Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 1A.45/2007
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1A.45/2007 /daa

Urteil vom 14. November 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann, Reeb, Fonjallaz,
Gerichtsschreiberin Gerber.

Youssef Mustapha Nada, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Jürg
Wernli,

gegen

SECO, Staatssekretariat für Wirtschaft,
Effingerstrasse 31, 3003 Bern,
Eidgenössisches Volkswirtschaftsdepartement,
3003 Bern.

Verordnung über Massnahmen gegenüber Personen und Organisationen mit
Verbindung zu Usama bin Laden, der Gruppierung Al-Qaïda oder den Taliban,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Beschwerdeentscheid des
Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements vom 15. Juni 2006.

Sachverhalt:

A.
Am 15. Oktober 1999 beschloss der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (im
Folgenden: Sicherheitsrat) mit Resolution 1267(1999) Sanktionen gegenüber den
Taliban. Gleichzeitig setzte er einen Ausschuss zur Überwachung der Umsetzung
der Sanktionen ein, in dem alle 15 Mitglieder des Sicherheitsrats vertreten
sind (im Folgenden: Sanktionsausschuss). Am 19. Dezember 2000 wurde das
ursprüngliche Sanktionsregime mit Resolution 1333(2000) auf Bin Laden und die
Gruppierung "Al-Qaïda" erweitert. Der Sicherheitsrat ersuchte den
Sanktionsausschuss, auf der Grundlage der von den Staaten und regionalen
Organisationen bereitgestellten Informationen eine aktualisierte Liste von
Personen und Einrichtungen zu führen, die mit Usama bin Laden und der
Organisation "Al-Qaïda" in Verbindung stehen und deshalb den Sanktionen
unterliegen.

B.
Am 2. Oktober 2000 erliess der Bundesrat die Verordnung über Massnahmen
gegenüber Personen und Organisationen mit Verbindungen zu Usama bin Laden,
der Gruppierung "Al-Qaïda" oder den Taliban (SR 946.203; im Folgenden:
TalibanV). Danach sind Gelder und wirtschaftliche Ressourcen, die sich im
Eigentum oder unter Kontrolle der natürlichen und juristischen Personen,
Gruppen und Organisationen nach Anhang 2 befinden, gesperrt, und es ist
verboten, Gelder an diese zu überweisen oder ihnen Gelder und wirtschaftliche
Ressourcen sonstwie direkt oder indirekt zur Verfügung zu stellen (Art. 3
Abs. 1 und 2). Die Einreise in die Schweiz oder die Durchreise durch die
Schweiz ist den in Anhang 2 aufgeführten natürlichen Personen verboten (Art.
4a Abs. 1).

C.
Am 9. November 2001 wurden Youssef Nada sowie verschiedene mit ihm verbundene
Organisationen in die vom Sanktionsausschuss herausgegebene Liste
aufgenommen. Anh. 2 TalibanV wurde am 30. November 2001 um diese Namen
ergänzt.

D.
Am 22. September 2005 stellte Youssef Nada dem Bundesrat das Gesuch, er und
die mit ihm verbundenen Organisationen seien aus dem Anh. 2 TalibanV zu
streichen; eventualiter sei eine anfechtbare Verfügung zu erlassen. Zur
Begründung brachte er vor, das am 24. Oktober 2001 gegen ihn eingeleitete
gerichtspolizeiliche Ermittlungsverfahren sei mit Beschluss der
Bundesanwaltschaft am 31. Mai 2005 eingestellt worden. Seither gebe es keinen
Grund mehr, ihn und die mit ihm verbundenen Organisationen weiterhin
Sanktionen zu unterwerfen.

E.
Mit Verfügung vom 18. Januar 2006 lehnte das Staatssekretariat für Wirtschaft
(SECO) das Gesuch ab, im Wesentlichen mit der Begründung, die Schweiz dürfe
keine Namen aus dem Anhang der TalibanV streichen, solange diese Namen auf
der vom Sanktionsausschuss des Sicherheitsrates herausgegebenen Liste
figurierten.

F.
Gegen diese Verfügung erhob Youssef Nada am 13. Februar 2006
Verwaltungsbeschwerde beim Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD).
Dieses wies die Beschwerde am 15. Juni 2006 ab. Es vertrat die Auffassung,
eine Streichung vom Anh. 2 der TalibanV könne erst erfolgen, wenn der
Beschwerdeführer von der Liste des Sanktionsausschusses gestrichen worden
sei; hierfür sei ein sogenanntes Delisting-Verfahren auf UNO-Ebene
vorgesehen, das vom Heimat- oder vom Wohnsitzstaat des Betroffenen
eingeleitet werden könne. Da die Schweiz jedoch weder Heimat- noch
Wohnsitzstaat des Beschwerdeführers sei, fehle es den schweizerischen
Behörden an der Zuständigkeit für die Einleitung eines solchen Verfahrens.

G.
Gegen den Entscheid des EVD reichte Youssef Nada am 6. Juli 2006 Beschwerde
beim Bundesrat ein. Er beantragte, das SECO sei anzuweisen, folgende Personen
und Einrichtungen innerhalb einer Frist von 10 Tagen aus der TalibanV zu
streichen, und sie auch nicht in Anhang 2 Liste E (Liste der natürlichen
Personen und Organisationen, die von der Liste gestrichen wurden)
aufzuführen:
Anhang 2, C Liste, Position 85: Youssef Mustapha Nada
Anhang 2, D Liste, Position 44: BA Taqwa for Commerce and Real Estate Company
Ltd. (vormals Hochburg AG)
Anhang 2, D Liste, Position 45: Bank Al Taqwa Ltd.
Anhang 2, D Liste, Position 93: Nada International Anstalt
Anhang 2, D Liste, Position 94: Nada Management Organization SA
Anhang 2, D Liste, Position 116: Waldenberg AG
Anhang 2, D Liste, Position 117: Youssef M. Nada
Anhang 2, D Liste, Position 118: Youssef M. Nada & Co. GmbH

H.
Nach Durchführung eines Meinungsaustauschs mit dem Bundesgericht trat der
Bundesrat am 18. April 2007 auf die Beschwerde nicht ein und überwies die
Sache dem Bundesgericht zur Beurteilung. Der Bundesrat ging davon aus, wegen
der unmittelbaren und enteignungsähnlichen Beschränkungen, welche die
TalibanV für den Beschwerdeführer und dessen Organisationen bedeute, betreffe
sein Begehren um Streichung aus dem Anhang 2 der Verordnung zivilrechtliche
Ansprüche i.S.v. Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Aus diesem Grund könne der
Ausnahmetatbestand von Art. 100 Abs. 1 Bst. a OG nicht zum Zuge kommen;
vielmehr müsse die Beschwerde an das Bundesgericht überwiesen werden, um die
Beurteilung durch ein unabhängiges Gericht sicherzustellen.

I.
Das EVD beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten
sei. Es weist darauf hin, dass es hinsichtlich des Delisting-Verfahrens auf
UNO-Ebene zu einer Änderung gekommen sei: Gestützt auf Resolution 1730(2006)
des Sicherheitsrats sei es unterdessen jeder auf der Liste geführten Person
möglich, in autonomer Weise ein Delisting-Gesuch einzureichen; die
Betroffenen seien somit nicht mehr auf die Unterstützung ihres Wohnsitz- oder
Heimatstaates angewiesen.

J.
In seiner Stellungnahme vom 20. August 2007 hielt der Beschwerdeführer an
seinen Anträgen fest. Er teilt mit, dass er am 6. April 2007 einen Antrag auf
Delisting beim dafür zuständigen Focal Point der Vereinten Nationen
eingereicht habe, was ihm am 11. April 2007 bestätigt worden sei. Seither
habe er keine weiteren Informationen erhalten.

Der Beschwerdeführer macht geltend, aufgrund der restriktiven
Ausnahmebewilligungs-Praxis des Bundesamts für Migration dürfe er seinen
Wohnort in Campione nicht verlassen, obwohl ihm dort keine angemessene
medizinische Versorgung gewährt werden könne, und dürfe auch nicht für
administrative und gerichtliche Zwecke nach Italien reisen. Faktisch stehe er
seit bald sechs Jahren unter Hausarrest. Der Beschwerdeführer ist der
Auffassung, Art. 4a Abs. 2 TalibanV gehe in diesem Punkt über die
UNO-Sanktionen hinaus und sei auch aus diesem Grund aufzuheben.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Angefochten ist ein Beschwerdeentscheid des EVD, der am 15. Juni 2006, vor
Inkrafttreten des Bundesgesetzes über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005
[BGG, SR 173.110], erlassen wurde. Auf das bundesgerichtliche
Beschwerdeverfahren bleiben daher die Bestimmungen des Bundesgesetzes über
die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) und das
Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren in der bis zum 31. Dezember 2006
geltenden Fassung (aVwVG) anwendbar (Art. 132 Abs. 1 BGG).

2.
Das Bundesgericht beurteilt letztinstanzlich Verwaltungsgerichtsbeschwerden
gegen Verfügungen i.S.v. Art. 5 VwVG, soweit kein Ausschlussgrund i.S.d. Art.
99 ff. OG vorliegt (Art. 97 OG).

2.1 Anfechtungsgegenstand der Verwaltungsrechtspflege sind Verfügungen;
Rechtssätze, zu denen insbesondere die Verordnungen des Bundesrats zählen,
können grundsätzlich nicht selbständig angefochten werden, sondern lediglich
im Anwendungsfall vorfrageweise überprüft werden (BGE 131 II 735 E. 4.1 S.
740, 13 E. 6.1 S. 25 f. mit Hinweisen).

Der Beschwerdeführer beantragt die Streichung vom Anhang der TalibanV und
damit formell die Änderung einer Verordnung. Dennoch erliess das SECO eine
"Verfügung", mit der es den Antrag des Beschwerdeführers abwies; das EVD trat
auf die dagegen gerichtete Verwaltungsbeschwerde ein und wies die Beschwerde
ab.

In seiner Vernehmlassung an das Bundesamt für Justiz vom 31. August 2006
führte das EVD hierzu aus, dass sich die Aufnahme in (bzw. die Streichung
aus) Anh. 2 der TalibanV für die betroffene Person wie ein
individuell-konkreter Verwaltungsakt und damit wie eine Verfügung i.S.v. Art.
5 VwVG auswirke. Bei den in der Verordnung vorgesehenen Zwangsmassnahmen
handle es sich um gezielt diskriminierende Beschränkungen, welche die
Sanktionsadressaten in wichtigen Rechtsgütern unmittelbar tangierten. Unter
diesen Umständen habe es sich gerechtfertigt, den Antrag des
Beschwerdeführers materiell zu behandeln.

Dieser Auffassung ist zuzustimmen: Durch die Aufnahme in Anh. 2 TalibanV wird
der Beschwerdeführer den Sanktionen der TalibanV unterstellt, und damit
unmittelbar und speziell in Grundrechtspositionen berührt, weshalb ihm durch
Erlass einer Verfügung eine Rechtsschutzmöglichkeit eröffnet werden musste.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Beschwerdeentscheid des EVD ist
insoweit zulässig.

2.2 Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist allerdings ausgeschlossen gegen
Verfügungen auf dem Gebiete der inneren und äusseren Sicherheit des Landes,
der Neutralität, des diplomatischen Schutzes, der Entwicklungszusammenarbeit
und der humanitären Hilfe sowie der übrigen auswärtigen Angelegenheiten (Art.
100 Abs. 1 lit. a OG). Der Entscheid des EVD betrifft Massnahmen zur
Durchsetzung internationaler Sanktionen und gehört damit zu den Verfügungen
auf dem Gebiet der auswärtigen Angelegenheiten, zu deren Beurteilung
grundsätzlich der Bundesrat zuständig ist (Art. 72 lit. a und 74 aVwVG).

Der Ausnahmekatalog gemäss Art. 99 ff. OG findet jedoch keine Anwendung, wenn
die Beschwerde Ansprüche betrifft, für die nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK
gerichtlicher Rechtsschutz gewährt werden muss (BGE 125 II 417 E. 4c-e S. 424
ff.; 130 I 388 E. 5.2 S. 396 f.; 132 I 229 E. 6.5 S. 240). Diese
Rechtsprechung wurde vom Gesetzgeber in Art. 83 lit. a BGG, Art. 72 lit. a
VwVG und Art. 32 Abs. 1 lit. a des Bundesgesetzes vom 17. Juni 2005 über das
Bundesverwaltungsgericht (VGG; SR 173.32) ausdrücklich übernommen, und liegt
auch dem Überweisungsbeschluss des Bundesrats im vorliegenden Verfahren
zugrunde.

Die Aufnahme des Beschwerdeführers und seiner Organisationen in Anh. 2
TalibanV hat zur Folge, dass seine gesamten Gelder und wirtschaftlichen
Ressourcen in der Schweiz gesperrt sind (Art. 3 Abs. 1 TalibanV). Hierdurch,
sowie durch das Verbot, Überweisungen an ihn oder an seine Organisationen
vorzunehmen (Art. 3 Abs. 2 TalibanV), wird die Erwerbstätigkeit des
Beschwerdeführers und seiner Organisationen in der Schweiz verunmöglicht.
Damit greift die TalibanV unmittelbar in vermögenswerte Rechte des
Beschwerdeführers und in seine Erwerbstätigkeit ein. Dabei handelt es sich
nicht um vorsorgliche Massnahmen zur Sicherung eines Endentscheids, gegen den
gerichtlicher Rechtsschutz möglich wäre, sondern um Massnahmen, die
selbständig angeordnet wurden. Diese dauern bereits mehr als 5 Jahre an und
ein Ende ist nicht abzusehen. Unter diesen Umständen hat der Bundesrat die
grundsätzliche Anwendbarkeit von Art. 6 Ziff. 1 EMRK zu Recht bejaht (vgl.
auch BGE 132 I 229 E. 6.2 und 6.3 S. 238 ff. mit Hinweisen).

2.3 Nach dem Gesagten ist die Zuständigkeit des Bundesgerichts begründet.
Somit ist auf die Beschwerde im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
einzutreten.

3.
Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, seine Erfassung in Anh. 2 TalibanV
durch die Schweiz sei autonom erfolgt; insofern müsse es auch möglich sein,
ihn autonom von dieser Liste zu streichen, nachdem das in der Schweiz
geführte gerichtspolizeiliche Ermittlungsverfahren keine Anhaltspunkte für
eine Verbindung zu Usama bin Laden, Al-Qaïda oder den Taliban erbracht habe.

Der Beschwerdeführer bestreitet überdies die Verbindlichkeit der
Sanktionsbeschlüsse des Sicherheitsrats. Die ohne Begründung und ohne
Gewährung des rechtlichen Gehörs erfolgte Aufnahme in die Sanktionslisten
verletze das Diskriminierungsverbot, die persönliche Freiheit, die
Eigentumsgarantie, die Wirtschaftsfreiheit, den Anspruch auf rechtliches
Gehör und das Recht auf ein faires Verfahren; er beruft sich hierfür auf die
Garantien der Bundesverfassung, der EMRK und des UNO-Pakts II. Der
Beschwerdeführer ist der Auffassung, die Sanktionsbeschlüsse des
Sicherheitsrates stünden nicht im Einklang mit der Charta der Vereinten
Nationen und verletzten sogar zwingendes Völkerrecht (ius cogens), weshalb
die Schweiz nicht zu ihrer Übernahme verpflichtet sei.

4.
Die TalibanV wurde vom Bundesrat am 2. Oktober 2000 beschlossen, zu einem
Zeitpunkt, als die Schweiz noch nicht Mitglied der Vereinten Nationen war. Es
handelte sich damals um einen autonomen Vollzug der vom Sicherheitsrat
beschlossenen Sanktionen, der sich unmittelbar auf Art. 184 Abs. 3 BV stützte
(vgl. Botschaft des Bundesrats zum Embargogesetz vom 20. Dezember 2000, BBl
2001 Ziff. 1.2 S. 1437 f.; Matthias-Charles Krafft/Daniel
Thürer/Julie-Antoinette Stadelhofer, Switzerland, in: Vera Gowlland-Debbas,
National Implementations of United Nations Sanctions: A Comparative Study,
Leiden 2004, S. 523 ff.). Auch die Aufnahme des Beschwerdeführers und seiner
Organisationen in Anh. 2 der TalibanV am 30. November 2001 erfolgte noch auf
diese Weise.
Seither hat sich die Rechtslage in zweierlei Hinsicht verändert: Am 22. März
2002 wurde das Bundesgesetz über die Durchsetzung von internationalen
Sanktionen (Embargogesetz [EmbG; SR 946.231]) als Rahmengesetz für die
Durchsetzung von Sanktionen der Vereinten Nationen und anderer
internationaler Organisationen erlassen. Seither stützen sich die
entsprechenden Verordnungen des Bundesrats auf dieses Gesetz; das gilt auch
für die TalibanV (vgl. Änderung vom 30. Oktober 2002; AS 2002 3955). Am 10.
September 2002 wurde die Schweiz Mitglied der Vereinten Nationen.
Diese neue Rechtslage ist für die Beurteilung des am 22. September 2005
gestellten Antrags des Beschwerdeführers auf Streichung von Anh. 2 TalibanV
massgeblich. Im Folgenden ist deshalb zu prüfen, ob die Schweiz, als
Mitgliedsstaat der Vereinten Nationen, an die Sanktionsbeschlüsse des
Sicherheitsrats und seines Sanktionsausschusses gebunden ist, und wenn ja, ob
dies der Streichung des Beschwerdeführers aus Anh. 2 der TalibanV
entgegensteht, oder ob den schweizerischen Behörden ein Handlungsspielraum
verbleibt.

5.
Gemäss Art. 25 der Charta der Vereinten Nationen vom 26. Juni 1945 (Charta;
SR 0.120) verpflichten sich die Mitgliedstaaten, die Beschlüsse des
Sicherheitsrats im Einklang mit dieser Charta anzunehmen und durchzuführen.
Die Beschlüsse des Sicherheitsrats (sofern sie nicht in Form unverbindlicher
Empfehlungen ergehen) sind somit für die Mitgliedstaaten verbindlich. Für
Beschlüsse des Sicherheitsrats, die gestützt auf Artikel 41 und 42 Charta zur
Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen
Sicherheit ergehen, ergibt sich dies auch aus Art. 48 Abs. 2 Charta.

5.1 Die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten gemäss der Charta haben nicht nur
Vorrang vor dem innerstaatlichen Recht der Mitgliedstaaten, sondern ihnen
kommt gemäss Art. 103 Charta auch Vorrang vor Verpflichtungen aus anderen
internationalen Übereinkünften zu. Dies gilt nach der Rechtsprechung des
Internationalen Gerichtshofs (IGH) für alle bilateralen, regionalen und
multilateralen Übereinkünfte der Vertragsparteien (Urteil vom 26. November
1984, Militärische und paramilitärische Tätigkeiten in und gegen Nicaragua,
C.I.J. Recueil 1984 392 ff., insbes. S. 440 Rn. 107), und zwar unabhängig
davon, ob diese früher oder später als die Charta abgeschlossen worden sind
(vgl. hierzu den Vorbehalt in Art. 30 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens vom
23. Mai 1969 über das Recht der Verträge [VRK; SR 0.111]).

5.2 Dieser Vorrang kommt nicht nur der Charta selbst zu, sondern erstreckt
sich auch auf Verpflichtungen, die sich aus einer für die Mitgliedstaaten
verbindlichen Resolution des Sicherheitsrates ergeben (Beschlüsse des IGH vom
14. April 1992, Fragen der Auslegung und Anwendung des Montrealer
Übereinkommens von 1971 aufgrund des Luftzwischenfalls von Lockerbie,
Vorsorgliche Massnahmen, C.I.J. Recueil 1992 3 ff. und 114 ff., insbes. S. 15
Rn. 39 und S. 126 Rn. 42; vgl. auch Rudolf Bernhardt in: Bruno Simma/Hermann
Mosler/Albrecht Randelzhofer/Christian Tomuschat/Rüdiger Wolfrum (Hrsg.), The
Charter of the United Nations, A Commentary, 2. Aufl., 2002, N 9 zu Art. 103;
Jean-Marc Thouvenin, in: Jean-Pierre Cot/Alain Pellet/Mathias Forteau, La
Charte des Nations Unies: Commentaire article par article, 3. Aufl., Art. 103
S. 2135; Ferdinand Trautmannsdorff, Die Organe der Vereinten Nationen, S. 35,
in: Franz Cede/Lilly Sucharipa-Behrmann (Hrsg.), Die Vereinten Nationen,
Recht und Praxis, Wien 1999).

5.3 Auch der Sicherheitsrat ist an die Charta gebunden und muss in
Übereinstimmung mit deren Zielen und Grundsätzen handeln (Art. 24 Abs. 2
Charta), wozu auch die Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten
gehört (Art. 1 Abs. 3 Charta). Die Mitgliedstaaten sind jedoch grundsätzlich
nicht befugt, sich einer Verpflichtung mit der Begründung zu entziehen, ein
(formell rechtsmässiger) Beschluss des Sicherheitsrats stehe materiell nicht
im Einklang mit der Charta (Jost Delbrück, in:
Simma/Mosler/Randelzhofer/Tomuschat/Wolfrum, a.a.O., N 18 zu Art. 25). Dies
gilt namentlich für Beschlüsse, die der Sicherheitsrat gestützt auf Kapitel
VII Charta zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der
internationalen Sicherheit erlässt (Bernhardt, a.a.O., N 23 zu Art. 103
Charta, der nur Fälle offensichtlicher Kompetenzüberschreitung - "manifest
ultra vires decisions" - von der Bindungswirkung ausnimmt).

5.4 Gestützt auf diese Grundsätze entschied der Gerichtshof erster Instanz
der Europäischen Gemeinschaften (EuGEI) in zwei Urteilen vom 21. September
2005, dass er nicht befugt sei, die Resolutionen des Sicherheitsrats zu den
Sanktionen gegen die Taliban und Al-Qaïda inzident auf ihre Rechtmässigkeit
nach dem Standard der in der Gemeinschaftsrechtsordnung anerkannten
Grundrechte zu prüfen; vielmehr sei er verpflichtet, das Gemeinschaftsrecht
in einer Weise auszulegen und anzuwenden, die mit den Verpflichtungen der
Mitgliedstaaten aus der Charta vereinbar sei (Rechtssache T-306/01, Yusuf und
Al Barakaat International Foundation gegen Rat und Kommission, Slg. 2005
II-3533 Rn. 231 ff., insbes. 276; Rechtssache T-315/01, Yassin Abdullah Kadi
gegen Rat und Kommission, Slg. 2005 II-3649 Rn. 176 ff., insbes. Rn. 225;
bestätigt in den EuGEI-Urteilen vom 12. Juli 2006, Rechtssache T-253/02,
Chafiq Ayadi gegen Rat, Slg. 2006 II-2139 Rn 115 ff.; Rechtssache T-49/04,
Faraj Hassan gegen Rat und Kommission, Slg. 2006 II-52 Rn. 91 ff.).
Der EuGEI nahm an, dass die Bindungswirkung von Beschlüssen des
Sicherheitsrats nur durch das ius cogens begrenzt sei, d.h. durch die
zwingenden fundamentalen Bestimmungen, die für alle Völkerrechtssubjekte
einschliesslich der Organe der UNO gelten und von denen nicht abgewichen
werden darf. Der EuGEI überprüfte daher die Sanktionsbeschlüsse des
Sicherheitsrats an diesem Massstab und kam zum Ergebnis, ius cogens sei nicht
verletzt (Urteil i.S. Yusuf und Al Barakaat, a.a.O., Rn. 277 ff.; Urteil i.S.
Kadi, a.a.O., Rn 226 ff.; vgl. dazu unten, E. 7).

Auch in der Literatur wird das ius cogens, insbesondere die zwingenden
Bestimmungen zum universellen Schutz der Menschenrechte, überwiegend als
Schranke für die Verbindlichkeit von Sicherheitsratsbeschlüssen anerkannt
(vgl. Christian Tomuschat, Anm. zum Entscheid T-306/01 des EUGEI, CMLR
43/2006 S. 545 ff. mit Hinweisen Fn. 19; Karl Doehring, Unlawful Resolutions
of the Security Council and their Legal Consequences, Max Planck Yearbook of
United Nations Law, 1/1997, S. 91-109, insbes. S. 102 ff.).
5.5 Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
(EGMR) sind Mitgliedstaaten für die Umsetzung von Verpflichtungen, die ihnen
durch internationale Organisationen auferlegt werden, insofern
verantwortlich, als ihnen ein eigener Ermessensspielraum zusteht. Ist dies
nicht der Fall, so prüft der EGMR nur, ob die betreffende Organisation selbst
über einen der EMRK gleichwertigen Grundrechtsschutz verfügt, und der Schutz
der Konventionsrechte im Einzelfall nicht offensichtlich unzureichend
ausgeübt worden ist (vgl. zuletzt Urteil Bosphorus gegen Irland vom 30. Juni
2005, Ziff. 152 ff. mit Hinweisen, publ. in RUDH 17/2005 S. 218 ff.).

Der EGMR hat jedoch noch nicht entschieden, ob dies auch für Verpflichtungen
aus verbindlichen Beschlüssen des Sicherheitsrats gemäss Kapitel VII Charta
gilt: Zwar ging es im Fall Bosphorus um EG- und EU-Recht zur Umsetzung von
UNO-Sanktionen gegen Ex-Jugoslawien; die Bindung an die einschlägigen
Resolutionen des Sicherheitsrates und die Äquivalenz des Grundrechtsschutzes
innerhalb der Vereinten Nationen wurden jedoch vom EGMR nicht geprüft (vgl.
Daniel Frank, UNO-Sanktionen gegen Terrorismus und Europäische
Menschenrechtskonvention, FS Wildhaber 2007, S. 237-257, insbes. S. 248).

In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass den Mitgliedstaaten der
EMRK eine Verletzung von Konventionsrechten bei der Umsetzung von
UNO-Sicherheitsrats-Resolutionen zugerechnet werden müsse (Iain Cameron, The
European Convention on Human Rights, Due Process and United Nations Security
Council Counter-Terrorism Sanctions, Bericht vom 6. Februar 2006 zu Handen
des Europarats, S. 3 und S. 23 ff.), jedenfalls wenn sie sich als Mitglieder
des UNO-Sicherheitsrats nicht gegen eine konventionswidrige Verabschiedung
des Sanktionenregimes eingesetzt haben (so Daniel Frank, a.a.O., S. 254).
Diese Autoren plädieren jedoch nicht einfach für die Unbeachtlichkeit der
Sanktionsbeschlüsse des Sicherheitsrats; vielmehr leiten sie aus der EMRK
eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten ab, auf UNO-Ebene für eine
konventionskonforme Ausgestaltung des Sanktionsregimes zu sorgen.

6.
Innerstaatlich ist der Konflikt zwischen Völkerrecht und Verfassungsrecht,
einschliesslich den Grundrechten, in Art. 190 BV ausdrücklich geregelt:
Danach sind Bundesgesetze und Völkerrecht für das Bundesgericht und die
anderen rechtsanwendenden Behörden massgebend.

6.1 Diese Bestimmung gilt für das gesamte, für die Schweiz verbindliche
Völkerrecht; dieses umfasst neben den Staatsverträgen auch das
Völkergewohnheitsrecht, die allgemeinen Regeln des Völkerrechts und
Beschlüsse von internationalen Organisationen, die für die Schweiz
verbindlich sind (Botschaft des Bundesrats über eine neue Bundesverfassung
vom 20. November 1996, BBl 1997 I 428 f. zu Art. 180 E-BV). Damit sind
insbesondere auch die Sanktionsbeschlüsse des Sicherheitsrates für das
Bundesgericht massgebend und müssen angewendet werden.

6.2 Art. 190 BV enthält allerdings keine Regel über allfällige Konflikte
zwischen verschiedenen, für die Schweiz verbindlichen Normen des
Völkerrechts, im vorliegenden Fall den Sanktionsbeschlüssen des
Sicherheitsrats einerseits und den Garantien der EMRK und des UNO-Pakts II
andererseits. Kann der Konflikt nicht im Wege der Auslegung ausgeräumt
werden, muss deshalb auf die völkerrechtliche Normenhierarchie abgestellt
werden. Danach gehen die Verpflichtungen aus der Charta vor (Art. 103 Charta;
Art. 30 Abs. 1 VRK). Die weltweite einheitliche Anwendung der UNO-Sanktionen
wäre gefährdet, wenn die Gerichte einzelner Mitgliedstaaten die Sanktionen
gegen einzelne Personen oder Einrichtungen wegen allfälliger Verletzungen von
Grundrechten gemäss EMRK und UNO-Pakt II - die sich weitgehend mit den
Grundrechten der nationalen Verfassungen decken - aufheben oder abändern
könnten.

7.
Grenze der Anwendungspflicht für Resolutionen des Sicherheitsrats stellt
jedoch das ius cogens als zwingendes, für alle Völkerrechtssubjekte
verbindliche Recht dar. Zu prüfen ist deshalb, ob die Sanktionsbeschlüsse des
Sicherheitsrats ius cogens verletzen, wie der Beschwerdeführer geltend macht.

7.1 Als ius cogens oder zwingendes Völkerrecht werden diejenigen Normen des
Völkerrechts bezeichnet, von denen auch im gegenseitigen Einverständnis nicht
abgewichen werden darf; entgegenstehende völkerrechtliche Verträge sind somit
nichtig (vgl. Art. 53, 64 und 71 VRK). Auf die Einhaltung dieser Normen
konnten die Staaten daher auch in der Charta der Vereinten Nationen nicht
verzichten (Doehring, a.a.O., S. 101 ff.). Indizien für den absoluten
Charakter einer Norm sind Vertragsklauseln, die bestimmte Rechte oder
Pflichten als unaufhebbar bezeichnen, z.B. indem sie es den Vertragsstaaten
untersagen, anderslautende Vereinbarungen zu treffen, gewisse
Vertragsbestimmungen wegen eines Notstands zu suspendieren oder indem sie
Vorbehalte ausschliessen (vgl. hierzu Eva Kornicker, Ius cogens und
Umweltvölkerrecht, Diss. Basel 1997, S. 58 ff.; Stefan Kadelbach, Zwingendes
Völkerrecht, Berlin 1992, S. 178 f.; Stefan Oeter, Ius cogens und der Schutz
der Menschenrechte, in FS Wildhaber 2007 S. 507 f.).
7.2 Der EuGEI verneinte in den oben (E. 5.4) zitierten Entscheiden eine
Verletzung von ius cogens: Zum einen gälten die von den Klägern angerufenen
Grundrechte (Eigentumsrecht, Verteidigungsrechte und Anspruch auf effektiven
gerichtlichen Rechtsschutz) nicht absolut und insbesondere nicht für
Beschlüsse des Sicherheitsrats nach Kapitel VII der Charta. Zum anderen
berücksichtigte das Gericht, dass es sich um Massnahmen von begrenzter
Geltungsdauer handelt, deren Aufrechterhaltung alle 12-18 Monate vom
Sicherheitsrat überprüft wird, Ausnahme- und Befreiungsmöglichkeiten in
Härtefällen vorgesehen sind und ein formalisiertes Verfahren für die
Überprüfung jedes Einzelfalls durch den Sanktionsausschuss besteht (vgl.
Urteil i.S. Yusuf und Al Barakaat, a.a.O., Rn. 284 ff.; Urteil i.S. Kadi,
a.a.O., Rn. 233 ff.; Urteil i.S. Ayadi, a.a.O., Rn. 134 ff.; Urteil i.S.
Hassan, a.a.O., Rn. 104 ff.).
7.3 Dieser Auffassung ist zuzustimmen.

Allgemein werden zum ius cogens elementare Menschenrechte wie das Recht auf
Leben, der Schutz vor Folter und erniedrigender Behandlung, die Freiheit von
Sklaverei und Menschenhandel, das Verbot von Kollektivstrafen, der Grundsatz
der persönlichen Verantwortung in der Strafverfolgung sowie das
non-refoulement-Gebot gezählt (vgl. Entscheid 1A.124/2001 vom 28. März 2002
E. 3.5 mit Hinweisen zur Literatur und zur Praxis des Bundesrates).
Weitergehend wird z.T. auch der Schutz vor willkürlicher Inhaftierung und
gewisse, damit zusammenhängende, Verfahrensgarantien zum ius cogens gezählt
(Oeter, a.a.O., S. 506 und 510 f. mit Hinweisen).

Dagegen gehören weitere Grundrechte, selbst wenn sie für die Schweiz von
überragender Bedeutung sind, nicht zum zwingenden Völkerrecht (vgl. Botschaft
des Bundesrats zur Eidgenössischen Volksinitiative "für demokratische
Einbürgerungen" vom 25. Oktober 2006, BBl 2006 8962 Ziff. 1.2.4.4). Dies gilt
insbesondere für die vom Beschwerdeführer angerufenen Grundrechte der
Eigentumsgarantie und der Wirtschaftsfreiheit (Tomuschat, a.a.O., S. 547 f.).
Aber auch die von ihm geltend gemachten Verfahrensgarantien (Anspruch auf
rechtliches Gehör und ein faires Verfahren nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art.
14 Abs. 1 UNO-Pakt; Recht auf eine wirksame Beschwerde gemäss Art. 13 EMRK
und Art. 2 Abs. 3 UNO-Pakt II) gehören nicht zum notstandsfesten Kern der
internationalen Menschenrechtskonventionen (vgl. Art. 15 Abs. 2 EMRK, Art. 4
Abs. 2 UNO-Pakt II) und damit grundsätzlich nicht zum ius cogens (Botschaft
vom 25. Oktober 2006, BBl 2006 8962 Ziff. 1.2.4.4; vgl. auch Entscheid
1A.124/2001 vom 28. März 2002 E. 3.5, wo die Frage für das Strafverfahren
offengelassen wurde).

7.4 Namentlich im Bereich der vom Sicherheitsrat nach Kapitel VII Charta
beschlossenen Sanktionen ist kein Konsens der Staaten ersichtlich,
international zwingende Verfahrensgarantien zum Schutz des Einzelnen
anzuerkennen.

Diese Sanktionen enthalten einschneidende wirtschaftliche Einschränkungen für
die Betroffenen; die zum Lebensunterhalt notwendigen Mittel werden jedoch
freigegeben (vgl. Resolution 1452(2002) Ziff. 1a), weshalb weder eine
Gefährdung von Leben oder Gesundheit noch eine unmenschliche oder
erniedrigende Behandlung vorliegt. Das Reiseverbot schränkt die
Bewegungsfreiheit der Betroffenen ein, stellt aber grundsätzlich keine
Freiheitsentziehung dar: Die Betroffenen können sich in ihrem Wohnsitzstaat
frei bewegen (vgl. allerdings unten, E. 10.2, zur besonderen Situation des
Beschwerdeführers); ausdrücklich erlaubt ist auch die Einreise in den
Heimatstaat (vgl. Resolution 1735(2006) Ziff. 1b).
Traditionell werden Sanktionen vom Sicherheitsrat beschlossen, ohne dass
Einzelne die Möglichkeit hätten, sich vorgängig oder nachträglich dazu zu
äussern oder dagegen Beschwerde vor internationalen oder nationalen Instanzen
zu erheben. Die Einführung eines Delisting-Verfahrens und die im Jahre 2006
beschlossenen Verbesserungen (Möglichkeit des Einzelnen, unmittelbar an den
Sanktionsausschuss zu gelangen, Präzisierung der Kriterien für die Aufnahme
und die Streichung von der Liste; Einführung von Begründungsanforderungen für
Listing-Vorschläge; Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Notifikation der
Betroffenen) stellen bereits einen wesentlichen Fortschritt gegenüber der
bisherigen Situation dar. Auch wenn dieses System noch gewichtige Mängel aus
Sicht der Grundrechte aufweist (vgl. Bericht der Hochkommissarin für
Menschenrechte vom 9. März 2007, Schutz der Menschenrechte und der
Grundfreiheiten im Kampf gegen den Terrorismus [A/HRC/4/88] Rn. 25 ff.;
Bericht des UN-Sonderberichterstatters Martin Scheinin, Schutz der
Menschenrechte und der Grundfreiheiten im Kampf gegen den Terrorismus vom 16.
August 2006 [A/61/267] Rn. 30 ff.), liegt kein Verstoss gegen ius cogens vor.

8.
Ist die Schweiz nach dem Gesagten an die Sanktionsbeschlüsse des
Sicherheitsrats gebunden, ist im Folgenden zu prüfen, wie weit diese Bindung
geht, d.h. inwieweit ihr noch ein Handlungsspielraum zusteht.

8.1 Der Sicherheitsrat hat die Resolutionen 1267(1999) und die nachfolgenden
Resolutionen über Sanktionen betreffend Al-Qaïda und die Taliban gestützt auf
Kapitel VII der UNO-Charta erlassen, mit der ausdrücklichen Verpflichtung
aller Mitgliedstaaten, die darin vorgesehenen Sanktionen integral und strikt
durchzuführen, ohne Rücksicht auf vorbestehende staatsvertragliche oder
vertragliche Rechte und Pflichten (so ausdrücklich Ziff. 7 Resolution
1267(1999)).

Die Sanktionen (Blockierung von Vermögenswerten, Ein- und Durchreiseverbot,
Waffenembargo) werden detailliert beschrieben und lassen den Mitgliedstaaten
keinerlei Ermessensspielraum bei der Umsetzung. Auch die Adressaten der
Sanktionen werden den Mitgliedstaaten vorgegeben: Massgeblich ist die vom
Sanktionsausschuss geführte und aktualisierte Liste (Ziff. 8 lit. c
Resolution 1333(2000)).
Für die Streichung von der Liste ist ein besonderes Delisting-Verfahren durch
den Sanktionsausschuss vorgesehen (vgl. zuletzt Ziff. 13 ff. Resolution
1735(2006) und Direktiven des Sanktionsausschusses i.d.F. vom 12. Februar
2007). Es ist den Mitgliedstaaten somit verwehrt, selbständig über die
Weitergeltung von Sanktionen gegen eine auf der Liste des
Sanktionsausschusses aufgeführte Person oder Organisation zu entscheiden.
Die Schweiz würde deshalb gegen ihre Verpflichtungen aus der Charta
verstossen, wenn sie den Beschwerdeführer und seine Organisationen vom Anhang
der TalibanV streichen würde.

8.2 Dies wäre auch dann der Fall, wenn die Sanktionsbeschlüsse des
Sicherheitsrats unmittelbar anwendbar sein sollten:
Zwar blieben dann die Sanktionen gegen den Beschwerdeführer und dessen
Organisationen bestehen; die Streichung von der Liste würde jedoch deren
Umsetzung erschweren: Es bestünde die Gefahr, dass Behörden, Banken und
andere mit der Durchsetzung der Sanktionen betraute Stellen zu Unrecht davon
ausgehen, der Beschwerdeführer sei auch von der Liste des
Sanktionsausschusses gestrichen worden und sei nicht mehr Sanktionsadressat.
Bereits dies steht im Widerspruch zu den einschlägigen Resolutionen des
Sicherheitsrats (vgl. z.B. Ziff. 22 Resolution 1735(2006)).
Im Übrigen ist nicht ersichtlich, welches Interesse der Beschwerdeführer an
der beantragten Streichung haben könnte, wenn die Sanktionen gegen ihn und
seine Organisationen - unmittelbar gestützt auf die einschlägigen
Resolutionen des Sicherheitsrats und die Liste des Sanktionsausschusses -
aufrechterhalten bleiben müssten.

8.3 Nach dem Gesagten ist es der Schweiz verwehrt, den Beschwerdeführer
selbständig aus Anh. 2 TalibanV zu streichen.

Es ist dem Beschwerdeführer einzuräumen, dass in dieser Situation keine
effektive Beschwerdemöglichkeit besteht: Das Bundesgericht kann zwar prüfen,
ob und inwiefern die Schweiz an die Resolutionen des Sicherheitsrats gebunden
ist; dagegen ist es nicht befugt, die Sanktionen gegen den Beschwerdeführer
wegen Grundrechtsverletzungen aufzuheben.

Für die Streichung von der Liste ist ausschliesslich der Sanktionsausschuss
zuständig. Trotz der erwähnten Verbesserungen genügt das Delisting-Verfahren
weder den Anforderungen an gerichtlichen Rechtsschutz gemäss Art. 29a BV,
Art. 6 Ziff. 1 EMRK und Art. 14 Ziff. 1 UNO-Pakt, noch an eine wirksame
Beschwerde i.S.v. Art. 13 EMRK und Art. 2 Abs. 3 UNO-Pakt II (vgl. Bericht
der Hochkommissarin für Menschenrechte vom 9. März 2007, a.a.O., Rn 25, 31,
33; UN-Sonderberichterstatter Martin Scheinin, Bericht vom 16. August 2006,
a.a.O., Rn. 39; Brown Institute for international Studies, Watson University,
Strengthening Targeted Sanctions Through Fair and Clear Procedures, März
2006, Gutachten im Auftrag der Schweiz, des deutschen Auswärtigen Amts und
des Schwedischen Ministeriums für Auswärtige Angelegenheiten, S. 49; Iain
Cameron, a.a.O., S. 2, 12 ff. und 19 ff.; Daniel Frank, a.a.O., S. 244 ff.;
Helen Keller, Antiterrormassnahmen: Verfahrensschutz bei der Sperrung von
Bankkonten, in: FS Alfred Kölz, Zürich 2003, S. 299- 318, insbes. S. 314/315;
dieselbe, Eingefrorene Gelder - ausgehebelte Rechte, Plädoyer 24/2006 H. 2 S.
23-25; R. Wessel, Debating the "Smartness" of Anti-Terrorism Sanctions: The
UN Security Council and the Individual Citizen, 633-660, insbes. S. 645).

Diese Situation kann nur durch die Einführung eines wirksamen
Kontrollmechanismus auf Ebene der Vereinten Nationen behoben werden. Dieses
Ziel wird auch vom Bundesrat und der schweizerischen UN-Vertretung aktiv
verfolgt (vgl. Antwort des Bundesrats vom 23. November 2005 auf die
Interpellation Dick Martys vom 7. Oktober 2005, Ziff. 5 und 7; Deklaration
des Ständigen Vertreters der Schweiz vom 30. Mai 2006 im Namen Deutschlands,
Schwedens und der Schweiz, Menaces à la paix et la sécurité internationales
causées par des actes terroristes).

9.
In dieser Lage stellt sich immerhin die Frage, ob die Schweiz, wenn sie den
Beschwerdeführer schon nicht selbst von der Liste streichen kann, ihn
wenigstens bei der Durchführung des Delisting-Verfahrens unterstützen muss
(vgl. zu dieser Frage EuGEI, Urteil i.S. Ayadi, a.a.O., Rn. 144 ff.; Urteil
i.S. Hassan, a.a.O., Rn. 114 ff.).
9.1 Die Vorinstanzen haben geprüft, ob die Schweiz ein Delisting-Verfahren
für den Beschwerdeführer einleiten müsse. Diese Frage hat sich inzwischen
erledigt, da der Beschwerdeführer seit der Änderung des Delisting-Verfahrens
selbst einen Antrag stellen kann und von dieser Möglichkeit auch Gebrauch
gemacht hat.

9.2 Für den Erfolg seines Antrags ist er allerdings auf die Unterstützung der
Schweiz angewiesen, da diese als einziges Land ein umfangreiches
Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, mit zahlreichen Rechtshilfegesuchen,
Hausdurchsuchungen und Zeugenbefragungen.

Die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen sind verpflichtet, Personen, die
im Verdacht stehen, den Terrorismus zu finanzieren oder zu unterstützen,
strafrechtlich zu verfolgen (vgl. Ziff. 2e Resolution des Sicherheitsrats
1373(2001)). Dazu gehören insbesondere Personen, die auf der Liste des
Sanktionsausschusses figurieren. In den nationalen Strafverfahren kann der -
i.d.R. auf Geheimdienstberichte gestützte - Anfangsverdacht in einem
ordentlichen Beweisverfahren überprüft und der Status der Betroffenen auf
diese Weise geklärt werden (vgl. UN-Sonderberichterstatter Martin Scheinin,
a.a.O., Rn. 36 f.). Im Falle einer Verurteilung treten strafrechtliche
Sanktionen (Freiheitsstrafe; Einziehung) an Stelle der präventiven Sanktionen
(Reiseverbot; Kontensperre).
Führt das Strafverfahren dagegen zu einem Freispruch oder wird es
eingestellt, so sollte dies zur Aufhebung der präventiv angeordneten
Sanktionen führen. Zwar kann der Staat, der das Straf- oder
Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, diese Streichung nicht selbst
vornehmen. Er kann aber zumindest das Ergebnis seiner Ermittlungen dem
Sanktionsausschuss mitteilen und die Streichung des Betroffenen von der Liste
beantragen bzw. unterstützen.

10.
Zu prüfen ist noch, ob das in Art. 4a TalibanV enthaltene Reiseverbot über
das von den Resolutionen des Sicherheitsrats Gebotene hinausgeht und somit in
diesem Bereich ein Handlungsspielraum der schweizerischen Behörden besteht.

10.1 Art. 4a Abs. 1 verbietet den in Anh. 2 aufgeführten natürlichen Personen
die Einreise in die Schweiz oder die Durchreise durch die Schweiz. Art. 4a
Abs. 2 TalibanV sieht vor, dass das Bundesamt für Migration in
Übereinstimmung mit den Beschlüssen des Sicherheitsrates oder zur Wahrung
schweizerischer Interessen Ausnahmen gewähren kann.
Nach den Resolutionen des Sicherheitsrats findet das Reiseverbot keine
Anwendung, wenn die Einreise oder der Transit für ein gerichtliches Verfahren
notwendig sind. Zudem können im Einzelfall mit Zustimmung des
Sanktionsausschusses Ausnahmen gewährt werden (vgl. zuletzt Ziff. 1 lit. b
Resolution 1735(2006)). Darunter fallen insbesondere Reisen aus
medizinischen, humanitären oder religiösen Gründen (Brown Institute, a.a.O.,
S. 32).

10.2 Art. 4a Abs. 2 TalibanV ist als "Kann"-Bestimmung formuliert und erweckt
den Eindruck, als stehe dem Bundesamt für Migration ein Ermessensspielraum
zu. Die Bestimmung ist jedoch verfassungskonform in dem Sinne auszulegen,
dass eine Ausnahme in allen Fällen gewährt werden muss, in denen das
UNO-Sanktionsregime dies erlaubt: Eine weitergehende Einschränkung der
Bewegungsfreiheit des Beschwerdeführers könnte sich nicht auf die
Resolutionen des Sicherheitsrats stützen, läge nicht im öffentlichen
Interesse und wäre auch aufgrund der besonderen Situation des
Beschwerdeführers unverhältnismässig:

Dieser wohnt in Campione, einer italienischen Exklave im Tessin, mit einer
Fläche von nur 1.6 km2. Das Ein- und Durchreiseverbot hat somit zur Folge,
dass er Campione nicht verlassen kann. Im praktischen Ergebnis kommt dies,
wie der Beschwerdeführer zutreffend ausführt, einem Hausarrest nahe, und
stellt damit eine schwerwiegende Beschränkung der persönlichen Freiheit des
Beschwerdeführers dar. In dieser Situation sind die schweizerischen Behörden
verpflichtet, alle nach den Resolutionen des Sicherheitsrats zulässigen
Erleichterungen des Sanktionsregimes auszuschöpfen.

Das Bundesamt für Migration hat somit keinen eigenen Ermessensspielraum. Es
muss vielmehr prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahmeerteilung
vorliegen. Fällt das Gesuch nicht unter eine vom Sicherheitsrat vorgesehene
generelle Ausnahme, muss es dem Sanktionsausschuss zur Genehmigung vorgelegt
werden.

10.3 Die Frage, ob das Bundesamt für Migration diese verfassungsrechtlichen
Vorgaben bei der Behandlung von Ausreiseanträgen des Beschwerdeführers
verkannt hat, ist hier nicht zu prüfen: Die jeweiligen Verfügungen des
Bundesamts wurden vom Beschwerdeführer nicht angefochten und sind nicht
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens.
Gleiches gilt für die Frage, ob dem Beschwerdeführer eine Verlegung seines
Wohnsitzes aus der italienischen Exklave Campione nach Italien ermöglicht
werden müsste. Bisher hat der Beschwerdeführer kein entsprechendes Gesuch
gestellt.

11.
Nach dem Gesagten ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen. Aufgrund
der besonderen Umstände des Falles rechtfertigt es sich, keine Kosten zu
erheben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Staatssekretariat für
Wirtschaft, dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement sowie dem
Bundesamt für Justiz, Abteilung für Beschwerden an den Bundesrat, und dem
Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. November 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Die Gerichtsschreiberin: