Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 1B.132/2007
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1B_132/2007 /ggs

Urteil vom 25. Juli 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Aemisegger, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter L. Meyer, Eusebio,
Gerichtsschreiberin Scherrer.

X. ________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dieter Gysin,

gegen

Besonderes Untersuchungsrichteramt des Kantons Basel-Landschaft, Rheinstrasse
12, 4410 Liestal,
Verfahrensgericht in Strafsachen des Kantons
Basel-Landschaft, Kanonengasse 20, 4410 Liestal.

Haftverlängerung,

Beschwerde in Strafsachen gegen den Beschluss des Verfahrensgerichts in
Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft vom 3. Juli 2007.
Sachverhalt:

A.
Das Besondere Untersuchungsrichteramt des Kantons Basel-Landschaft (BUR)
führt ein Strafverfahren gegen den albanischen Staatsangehörigen X.________
wegen des Verdachts des Handels mit einer grossen Menge Heroin.

Am 28. Februar 2006 wurde der Angeschuldigte polizeilich angehalten.
Gleichentags verfügte das Verfahrensgericht in Strafsachen des Kantons
Basel-Landschaft (Präsidium) die Untersuchungshaft wegen Kollusionsgefahr.
Mit Beschluss vom 28. März 2006 verlängerte das Verfahrensgericht (Präsidium)
die Untersuchungshaft bis zum 23. Mai 2006; mit Beschluss vom 22. Mai 2006
bis zum 23. November 2006.

Am 23. November 2006 verlängerte das Verfahrensgericht (Präsidium) die
Untersuchungshaft um weitere sechs Monate, d.h. bis zum 23. Mai 2007. Es
bezeichnete die damalige Verlängerung als "gerade noch verhältnismässig" und
wurde in seiner Argumentation vom Bundesgericht mit Urteil vom 29. Januar
2007 geschützt.

B.
Das BUR ersuchte am 11. Mai 2007 erneut um eine Haftverlängerung. In seinem
Entscheid vom 23. Mai 2007 bejahte das Verfahrensgericht (Präsidium) den
dringenden Tatverdacht sowie eine erhebliche Fluchtgefahr, erachtete aber die
weitere Untersuchungshaft derzeit nur noch für sechs Wochen als
verhältnismässig. Entsprechend verlängerte es sie bis 4. Juli 2007.

Die dagegen eingereichte Beschwerde in Strafsachen wies das Bundesgericht mit
Urteil 1B_98/2007 vom 14. Juni 2007 im Sinne der Erwägungen ab.

C.
Mit Schreiben vom 26. Juni 2007 ersuchte das BUR erneut um eine Verlängerung
der Untersuchungshaft um 2 Wochen, d.h. bis 18. Juli 2007. Es begründete dies
damit, dass es unter dem "Erstellen der Anklageschrift" auch das aufwändige
Abgleichen der Untersuchungsergebnisse und deren Überprüfung mit dem nach
Abschluss des Untersuchungsverfahrens gewonnenen Kenntnisstand verstehe. Der
Angeschuldigte beantragte demgegenüber seine Haftentlassung. Mit Beschluss
vom 3. Juli 2007 stellte das Verfahrensgericht (Präsidium) fest, dass das BUR
das Verfahren in nicht unerheblicher Weise verzögert und dadurch das
Beschleunigungsgebot verletzt habe. Durch eine Haftverlängerung um zwei
Wochen werde die Rechtmässigkeit der Untersuchungshaft aber gerade noch nicht
tangiert (Ziff. 1 des Dispositivs). Der Haftverlängerungsantrag wurde
gutgeheissen und die Untersuchungshaft für die Dauer von zwei Wochen bis zum
18. Juli 2007 verlängert (Ziff. 2 des Dispositivs).

D.
Mit Eingabe vom 6. Juli 2007 erhebt X.________ Beschwerde in Strafsachen. Er
beantragt die Aufhebung der Ziff. 1 und 2 des verfahrensgerichtlichen
Beschlusses vom 3. Juli 2007. Demgemäss sei er sofort aus der Haft zu
entlassen. Gleichzeitig ersucht er um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege und Verbeiständung.

Mit Schreiben vom 10. Juli 2007 weist das BUR darauf hin, dass die Anklage am
9. Juli 2007 ans Strafgericht Basel-Landschaft überwiesen worden sei. Gemäss
§ 144 Abs. 2 des Gesetzes betreffend die Strafprozessordnung des Kantons
Basel-Landschaft vom 3. Juni 1999 (StPO/BL; SGS 251) werde das Strafgericht
nun innerhalb von fünf Arbeitstagen über die Aufrechterhaltung der
Untersuchungshaft zu befinden haben. Da das Strafgericht seinen Entscheid
über eine allfällige Haftverlängerung voraussichtlich vor dem Urteil des
Bundesgerichts zur vorliegenden Angelegenheit fällen werde, mangle es an
einem rechtlich geschützten Interesse des Beschwerdeführers an der
Überprüfung des angefochtenen Entscheids (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG).

Das Verfahrensgericht in Strafsachen beantragt ebenfalls mit Blick auf die
inzwischen erfolgte Überweisung der Anklage, die Beschwerde abzuweisen,
soweit überhaupt darauf eingetreten werden könne.

E.
Der Präsident des Strafgerichts Basel-Landschaft stellte mit Verfügung vom
10. Juli 2007 - unter Vorbehalt gegenteiliger begründeter Einwendungen -
fest, dass die angeordnete und vom Verfahrensgericht letztmals bis 18. Juli
2007 erstreckte Sicherheitshaft den gesetzlichen Bestimmungen gemäss § 77
StPO/BL entspreche und vorläufig bis zur Durchführung der gerichtlichen
Hauptverhandlung aufrecht erhalten bleibe, maximal jedoch für 6 Monate, d.h.
bis 9. Januar 2008. Den Parteien wurde Frist bis 7. August 2007 gesetzt, um
allfällige Einwendungen gegen die Aufrechterhaltung der Sicherheitshaft bis
zur gerichtlichen Hauptverhandlung geltend zu machen.

In seiner Stellungnahme vom 19. Juli 2007 beantragt der Beschwerdeführer
nochmals, es sei festzustellen, dass der Beschluss des Verfahrensgerichts vom
3. Juli 2007 in gravierender Weise gegen das Beschleunigungsgebot verstosse
und der Beschwerdeführer in Gutheissung der Beschwerde aus der Haft zu
entlassen sei.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
1.1 Grundsätzlich ist im vorliegenden Fall die Beschwerde in Strafsachen
(Art. 78 BGG) gegen den Beschluss des Verfahrensgerichts vom 3. Juli 2007
gegeben. Indes ist zur Beschwerde nur legitimiert, wer ein rechtlich
geschütztes Interesse an der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen
Entscheids hat (Art. 81 Abs. 1 lit. b BGG). Vorliegend hat sich - entgegen
der vom Beschwerdeführer geäusserten Befürchtungen - inzwischen gezeigt, dass
das BUR die Anklage innert Frist an das Strafgericht des Kantons
Basel-Landschaft überwiesen hat. Die  Angelegenheit ist somit jetzt bei
diesem Gericht anhängig. In Haftfällen prüft das Strafgerichtspräsidium
zuerst, ob die Haft den gesetzlichen Anforderungen entspricht und ob sie noch
verhältnismässig ist (§ 77 ff. StPO/BL). Es entscheidet innert fünf
Arbeitstagen über die weitere Inhaftierung (§ 144 Abs. 2 StPO/BL). Eine erste
Verfügung über die Aufrechterhaltung der Haft hat der Präsident des
Strafgerichts denn auch bereits erlassen. Der Beschwerdeführer hat nun bis 7.
August 2007 Zeit, sich vor dem Strafgericht zu äussern. Damit ist sein
aktuelles Rechtsschutzinteresse an den vor Bundesgericht aufgeworfenen Fragen
grundsätzlich dahingefallen. Die kantonale Instanz hat darüber zu befinden,
ob die Haftvoraussetzungen nach wie vor gegeben sind und ob die weitere
Inhaftierung verhältnismässig ist.

1.2 Dem Strafrichter obliegt es zudem, als Sachrichter im zu fällenden Urteil
zu entscheiden, in welcher Weise - z.B. durch eine Strafreduktion - der vom
Verfahrensgericht festgestellten Verletzung des Beschleunigungsgebotes im
Sinne einer Wiedergutmachung angemessen Rechnung zu tragen ist (BGE 128 I 149
E. 2.2.1 f., S. 151 f.). Es kann darum offenbleiben, ob in Bezug auf das
diesbezügliche Feststellungsbegehren des Beschwerdeführers noch ein aktuelles
Rechtsschutzinteresse besteht. Wie die nachfolgenden Erwägungen zeigen, wäre
die Beschwerde, selbst wenn das Rechtsschutzinteresse in diesem Punkt bejaht
würde, abzuweisen.

1.2.1 Das Verfahrensgericht hat in Ziff. 1 des angefochtenen Beschlusses vom
3. Juli 2007 festgestellt, dass das BUR das Verfahren in nicht unerheblicher
Weise verzögert und dadurch das Beschleunigungsgebot verletzt hat. Durch eine
Haftverlängerung um zwei Wochen werde die Rechtmässigkeit der
Untersuchungshaft aber gerade noch nicht tangiert.

1.2.2 In seinen Erwägungen führt das Verfahrensgericht dazu sinngemäss aus,
eine Durchsicht der bei ihm vorhandenen haftrelevanten Akten ergebe, dass die
vom BUR am 14. November 2006 angegebenen Termine nicht eingehalten worden
seien. Insbesondere habe sich die Aussage, dass es sich um eine letztmalige
Haftverlängerung handle, als falsch erwiesen. Diesen Umstand habe das BUR mit
einer zu optimistischen Einschätzung des Aufwands für die Erstellung der
Anklageschrift erklärt. Unklar bleibe, weshalb im Haftverlängerungsantrag vom
11. Mai 2007 dargelegt worden sei, ab dem 22. Mai 2007 würden die bis dahin
paginierten und kopierten vollständigen Akten zur Einsicht bereitstehen. In
Würdigung aller teilweise widersprüchlichen Terminangaben und nicht immer
nachvollziehbaren Verspätungen gehe das Verfahrensgericht von einer nicht
unerheblichen Verzögerung des Verfahrensabschlusses aus. Dies gelte
insbesondere aufgrund der Tatsache, dass das Untersuchungsverfahren gegen den
Beschwerdeführer seit dem 16. Januar 2007 bzw. 1. März 2007 mit Ausnahme der
Erledigung der Rechtshilfe grundsätzlich abgeschlossen sei. Die
Verfahrensverlängerung, welche auf die verzögerte Übersetzung der
Rechtshilfeakten zurückzuführen sei, habe das BUR zu verantworten. Demnach
sei zu prüfen, ob die Untersuchungshaft durch die nicht unerhebliche
Verzögerung noch rechtmässig sei.

1.2.3 Das Verfahrensgericht zieht dazu in Betracht, das BUR habe in seinem
letzten Haftverlängerungsantrag vom 11. Mai 2007 zwei Termine angegeben:
erstens den 22. Mai 2007 für die Gewährung der Akteneinsicht und zweitens den
Zeitpunkt der Überweisung des Verfahrens an das Strafgericht, falls die
Verteidigung keine Untersuchungshandlungen beantrage (spätestens 18. Juli
2007). Bereits der erste Termin sei nicht eingehalten worden. Indessen sei
noch unklar, ob es dem BUR mit der Kooperation des Beschwerdeführers und der
schnellen Behandlung seines Antrags nicht doch möglich sei, den Termin zur
Anklageerhebung einzuhalten. Somit sei nicht endgültig belegt, dass das BUR
nicht gewillt oder in der Lage sei, das Verfahren nunmehr mit der für
Haftfälle konventions- und verfassungsrechtlich gebotenen Beschleunigung
voranzutreiben und zum Abschluss zu bringen. Mit einer Haftverlängerung um
zwei Wochen werde die Rechtmässigkeit der Untersuchungshaft gerade noch nicht
in Frage gestellt. Sollte allerdings ein erneuter Haftverlängerungsantrag
beim Verfahrensgericht notwendig werden, ohne dass sich am Sachverhalt etwas
geändert habe, wäre die Aufrechterhaltung der Haft nach Auffassung des
Verfahrensgerichts nicht mehr rechtmässig.

1.3 Wie in E. 1.1 hiervor aufgezeigt, hat das Verfahren inzwischen mit der
Anklageüberweisung vom 9. Juli 2007 seinen gesetzlich vorgesehenen Lauf
genommen. Die Einschätzung des Verfahrensgerichts erweist sich demnach auch
im heutigen Zeitpunkt als richtig. Mit Blick auf die zutreffenden Erwägungen
des Verfahrensgerichts wird der Strafrichter den weiteren Verfahrensverlauf
beförderlich vorantreiben.

2.

Demnach ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der
Beschwerdeführer hat um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und
Verbeiständung ersucht. Diesem Antrag kann entsprochen werden (Art. 64 Abs. 1
und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird
gutgeheissen:
2.1 Es werden keine Kosten erhoben.

2.2 Advokat Dieter Gysin wird zum unentgeltlichen Rechtsbeistand ernannt und
für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr.
1'500.-- entschädigt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Besonderen
Untersuchungsrichteramt und dem Verfahrensgericht in Strafsachen des Kantons
Basel-Landschaft schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 25. Juli 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Die Gerichtsschreiberin: