Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 8/2006
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U 8/06

Urteil vom 13. März 2006
IV. Kammer

Präsident Ursprung, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Schön;
Gerichtsschreiber Grunder

P.________, 1959, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Michael
Ausfeld, Weinbergstrasse 18, 8001 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur

(Entscheid vom 18. November 2005)

Sachverhalt:

A.
Der 1959 geborene P.________ meldete der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA), er habe am 3. Januar 2005 beim Essen einer
Praline auf einen Kirschstein gebissen und dadurch einen Backenzahn
beschädigt. Die SUVA vertrat den Standpunkt, es liege mangels
Ungewöhnlichkeit kein Unfall vor, weshalb sie nicht leistungspflichtig sei
(Verfügung vom 24. März 2005). Daran hielt sie auf Einsprache hin fest
(Einspracheentscheid vom 13. Mai 2005).

B.
Die hiegegen eingereichte Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich ab (Entscheid vom 18. November 2005).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt P.________ beantragen, unter
Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sei die SUVA zu verpflichten, ihm
die gesetzlichen Leistungen zu erbringen.

Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig und zu prüfen ist, ob das Ereignis vom 3. Januar 2005 einen Unfall
im Rechtssinne darstellt. Ausser Frage steht, dass es sich nicht um eine
unfallähnliche Körperschädigung gemäss Art. 9 Abs. 2 UVV handelt.

Die Vorinstanz hat die Bestimmung über den Unfallbegriff (Art. 4 ATSG) und
die Rechtsprechung zum Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit im Allgemeinen
(BGE 130 V 118 Erw 2, 122 V 233 Erw. 1) sowie bei Zahnschäden im Besonderen
(BGE 112 V 203 Erw. 1; SVR 1999 UV Nr. 9 S. 28 Erw. 3c/cc) zutreffend
dargelegt. Darauf wird verwiesen. Zu wiederholen ist, dass der äussere Faktor
ungewöhnlich ist, wenn er den Rahmen des im jeweiligen Lebensbereich
Alltäglichen oder Üblichen überschreitet, was sich im Einzelfall beurteilt,
wobei grundsätzlich nur die objektiven Umstände in Betracht fallen (BGE 129 V
404 Erw. 2.1, 121 V 38 Erw. 1a, je mit Hinweisen).

2.
2.1 Es steht aufgrund der Akten fest und ist unbestritten, dass der
Beschwerdeführer beim Essen einer "Griotte au Kirsch" genannten Praline auf
einen Kirschstein biss und dabei einen Backenzahn beschädigte. Laut Auskunft
der Herstellerfirma Boulangerie-Pâtisserie-Confiserie X.________, besteht die
Süssigkeit aus einer nicht entsteinten Kirsche, die mit einer sirupähnlichen
Masse umhüllt und mit Schokolade überzogen wird. Die Vorinstanz ist zum
Schluss gelangt, der Kirschstein sei als üblicher Bestandteil dieser Praline
zu betrachten, weshalb die Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors zu verneinen
sei.

2.2 Demgegenüber bringt der Beschwerdeführer vor, das kantonale Gericht habe
nicht alle Umstände in Betracht gezogen. Üblicherweise beständen solche
Confiserieerzeugnisse aus einem mit Schnaps gefüllten, hohlen Zuckerkern. Auf
der Verpackung sei kein Hinweis angebracht gewesen, dass die Pralinen nicht
entsteinte Kirschen enthielten. Zu berücksichtigen sei schliesslich, dass er
die "Griottes au Kirsch" geschenkt erhalten und nicht gekauft habe, was
insofern von Bedeutung sei, als er keine persönliche Entscheidung über den
Erwerb des Produkts habe treffen müssen. Er habe daher davon ausgehen dürfen,
er esse mit Kirschwasser gefülltes Konfekt.

2.3 Der Betrachtungsweise des Beschwerdeführers kann nicht beigepflichtet
werden. Die Annahme, die Praline bestehe aus einem Zuckerkern mit
Kirschwasser, ist schon deshalb unpassend, weil die Bezeichnung "Griottes au
Kirsch" auf eine bestimmte, in Kirschwasser eingelegte Kirschensorte
("Weichselkirsche") hinweist. Es war daher zumindest damit zu rechnen, die
Süssigkeit enthalte das Fleisch dieser Früchte. Sodann werden die
Kirschsteine in den "Griottes au Kirsch" nicht dadurch zu Fremdkörpern, weil
im Detailhandel ähnliche Produkte mit entsteinten Früchten, wie die "Mon
Chéri"-Pralinen, erhältlich sind. Es ist anzunehmen, dass die "Griottes au
kirsch" eine Spezialität der Confiserie X.________ sind und nur in der Region
angeboten werden. Dem Beschwerdeführer waren sie denn auch nicht bekannt.
Unter diesen Umständen durfte er nicht davon ausgehen, es handle sich um ein
Erzeugnis, das mit ähnlichen Produkten, die im Detailhandel weit verbreitet
angeboten werden, vergleichbar ist. Vielmehr hätte er beim Zerbeissen der
ersten "Griotte au Kirsch" prüfen müssen, welche Bestandteile sie enthält.
Ein solches Vorgehen erscheint um so mehr geboten, als der Beschwerdeführer
die ihm unbekannten Pralinen geschenkt erhielt und er somit keine Gelegenheit
hatte, wie im Falle eines Kaufs, nachzufragen, woraus das gewünschte Produkt
besteht. Der Biss auf den Kirschstein ist daher einer ungenügenden Sorgfalt
des Beschwerdeführers zuzuschreiben. Dies hat jedoch unberücksichtigt zu
bleiben, weil es bei der Frage der Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors nur
auf die objektiven Umstände ankommt. Ungewöhnlich war somit nicht der Biss
auf den Kirschstein in der "Griotte au Kirsch", sondern die dadurch
verursachte Schädigung des Backenzahns. Weil sich das Merkmal der
Ungewöhnlichkeit nur auf den äusseren Faktor selbst, nicht aber auf dessen
Wirkungen auf den menschlichen Körper bezieht, liegt kein Unfall im Sinne von
Art. 4 ATSG vor.

3.
Der Beschwerdeführer bringt schliesslich vor, die SUVA habe am 4. Februar
2005 dem behandelnden Zahnarzt Kostengutsprache erteilt, worauf sie zu
behaften sei. Indessen räumt er selber ein, dass es dabei um eine Anfrage zum
zahnärztlichen Befund und den mutmasslichen Kosten der Behandlung des
Zahnschadens ging, wobei das Schreiben den Vermerk enthielt, es sei die
Kostengutsprache der SUVA abzuwarten, "soweit nicht sofort Massnahmen zu
treffen sind". Mit diesem Zusatz hat die SUVA lediglich zum Ausdruck
gebracht, dass eine Übernahme der zahnärztlichen Kosten nicht ausgeschlossen
ist, wenn die Behandlung dringlich durchgeführt werden muss. Inwieweit daraus
ein Anspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben auf medizinische
Behandlung herzuleiten ist, ist nicht ersichtlich und wird in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch nicht dargelegt.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 13. März 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: