführer beanstandet, der Verteidiger habe ohne sein
Einverständnis Akten aus dem Strafverfahren einer Drittperson ausgehändigt.
Insoweit ist ebenfalls kein rechtlicher Nachteil des Beschwerdeführers
erkennbar, der ein Eintreten auf die Beschwerde in Strafsachen erfordern
würde. Bei der Drittperson handelt es sich um einen weiteren Rechtsanwalt des
Beschwerdeführers, der für diesen in Zivilverfahren tätig ist. Im Übrigen
erhebt der Beschwerdeführer den betreffenden Vorwurf in pauschaler Weise;
damit ist er nicht zu hören. Insbesondere führt er nicht aus, welche
Aktenstücke sein Verteidiger dem anderen Rechtsvertreter im Einzelnen nicht
hätte herausgeben dürfen.

1.7 Nach Meinung des Beschwerdeführers ist der Offizialverteidiger gegen ihn
voreingenommen und setze sich daher zu wenig für ihn ein. Dabei verweist der
Beschwerdeführer auf angebliche Anstände wegen der Bezahlung eines früheren
Mandats in einer Zivilsache, das der Verteidiger für ihn wahrgenommen habe.
In diesem Zusammenhang habe der Verteidiger ihm gegenüber sogar einmal
gesagt, er überlege sich die Einreichung einer Strafanzeige wegen Betrugs.

1.7.1 Entsteht beim Offizialverteidiger eine Interessenkollision, so kann die
Aufrechterhaltung einer wirksamen Verteidigung infrage gestellt sein.
Insoweit drängt sich eine materielle Prüfung der Beschwerde gegen die
Verweigerung des Verteidigerwechsels auf. In diesem Punkt erweist sich die
Beschwerde indessen als unbegründet. Der Beschwerdeführer vermag nicht
darzutun, dass die Erfüllung der Verteidigerpflichten wegen des angeblichen
zusätzlichen Zivilmandats beeinträchtigt würde.

1.7.2 Es ist nicht aktenkundig, dass der Verteidiger gegen den
Beschwerdeführer je ein Strafverfahren angestrengt hätte. Sofern der
Verteidigte seinerseits gegen den Verteidiger Zivil-, Straf- oder
Disziplinarverfahren einleitet, kann die Bewilligung eines
Verteidigerwechsels angezeigt sein, zwingend ist dies aber nicht. Vielmehr
gilt es diesfalls zu prüfen, ob der Verteidigte dabei stichhaltige Vorwürfe
erhoben hat. Der Beschwerdeführer bringt vor, während des bundesgerichtlichen
Verfahrens sei bei der Aufsichtskommission des kantonalen Anwaltsverbandes
ein Verfahren gegen seinen Verteidiger anhängig gemacht worden. Ob diese
Sachdarstellung zutrifft, mag dahingestellt bleiben. Ebenso wenig braucht
erörtert zu werden, inwiefern der Beschwerdeführer zur Geltendmachung neuer
Tatsachen vor dem Bundesgericht befugt ist. Nach seinen Angaben betrifft das
angebliche aufsichtsrechtliche Verfahren nicht andere Kritikpunkte, als er in
der Beschwerde in Strafsachen angesprochen hat. Somit ist auch mit Blick
darauf keine andere Beurteilung der Beschwerde geboten.

2.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Bei diesem Ausgang wird der Beschwerdeführer an sich kostenpflichtig
(Art. 66 Abs. 1 BGG). Er hat jedoch ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
gemäss Art. 64 Abs. 1 BGG gestellt. Das Gesuch ist gutzuheissen, weil davon
ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführer bedürftig ist, und weil
die Rechtsbegehren - jedenfalls teilweise - nicht von vornherein aussichtslos
waren. Demzufolge sind keine Kosten zu erheben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem
Kantonsgericht Basel-Landschaft, Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 8. Januar 2008

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Kessler Coendet