Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 73/2006
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Prozess {T 7}
U 73/06

Urteil vom 16. August 2006
II. Kammer

Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Kernen und nebenamtlicher Richter
Bühler; Gerichtsschreiber Jancar

M.________, 1963, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Eric
Schuler, Frankenstrasse 3, 6003 Luzern,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004
Luzern, Beschwerdegegnerin

Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern

(Entscheid vom 19. Dezember 2005)

Sachverhalt:

A.
Die 1963 geborene, verheiratete, aus Serbien stammende M.________ war seit
1990 bei der Firma X.________ AG, in der Ausrüsterei tätig und gestützt auf
dieses Arbeitsverhältnis bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Betriebs- und Nichtbetriebsunfällen
versichert. Am 23. November 1999 verlor sie auf der Autobahn A4 Luzern - Zug
die Herrschaft über ihren PW Audi, kollidierte mit der Aussenleitplanke und
ihr Fahrzeug kam quer zur Fahrbahn auf dem Normalstreifen zum Stillstand,
worauf ein Lastwagen auf dessen Heck auffuhr. Die Versicherte begab sich noch
am Unfalltag in ärztliche Behandlung bei Dr. med. S.________, Innere Medizin
FMH, der eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) und eine Kontusion des
Thorax sowie der Lendenwirbelsäule (LWS) diagnostizierte. Die SUVA anerkannte
ihre Leistungspflicht und erbrachte die gesetzlichen Leistungen
(Heilbehandlung und Taggeld). Zur Abklärung der medizinischen Verhältnisse
und der Arbeitsfähigkeit der Versicherten zog sie Berichte ihres Hausarztes,
Dr. med. W.________, Innere Medizin FMH, vom 15. Januar 2000, 12. März 2000
und 18. Juli 2000, der Klinik Y.________, vom 11. November 1999 und 24.
Oktober 2000, wo M.________ zwei Mal vom 26. August bis 23. September 1999
und 3. bis 24. Oktober 2000 hospitalisiert war, des Chiropraktors Dr.
C.________, vom 16. Oktober 2000, des Neurologen Dr. med. G.________, vom 14.
Februar 2001 sowie des Psychiaters Dr. med. K.________, vom 20. Juli 2001
bei. Ausserdem liess die SUVA den Gesundheitszustand und die Arbeitsfähigkeit
der Versicherten am 17. April 2000 und 9. März 2001 durch ihre Kreisärzte Dr.
med. U.________, FMH für Orthopädie, und Dr. med. B.________, FMH Chirurgie,
beurteilen und zog einen Bericht vom 17. August 2001 des Dr. med. T.________,
Facharzt FMH für Chirurgie im Ärzteteam Unfallmedizin der SUVA bei. Die
Versicherte hat ihre angestammte Arbeit nach dem Unfall vom 23. November 1999
nie mehr aufgenommen, weshalb die Arbeitgeberfirma das Arbeitsverhältnis auf
den 31. Oktober 2001 auflöste.

Mit Verfügung vom 27. August 2001 stellte die SUVA ihre Leistungen per 31.
Oktober 2001 ein. M.________ liess dagegen Einsprache erheben. Die SUVA nahm
hierauf den Bericht der Medizinischen Klinik des Spitals Z.________ vom 24.
Januar 2002, wo die Versicherte vom 2. bis 30. November 2001 hospitalisiert
war, zu den Akten und zog eine weitere Stellungnahme des anstaltsinternen
Facharztes FMH für Chirurgie, Dr. med. T.________, vom 19. August 2002, einen
neuen Bericht des Neurologen Dr. med. G.________, vom 4. September 2002 und
des Hausarztes Dr. med. W.________, vom 22. November 2003, gewisse Akten des
Krankenversicherers der Versicherten (Concordia Luzern) sowie einen Bericht
des Psychiatriezentrums des Spitals Z.________ vom 14. November 2001 und der
Medizinischen Klinik des Spitals Z.________ vom 31. Oktober 2003 über die
Hospitalisation der Versicherten vom 28. bis 30. Oktober 2003 bei. Mit
Schreiben vom 14. November 2002 hiess die SUVA die gegen ihre Verfügung vom
27. August 2001 erhobene Einsprache informell gut, richtete M.________
weiterhin die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung und Taggeld) aus und
beauftragte am 12. Februar 2003 die Medizinische Abklärungsstelle (Medas),
mit der interdisziplinären - rheumatologischen, neurologischen,
neuropsychologischen und psychiatrischen - Begutachtung der Versicherten
(Gutachten vom 14. April 2004).

Mit Verfügung vom 18. Mai 2004 stellte die SUVA die gesetzlichen Leistungen
per 31. Mai 2004 erneut ein. Die dagegen erhobene Einsprache wies sie mit
Einspracheentscheid vom 28. Oktober 2004 ab.

B.
Beschwerdeweise liess M.________ beantragen, es seien ihr weiterhin die
gesetzlichen Leistungen auszurichten. Ferner sei ein polydisziplinäres
Gutachtens einzuholen und gestützt darauf über ihren Rentenanspruch sowie
ihren Anspruch auf eine Integritätsentschädigung neu zu entscheiden;
eventuell sei die Sache zur Einholung eines nochmaligen polydisziplinären
Gutachtens und zum Erlass einer neuen Verfügung an die SUVA zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern führte einen doppelten
Schriftenwechsel durch und wies die Beschwerde mit Entscheid vom 19. Dezember
2005 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt M.________ ihre vorinstanzlichen
Rechtsbegehren erneuern, wobei sie nun die Rückweisung der Streitsache an die
Vorinstanz zwecks Einholung eines neuen polydisziplinären Gutachtens und
neuer Entscheidung über den Renten- und Integritätsentschädigungsanspruch
beantragen lässt.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während
das Bundesamt für Gesundheit (BAG) auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin aufgrund des Unfalles
vom 23. November 1999 über den Zeitpunkt der verfügten Leistungseinstellung
(31. Mai 2004) hinaus Anspruch auf weitere Leistungen (Heilbehandlung und
Taggeld) sowie allenfalls auf eine Invalidenrente und eine
Integritätsentschädigung der obligatorischen Unfallversicherung hat.

2.
2.1 Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des
Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen (BGE 129 V 181 Erw. 3.1, 406
Erw. 4.3.1, 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen) und
adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 129 V 181 Erw. 3.2, 405 Erw. 2.2, 125 V 461
Erw. 5a mit Hinweisen) zutreffend wiedergegeben. Darauf kann verwiesen
werden. Durch das In-Kraft-Treten des ATSG am 1. Januar 2003 hat sich am
unfallversicherungsrechtlichen Begriff des natürlichen und adäquaten
Kausalzusammenhanges sowie dessen Bedeutung als Voraussetzung für die
Leistungspflicht der obligatorischen Unfallversicherung nichts geändert
(Urteile K. vom 23. Dezember 2005, U 289/04, B. vom 10. August 2005, U 418/04
und C. vom 5. November 2004 U 106/04; vgl. auch Kieser, ATSG-Kommentar,
Zürich 2003, Vorbemerkungen N 37).

2.2 Ebenfalls richtig wiedergegeben hat das kantonale Gericht, dass die
einmal anerkannte Leistungspflicht des Unfallversicherers erst entfällt, wenn
auch das Dahinfallen jeder kausalen Bedeutung von unfallbedingten Ursachen
eines Gesundheitsschadens mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen ist. Die blosse
Möglichkeit nunmehr gänzlich fehlender ursächlicher Auswirkungen des Unfalles
genügt nicht (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 46 Erw. 2, 1994 Nr. U 206 S. 327 f. Erw.
3b, 1992 Nr. U 142 S. 76 Erw. 4b).

Beizufügen ist Folgendes: Da es sich beim Dahinfallen des natürlichen
Kausalzusammenhanges um eine anspruchsaufhebende Tatfrage handelt, liegt die
entsprechende Beweislast - anders als bei der Frage, ob ein
leistungsbegründender natürlicher Kausalzusammenhang gegeben ist - nicht beim
Versicherten, sondern beim Unfallversicherer (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 46 Erw.
2, 1994 U 206 S. 328 f. Erw. 3b, 1992 Nr. U 142 S. 76 Erw. 4b).

Diese Beweislastregel greift allerdings erst Platz, wenn es sich als
unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes und der
Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die
überwiegende Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen
(BGE 117 V 264 Erw. 3b mit Hinweisen). Sodann muss der Beweis des Wegfalls
des natürlichen Kausalzusammenhanges nicht durch den Nachweis unfallfremder
Ursachen erbracht werden. Ebenso wenig geht es darum, vom Unfallversicherer
den negativen Beweis zu verlangen, dass kein Gesundheitsschaden mehr vorliegt
oder dass die versicherte Person nun bei voller Gesundheit ist. Entscheidend
ist allein, ob unfallbedingte Ursachen eines Gesundheitsschadens ihre kausale
Bedeutung verloren haben, also dahingefallen sind, oder nicht (Urteile S. vom
7. Juni 2006, U 414/05, Erw. 2.2, C. vom 14. Oktober 2004, U 66/04, Erw. 3.2,
I. vom 7. Juli 2004, U 15/04, Erw. 2.2, und B. vom 31. August 2001, U 285/00,
Erw. 5a).

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin hat beim Unfall vom 23. November 1999 u.a. ein
Schleudertrauma der HWS erlitten, das vom erstbehandelnden Arzt, Dr. med.
S.________, medizinisch zutreffend als "Distorsion HWS" diagnostiziert wurde.

Eine Leistungspflicht des Unfallversicherers kann bei einem Schleudertrauma
der HWS oder einer äquivalenten Verletzung wie einer Distorsion der HWS unter
Umständen auch ohne organisch nachweisbare Schädigung gegeben sein. Nach den
Ergebnissen der medizinischen Forschung können bei solchen Verletzungen auch
ohne klar ausgewiesene pathologische Befunde noch Jahre nach dem Unfall
funktionelle Ausfälle verschiedenster Art auftreten (BGE 117 V 363 Erw. 5d/aa
mit Hinweisen). Der Umstand, dass die nach einem Schleudertrauma häufig
beobachteten und deshalb von der Rechtsprechung als typisch bezeichneten
Beschwerden wie diffuse Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrations- und
Gedächtnisstörungen, Übelkeit, rasche Ermüdbarkeit, Visusstörungen,
Reizbarkeit, Affektlabilität, Depression oder Wesensveränderung (BGE 117 V
360 Erw. 4b) in manchen Fällen mit den heute verwendeten bildgebenden
Untersuchungsmethoden nicht objektivierbar sind, darf nicht dazu verleiten,
sie als rein "subjektive" Beschwerden zu qualifizieren und damit deren
Relevanz für die Unfallversicherung in Abrede zu stellen.

Ob in solchen Fällen ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht, ist eine
Tatfrage, über welche die Verwaltung und im Beschwerdefall das Gericht im
Rahmen der Beweiswürdigung nach dem im Sozialversicherungsrecht üblichen
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu befinden haben. Auch in
diesem Bereich ist aber für die Leistungspflicht des Unfallversicherers
unerlässlich, dass die geklagten Beschwerden medizinisch einer fassbaren
gesundheitlichen Beeinträchtigung zugeschrieben werden können und diese
Gesundheitsschädigung mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in einem
ursächlichen Zusammenhang mit dem versicherten Unfallereignis steht (BGE 119
V 340 Erw. 2b/bb).

3.2 Für die Feststellung natürlicher Kausalzusammenhänge und deren
Dahinfallen im Bereich der Medizin sind Sozialversicherungsgericht und
Verwaltung auf diesbezügliche Angaben von ärztlichen Fachpersonen angewiesen.
Nach den aus dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (Art. 61 lit. c ATSG;
Art. 19 VwVG in Verbindung mit Art. 40 BZPO) fliessenden Anforderungen an die
Beweiswürdigung haben Verwaltung und Sozialversicherungsgericht alle
Beweismittel, unabhängig davon, von wem sie stammen, objektiv zu prüfen und
danach zu entscheiden, ob die verfügbaren medizinischen Unterlagen eine
zuverlässige Beurteilung des streitigen Rechtsanspruches gestatten.
Insbesondere darf das Sozialversicherungsgericht den Prozess nicht erledigen,
ohne das gesamte Beweismaterial zu würdigen und die Gründe anzugeben, warum
es auf die eine und nicht auf die andere medizinische These abstellt.
Hinsichtlich des Beweiswertes eines Arztberichtes ist also entscheidend, ob
der Bericht für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen
Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in
Kenntnis der Vorakten abgegeben worden ist, in der Beurteilung der
medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen
Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des Experten begründet
sind. Ausschlaggebend für den Beweiswert ist grundsätzlich somit weder die
Herkunft eines Beweismittels noch die Bezeichnung der eingereichten oder in
Auftrag gegebenen Stellungnahme als Bericht oder Gutachten (BGE 125 V 352
Erw. 3a, 122 V 160 f. Erw. 1c mit Hinweisen; RKUV 2003 Nr. U 487 S. 345 Erw.
5.1 [Urteil B. vom 5. Juni 2003, U 38/01]).
Demgemäss ist für die Beweiskraft eines von der SUVA im Verwaltungsverfahren
eingeholten medizinischen Gutachtens entscheidend, ob es in der Darlegung der
medizinischen Zustände, Entwicklungen und Zusammenhänge einleuchtet und ob
die Schlussfolgerungen des oder der Gutachter so begründet sind, dass der
Rechtsanwender sie kritisch prüfend nachvollziehen kann (U. Meyer-Blaser, Das
medizinische Gutachten aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht, in: A.M.
Siegel/D. Fischer [Hrsg.], Die neurologische Begutachtung, Schweizerisches
medico-legales Handbuch, Band 1, Zürich 2004, S. 97; ders.,
Sozialversicherungsrecht und Medizin, in: H. Fredenhagen, Das ärztliche
Gutachten, 4. Aufl., Bern e.a. 2003, S. 25). Für den Beweiswert eines
medizinischen Gutachtens ist daher ausschlaggebend, ob die Schlussfolgerungen
des oder der Gutachter nach den Gesetzen der Logik anhand der Begründung
überzeugend und widerspruchsfrei nachvollzogen werden können. Jeder
Widerspruch zwischen den vom oder von den Gutachtern dargelegten sowie von
ihm oder ihnen angeführten Grundlagen und den daraus gezogenen
Schlussfolgerungen stellt die Schlüssigkeit des Gutachtens in Frage und weckt
Zweifel an seiner Richtigkeit. Auf ein nicht schlüssiges Gutachten darf das
Gericht in seiner Beweiswürdigung nicht abstellen. Im Gegenteil, liegen
gewichtige, zuverlässig begründete Tatsachen oder Indizien vor, welche die
Überzeugungskraft des Gutachtens ernstlich erschüttern, verstösst das Gericht
gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV), wenn es seinen Entscheid dennoch in
ausschlaggebender Weise darauf stützt (BGE 129 I 57 f. Erw. 4, 128 I 86 Erw.
2 mit Hinweisen, 118 Ia 146 Erw. 1c mit Hinweisen).

4.
4.1 Das kantonale Gericht hat das Medas-Gutachten vom 14. April 2004 als für
die im vorliegenden Fall ausschlaggebende Frage des Dahinfallens der
natürlichen Unfallkausalität beweiskräftig erachtet. Es hat dabei namentlich
auf die von den Gutachtern gestellte Diagnose und die von ihnen für ihre
hauptsächliche Schlussfolgerung - Fehlen einer unfallbedingten Einschränkung
der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin in ihrer angestammten Tätigkeit
und jeder anderen körperlich leichten, wechselbelastenden Tätigkeit -
angeführten medizinischen Gründe abgestellt.

In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird im Wesentlichen geltend gemacht,
gemäss Medas-Gutachten lägen bei der Beschwerdeführerin die typischen
Beschwerden nach "HWS-Distorsionstrauma" vor; insbesondere seien starke
Nacken- und Kopfschmerzen, Schwindelbeschwerden, Einschlafen der Arme und
Beine sowie Konzentrationsstörungen vorhanden. Rechtsprechungsgemäss sei
daher der natürliche Kausalzusammenhang zwischen diesen Beschwerden und dem
Unfall vom 23. November 1999 zu bejahen. Ausserdem sei das zervikozephale
Schmerzsyndrom der Beschwerdeführerin nach Auffassung der Medas-Gutachter mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit zu einem Anteil von 20 - 25 % am gesamten
Beschwerdebild auf das Unfallereignis zurückzuführen. Es sei nicht
nachvollziehbar und werde von den Gutachtern auch nicht begründet, weshalb
diese unfallbedingten Beschwerden ohne Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit der
Beschwerdeführerin sein sollen. Auf dieses Gutachten könne daher nicht
abgestellt werden.

4.2 Die Beschwerdeführerin übersieht, dass die Medas-Gutachter die
Hauptdiagnose einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung bei jahrelanger
psychosozialer Überforderungssituation gestellt haben.

4.2.1 Bei der anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (ICD-10 F 45.4) handelt
es sich um ein psychisches Leiden, bei welchem nach der Rechtsprechung (BGE
131 V 50 f. Erw. 1.2, 130 V 353 ff. Erw. 2 und 398 ff. Erw. 5.3 und 6) eine
natürliche Vermutung dafür besteht, dass die Schmerzverarbeitungsstörung oder
ihre Folgen mit einer zumutbaren Willensanstrengung überwindbar sind und
keine langdauernde invalidisierende Einschränkung der Arbeitsfähigkeit zur
Folge haben. Eine nur in Ausnahmefällen anzunehmende Unzumutbarkeit einer
willentlichen Schmerzüberwindung und eines Wiedereinstiegs in den
Arbeitsprozess setzt jedenfalls das Vorliegen einer mitwirkenden, psychischen
Komorbidität von erheblicher Schwere, Intensität und Dauer oder aber anderer
qualifizierter, mit gewisser Intensität und Konstanz erfüllter Kriterien
voraus (BGE 131 V 50 Erw. 1.2, 130 V 354 Erw. 2.2.3). Dasselbe gilt für die
Diagnose einer Fibromyalgie oder eines "Fibromyalgiesyndroms" (BGE 132 V 71
Erw. 4.2.2), welches die Gutachter der Medas im vorliegenden Fall im Sinne
einer Nebendiagnose als seit 1998 bestehender Vorzustand diagnostiziert
haben.

Unfallversicherungsrechtlich setzt die Bejahung eines natürlichen
Kausalzusammenhanges zwischen einer fachärztlich diagnostizierten,
anhaltenden somatoformen Schmerzstörung (oder einer Fibromyalgie) und einem
versicherten Unfall voraus, dass die Schmerzangaben des Versicherten mit
einem schlüssig feststellbaren, seinerseits unfallkausalen somatischen Befund
korrelieren und dadurch hinreichend erklärbar sind. Das für die natürliche
Unfallkausalität des für ein Schleudertrauma typischen Beschwerdebildes
unabdingbare Erfordernis, dass die geklagten Beschwerden medizinisch einer
fassbaren gesundheitlichen Beeinträchtigung zugeschrieben werden können und
diese mit überwiegender Wahrscheinlichkeit in einem ursächlichen Zusammenhang
mit dem versicherten Unfallereignis steht (vorne Erw. 3.1), gilt in gleicher
Weise für die im Zusammenhang mit einer Schmerzverarbeitungsstörung (oder
einer Fibromyalgie) geklagten Schmerzen.

4.2.2 Im vorliegenden Fall konnten die Medas-Gutachter weder die von der
Beschwerdeführerin geklagten Schmerzen am Bewegungsapparat noch ihre Nacken-,
Kopf- und Schwindelbeschwerden einem objektivierbaren rheumatologischen oder
neurologischen Befund zuordnen; auch nicht einer unfallfremden körperlichen
Gesundheitsschädigung. Hinzu kommt, dass der psychiatrische Teilgutachter der
Medas ausdrücklich festgehalten hat, es bestünden keine Anhaltspunkte für
eine organische Genese der geklagten Beschwerden. Es fehle an Hinweisen, dass
der Unfall vom 23. November 1999 das psychiatrische Beschwerdebild in
richtunggebender Weise und längerfristig beeinflusst habe. Die psychischen
Beschwerden der Versicherten entsprächen vielmehr dem Vorzustand einer
somatoformen Schmerzstörung, welche (bereits vor dem Unfall) in der
rheumatologischen Diagnose einer Fibromyalgie zum Ausdruck gekommen sei.

Diese Begründungen für die ausschlaggebende Schlussfolgerung der Gutachter,
dass im massgebenden Zeitpunkt der Leistungseinstellung (31. Mai 2004) die
Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin durch keinerlei psychische oder
physische Unfallfolgen mehr beeinträchtigt war, beruhen auf einer umfassenden
Berücksichtigung der medizinischen Vorakten - einschliesslich derjenigen für
die Zeit vor dem Unfall vom 23. November 1999 -, einer allseitigen
(polydisziplinären) Untersuchung der Versicherten und sind einleuchtend, gut
nachvollziehbar sowie schlüssig.

4.2.3 Die Beschwerdeführerin hat bereits im Verwaltungs- und kantonalen
Gerichtsverfahren darauf hingewiesen, dass die Medas-Gutachter bei der
Beantwortung der ihnen zur Unfallkausalität gestellten Fragen auch
festgehalten haben, dass das von ihr geklagte zervikozephale Schmerzsyndrom
aus neurologischer Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit "im Umfang von
20 - 25 % am aktuellen Beschwerdebild auf das Unfallereignis vom 23. November
1999 zurückzuführen" sei. Diese Feststellung steht in der Tat im Widerspruch
zu der von den Gutachtern für ihre Hauptdiagnose angeführten Begründung sowie
zu der von ihnen hinsichtlich der Unfallkausalität der Arbeitsunfähigkeit der
Beschwerdeführerin gezogenen Schlussfolgerung. Sie wurde tel quel aus dem
neurologischen Teilgutachten übernommen. Der neurologische Teilgutachter hat
nämlich eine richtunggebende Verschlimmerung der Beschwerden durch den Unfall
vom 23. November 1999 angenommen und hiefür als Begründung angeführt, die
Beschwerdeführerin habe vor dem Unfall "zumindest zeitweise ..... ihrer
Arbeit um 50 % wieder nachgehen" können. Zugleich hat er aber das Vorliegen
von "neurologischen Ausfällen im engeren Sinn" sowie einer Arbeitsunfähigkeit
"aus neurologischer Sicht" ohne jede zeitliche Präzisierung verneint. Die
Ausführungen des neurologischen Teilgutachters der Medas zur Unfallkausalität
sind damit schon in sich widersprüchlich. Zudem hat er übersehen, dass die
Beschwerdeführerin vor dem Unfall vom 23. November 1999 bereits ab dem 15.
Februar 1999 zu 100 %, ab dem 8. März 1999 zu 50 % und ab dem 30. März 1999
wegen rezidivierender Koliken bei Cholezystolithiasis, unklaren
Skelettschmerzen und psychischen Problemen erneut zu 100% arbeitsunfähig war
(Arbeitsunfähigkeits-Zwischenzeugnis des Dr. med. W.________ vom 28. Juli
1999 für die Concordia). Vom 26. August bis 23. September 1999 war sie in der
Klinik Y.________ hospitalisiert, wo eine Fibromyalgie (ICD-10 M79.01) und
eine Anpassungsstörung mit depressiver Verstimmung (reaktive Depression;
ICD-10 F43.201) diagnostiziert und ihr vollständige Arbeitsunfähigkeit noch
bis zum 26. September 1999 sowie eine 50%ige Arbeitsunfähigkeit erst ab
27. September 1999 attestiert wurde. Demgemäss hat der neurologische
Medas-Teilgutachter ausser Acht gelassen, dass die Arbeitsunfähigkeit der
Beschwerdeführerin bereits vor dem Unfall vom 23. November 1999 überwiegend
infolge von psychischen oder psychosomatischen Beschwerden (zur medizinischen
Klassifikation der Fibromyalgie vgl. BGE 132 V 68 f. Erw. 3.3) und nicht
durch den beim Unfall vom 23. November 1999 erlittenen körperlichen
Gesundheitsschaden beeinträchtigt war. Die von ihm postulierte langdauernde,
unfallkausale Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin -
richtunggebende Verschlimmerung - ist daher nicht nachvollziehbar. Da seine
medizinische These zudem im Widerspruch zu der - wie dargelegt (Erw. 4.2.2
hievor) - überzeugend begründeten, ausschlaggebenden Schlussfolgerung des
Medas-Gutachtens steht, wonach bei der Beschwerdeführerin im massgebenden
Zeitpunkt der Leistungseinstellung (31. Mai 2004) keine unfallbedingte - auch
nicht im Sinne einer Teilkausalität - Einschränkung ihrer Arbeitsfähigkeit
mehr vorlag, ist sie unbeachtlich und beweisrechtlich ohne Belang. Zum
gleichen Schluss führt der Umstand, dass auch der Neurologe Dr. med.
G.________ nach dem Unfall vom 23. November 1999 bei der Beschwerdeführerin
keinerlei neurogene Störungen finden konnte (Berichte vom 14. Februar 2001
und 4. September 2002).

4.3 Zusammenfassend haben SUVA und kantonales Gericht den Medas-Gutachtern
vom 14. April 2004 im Ergebnis zu Recht volle Beweiskraft zuerkannt und das
vollständige Dahinfallen des natürlichen Kausalzusammenhanges zwischen den
von der Beschwerdeführerin geklagten gesundheitlichen Beschwerden spätestens
im Zeitpunkt der verfügten Leistungseinstellung vom 31. Mai 2004 und dem
Unfallereignis vom 23. November 1999 bejaht. Gewichtige, zuverlässig
begründete medizinische Tatsachen oder Indizien, welche die entsprechende
hauptsächliche und ausschlaggebende Schlussfolgerung des Medas-Gutachtens
ernsthaft erschüttern könnten, liegen nicht vor. Die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher unbegründet und abzuweisen.

5.
Fehlt es an einem natürlichen Kausalzusammenhang zwischen einer
Gesundheitsstörung, der darauf zurückzuführenden Einschränkung der
Arbeitsfähigkeit und dem versicherten Unfallereignis, stellt sich die Frage,
ob auch ein adäquater Kausalzusammenhang gegeben ist, gar nicht. Auf die
diesbezüglichen Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und im
angefochtenen kantonalen Entscheid ist daher - mangels Erheblichkeit - nicht
einzugehen.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.

Luzern, 16. August 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Präsidentin der II. Kammer: Der Gerichtsschreiber: