Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 1A.36/2007
Zurück zum Index I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2007
Retour à l'indice I. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2007


1A.36/2007 /daa

Urteil vom 14. August 2007

I. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Féraud, Präsident,
Bundesrichter Aemisegger, Aeschlimann,
Gerichtsschreiber Kessler Coendet.

Staat Zürich, Beschwerdeführer, handelnd durch die Liegenschaftenverwaltung
des Kantons Zürich, Waltersbachstrasse 5, 8090 Zürich, und diese vertreten
durch Rechtsanwalt Dr. Peter Bösch,

gegen

Stadt Zürich, Beschwerdegegnerin, handelnd durch den Stadtrat, und dieser
vertreten durch den Rechtskonsulent-Stellvertreter, Stadthaus, Postfach, 8022
Zürich,
Verwaltungsgericht des Kantons Zürich, 3. Abteilung, 3. Kammer,
Militärstrasse 36, Postfach, 8090 Zürich.

Materielle Enteignung; Heimschlag,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zürich,
3. Abteilung, 3. Kammer, vom 7. Dezember 2006.

Sachverhalt:

A.
Der Kanton Zürich ist Eigentümer des unüberbauten Grundstücks Kat.Nr. 5849
mit einer Fläche von rund 16'500 m² an der Morgentalstrasse in
Zürich-Wollishofen. An der südöstlichen Flanke weist Kat.Nr. 5849 einen
langen Einschnitt auf. Dort befindet sich die überbaute Liegenschaft Kat.Nr.
6054.

Nach der Bau- und Zonenordnung der Stadt Zürich von 1963 (BZO 1963) lag
Kat.Nr. 5849 überwiegend, d.h. mit rund 12'700 m², in der Freihaltezone;
insgesamt knapp 3'800 m² entlang der Morgentalstrasse - westlich und östlich
anschliessend an Kat.Nr. 6054 - befanden sich hingegen in der Wohnzone D. Mit
der vom Volk am 17. Mai 1992 angenommenen Bau- und Zonenordnung (BZO 1992)
wurde bloss eine Teilfläche von ca. 595 m² entlang der Westseite von Parzelle
Nr. 6054 der neuen Bauzone W2 zugeteilt; die Restfläche von Kat.Nr. 5849
wurde zur Freihaltezone geschlagen. Die Zuweisung zur Freihaltezone galt mit
anderen Worten ebenfalls für die beiden übrigen Teilflächen, die zur
altrechtlichen Wohnzone D gehört hatten; dabei handelt es sich um den weiter
westlich gelegenen Bereich an der Morgentalstrasse (ca. 3'060 m²) und eine
kleine, östlich an Kat.Nr. 6054 angrenzende Teilfläche (ca. 141,8 m²).
Nachdem der Regierungsrat eine Teilgenehmigung der BZO 1992 im Bereich der
neuen Freihaltezonen beschlossen hatte, traten diese Festlegungen am 11.
Oktober 1997 in Kraft.

B.
Am 5. Mai 1998 meldete der Kanton Zürich gegenüber der Stadt Zürich eine
Entschädigungsforderung aus materieller Enteignung an; in der Folge wurde das
Schätzungsverfahren durchgeführt.
Die Schätzungskommission I des Kantons Zürich stellte mit Entscheid vom 18.
August 2005 fest, dass die Umteilung der ca. 3'060 m² und ca. 141,8 m²
messenden Teilflächen von der altrechtlichen Wohnzone D zur Freihaltezone
keine materielle Enteignung bewirkt habe. Weiter anerkannte die
Schätzungskommission das Heimschlagsrecht des Grundstückseigentümers für die
genannten beiden Teilflächen und den ca 595 m² grossen Streifen in der neuen
Bauzone; die Behörde verweigerte aber das Heimschlagsrecht für die restliche
Grundstücksfläche. Für die heimgeschlagenen Flächen setzte die
Schätzungskommission unter Vorbehalt des genauen Nachmasses folgende Beträge
fest: für die ca. 595 m² Bauland je Fr. 1'100.--/m2, für die daran westlich
anschliessenden ca. 210 m² je Fr. 150.--/m2 und für die übrigen ca. 2'850 m²
im westlichen Bereich je Fr. 30.--/m2 sowie für die ca. 141,8 m² im östlichen
Parzellenbereich je Fr. 15.--/m2.
Der Kanton Zürich rekurrierte gegen den Entscheid der Schätzungskommission an
das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich. Dabei wandte er sich gegen die
Feststellung, dass keine materielle Enteignung vorliege, und verlangte höhere
Heimschlagsentschädigungen. Den Umfang des Heimschlagsrechts focht er jedoch
nicht an. Das Verwaltungsgericht wies den Rekurs am 7. Dezember 2006 ab.

C.
Gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts führt der Kanton Zürich
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht und verlangt die Aufhebung
des angefochtenen Entscheids. Ausserdem sei festzustellen, dass die Zuweisung
von total ca. 3'201,8 m² zur Freihaltezone eine materielle Enteignung
darstelle; insofern sei die Stadt Zürich zu verpflichten, denselben Ansatz zu
bezahlen, den die kantonalen Behörden für die Baulandfläche festgelegt haben
(Fr. 1'100.--/m2). Für den Fall, dass dieser Hauptantrag nicht gutgeheissen
werde, sei eventualiter die Heimschlagsentschädigung für die beiden
Teilflächen von ca. 2'850 m2 und von ca. 141,8 m² auf je Fr. 50.--/m2 zu
erhöhen. In verfahrensrechtlicher Hinsicht fordert der Beschwerdeführer die
Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels und eines Augenscheins.

Die Stadt Zürich ersucht um Abweisung der Beschwerde. Das Verwaltungsgericht
beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei. Das
Bundesamt für Raumentwicklung führt in seinem Schreiben vom 3. Mai 2007 aus,
die Beschwerde werfe aus Sicht des Bundesrechts keine grundsätzlichen
planerischen oder planungsrechtlichen Fragen auf, die eine Stellungnahme
notwendig erscheinen liessen.

D.
Am 29. Mai 2007 reicht der Kanton Zürich ein Gesuch um Sistierung des
Verfahrens ein. Der Instruktionsrichter im bundesgerichtlichen Verfahren
weist das Gesuch mit Verfügung vom 20. Juni 2007 ab.

Mit Schreiben vom 11. Juli 2007 erneuert der Beschwerdeführer sein Begehren
um Durchführung eines Augenscheins.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz vom 17. Juni 2005 über das
Bundesgericht (BGG) in Kraft getreten. Da der angefochtene Entscheid vorher
ergangen ist, richtet sich das Verfahren in Anwendung von Art. 132 Abs. 1 BGG
noch nach dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom
16. Dezember 1943 (OG).

1.1 Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob und
inwieweit auf ein Rechtsmittel eingetreten werden kann. Der Beschwerdeführer
hat seine Eingabe als Verwaltungsgerichtsbeschwerde bezeichnet. In der Sache
sind folgende Punkte umstritten: Hauptsächlich geht es darum, ob bezüglich
zweier Teilflächen der Parzelle Kat.Nr. 5849 eine materielle Enteignung
vorliegt; dies hat das Verwaltungsgericht verneint. Eventualiter ficht der
Beschwerdeführer bei Ausschnitten aus diesen Teilflächen die Höhe der
zugesprochenen Heimschlagsentschädigung auch für den Fall an, dass es
diesbezüglich nicht um eine materielle Enteignung gehen sollte. Es stellt
sich die Frage, inwiefern die Verwaltungsgerichtsbeschwerde offen steht.

1.2 Nach Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG ist die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Verfügungen, die sich auf
öffentliches Recht des Bundes stützen oder hätten stützen sollen, sofern sie
u.a. von der in Art. 98 lit. g OG genannten letzten kantonalen Instanz
erlassen worden sind und keiner der in Art. 99 - 101 OG oder in der
Spezialgesetzgebung des Bundes vorgesehenen Ausschlussgründe greift. Sodann
unterliegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde gemischtrechtliche Verfügungen
bzw. (auch) auf unselbstständiges kantonales Ausführungsrecht zum Bundesrecht
gestützte Anordnungen sowie auf übrigem kantonalem Recht beruhende
Anordnungen, die einen hinreichend engen Sachzusammenhang mit der im Rahmen
der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu beurteilenden Frage des
Bundesverwaltungsrechts aufweisen (BGE 132 II 188 E. 1.1 S. 190 f. mit
Hinweisen).

1.3 Nach Art. 34 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die
Raumplanung (RPG; SR 700) - in der übergangsrechtlich ebenfalls noch
anwendbaren bisherigen Fassung - ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das
Bundesgericht zulässig gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen über
Entschädigungen als Folge von Eigentumsbeschränkungen (Art. 5 RPG). Es muss
sich dabei um Eigentumsbeschränkungen handeln, die durch "Planungen nach
diesem Gesetz" (Art. 5 Abs. 1 RPG) entstanden sind. Was die Frage der
materiellen Enteignung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 RPG betrifft, steht das
genannte Rechtsmittel vorliegend zur Verfügung.

Nicht anders verhält es sich mit Blick auf die Eventualanträge zur
Heimschlagsentschädigung. Zwar liegen diese Rechtsbegehren streng genommen
ausserhalb des Anwendungsbereichs von Art. 5 RPG; das Heimschlagsrecht ist
dem Beschwerdeführer gestützt auf das kantonalzürcherische Recht unabhängig
vom Vorliegen einer materiellen Enteignung gewährt worden. Dennoch ist
vorliegend ein hinreichend enger Sachzusammenhang der das kantonale Recht
betreffenden Eventualbegehren zur materiellen Enteignung als Hauptfrage zu
bejahen (vgl. Urteil 1P.119/1991 vom 1. Februar 2000, E. 2c, in: ZBl 101/2000
S. 635).

1.4 Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist  auf die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten.

1.5 Das Bundesgericht wendet im Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
das Bundesrecht von Amtes wegen an. Zu dem im Rahmen der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde überprüfbaren Bundesrecht gehört das
Bundesverfassungsrecht, soweit die Rüge eine Angelegenheit betrifft, die in
die Sachzuständigkeit der eidgenössischen Verwaltungsrechtspflegeinstanz
fällt (vgl. BGE 132 II 188 E. 2.1 S. 193 mit Hinweisen).

2.
In formeller Hinsicht rügt der Beschwerdeführer, trotz seines förmlichen
Antrags habe das Verwaltungsgericht keinen zweiten Schriftenwechsel und
keinen Augenschein durchgeführt. Damit macht er insofern sinngemäss eine
Gehörsverletzung (Art. 29 Abs. 2 BV) geltend.

2.1 Der Beschwerdeführer hatte bereits in der Rekursschrift an das
Verwaltungsgericht einen zweiten Schriftenwechsel beantragt. Die Kanzlei des
Verwaltungsgerichts stellte dem Beschwerdeführer die Rekursantwort der
Beschwerdegegnerin am 19. Oktober 2006 zur Kenntnisnahme zu mit dem
wörtlichen Beifügen: "ein zweiter Schriftenwechsel ist nicht angeordnet
worden." Daraufhin stellte der Beschwerdeführer mit Eingabe vom 25. Oktober
2006 wiederum den Antrag, es sei ein zweiter Schriftenwechsel durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht fällte am 7. Dezember 2006 den Endentscheid; in der
Prozessgeschichte erwähnte es den Antrag vom 25. Oktober 2006, ging aber in
den Erwägungen nicht darauf ein.

2.2 Der Anspruch einer Partei, im Rahmen eines Gerichtsverfahrens zu
replizieren, bildet einen Teilgehalt des verfassungsmässigen Anspruchs auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Den Gerichten ist es nicht gestattet,
einer Partei das Äusserungsrecht zu eingegangenen Stellungnahmen bzw.
Vernehmlassungen der übrigen Verfahrensparteien, unteren Instanzen und
weiteren Stellen abzuschneiden. Die Partei ist vom Gericht nicht nur über den
Eingang dieser Eingaben zu orientieren; sie muss ausserdem die Möglichkeit
zur Replik haben (BGE 133 I 98 E. 2.1 S. 99). Nach der neueren
bundesgerichtlichen Rechtsprechung muss allerdings die Partei, die eine
Stellungnahme zu einer ihr vom Gericht zur Kenntnisnahme zugestellten Eingabe
für erforderlich hält, diese grundsätzlich unverzüglich einreichen oder
beantragen; andernfalls ist davon auszugehen, dass sie auf eine Stellungnahme
verzichtet (BGE 133 I 100 E. 4.8 S. 105 mit Hinweisen).

2.3 Vorliegend ersuchte der Beschwerdeführer hinreichend rasch nach Erhalt
der Eingabe der Gegenpartei um Ansetzung einer Frist für die Einreichung
einer Replik. Dass der Beschwerdeführer einen solchen Antrag stellte statt
direkt zu replizieren, erscheint als verständlich, weil das
Verwaltungsgericht bei der Zustellung der Rekursantwort ausdrücklich keinen
zweiten Schriftenwechsel angeordnet hatte. Aus dieser gerichtlichen
Formulierung war für den Beschwerdeführer nicht klar ersichtlich, ob nur ein
ganzer Schriftenwechsel, d.h. die Einholung von Replik und Duplik, oder
bereits eine Replik bzw. Vernehmlassung seinerseits für unnötig befunden
wurde. Unter diesen Umständen durfte das Verwaltungsgericht angesichts des
erneut gestellten Verfahrensantrags nicht einfach mit dem Endentscheid
zuwarten, bis es stillschweigend annahm, der Beschwerdeführer habe
nachträglich auf eine Stellungnahme in der Sache verzichtet. Vielmehr war es
gehalten, mit einer prozessleitenden Verfügung auf die genannte Eingabe zu
reagieren. Sofern das kantonale Gericht einen zweiten Schriftenwechsel
ablehnte, hatte es unter den vorliegenden Umständen dem Beschwerdeführer zur
Wahrung des rechtlichen Gehörs ausdrücklich Gelegenheit zu geben, eine
freigestellte Vernehmlassung zur Rekursantwort einzureichen. Da das
Verwaltungsgericht eine entsprechende prozessleitende Verfügung unterliess,
kann für den Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids weder ein Verzicht auf
das Recht zur Stellungnahme noch eine Verwirkung desselben angenommen werden.

2.4 Die beschriebene Verletzung des rechtlichen Gehörs kann im
bundesgerichtlichen Verfahren nicht geheilt werden, wenn - wie im
vorliegenden Fall - nicht nur Rechtsfragen, sondern auch Sachverhaltselemente
umstritten sind; letztere kann das Bundesgericht nicht mit freier Kognition
überprüfen (vgl. Art. 105 Abs. 2 OG). Dies führt zur Aufhebung des
angefochtenen Entscheids. Bei diesem Ausgang des Verfahrens erübrigt sich
eine Befassung mit den weiteren Ausführungen des Beschwerdeführers. Die von
ihm gestellten Verfahrensanträge werden gegenstandslos.

3.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher gutzuheissen. Der angefochtene
Entscheid ist aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung an das
Verwaltungsgericht zurückzuweisen. Unter den gegebenen Umständen erscheint es
angemessen, auf die Erhebung von Gerichtskosten zu verzichten. Dem
Beschwerdeführer steht eine Parteientschädigung nicht zu (Art. 159 Abs. 2
OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Zürich, 3. Abteilung, 3. Kammer, vom 7.
Dezember 2006 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Beurteilung an das
Verwaltungsgericht zurückgewiesen.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Zürich, 3. Abteilung, 3. Kammer, sowie dem Bundesamt für Raumentwicklung
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. August 2007

Im Namen der I. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident:  Der Gerichtsschreiber: