Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.206/2007
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1B_206/2007

Urteil vom 7. Januar 2008

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Thönen.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Hansjürg Lenhard,

gegen

Untersuchungsrichter des Kantons Freiburg,
Place Notre-Dame 4, Postfach 156, 1702 Freiburg,
Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg,
Rue de Zaehringen 1, 1700 Freiburg.

Beschlagnahme, Entsiegelung,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 13. Juli 2007 des Kantonsgerichts
Freiburg, Präsident der Strafkammer.
Sachverhalt:

A.
Der Untersuchungsrichter des Kantons Freiburg führt gegen Y.________ ein
Strafverfahren wegen Steuerbetrugs, evtl. Urkundenfälschung. In diesem
Zusammenhang ordnete er eine Hausdurchsuchung und Beschlagnahme bei
X.________ in Zürich an. X.________ ist Steuerexperte und Treuhänder des
Beschuldigten Y.________. Die Massnahme wurde am 20. März 2007 durchgeführt.
Bei der Durchsuchung wurde namentlich die Festplatte des X.________
gehörenden Computers gestützt auf eine Liste von 49 Suchbegriffen
durchforscht. Es fanden sich 1007 Informatikdateien mit einem oder mehreren
dieser Suchbegriffe. Die Dateien wurden auf eine externe Festplatte kopiert.
Da sich X.________ den Massnahmen widersetzte, wurde die externe Festplatte
mit den kopierten Dateien versiegelt.

B.
Am 26. April 2007 ersuchte der Untersuchungsrichter das Kantonsgericht
Freiburg, Präsident der Strafkammer, über die Zulässigkeit und den Umfang der
Beschlagnahme endgültig zu befinden und die beschlagnahmten Informatikdateien
vollständig zu entsiegeln. Mit Verfügung vom 13. Juli 2007 hiess das
Kantonsgericht das Entsiegelungsgesuch teilweise gut. Es gelangte zum
Ergebnis, die Durchsuchung sei verhältnismässig mit Ausnahme jener Dateien,
in denen einzig 21 namentlich aufgelistete Suchbegriffe verwendet worden
seien. Dementsprechend sei die Siegelung insoweit aufzuheben, wobei zuvor
jene Dateien zu löschen seien, die einzig einen der erwähnten Suchbegriffe
enthielten.

Zur Rechtmässigkeit der Beschlagnahme legte das Kantonsgericht dar, gegen den
Beschuldigten Y.________ bestehe ein hinreichender Tatverdacht. Die
Durchsuchung des Computers von X.________ sei teilweise unverhältnismässig,
nämlich soweit Computerdateien mit Suchbegriffen erhoben wurden, die nicht
aus dem Strafverfahren gegen Y.________ stammten und keinen unmittelbaren
Zusammenhang zu Y.________ aufwiesen. Zum Vorgehen anlässlich der
Hausdurchsuchung vom 20. März 2007 führte das Kantonsgericht aus, die Suche
sei direkt auf dem Server von X.________ durchgeführt worden. Es seien einzig
jene Dateien kopiert worden, die einen der Suchbegriffe enthielten. Die
Dateien seien vom Server auf einen Laptop und danach auf eine externe
Festplatte übertragen worden.

C.
Mit Eingabe vom 14. September 2007 führt X.________ Beschwerde in
Strafsachen. Er beantragt die Aufhebung der Entsiegelungsbewilligung, wobei
ihm die versiegelte Festplatte zurückzugeben sei. Er rügt einen Eingriff in
seine Intim-, Privat- und Geschäftssphäre. Zudem fehle ein Protokoll darüber,
welche seiner elektronischen Daten erfasst und welche gelöscht worden seien.
Das vom Kantonsgericht angeordnete Entsiegelungsprozedere sei
unverhältnismässig und letztlich unmöglich. Es fehle an einem dringenden
Tatverdacht gegenüber dem Beschuldigten Y.________, und bei der Beschlagnahme
handle es sich um eine "fishing expedition".

D.
Der Untersuchungsrichter beantragt, auf die Beschwerde sei nicht einzutreten.
Die Staatsanwaltschaft schliesst auf Abweisung. Das Kantonsgericht hat auf
eine Vernehmlassung verzichtet.

Mit Präsidialverfügung vom 15. Oktober 2007 wurde das Gesuch um aufschiebende
Wirkung der Beschwerde bewilligt.

Erwägungen:

1.
Auf das Beschwerdeverfahren ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG, SR 173.110) anwendbar (siehe Art.
132 Abs. 1 BGG). Die angefochtene Verfügung vom 13. Juli 2007 stützt sich auf
kantonales Strafprozessrecht und kann mit der Beschwerde in Strafsachen
gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG angefochten werden (Botschaft vom 28. Februar 2001
zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001, S. 4313).

2.
2.1 Verfahrenspartei vor Bundesgericht ist nicht der Beschuldigte im
Strafverfahren, Y.________, sondern dessen Steuerexperte und Treuhänder,
X.________. Dieser ist Inhaber des durchsuchten Computers und hat beim
Bundesgericht Beschwerde eingereicht.

2.2 Der Beschuldigte Y.________ hat nicht Beschwerde geführt. Sein
Rechtsvertreter ist jedoch mit Schreiben vom 20. September 2007 unter
Bezugnahme auf das vorliegende Verfahren an das Bundesgericht gelangt, hat
das Vertretungsverhältnis angezeigt und eine Vollmacht eingereicht. Er
ersucht darum, Mitteilungen in dieser Sache inskünftig an seine Kanzlei
zuzustellen, stellt jedoch keine weiteren Anträge. Der Beschuldigte wird vor
Bundesgericht nicht als Verfahrenspartei oder -beteiligter betrachtet und
nicht in den Schriftenwechsel und andere Mitteilungen einbezogen.

3.
3.1 Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit von Amtes wegen (Art. 29 Abs.
1 BGG). Es untersucht deshalb grundsätzlich von Amtes wegen, ob und inwiefern
auf eine Beschwerde eingetreten werden kann.

3.2 Beschlagnahme- und Entsiegelungsentscheide werden regelmässig als
Zwischenentscheide betrachtet, da damit das Strafverfahren gegen den
Beschuldigten nicht abgeschlossen wird (BGE 133 IV 288 E. 2 S. 290). Sie sind
als Zwischenentscheide gemäss Art. 93 BGG nur ausnahmsweise anfechtbar,
namentlich wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken
können (Art. 93 lit. a BGG). Im Verfahren der Beschwerde in Strafsachen
entspricht der Begriff des nicht wieder gutzumachenden Nachteils gemäss Art.
93 Abs. 1 lit. a BGG demjenigen des früheren Art. 87 Abs. 2 OG. Es handelt
sich daher um einen Nachteil rechtlicher Natur (BGE 133 IV 139 E. 4 S. 141),
eine Beeinträchtigung bloss tatsächlicher Interessen genügt nicht.

3.3 Die angefochtene Verfügung schliesst das Strafverfahren gegen den
Beschuldigten nicht ab und wäre für diesen als Zwischenentscheid zu
betrachten. Indessen führt nicht der Beschuldigte, sondern sein - nicht
beschuldigter - Treuhänder Beschwerde. Dieser wird nur vom
Beschlagnahmeverfahren erfasst, er wird gegen den Endentscheid im
Strafverfahren kein Rechtsmittel ergreifen können. Diesbezüglich liegt ein
Teilentscheid im Sinne von Art. 91 lit. b BGG vor, welcher das Verfahren nur
für den Beschwerdeführer, nicht für den Beschuldigten, abschliesst.
Prozessual wird der Teilentscheid vom Bundesgerichtsgesetz gleich behandelt
wie ein Endentscheid. Das hat zur Folge, dass der nicht beschuldigte
Beschwerdeführer den Entscheid innert der in Art. 100 BGG vorgeschriebenen
Beschwerdefrist anfechten muss und die spätere Anfechtungsmöglichkeit nach
Art. 93 Abs. 3 BGG entfällt (vgl. Urteil 1C_184/2007 vom 19. November 2007 E.
4 und BGE 132 III 785 E. 2 S. 789).

4.
4.1 Das Bundesgericht kann angefochtene Urteile nicht uneingeschränkt, sondern
nur hinsichtlich der im Gesetz (Art. 95 ff. BGG) genannten Beschwerdegründe
überprüfen. Untersteht das zu beurteilende Rechtsverhältnis dem kantonalen
Recht, ist die Bundesrechtsrüge gemäss Art. 95 lit. a BGG auf die Rüge der
Verletzung verfassungsmässiger Rechte beschränkt. Gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG
prüft das Bundesgericht die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem
und interkantonalem Recht nur insofern, als eine solche Rüge in der
Beschwerde vorgebracht und begründet worden ist. Im Anwendungsbereich dieser
Bestimmung besteht eine qualifizierte Rügepflicht; die Praxis zum Rügeprinzip
gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG ist weiterzuführen (BGE 133 II 249 E. 1.4 S.
254). Es obliegt namentlich dem Beschwerdeführer darzulegen, inwiefern die
gerügten verfassungsmässigen Rechte durch den angefochtenen Entscheid
verletzt worden sind. Das Bundesgericht prüft nur klar und detailliert
erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen. Auf ungenügend begründete Rügen
und bloss allgemein gehaltene, appellatorische Kritik am angefochtenen
Entscheid tritt es nicht ein (BGE 110 Ia 1 E. 2a S. 3 f.; 125 I 492 E. 1b S.
495, mit Hinweisen).

Soweit die vorliegende Beschwerde diesen Anforderungen nicht genügt, ist
darauf nicht einzutreten.

4.2 Eine analoge Beschränkung auf Verfassungsrügen ergibt sich, wenn man die
Beschlagnahme als vorsorgliche Massnahme gemäss Art. 98 BGG betrachtet. Das
Bundesgericht hat dies im Falle der Beschlagnahme von Aktienzertifikaten
angenommen (Urteil 1B_54/2007 vom 17. Juli 2007 E. 1). Im vorliegenden Fall
der behaupteten Bedrohung der Privatsphäre ist der vorsorgliche Charakter der
Massnahme aber zweifelhaft, weil die Kenntnisnahme geschützter Daten durch
die Behörde - anders als ein vorläufiger Entzug einer Sache - nicht ohne
Weiteres rückgängig zu machen ist.

5.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Willkürverbots, indem vom
Kopier- und Löschvorgang kein Protokoll erstellt worden sei.

Es ist nicht ersichtlich, welche zusätzliche Erkenntnis ein solches Protokoll
brächte. Erstens liegt bei den Akten des Untersuchungsrichteramts eine Liste
mit 49 Suchbegriffen, die zur Suche der beschlagnahmten Dateien auf dem
Computer des Beschwerdeführers dienten, und bei den Akten des Kantonsgerichts
liegt ein Verzeichnis der 1007 beschlagnahmten Dateien. Insoweit ist der
Kopiervorgang aktenmässig belegt. Zweitens wäre es der Behörde verboten,
allfällige nicht rechtmässig erhobene Dateien zu verwerten. Nach Angaben des
Untersuchungsrichters enthalten die beschlagnahmten Dateien mindestens einen
der aufgelisteten Suchbegriffe; es seien keine weiteren Dateien kopiert und
beschlagnahmt worden. An diese Angaben sind die Behörden gebunden. Kämen
Dateien zum Vorschein, die keinen der genannten Suchbegriffe enthalten, so
müssten sie gelöscht werden. Drittens erhält der Beschwerdeführer
Gelegenheit, bei der vom Kantonsgericht angeordneten Ausscheidung der
zulässigen Dateien anwesend zu sein. Er wird sich also vergewissern können,
dass nur jene Computerdateien, welche die zulässigen Suchbegriffe enthalten,
zur Weiterverwendung bereitgestellt werden und die übrigen Dateien gelöscht
werden. Die Willkürrüge ist unbegründet.

6.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er sei als Inhaber des durchsuchten
Computers in seiner Intim-, Privat- und Geschäftssphäre betroffen.

6.1 Gemäss Art. 13 BV hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und
Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihres Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs
(Abs. 1). Sie hat Anspruch auf Schutz vor Missbrauch ihrer persönlichen Daten
(Abs. 2).

6.2 Im vorliegenden Fall steht dem Beschwerdeführer kein Amts- oder
Berufsgeheimnis zu, welches einer Durchsuchung der Computerdateien gemäss
kantonalem Recht entgegenstünde (Art. 130 Abs. 3 StPO/FR). Er beruft sich auf
das Recht auf Achtung seines Privatlebens und den Schutz seiner persönlichen
Daten gemäss Art. 13 BV. Das Beschwerderecht gemäss Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG
setzt jedoch ein rechtlich geschütztes - das heisst: persönliches - Interesse
voraus, weshalb der Beschwerdeführer seine eigene Privatsphäre, nicht jedoch
jene seiner Klienten verteidigen kann (vgl. Urteile 1P.752/2003 vom 20. April
2004 E. 1.2; 1P.501/2002 vom 17. Dezember 2002 E. 2.1, beide zu Art. 88 OG,
und BGE 131 IV 191 E. 1.2 S. 193 zu Art. 270 lit. a BStP). Soweit der
Beschwerdeführer sich gegen den Eingriff in fremde Privatsphären wendet, ist
auf die Beschwerde nicht einzutreten.

6.3 Im vorliegenden Fall beruhen Beschlagnahme und Entsiegelung auf einer
gesetzlichen Grundlage (Art. 122 ff. und Art. 130 StPO/FR). Nach Ansicht des
Kantonsgerichts bestehe ein hinreichender Tatverdacht gegen den Beschuldigten
Y.________ und die Entsiegelung erweise sich - mit den genannten
Einschränkungen - als verhältnismässig. Der Beschwerdeführer vermag die
glaubhafte Darstellung des Kantonsgerichts nicht zu entkräften. Aufgrund der
selektiven Vorgehensweise bei der Beschlagnahme mit Suchbegriffen und der
zusätzlichen Einschränkung durch das Kantonsgericht ist davon auszugehen,
dass die beschlagnahmten Dateien einen unmittelbaren Zusammenhang mit dem
Strafverfahren gegen den Beschuldigten aufweisen. Die Anordnung des
Kantonsgerichts, wonach bei der Entsiegelung zunächst bestimmte Dateien zu
löschen sind, bevor die übrigen Dateien weiterverwendet werden, ist nicht zu
beanstanden und - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nicht
unmöglich.

6.4 Der Beschwerdeführer behauptet einen Eingriff in die Privatsphäre, ohne
diesen weiter zu begründen. Die blosse Behauptung des Eingriffs reicht jedoch
nicht aus. Vielmehr bedarf es konkreter Hinweise, dass durch die Entsiegelung
in die Privatsphäre des Beschwerdeführers eingegriffen werde. Der
Beschwerdeführer pflegte als Treuhänder und Steuerberater mit dem
Beschuldigten Y.________ Geschäftsbeziehungen. Die zur Suche der
beschlagnahmten Dateien verwendeten Suchbegriffe stehen im Zusammenhang mit
dem Strafverfahren gegen den Beschuldigten. Beides deutet darauf hin, dass
die beschlagnahmten Computerdateien geschäftlicher Art sind. Es bestehen
keine konkreten Hinweise dafür, dass auch Dateien aus der Privatsphäre des
Beschwerdeführers beschlagnahmt worden wären und diese in keinem oder
unverhältnismässig geringem Zusammenhang mit dem Strafverfahren gegen
Y.________ stünden. Da ausser der allgemeinen, nicht weiter begründeten Rüge
der Verletzung der Intim-, Privat- und Geschäftssphäre keine weiteren
Anzeichen für einen Eingriff in die Privatsphäre bestehen, erweist sich die
Rüge als unbegründet, soweit überhaupt darauf eingetreten werden kann.

7.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Gemäss diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Es sind keine Parteientschädigungen
zuzusprechen (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Untersuchungsrichter, der
Staatsanwaltschaft des Kantons Freiburg und dem Kantonsgericht Freiburg,
Präsident der Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Januar 2008

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Thönen