Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 86/2006
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Prozess {T 7}
U 86/06

Urteil vom 13. Juni 2006
III. Kammer

Präsident Ferrari, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber
Widmer

C.________, 1938, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Dr. Manfred
Bayerdörfer, Rathausstrasse 40/42, 4410 Liestal,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin

Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt, Basel

(Entscheid vom 15. Dezember 2005)

Sachverhalt:

A.
Der 1938 geborene C.________ arbeitete seit 1961 als Schreiner bei der Firma
V.________ AG und war damit bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen Unfälle und
Berufskrankheiten versichert. Nachdem die Arbeitgeberin um Prüfung der Frage,
ob beim Versicherten, der seit Anfang 2000 infolge eines Lungenleidens seiner
Arbeit fernbleiben musste, eine Berufskrankheit vorliege, ersucht hatte, traf
die SUVA medizinische Abklärungen, welche ein Asthma bronchiale ergaben. Mit
Verfügung vom 31. Oktober 2003 sprach die Anstalt C.________ für die Folgen
dieses als Berufskrankheit anerkannten Leidens nebst einer
Integritätsentschädigung von 5 % ab 1. Oktober 2003 eine Invalidenrente auf
der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 27 %. In teilweiser Gutheissung
der hiegegen im Rentenpunkt erhobenen Einsprache erhöhte die SUVA die
Invalidenrente mit Entscheid vom 30. September 2004 auf 40 %.

B.
Die dagegen eingereichte Beschwerde, mit welcher C.________ beantragen liess,
unter Aufhebung des Einspracheentscheides sei die SUVA zu verpflichten, ihm
eine Invalidenrente auf der Grundlage einer Erwerbsunfähigkeit von 49 %
auszurichten, wies das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt ab (Entscheid
vom 15. Dezember 2005).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt C.________ das vorinstanzlich
gestellte Rechtsbegehren erneuern.
Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Stellungnahme.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Im Beschwerdeverfahren um die Bewilligung oder Verweigerung von
Versicherungsleistungen ist die Überprüfungsbefugnis des Eidgenössischen
Versicherungsgerichts nicht auf die Verletzung von Bundesrecht
einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens beschränkt,
sondern sie erstreckt sich auch auf die Angemessenheit der angefochtenen
Verfügung; das Gericht ist dabei nicht an die vorinstanzliche Feststellung
des rechtserheblichen Sachverhalts gebunden und kann über die Begehren der
Parteien zu deren Gunsten oder Ungunsten hinausgehen (Art. 132 OG).

2.
Nach Art. 18 Abs. 1 UVG hat der Versicherte, der infolge eines Unfalles oder
einer Berufskrankheit (Art. 6 Abs. 1 UVG) zu mindestens 10 % invalid ist,
Anspruch auf eine Invalidenrente.
Die gesetzliche Bestimmung zur Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der
Einkommensvergleichsmethode (Art. 16 ATSG) sowie die Rechtsprechung zur
Ermittlung des hypothetischen Invalideneinkommens anhand von Tabellenlöhnen
(BGE 126 V 75) hat die Vorinstanz zutreffend wiedergegeben. Darauf kann
verwiesen werden.

3.
Es ist letztinstanzlich nicht mehr bestritten, dass der Beschwerdeführer ohne
Invalidität ein Erwerbseinkommen von Fr. 85'365.- im Jahr (Valideneinkommen)
erzielen könnte. Zu prüfen ist hingegen die Höhe der trotz
Gesundheitsschadens zumutbarerweise erreichbaren Einkünfte.

3.1 Während die Vorinstanz zur Annahme gelangte, der Beschwerdeführer könnte
zumutbarerweise einen Lohn verdienen, der dem Durchschnitt zwischen
Anforderungsniveau 3 und 4 gemäss Lohnstrukturerhebung des Bundesamtes für
Statistik (LSE) entspricht, wobei jedoch ein leidensbedingter Abzug von 20 %
vorzunehmen sei, vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, es sei vom
LSE-Anforderungsniveau 4 (einfache und repetitive Tätigkeiten) auszugehen.
Sodann sei ein leidensbedingter Abzug von 25 % zuzulassen, womit sich ein
Invaliditätsgrad von 49 % ergebe.

3.2 Der Beschwerdeführer ist gelernter Schreiner und arbeitete seit 1961 bei
der V.________ AG in seinem Beruf. Aufgrund des Asthma bronchiale kann er
diese Tätigkeit nicht mehr ausüben, weshalb eine Entlöhnung im Sinne des
Anforderungsniveaus 3, die Berufs- und Fachkenntnisse voraussetzt, trotz
abgeschlossener Berufsausbildung nicht mehr in Betracht fällt. Eine
Einstufung entsprechend dem Mittel von Anforderungsniveau 3 und 4 ist
entgegen SUVA und Vorinstanz ebenfalls nicht angebracht, da der Versicherte
für keine in Frage kommende Erwerbstätigkeit über Berufs- oder Fachkenntnisse
verfügt. Heranzuziehen ist demnach der Durchschnittslohn nach
Anforderungsniveau 4 für einfache und repetitive Tätigkeiten, wie in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht eingewendet wird.

3.3 Im Urteil A. vom 12. April 2005, U 436/04, hat sich das Eidgenössische
Versicherungsgericht in einem vergleichbaren Fall zur Höhe des Abzuges vom
Tabellenlohn im Sinne von BGE 126 V 77 ff. Erw. 4 und 5 geäussert und
dargelegt, dass der am Recht stehende, im Verfügungszeitpunkt 60jährige
Versicherte, der zeitlebens körperliche Schwerarbeit auf dem Bau verrichtet
hatte, die er wegen der Unfallfolgen nicht mehr ausüben konnte und auch für
leichtere Tätigkeiten nicht mehr uneingeschränkt arbeitsfähig sei, im Falle
einer erneuten Anstellung das durchschnittliche Lohnniveau gesunder
Hilfsarbeiter voraussichtlich deutlich unterschreiten werde. Unter diesen
besonderen Umständen, namentlich mit Rücksicht auf die Tatsache, dass der
Versicherte während 40 Jahren für das gleiche Baugeschäft schwere manuelle
Arbeit verrichtet hat, erscheine ein Abzug von 25 % vom Tabellenlohn
gerechtfertigt.
Aus den nämlichen Gründen ist der rechtsprechungsgemäss zulässige Höchstabzug
von 25 % vom Tabellenlohn im Rahmen einer gesamthaften Schätzung unter
Einbezug aller beruflichen und persönlichen Merkmale (BGE 126 V 79 Erw. 5b)
auch im vorliegenden Fall angebracht, wogegen ein Abzug von 20 %, wie ihn die
Vorinstanz vorgenommen hat, den speziellen Umständen nicht hinreichend
Rechnung trägt und einer Ermessensüberprüfung (Art. 132 lit. a OG) nicht
Stand hält. Zu beachten gilt es auch hier, dass der Beschwerdeführer während
knapp 40 Jahren (1961 bis 2000) im gleichen Unternehmen als Schreiner
gearbeitet hat. Mit der Jahrzehnte langen Betriebszugehörigkeit einher geht
eine reduzierte Flexibilität, die sich auf dem Arbeitsmarkt zusätzlich zum
fortgeschrittenen Alter und zu den erheblichen gesundheitlichen
Einschränkungen - zumutbar ist nur eine leichte Arbeit in sitzender Position
ohne Belastung durch Rauch, Nässe, Kälte, Hitze und Staubexpositionen - im
Vergleich zu einem voll leistungsfähigen Hilfsarbeiter erwerbsmindernd
auswirken dürfte.

3.4 Grundlage für die Ermittlung des Invalideneinkommens bildet der
Durchschnittslohn für einfache und repetitive Tätigkeiten
(Anforderungsniveau 4) von Fr. 4557.- im Monat (LSE 2002 TA1 [privater
Sektor]), der sich nach Aufrechnung auf 41,7 Arbeitsstunden wöchentlich und
Berücksichtigung der Nominallohnentwicklung 2002 von 1,4 % auf Fr. 57'806.-
beläuft. Hievon sind 25 % in Abzug zu bringen, sodass ein Invalideneinkommen
von Fr. 43'354.50 (Fr. 57'806.- x 75 : 100) resultiert. Verglichen mit dem
Valideneinkommen von Fr. 85'365.- ergibt sich eine Erwerbseinbusse von
Fr. 42'010.50, was einem Invaliditätsgrad von 49 %
(Fr. 42'010.50 x 100 : Fr. 85'365.-) entspricht.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden der Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts Basel-Stadt vom 15. Dezember 2005 und der
Einspracheentscheid vom 30. September 2004 aufgehoben, und es wird
festgestellt, dass der Beschwerdeführer ab 1. Oktober 2003 Anspruch auf eine
Invalidenrente der SUVA von 49 % hat.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die SUVA hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2000.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Das Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt wird über eine Neuverlegung der
Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des
letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht Basel-Stadt
und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.
Luzern, 13. Juni 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der III. Kammer: Der Gerichtsschreiber: