Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.159/2007
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2007
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2007


1B_159/2007 /daa

Urteil vom 23. August 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aeschlimann, Reeb,
Gerichtsschreiber Steinmann.

X. ________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Thomas
Fingerhuth,

gegen

Staatsanwaltschaft II des Kantons Zürich,
Selnaustrasse 28, Postfach, 8027 Zürich,
Haftrichterin des Bezirkes Bülach, Spitalstrasse 13, Postfach, 8180 Bülach.

Entlassung aus der Sicherheitshaft,

Beschwerde in Strafsachen gegen den Entscheid der Haftrichterin des Bezirkes
Bülach vom 23. Juli 2007.

Sachverhalt:

A.
X. ________ wird gemäss Anklageschrift der Staatsanwaltschaft II des Kantons
Zürich vom 26. Juni 2007 folgender Handlungen verdächtigt: Sie soll am 1.
April 2007 als Crew Mitglied der South African Airways in die Schweiz
gekommen sein, im Auftrag eines nicht näher bekannten südafrikanischen
Auftraggebers in ihrem (Hand-)Gepäck ca. 5,2 kg Kokain in die Schweiz
eingeführt und das Kokain in der Folge Y.________ in ihrem Zimmer im Hotel
Mövenpick in Glattbrugg übergeben haben; es soll vorgesehen gewesen sein,
dass X.________ den Betrag von US$ 36'650.-- aus dem Verkauf von rund einem
Kilogramm Kokain bei ihrer Rückreise vom 4. April 2007 zuhanden des
Lieferanten nach Südafrika mitnehme.

B.
X.________ wurde am 4. April 2007 verhaftet und darauf in Untersuchungshaft
gesetzt (Antrag der Staatsanwaltschaft vom 5. April, Haftverfügung vom 7.
April 2007). Der Tatverdacht stützte sich namentlich auf eine Abhörung eines
Telefongesprächs vom 1. April 2007.

Mit Verfügung vom 22. Mai 2007 wies der Haftrichter des Bezirksgerichts
Zürich ein Gesuch um Haftentlassung von X.________ ab. Am 11. Juli 2007
verfügte die Haftrichterin des Bezirkes Bülach die Versetzung in die
Sicherheitshaft.

Die Haftrichterin des Bezirkes Bülach wies am 23. Juli 2007 ein Gesuch von
X.________ um Entlassung aus der Sicherheitshaft ab. Sie führte aus, dass der
erforderliche dringende Tatverdacht trotz Vorliegens der Anklageschrift
geprüft werden könne, über die Schuldfrage indes nicht abschliessend zu
befinden sei. Der Tatverdacht gegenüber X.________ beruhe auf einer
Überwachung eines Telefongesprächs von Y.________ und auf die in der Folge
getätigten Beweismassnahmen. Es handle sich insofern um einen Zufallsfund.
Dieser sei in Anbetracht der Genehmigung der Telefonüberwachung durch die
Präsidentin der Anklagekammer des Obergerichts im Haftverfahren nicht zu
überprüfen. In Anbetracht der erhobenen Beweise sei der Tatverdacht von
X.________ erstellt. Darüber hinaus bestehe Fluchtgefahr.

C.
Gegen diesen Entscheid der Haftrichterin hat X.________ am 30. Juli 2007
Beschwerde in Strafsachen erhoben. Sie beantragt die Aufhebung des
angefochtenen Entscheides und die Entlassung aus der Sicherheitshaft; darüber
hinaus ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege. Sie rügt
Verletzungen von Art. 10 Abs. 2 und Art. 31 Abs. 2 BV, von Art. 5 Ziff. 1
lit. c EMRK sowie des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und
Fernmeldeverkehrs (BÜPF) und der kantonalen Strafprozessordnung. Zur
Hauptsache macht sie geltend, die Annahme des Tatverdachts beruhe auf einem
nicht verwertbaren Zufallsfund. Ferner bestreitet sie die Annahme von
Fluchtgefahr.

Die Staatsanwaltschaft beantragt die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
eingetreten werden könne. Die Haftrichterin hat auf Vernehmlassung
verzichtet. In ihrer Replik hält die Beschwerdeführerin an ihren Anträgen
fest.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Zur Hauptsache zieht die Beschwerdeführerin das Vorliegen eines Tatverdachts
im Sinne von § 58 Abs. 1 StPO in Frage. Sie macht geltend, die Annahme des
Tatverdachts beruhe auf einem Zufallsfund aus der Telefonabhörung vom 1.
April 2007 und auf in den Folgetagen darauf abgestütze Ermittlungen, die
mangels richterlicher Genehmigung gemäss Art. 9 Abs. 2 BÜPF indes nicht
verwertbar seien. Demgegenüber stellte die Haftrichterin auf den Entscheid
der Präsidentin der Anklagekammer des Obergerichts vom 24. April 2007 ab, mit
dem der Zufallsfund richterlich genehmigt worden ist, und unterzog diesen
nicht einer Prüfung auf die Verwertbarkeit der erhobenen Beweise.

1.1 Die Anordnung einer Überwachung richtet sich nach den Voraussetzungen von
Art. 3 BÜPF; sie unterliegt nach Art. 7 BÜPF einer richterlichen Genehmigung.
In Bezug auf die sog. Zufallsfunde bestimmt Art. 9 Abs. 2 BÜPF, dass bei
Vorliegen von Erkenntnissen von Straftaten bezüglich Personen, die in der
zugrunde liegenden Überwachung keiner Straftat verdächtigt werden, vor
Einleitung weiterer Ermittlungen die Zustimmung der Genehmigungsbehörde
eingeholt werden muss; die Zustimmung kann erteilt werden, wenn die
Voraussetzungen für eine Überwachung erfüllt sind. Fehlen diese
Voraussetzungen, so dürfen die Informationen nach Art. 9 Abs. 3 BÜPF nicht
verwendet werden.

1.2 Die Verwertbarkeit von Beweismitteln im Haftprüfungsverfahren wirft
sowohl in Bezug auf Zufallsfunde wie auch hinsichtlich anderer Beweismittel
Fragen auf, wenn entsprechende Formmängel geltend gemacht werden. Die
Verwertbarkeit der Beweismittel ist in erster Linie vom Sachrichter und nicht
vom Haftrichter zu beurteilen. Das zeigt sich daran, dass der Sachrichter
unter Umständen in Abwägung der betroffenen Interessen auch formwidrig
erhobene Beweise berücksichtigen darf (BGE 131 I 272). Umso mehr können im
Haftprüfungsverfahren als formwidrig gerügte Beweise für die Beurteilung des
Tatverdachts herangezogen werden. Darüber hinaus ist im vorliegenden Fall
unter dem Gesichtswinkel des BÜPF zu beachten, dass die richterliche
Genehmigung des Zufallsfundes vom 24. April 2007 nachträglich und rückwirkend
erfolgt ist (vgl. E. 6 des angefochtenen Entscheides; Antrag der
Staatsanwaltschaft auf Fortsetzung der Sicherheitshaft vom 18. Juli 2007).
Aus der Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft, welche die Beschwerdeführerin
nicht in Frage stellt, ergibt sich weiter, dass zwar vor der richterlichen
Genehmigung des Zufallsfundes gewisse als unaufschiebbare
Ermittlungshandlungen bezeichnete Sofortmassnahmen getroffen worden sind,
dass aber nach Vorliegen der richterlichen Genehmigung weitere Ermittlungen
getätigt worden sind, namentlich Konfrontationen der Beschwerdeführerin mit
den Telefonaufzeichnungen und einem Mittäter. Die Beschwerdeführerin bringt
nicht vor, dass diese Beweiserhebungen für die Beurteilung des umstrittenen
Tatverdachts nicht verwertbar sein sollten.

Gestützt auf diese Ermittlungen sowie die Erwägungen des Haftrichters vom 22.
Mai 2007 kann der Tatverdacht nicht ernsthaft in Frage gestellt werden. Die
Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet.

2.
Die Beschwerdeführerin bestreitet schliesslich das Vorliegen des speziellen
Haftgrundes der Fluchtgefahr gemäss § 58 Abs. 1 Ziff. 1 StPO. Diese Rüge
erweist sich von vornherein als unbegründet. In Anbetracht der Umstände, dass
die Beschwerdeführerin aus Südafrika stammt, keine Beziehungen zur Schweiz
hat und nach der Anklageschrift im Falle einer Verurteilung mit einer
Freiheitsstrafe von 4 ? Jahren rechnen muss, besteht nicht nur eine
abstrakte, sondern eine konkrete Gefahr, dass sie sich der Strafverfolgung
und einer allfälligen Freiheitsstrafe durch Flucht entziehen könnte.

3.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen.

Die Beschwerdeführerin ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege
im Sinne von Art. 64 Abs. 1 und Abs. 2 BGG. Dem Ersuchen ist stattzugeben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt:
2.1 Es werden keine Kosten erhoben.

2.2 Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth wird als amtlicher Rechtsvertreter
bezeichnet und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der
Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'500.-- entschädigt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Staatsanwaltschaft II des
Kantons Zürich, und der Haftrichterin des Bezirkes Bülach schriftlich
mitgeteilt.

Lausanne, 23. August 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: