Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 67/2006
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Prozess {T 7}
U 67/06

Urteil vom 21. Juni 2006
IV. Kammer

Präsident Ursprung, Bundesrichter Schön und Frésard; Gerichtsschreiber
Fessler

C.________, 1955, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Dr. Charles
Wick, Schwanengasse 8, 3011 Bern,

gegen

Zürich Versicherungs-Gesellschaft, Zürich Schweiz, Recht, Mythenquai 2, 8002
Zürich, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Peter Jäger, Jäger
und Schweiter Rechtsanwälte, Magnolienstrasse 3, 8008 Zürich

Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern

(Entscheid vom 1. Dezember 2005)

Sachverhalt:

A.
Die 1955 geborene C.________ verletzte sich am 3. Juni 1997 bei der Arbeit
als Hausangestellte in der Klinik X.________ in Y.________ am rechten Arm.
Die Abklärungen auf der Handchirurgischen Abteilung des Spitals Z.________
führten zur Diagnose einer traumatisierten Daumen-Sattelgelenksarthrose
rechts (Bericht vom 25. Februar 1998). Die Zürich Versicherungs-Gesellschaft
(nachfolgend: Zürich), bei welcher C.________ obligatorisch unfallversichert
war, kam für die Heilungskosten auf und richtete bis 30. Mai 2002 Taggelder
auf der Grundlage einer Arbeitsunfähigkeit von 100 % aus. Wegen Verlusts der
Akten zog die Zürich zur Beurteilung ihrer Leistungspflicht die IV-Akten bei
(interner Bericht vom 16. März 2004). Mit Verfügung vom 26. März 2004 stellte
sie fest, mangels eines natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhangs
zwischen dem Unfall vom 3. Juni 1997 und der anhaltenden Gesundheitsstörung
mit der Folge einer Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit könnten ab 1. Juli 1998
keine weiteren Leistungen mehr erbracht werden. Die über diesen Zeitpunkt
hinaus ausgerichteten Taggelder seien nicht geschuldet gewesen. Daran hielt
die Zürich mit Einspracheentscheid vom 27. Juli 2004 fest, wobei sie
festhielt, die bisher (vom 1. Juli 1998 bis 30. Mai 2002) gewährten
Leistungen würden nicht zurückgefordert.

B.
Die Beschwerde der C.________ wies die Sozialversicherungsrechtliche
Abteilung des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern mit Entscheid vom 1.
Dezember 2005 ab.

C.
C.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
die Taggeldleistungen seien ab dem 1. Juni 2002 weiterhin auszurichten.

Die Zürich lässt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen.
Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Streitig und zu prüfen ist die vorinstanzlich bestätigte Einstellung der
Taggeldleistungen aus dem Unfall vom 3. Juni 1997 zum 31. Mai 2002 durch die
Zürich. Die in der Verfügung vom 26. März 2004 als nicht geschuldet
bezeichneten Leistungen seit 1. Juli 1998 werden laut Einspracheentscheid vom
27. Juli 2004 nicht zurückgefordert.

2.
Das kantonale Gericht hat erwogen, es sei von einer Leistungseinstellung mit
Wirkung ex nunc et pro futuro ab 1. Juni 2002 auszugehen. Es seien lediglich
bis Ende (recte: 30.) Mai 2002 Taggelder ausgerichtet worden. Die seit
1. Juli 1998 erbrachten Leistungen würden laut Einspracheentscheid vom 27.
Juli 2004 nicht zurückgefordert. Nach der Rechtsprechung (BGE 130 V 380) sei
daher ohne Bezugnahme auf die Rückkommenstitel der Wiedererwägung oder der
prozessualen Revision zu prüfen, ob die Einstellung der Taggeldleistungen zum
30. Mai 2002 in korrekter Weise erfolgt sei. Abgesehen davon seien auf Grund
der klaren ärztlichen Berichte der Handchirurgischen Abteilung sowie der
Rheumatologischen Klinik und Poliklinik des Spitals Z.________ vom 28. Mai
und 18. Juni 1998 die Wiedererwägungsvoraussetzungen ohne weiteres erfüllt.
Daraus und aus dem im IV-Verfahren erstellten MEDAS-Gutachten vom 25. Februar
2002 mit handchirurgischem Teilgutachten vom 18. Dezember 2001 ergebe sich,
dass die Ursache für die Chronifizierung und Ausweitung der
Daumengelenksbeschwerden im psychischen Bereich läge. Das Fehlen des
natürlichen Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall vom 3. Juni 1997 und den
am 1. Juni (recte: 31. Mai) 2002 noch bestehenden Beschwerden sei demnach
klar erstellt. Ebenso müsse in Bezug auf die vorwiegend psychischen Probleme
die Adäquanz klar verneint werden, was im Übrigen auch nicht bestritten sei.
Der damalige Sturz beim Fensterreinigen falle für die Entstehung der
psychisch bedingten Erwerbsunfähigkeit nicht ernsthaft ins Gewicht.

3.
Gegen die vorinstanzliche Argumentation werden in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde verschiedene Einwendungen erhoben:
3.1 Gegenstand des Verfahrens bildet eine Leistungseinstellung. Daran ändert
nichts, dass die entsprechende Verfügung vom 26. März 2004 erst beinahe zwei
Jahre nach dem 30. Mai 2002 erging, für welchen letztmals ein Taggeld
ausgerichtet wurde. Inwiefern dem Unfallversicherer aus dieser Verzögerung
ein Vorteil erwachsen könnte, ist nicht ersichtlich. Ebenfalls ist
unerheblich, dass während beinahe fünf Jahren Leistungen ausgerichtet worden
waren. Eine vertrauensschutzrechtlich bedeutsame nachteilige Disposition oder
Unterlassung (BGE 121 V 66 f. Erw. 2a und b) wird jedenfalls nicht geltend
gemacht. Die Berufung auf Art. 124 UVV ist unbehelflich. Nach der
Rechtsprechung beurteilt sich somit die Rechtmässigkeit der streitigen
Leistungseinstellung grundsätzlich frei und nicht etwa unter
wiedererwägungsrechtlichem Blickwinkel oder nach prozessual
revisionsrechtlichen Grundsätzen (BGE 127 V 469 Erw. 2c mit Hinweisen; BGE
130 V 380). Daran ändert der Hinweis auf BGE 122 V 367, insbesondere S. 369
Erw. 3 (Notwendigkeit eines Rückkommenstitels bei faktischem
Verwaltungshandeln), nichts. In diesem Urteil ging es um die Rückforderung
von Leistungen (der Arbeitslosenversicherung).

3.2 Im Weitern wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde insoweit richtig
ausgeführt, dass der Unfallversicherer die Beweislast dafür trägt, ob
spätestens im Zeitpunkt der Einstellung der Taggeldleistungen die
(ursprünglich) unfallbedingten Ursachen des Gesundheitsschadens ihre kausale
Bedeutung für die geklagten Beschwerden verloren haben (Urteil S. vom 8. Mai
2006 [U 400/05] Erw. 2 mit Hinweisen; RKUV 2000 Nr. U 363 [U 355/98] S. 46
Erw. 2). Das kantonale Gericht hat diesen Beweis in Bezug auf somatische
Unfallfolgen als erbracht erachtet, was sich nicht beanstanden lässt. Dass
«die Beschwerden der rechten Hand durch die dokumentierten Veränderungen
erklärt (...) und nicht etwa psychisch bedingt» sind, wie vorgebracht wird,
ändert nichts an dieser Beurteilung. Insbesondere kann aufgrund der
medizinischen Unterlagen eine richtunggebende Verschlimmerung der gemäss
MEDAS-Gutachten vom 25. Februar 2002 höchstwahrscheinlich vorbestandenen
Rhiz-Arthrose rechts als Folge des Unfalles vom 3. Juni 1997 mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden. Im Befundbericht des
medizinisch-radiologischen Zentrums der Klinik S.________ vom 23. Dezember
1997 wurden entzündliche oder posttraumatische Veränderungen der rechten Hand
verneint. Sodann ist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin zwischen
den Berichten der Rheumatologischen Klinik und Poliklinik sowie der
Handchirurgischen Abteilung des Spitals Z.________ vom 18. Juni 1998 und 28.
Mai 1998 kein Widerspruch zu erkennen. Vielmehr dokumentieren diese
Unterlagen ein durch die klinischen und radiologischen Befunde nicht
erklärbares Schmerzverhalten. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass
der Beweis des Wegfalls des natürlichen Kausalzusammenhangs nicht durch den
Nachweis unfallfremder Ursachen erbracht werden muss. Ebenso wenig hat der
Unfallversicherer den negativen Beweis zu erbringen, dass kein
Gesundheitsschaden mehr vorliegt oder die versicherte Person nun bei voller
Gesundheit ist. Entscheidend ist allein, ob die unfallbedingten Ursachen des
Gesundheitsschadens ihre kausale Bedeutung verloren haben, also dahin
gefallen sind (Urteil S. vom 28. Januar 2005 [U 249/04] Erw. 3.2.2 mit
Hinweisen). Im Übrigen wird zu Recht nicht geltend gemacht, die Vorinstanz
hätte bei der Beurteilung des natürlichen Kausalzusammenhangs nicht auch auf
die IV-Akten abstellen dürfen.

3.3 Schliesslich trifft zwar zu, dass gemäss Rechtsprechung erst nach
Abschluss des normalen, unfallbedingt erforderlichen Heilungsprozesses zu
prüfen ist, ob der Unfall eine adäquate Ursache für die geklagten Beschwerden
ist (BGE 130 V 384 Erw. 2.3.1 und Urteil S. vom 16. Juni 2004 [U 133/03]
Erw. 2.3 mit Hinweisen). Weshalb die Adäquanzbeurteilung «aber auch nicht
später, schon gar nicht erst Jahre später» vorgenommen werden darf, ist nicht
einzusehen und wird auch nicht näher begründet. Anderseits ist unbestritten
und auf Grund der medizinischen Akten mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
davon auszugehen, dass spätestens am 30. Mai 2002 der normale, unfallbedingt
erforderliche Heilungsprozess beendet war und die Zürich die Adäquanzfrage
prüfen durfte. Dass der Unfall vom 3. Juni 1997 keine adäquate Ursache der
Ende Mai 2002 bestandenen psychischen Beschwerden ist, steht ausser Frage. Es
kann insoweit auf die diesbezüglichen Erwägungen des kantonalen Gerichts
verwiesen werden.

Der angefochtenen Entscheid ist somit rechtens.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.

Luzern, 21. Juni 2006
Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: