Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.201/2007
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1B_201/2007 /daa

Urteil vom 15. November 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Fonjallaz, Eusebio,
Gerichtsschreiber Thönen.

A. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Bernard Rambert,

gegen

1.Thomas Müller, Einzelrichter für Zivil- und Strafsachen, Bezirksgericht
Zürich, Wengistrasse 28, Postfach, 8026 Zürich,
2.B.________, vertreten durch Rechtsanwalt
Bernhard Gehrig,
3.? C.________, vertreten durch Rechtsanwalt  Bernhard Rüdy,
4.D.________, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Christoph Hohler,
Beschwerdegegner,
Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich, Besondere Untersuchungen und
Rechtshilfe, Zweierstrasse 25, Postfach 9780, 8036 Zürich,
Obergericht des Kantons Zürich, Verwaltungskommission, Hirschengraben 15,
Postfach 2401, 8021 Zürich.

Ablehnung,

Beschwerde in Strafsachen gegen den Beschluss vom
5. Juli 2007 des Obergerichts des Kantons Zürich, Verwaltungskommission.

Sachverhalt:

A.
Gestützt auf eine Strafanzeige von A.________ führte die Staatsanwaltschaft
des Kantons Zürich eine Strafuntersuchung gegen B.________, C.________ sel.
und D.________. Mit Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 17. Oktober 2005
wurde die Strafuntersuchung eingestellt. Der Einzelrichter in Strafsachen des
Bezirkes Zürich wies den Rekurs von A.________ mit Verfügung vom 30. Mai 2006
ab. Das Bundesgericht hob diese Verfügung auf, weil der Einzelrichter dem
Rekurrenten keine Gelegenheit gegeben hatte, sich zur Vernehmlassung der
Staatsanwaltschaft vom 10. Januar 2006 zu äussern (Urteil 1P.527/2006 vom 4.
Dezember 2006).

Mit Verfügung des Einzelrichters vom 20. Dezember 2006 wurde A.________ u.a.
Frist angesetzt, um zur Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft Stellung zu
nehmen.

B.
Mit Eingabe vom 15. April 2007 stellte A.________ ein Ablehnungsbegehren
gegen den mit dem Rekursverfahren befassten Einzelrichter. Aus der Verfügung
vom 30. Mai 2006 ergebe sich, dass der Einzelrichter mangelnde
Aktenkenntnisse gehabt habe.

Das Obergericht des Kantons Zürich trat mit Beschluss vom 5. Juli 2007 auf
das Ablehnungsbegehren nicht ein. Zur Begründung wurde im Wesentlichen
angeführt, der Beschwerdeführer habe die für die Ablehnung vorgebrachten
Gründe seit August 2006 gekannt und seit dem 4. Januar 2007 sei bekannt, dass
der Einzelrichter mit dem Rekursverfahren befasst bleibe. Der Rekurrent habe
mit der Stellung des Ablehnungsbegehrens mehr als drei Monate zugewartet und
damit rechtsmissbräuchlich gehandelt. Das Ablehnungsbegehren wäre auch in der
Sache offensichtlich unbegründet, wenn darauf einzutreten wäre.

C.
Mit Eingabe vom 10. September 2007 führt A.________ Beschwerde an das
Bundesgericht und beantragt, es sei der Beschluss des Obergerichts vom 5.
Juli 2007 aufzuheben und das Ablehnungsbegehren gutzuheissen, eventualiter
sei die Angelegenheit an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Der abgelehnte Einzelrichter und die Staatsanwaltschaft haben auf eine
Vernehmlassung verzichtet. B.________ und D.________ beantragen die Abweisung
der Beschwerde. Sie und der Rechtsvertreter von C.________ sel., der sich
ebenfalls geäussert hat, machen geltend, die Beschwerde bezwecke, das
Verfahren zu verzögern. Mit Verfügung vom 25. September 2007 wurden die
Vernehmlassungsantworten dem Beschwerdeführer zugestellt.

Mit Präsidialverfügung vom 25. September 2007 hat das Bundesgericht das
Gesuch von A.________ um aufschiebende Wirkung abgewiesen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Auf das Beschwerdeverfahren ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (Bundesgerichtsgesetz, BGG, SR 173.110) anwendbar (siehe Art.
132 Abs. 1 BGG). Der angefochtene Beschluss betrifft ein Ablehnungsbegehren.
Da er selbständig eröffnet wurde, ist die Beschwerde nach Art. 92 Abs. 1 BGG
zulässig. Der Beschluss stützt sich auf kantonales Strafprozessrecht, weshalb
die Beschwerde in Strafsachen gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG gegeben ist
(Botschaft vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl
2001, S. 4313).

2.
Angefochten ist ein Nichteintretensentscheid. Der Beschwerdeführer rügt
zunächst eine formelle Rechtsverweigerung (Art. 29 Abs. 1 BV). Sein
Rechtsvertreter habe das Mandat im Dezember 2006 übernommen und sei nicht in
der Lage gewesen, innert der mit Verfügung vom 20. Dezember 2006 gesetzten
Frist von 20 Tagen zu reagieren. Er habe daher zweimal um Fristerstreckung
ersuchen müssen. Das Ausstandsbegehren könne gemäss § 98 GVG/ZH grundsätzlich
während des ganzen Verfahrens gestellt werden. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichts dürfe Rechtsmissbrauch nur dann angenommen werden, wenn sich
die Partei trotz Kenntnis des Ablehnungsgrundes auf das Verfahren einlasse
und das Ausstandsbegehren erst im Rechtsmittelverfahren stelle. Ein
Rechtsmissbrauch dürfe nur in offenbaren Fällen angenommen werden und sei im
Zweifel zu verneinen. Der Beschwerdeführer habe das Ablehnungsgesuch mit
seiner ersten Eingabe zur Sache und daher rechtzeitig gestellt.

3.
3.1 Das Ablehnungsgesuch wird damit begründet, der Einzelrichter habe bei
Erlass der Verfügung vom 30. Mai 2006 mangelnde Aktenkenntnis gehabt. Diese
Verfügung wurde dem Beschwerdeführer am 27. Juni 2006 zugestellt
(Empfangsschein in den kantonalen Akten). Die Vorwürfe gegen den
Einzelrichter betreffen also Tatsachen, die dem Beschwerdeführer seit dem 27.
Juni 2006 bekannt sind.

3.2 Auf Beschwerde hin hob das Bundesgericht mit Urteil vom 4. Dezember 2006
die Verfügung des Einzelrichters vom 30. Mai 2006 auf, weil der
Beschwerdeführer sich nicht zur Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft vom 10.
Januar 2006 habe äussern können. Das Bundesgerichtsurteil wurde dem
Beschwerdeführer am 9. Dezember 2006 zugestellt. In diesem Zeitpunkt war der
Beschwerdeführer anwaltlich vertreten. Er konnte erkennen, dass er sich im
wieder aufzunehmenden kantonalen Verfahren wird zur Stellungnahme der
Staatsanwaltschaft äussern können und dass das Verfahren - wie in solchen
Fällen üblich - vom mit der Sache befassten Richter weitergeführt wird. Er
musste seit dem 9. Dezember 2006 damit rechnen, dass der gleiche
Einzelrichter wieder tätig wird. Da er das Ablehnungsbegehren erst am 15.
April 2007 gestellt hat, muss er den Vorhalt gegen sich gelten lassen, er
habe damit mehr als vier Monate zugewartet.

Dies gilt auch, wenn man berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer seit dem
16. Dezember 2006 von einem anderen Anwalt vertreten wird (Vollmacht in den
kantonalen Akten). Die Tatsachen, die zur Begründung der Ablehnung angeführt
werden, waren in diesem Zeitpunkt bekannt. Vom Anwaltswechsel bis zur
Stellung des Ablehnungsbegehrens vom 15. April 2007 sind rund vier Monate
verstrichen. Gemäss dem Grundsatz, wonach ein Ablehnungsbegehren so früh wie
möglich zu stellen ist, darf diese Dauer als zu lang bezeichnet werden. Bei
den gegebenen Umständen konnte das Obergericht also das Ablehnungsbegehren
vom 15. April 2007 als verspätet erachten. Es liegt keine
Verfassungsverletzung vor, wenn das Obergericht auf das Ablehnungsbegehren
nicht eingetreten ist. Damit erübrigt es sich, auf die weitergehenden Rügen
einzugehen.

4.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG). Von der Zusprechung von
Parteientschädigungen wird unter den gegebenen Umständen abgesehen (Art. 68
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich
und dem Obergericht des Kantons Zürich, Verwaltungskommission, schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 15. November 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber:

Féraud  Thönen