Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 1A.59/2007
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1A.59/2007

Urteil vom 15. Februar 2008

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Reeb, Eusebio,
Gerichtsschreiber Härri.

X. ________,
Y.________,
Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Prof. Dr. Tomas Poledna,

gegen

Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich,
Rechtshilfe/Geldwäschereiverfahren,
Gartenhofstrasse 17, Postfach 9680, 8036 Zürich.

Internationale Rechtshilfe in Strafsachen an Polen - B 50'330 / TRM,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Beschluss vom 25. Mai 2007 des
Obergerichts des Kantons Zürich, III. Strafkammer.
Sachverhalt:

A.
Die Regionalstaatsanwaltschaft Warschau führt gegen verschiedene Personen
eine Strafuntersuchung wegen Betrugs.

Am 2. August 2004, ergänzt am 24. September 2004 und 24. März 2005, ersuchte
sie die Schweiz um Rechtshilfe; dies gestützt im Wesentlichen auf folgenden
Sachverhalt:

X.________ und Y.________ seien bei der polnischen Firma A.________
angestellt gewesen, welche unter anderem im Bereich der Ein- und Ausfuhr
medizinischer Geräte und Anlagen tätig sei. Die Firma A.________ habe mit der
B.________ AG einen Vertrag geschlossen, wonach die Firma A.________ in Polen
medizinische Geräte der Firma C.________ vertreibe, mit welcher die
B.________ AG Ausschliesslichkeitsverträge geschlossen habe. In den Jahren
1995 und 1996 hätten X.________ und Y.________ verschiedenen polnischen
Spitälern die Schenkung medizinischer Geräte angeboten. Nach erfolgter
Lieferung der Geräte seien dafür jedoch Rechnungen gestellt und diese durch
die polnische Staatskasse beglichen worden, wodurch ein Schaden in Höhe von
100 Millionen Zloty entstanden sei. Dies sei auf das Zusammenwirken mit
Z.________ zurückzuführen, welcher in seiner staatlichen Funktion die
Zahlungen ausgelöst habe und gegen den vor Bezirksgericht Lodz verhandelt
werde.

Die Regionalstaatsanwaltschaft Warschau ersuchte darum, Unterlagen zu
Bankkonten von X.________ und Y.________ zu erheben sowie S.________ von der
B.________ AG als Zeugen einzuvernehmen.

B.
Mit Schlussverfügung vom 22. August 2006 entsprach die Staatsanwaltschaft I
des Kantons Zürich dem Rechtshilfeersuchen und ordnete die Herausgabe von
Unterlagen zu Konten von X.________, Y.________ und Z.________ bei der Bank
D.________ sowie zu einem Konto von X.________ bei der Bank E.________ an die
ersuchende Behörde an; ebenso die Herausgabe des Protokolls der Einvernahme
von S.________ und des Schreibens eines Rechtsanwalts vom 8. August 2006.
Den von X.________ und Y.________ dagegen erhobenen Rekurs wies das
Obergericht des Kantons Zürich am 25. Mai 2007 ab, soweit es darauf eintrat.

C.
Mit Eingabe vom 2. Juli 2007 erhoben X.________ und Y.________
Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den Beschluss des Obergerichtes
aufzuheben.

D.
Mit Schreiben vom 31. August 2007 teilte die Staatsanwaltschaft I des Kantons
Zürich dem Bundesgericht mit, die Beschwerdeführer hätten bei ihr ein
Wiedererwägungsgesuch eingereicht und machten dabei Vorbringen, welche den
Sachverhalt, bzw. die Rechtshilfefähigkeit des Ersuchens in Frage stellten.
Die Staatsanwaltschaft I habe zwischenzeitlich die ersuchende Behörde
aufgefordert, zur Eingabe Stellung zu nehmen. Sollte sich die Darstellung der
Beschwerdeführer als zutreffend erweisen, müsste der Sachverhalt neu
beurteilt und allenfalls die Rechtshilfe nachträglich verweigert werden. Die
Staatsanwaltschaft I ersuchte das Bundesgericht, bis zur Klärung dieser
Umstände das bundesgerichtliche Verfahren auszusetzen.

Mit Verfügung vom 19. September 2007 setzte der Präsident der I.
öffentlich-rechtlichen Abteilung das Verfahren vor Bundesgericht bis zum
Entscheid der Staatsanwaltschaft I über das Wiedererwägungsgesuch aus.

Am 17. Oktober 2007 trat die Staatsanwaltschaft I auf das
Wiedererwägungsgesuch nicht ein; ebenso wenig am 19. Dezember 2007 auf ein
Gesuch der Beschwerdeführer um Rückkommen auf diesen Entscheid.

Mit Verfügung vom 7. Januar 2008 ordnete der Präsident der I.
öffentlich-rechtlichen Abteilung die Fortsetzung des bundesgerichtlichen
Verfahrens an.

E.
Die Staatsanwaltschaft I des Kantons Zürich und das Obergericht haben auf
Gegenbemerkungen zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde verzichtet.
Das Bundesamt für Justiz beantragt unter Hinweis auf die seines Erachtens
zutreffenden Erwägungen im angefochtenen Entscheid die Abweisung der
Beschwerde.

Erwägungen:

1.
1.1 Für die Rechtshilfe mit Polen ist das Europäische Übereinkommen über die
Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. April 1959 (EUeR; SR 0.351.1) massgeblich;
ebenso das Übereinkommen über Geldwäscherei sowie Ermittlung, Beschlagnahme
und Einziehung von Erträgen aus Straftaten vom 8. November 1990 (GwUe; SR
0.311.53). Soweit diese Staatsverträge bestimmte Fragen weder ausdrücklich
noch stillschweigend regeln, kommt das schweizerische Landesrecht -
insbesondere das Bundesgesetz vom 20. März 1981 über internationale
Rechtshilfe in Strafsachen (Rechtshilfegesetz, IRSG; SR 351.1) und die
dazugehörige Verordnung vom 24. Februar 1982 (IRSV; SR 351.11) - zur
Anwendung.

1.2 Das Rechtshilfegesetz ist mit Bundesgesetz vom 17. Juni 2005, in Kraft
seit dem 1. Januar 2007, geändert worden. Die Staatsanwaltschaft I hat die
Schlussverfügung vor dem 1. Januar 2007 erlassen. Gemäss Art. 110b IRSG
richtet sich daher das vorliegende Beschwerdeverfahren nach dem bisherigen
Recht (Urteil 1C.53/2007 vom 29. März 2007 E. 1.2).
1.3 Gemäss Art. 80f Abs. 1 aIRSG ist gegen den angefochtenen Entscheid die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegeben.

1.4 Die Beschwerdeführer sind Inhaber von Konten, über welche der ersuchenden
Behörde Unterlagen herausgegeben werden sollen. Sie sind insoweit zur
Beschwerde befugt (Art. 80h lit. b IRSG; Art. 9a lit. a IRSV).

1.5 Die Beschwerdeführer können rügen die Verletzung von Bundesrecht,
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens (Art. 80i Abs. 1
lit. a IRSG).

1.6 Das Bundesgericht ist an die Begehren der Parteien nicht gebunden (Art.
25 Abs. 6 aIRSG). Es prüft die bei ihm erhobenen Rügen grundsätzlich mit
freier Kognition. Es ist aber nicht verpflichtet, nach weiteren der
Rechtshilfe allenfalls entgegenstehenden Gründen zu forschen, die aus der
Beschwerde nicht hervorgehen (BGE 123 II 134 E. 1d S. 136 f.; 122 II 367 E.
2d S. 372, mit Hinweisen).

2.
2.1 Die Beschwerdeführer wenden ein, die Sachverhaltsdarstellung im
Rechtshilfeersuchen und seinen Ergänzungen treffe nicht zu. Weder die
Krankenhäuser noch der polnische Staat hätten je etwas für die medizinischen
Geräte bezahlt. Dem polnischen Staat sei kein Schaden entstanden.

2.2 Nach der Rechtsprechung hat sich die ersuchte Behörde beim Entscheid über
ein Rechtshilfebegehren nicht dazu auszusprechen, ob die darin angeführten
Tatsachen zutreffen oder nicht. Sie hat somit weder Tat- noch Schuldfragen zu
prüfen und grundsätzlich auch keine Beweiswürdigung vorzunehmen. Sie ist
vielmehr an die Darstellung des Sachverhaltes im Ersuchen und dessen
allfälligen Ergänzungen gebunden, soweit diese nicht durch offensichtliche
Fehler, Lücken oder Widersprüche sofort entkräftet wird (BGE 133 IV 76 E.
2.2; 118 Ib 111 E. 5b; 117 Ib 64 E. 5c mit Hinweisen).

2.3 Die Beschwerdeführer beschränken sich darauf, ihre Darstellung des
Sachverhalts jener im Rechtshilfeersuchen und seinen Ergänzungen
gegenüberzustellen. Sie tun nicht dar und es ist auch nicht ersichtlich, dass
das Rechtshilfeersuchen mitsamt seinen Ergänzungen an offensichtlichen
Fehlern, Lücken oder Widersprüchen leiden soll, welche den darin
geschilderten Sachverhalt sofort entkräfteten. Dazu hat bereits die
Vorinstanz (S. 11 f. E. 7d und S. 14 E. 7g) Stellung genommen. Auf ihre
zutreffenden Erwägungen kann verwiesen werden (Art. 36a Abs. 3 OG).

Den Beschwerdeführern würde es im Übrigen auch nicht helfen, wenn man mit
ihnen davon ausginge, dem polnischen Staat sei kein Schaden entstanden; denn
auch der Versuch des Betruges wäre strafbar und Rechtshilfe könnte auch
insoweit geleistet werden. Dies legt die Vorinstanz (S. 12 E. 7d und S. 15 E.
8c) - unter Hinweis auf die Ausführungen in der Schlussverfügung - ebenfalls
zutreffend dar.

Soweit die Beschwerdeführer (S. 9 f. Ziff. 21) auf ein Urteil der I.
Zivilabteilung des Berufungsgerichts Warschau vom 15. Dezember 2006
hinweisen, handelt es sich um ein unzulässiges Novum, da die Vorinstanz das
Urteil nicht von Amtes wegen hätte erheben müssen (vgl. BGE 121 II 97 E. 1c
S. 99). Im Übrigen wäre nach der Rechtsprechung die Frage, wie sich eine
strafrechtliche Anklageerhebung mit konnexen Urteilen in Zivilsachen
vereinbaren lässt, die im ersuchenden Staat ergangen sind, ohnehin nicht
durch die Rechtshilfebehörden des ersuchten Staates zu beurteilen (Urteil
1A.13/2001 vom 29. Mai 2001 E. 3e/cc).

3.
Die Beschwerdeführer bringen vor, die polnischen Behörden betrieben eine
verpönte Beweisausforschung ("fishing expedition").

Der Einwand ist unbegründet. Auch dazu hat sich die Vorinstanz im
angefochtenen Entscheid (S. 15 ff. E. 9) bereits eingehend geäussert. Auf
ihre Erwägungen, denen nichts hinzuzufügen ist, kann erneut verwiesen werden
(Art. 36a Abs. 3 OG).

4.
Die Beschwerde ist abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens tragen die Beschwerdeführer die Kosten
(Art. 156 Abs. 1 OG). Eine Parteientschädigung steht ihnen nicht zu (Art. 159
Abs. 1 und 2 OG).

Die Beschwerde hatte von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung (Art. 21 Abs. 4
lit. b IRSG). Der entsprechende Antrag war daher überflüssig.

Demnach erkennt das Bundesgericht im Verfahren nach Art. 36a OG:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten
werden kann.

2.
Die Gerichtskosten von je Fr. 1'000.--, insgesamt Fr. 2'000.--, werden den
Beschwerdeführern unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Staatsanwaltschaft I des
Kantons Zürich, Rechtshilfe/Geldwäschereiverfahren, dem Obergericht des
Kantons Zürich, III. Strafkammer, und dem Bundesamt für Justiz, Abteilung
internationale Rechtshilfe, Sektion Rechtshilfe, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 15. Februar 2008

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Féraud Härri