Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.190/2007
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1B_190/2007 /fun

Urteil vom 25. September 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Fonjallaz,
Gerichtsschreiber Härri.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Franziska
Ryser-Zwygart,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn, Barfüssergasse 28, Postfach 157,
4502 Solothurn,
Haftgericht des Kantons Solothurn,
Barfüssergasse 28, Postfach 157, 4502 Solothurn.

Sicherheitshaft,

Beschwerde in Strafsachen gegen das Urteil des Haftgerichts des Kantons
Solothurn vom 9. August 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ wurde ... geboren und stammt aus Palästina.

Am 23. April 2007 erliess die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn gegen
ihn aufgrund verschiedener polizeilicher Anzeigen einen Vorführungsbefehl.

Am 10. Mai 2007 konnte er angehalten werden. Am Tag darauf beantragte die
Staatsanwaltschaft beim Haftgericht des Kantons Solothurn die Anordnung der
Untersuchungshaft. Diese wurde mit Urteil vom 14. Mai 2007 bis zum 9. August
2007 angeordnet.

Am 2. August 2007 erhob die Staatsanwaltschaft gegen X.________ Anklage beim
Richteramt Bucheggberg-Wasseramt wegen Diebstahls, Widerhandlungen gegen das
Strassenverkehrsgesetz, Drohung, Hausfriedensbruchs sowie Widerhandlung gegen
das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer, das
Transport- und das Betäubungsmittelgesetz.

Am 3. August 2007 beantragte die Staatsanwaltschaft beim Haftgericht die
Anordnung von Sicherheitshaft.

Mit Urteil vom 9. August 2007 hiess das Haftgericht den Antrag gut und
ordnete die Sicherheitshaft an.

B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das Urteil des
Haftgerichtes vom 9. August 2007 sei aufzuheben; er sei unverzüglich aus der
Sicherheitshaft zu entlassen; er sei während der Dauer des Verfahrens aus der
Sicherheitshaft zu entlassen; der Beschwerde sei aufschiebende Wirkung zu
gewähren.

C.
Die Staatsanwaltschaft hat keine Gegenbemerkungen eingereicht.

Das Haftgericht hat sich vernehmen lassen mit dem Antrag, die Beschwerde
abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.

D.
X.________ hat zur Vernehmlassung des Haftgerichtes Stellung genommen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Gemäss Art. 78 Abs. 1 BGG beurteilt das Bundesgericht Beschwerden gegen
Entscheide in Strafsachen. Der Begriff "Entscheide in Strafsachen" umfasst
sämtliche Entscheidungen, denen materielles Strafrecht oder Strafprozessrecht
zu Grunde liegt. Mit anderen Worten kann grundsätzlich jeder Entscheid, der
die Verfolgung oder die Beurteilung einer Straftat betrifft und sich auf
Bundesrecht oder auf kantonales Recht stützt, mit der Beschwerde in
Strafsachen angefochten werden (Botschaft vom 28. Februar 2001 zur
Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4313). Die Beschwerde in
Strafsachen ist hier somit gegeben.

Ein kantonales Rechtsmittel gegen den angefochtenen Entscheid steht nicht zur
Verfügung. Die Beschwerde ist nach Art. 80 i.V.m. Art. 130 Abs. 1 BGG
zulässig.

Der Beschwerdeführer ist nach Art. 81 Abs. 1 BGG zur Beschwerde befugt.

Die weiteren Sachurteilsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt und geben zu
keinen Bemerkungen Anlass.

2.
2.1 Der Beschwerdeführer rügt, die Anordnung der Sicherheitshaft verletze sein
verfassungsmässiges Recht auf persönliche Freiheit.

2.2 Bei Beschwerden, die gestützt auf das Recht der persönlichen Freiheit
(Art. 10 Abs. 2, Art. 31 BV) wegen der Anordnung von Untersuchungs- bzw.
Sicherheitshaft erhoben werden, prüft das Bundesgericht im Hinblick auf die
Schwere des Eingriffes die Auslegung und Anwendung des entsprechenden
kantonalen Rechtes frei (vgl. BGE 132 I 21 E. 3.2.3, mit Hinweisen).

Der Rüge der Willkür kommt damit keine selbständige Bedeutung zu, weshalb
insoweit auf die Beschwerde nicht einzutreten ist.

2.3 Gemäss § 43 Abs. 2 StPO/SO sind Untersuchungs- und Sicherheitshaft gegen
eine Person zulässig, wenn diese einer mit Freiheitsstrafe bedrohten Tat
dringend verdächtig und zudem eine der folgenden Voraussetzungen gegeben ist:
a) der Verdächtige ist flüchtig, oder es besteht die ernstliche Gefahr, dass
er sich der Strafverfolgung durch Flucht entziehen würde; (...) c) es besteht
der Verdacht eines Verbrechens oder schweren Vergehens und die ernstliche
Gefahr, dass der Verdächtige, in Freiheit belassen, seine strafbare Tätigkeit
fortsetzen würde.

2.4 Die Vorinstanz bejaht einen dringenden Tatverdacht in Bezug auf den
Diebstahl eines "Ford Fiesta" sowie den Unfall mit diesem Fahrzeug und die
damit verbundenen Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz (Anklage
Ziffern 1 und 2); in Bezug auf die Drohung (Anklage Ziffer 3); den mehrfachen
Hausfriedensbruch (Anklage Ziffer 4); die unbestrittenen acht angezeigten
Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der
Ausländer (Anklage Ziffer 5) und die ebenfalls unbestrittenen Übertretungen
gegen das Transport- und das Betäubungsmittelgesetz (Anklage Ziffern 6 und
7).

Die Vorinstanz bejaht sodann die Haftgründe der Flucht- und der
Fortsetzungsgefahr. Die Dauer der Haft erachtet sie als verhältnismässig.

2.5 Der Beschwerdeführer macht geltend, es fehle am dringenden Tatverdacht
des Diebstahls, der Widerhandlungen gegen das Strassenverkehrsgesetz, der
Drohung und des mehrfachen Hausfriedensbruchs.

Bei der Überprüfung des dringenden Tatverdachts ist es nicht Aufgabe des
Bundesgerichts, dem Sachrichter vorgreifend eine erschöpfende Abwägung
sämtlicher belastender und entlastender Umstände oder etwa eine umfassende
Bewertung der Glaubwürdigkeit der den Beschwerdeführer belastenden Personen
vorzunehmen. Zu prüfen ist vielmehr, ob genügend konkrete Anhaltspunkte für
eine Straftat und eine Beteiligung des Beschwerdeführers an dieser Tat
vorliegen, die Untersuchungsbehörden somit das Bestehen eines dringenden
Tatverdachts mit vertretbaren Gründen bejahen durften (BGE 116 Ia 143 E. 3c
S. 146).

Die Vorinstanz äussert sich (S. 3 f. E. 2) einlässlich zum dringenden
Tatverdacht insbesondere in Bezug auf den Diebstahl, die Widerhandlungen
gegen das Strassenverkehrsgesetz, die Drohung und den mehrfachen
Hausfriedensbruch. Aus ihren Erwägungen, auf die verwiesen werden kann (Art.
109 Abs. 3 BGG), ergibt sich, dass offensichtlich genügend konkrete
Anhaltspunkte für die entsprechenden Straftaten und ihre Verwirklichung durch
den Beschwerdeführer bestehen. Wenn dieser in der Art einer
Appellationsschrift in beweismässiger Hinsicht zu jedem Anklagepunkt
detailliert und umfassend Stellung nimmt und darlegt, weshalb er die
entsprechende Tat nicht begangen haben könne, verkennt er die erwähnte
Aufgabe des Bundesgerichtes bei der Prüfung des dringenden Tatverdachts.
Einen solchen hat die Vorinstanz in Bezug auf sämtliche Delikte mit
vertretbaren Gründen bejaht.

Die Beschwerde ist im vorliegenden Punkt unbegründet.

2.6 Dies gilt ebenso, soweit der Beschwerdeführer einwendet, die Vorinstanz
nehme zu Unrecht Flucht- und Fortsetzungsgefahr an. Die Vorinstanz geht (S. 4
f. E. 3 f.) gestützt auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung von den
zutreffenden Begriffen der Flucht- und Fortsetzungsgefahr aus und legt, ohne
Bundesrecht zu verletzen, dar, weshalb diese Haftgründe gegeben sind. Auf
ihre Erwägungen kann erneut verwiesen werden (Art. 109 Abs. 3 BGG).

2.7 Der Beschwerdeführer wendet ein, die Dauer der Haft sei
unverhältnismässig; es liege Überhaft vor.

Er befindet sich seit dem 10. Mai 2007 in Haft. Diese dauerte somit im
Zeitpunkt des angefochtenen Urteils rund 3 Monate. Heute befindet er sich
seit ca. 4 ? Monaten in Haft.

Dem Beschwerdeführer werden erhebliche Straftaten vorgeworfen. Er ist
überdies einschlägig vorbestraft. Der Staatsanwalt beantragt eine
Freiheitsstrafe von 12 Monaten. Ob dieser Antrag - wie der Beschwerdeführer
geltend macht - übersetzt sei, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls
muss der Beschwerdeführer mit einer Freiheitsstrafe rechnen, die deutlich
über der bisher erstandenen Haft liegt. Damit ist diese nach wie vor
verhältnismässig. Die Ausführungen der Vorinstanz hierzu (S. 6 E. 5) sind
ebenfalls nicht zu beanstanden.

Die Beschwerde ist auch in diesem Punkt unbehelflich.

2.8 Der Beschwerdeführer bringt schliesslich vor, indem die Vorinstanz keinen
Endtermin der Sicherheitshaft festgesetzt habe, habe sie seinen Anspruch auf
persönliche Freiheit verletzt.

Gemäss § 47quinquies Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 47 StPO/SO kann auch der
Beschuldigte in Sicherheitshaft jederzeit ein Haftentlassungsgesuch stellen.
Der Beschwerdeführer hat eine amtliche Verteidigerin. Er bzw. seine
Verteidigerin kann somit insbesondere jederzeit geltend machen, die Dauer der
Haft sei inzwischen in grosse Nähe der zu erwartenden Freiheitsstrafe
gerückt, weshalb er zu entlassen sei. Es ist nicht daran zu zweifeln, dass
die Verteidigerin insoweit wachsam sein und bei drohender Überhaft ein
Haftentlassungsgesuch stellen wird. Der Beschwerdeführer bzw. seine
Verteidigerin kann somit Überhaft ohne weiteres abwenden.

Mit Blick darauf verletzt es das Recht auf persönliche Freiheit nicht, wenn
die Vorinstanz für die Sicherheitshaft keinen Endtermin festgesetzt hat.

Die Beschwerde ist auch insoweit unbegründet.

3.
3.1 Sie ist nach dem Gesagten abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden
kann.

Mit dem vorliegenden Entscheid braucht über das Gesuch um aufschiebende
Wirkung nicht mehr befunden zu werden. Die Haftentlassung des
Beschwerdeführers während des bundesgerichtlichen Verfahrens wäre im Übrigen
ohnehin nicht in Betracht gekommen.

3.2 Der Beschwerdeführer ersucht um unentgeltlich Rechtspflege und
Verbeiständung nach Art. 64 BGG.

In Haftfällen nimmt das Bundesgericht nicht leichthin die Aussichtslosigkeit
der Beschwerde an, da die Haft einen schweren Eingriff in die persönliche
Freiheit darstellt und sich der Betroffene deshalb in der Regel zur
Beschwerde veranlasst sehen kann. Auch im Lichte dieser Praxis muss die
vorliegende Beschwerde jedoch als aussichtslos bezeichnet werden. Das
angefochtene Urteil ist überzeugend begründet. Die vom Beschwerdeführer
dagegen erhobenen Einwände sind offensichtlich ungeeignet, eine
Bundesrechtsverletzung darzutun. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege
und Verbeiständung kann deshalb nicht bewilligt werden.

Von der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers ist allerdings auszugehen. Auf
die Erhebung von Kosten wird daher verzichtet (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht

im Verfahren nach Art. 109 BGG:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Kosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem
Haftgericht des Kantons Solothurn schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. September 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: