Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 606/2006
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U 606/06

Urteil vom 23. Oktober 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Lanz.

S. ________, 1957, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Bernhard
Zgraggen, Pilatusstrasse 58, 6003 Luzern,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1,
6004 Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Zug vom 2. November 2006.

Sachverhalt:

A.
Die 1957 geborene S.________ war ab August 1998 zunächst als Kontrolleurin
und später als Montageangestellte/Operateurin in der Firma X.________ AG
tätig und dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
obligatorisch gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen
versichert. Am 24. August 2002 befand sie sich auf dem Rückweg aus den
Ferien, als in Italien der von ihr gelenkte, in einem Tunnel vor einem
Rotlicht nach einer Kolonne weiterer Fahrzeuge angehaltene Ford Sierra durch
einen Renault Mégane von hinten gerammt wurde. S.________ wurde mit der
Ambulanz in ein Spital überführt, wo eine HWS-Distorsion diagnostiziert
wurde. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung;
Taggeld). Mit Verfügung vom 28. Februar 2005 stellte der Versicherer die
Leistungen mit der Begründung, die noch geklagten Beschwerden stünden nicht
in einem adäquaten Kausalzusammenhang zum Unfall vom 24. August 2002, auf den
31. März 2005 ein. Die vom obligatorischen Krankenpflegeversicherer von
S.________ vorsorglich erhobene Einsprache wurde wieder zurückgezogen. Die
Einsprache der Versicherten wies die SUVA ab (Einspracheentscheid vom 21.
Juni 2005).

B.
Die hiegegen von S.________ eingereichte Beschwerde wies das
Verwaltungsgericht des Kantons Zug mit Entscheid vom 2. November 2006 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde vom 18. Dezember 2006 lässt S.________,
noch ohne Begründung, die Aufhebung des kantonalen Entscheids beantragen.

Das Verwaltungsgericht des Kantons Zug schliesst auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Am 31. Dezember 2006 reicht S.________ eine begründete
Verwaltungsgerichtsbeschwerde ein mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung des
kantonalen Entscheids sei die SUVA zu verpflichten, die ihr aus dem
Unfallereignis vom 24. August 2002 zustehenden Versicherungsleistungen
auszurichten.

Die SUVA beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, ohne sich
weiter zur Sache zu äussern. Von der Vorinstanz wurde keine weitere
Vernehmlassung eingeholt. Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf die
Einreichung einer solchen.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Der
angefochtene Entscheid ist indessen vorher ergangen, weshalb sich das
Verfahren noch nach dem Bundesgesetz über die Organisation der
Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) richtet (Art. 132 Abs. 1 BGG;
BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Die zweite, begründete Beschwerdeschrift ist noch innerhalb der gesetzlichen
Rechtsmittelfrist (Art. 106 Abs. 1 OG; Fristenstillstand gemäss Art. 34 Abs.
1 lit. c OG) eingereicht worden und daher zu berücksichtigen.

3.
Streitig und zu prüfen ist der Anspruch auf Leistungen der obligatorischen
Unfallversicherung aus dem Unfall vom 24. August 2002 über den 31. März 2005
hinaus.

Die Rechtsgrundlagen für die Beurteilung sind im angefochtenen Entscheid
zutreffend dargelegt. Es betrifft dies zunächst den für die Leistungspflicht
des Unfallversicherers nebst anderem vorausgesetzten natürlichen
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem eingetretenen Schaden (vgl.
BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen) mit den sich dabei stellenden
Beweisfragen. Ebenfalls nicht zu beanstanden sind die Erwägungen über den
überdies erforderlichen adäquaten Kausalzusammenhang im Allgemeinen (vgl. BGE
129 V 177 E. 3.2 S. 181 mit Hinweis) sowie bei psychischen Fehlentwicklungen
nach Unfall (BGE 115 V 133), bei Schleudertraumen der Halswirbelsäule (HWS)
ohne organisch (hinreichend) nachweisbare Folgeschäden (BGE 117 V 359), bei
dem Schleudertrauma äquivalenten Verletzungen (SVR 1995 UV Nr. 23 S. 67 E. 2)
und bei Schädel-Hirntraumen (BGE 117 V 369) im Besonderen. Richtig ist sodann
auch, dass in Fällen, in welchen die zum typischen Beschwerdebild eines
Schleudertraumas der HWS gehörenden Beeinträchtigungen zwar teilweise gegeben
sind, im Vergleich zu einer ausgeprägten psychischen Problematik aber ganz in
den Hintergrund treten, die Adäquanzbeurteilung unter dem Gesichtspunkt einer
psychischen Fehlentwicklung nach Unfall vorzunehmen ist (BGE 127 V 102 E.
5b/bb S. 103, 123 V 98 E. 2a S. 99; vgl. auch RKUV 2002 Nr. U 465 S. 437, U
164/01). An diesen Grundsätzen hat sich mit dem Inkrafttreten des
Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
am 1. Januar 2003 nichts geändert.

4.
Das kantonale Gericht hat die Frage nach einem natürlichen Kausalzusammenhang
zwischen den noch geklagten Beschwerden und dem Unfall vom 24. August 2002
nicht abschliessend beantwortet. Dies ist nicht zu beanstanden, wenn die
streitige Leistungspflicht ohnehin mangels Adäquanz zu verneinen ist (SVR
1995 UV Nr. 23 S. 67 E. 3c), zu welchem Ergebnis die Vorinstanz im Weiteren
gelangt ist.

5.
Hiebei ist zunächst festzustellen, dass nach Lage der medizinischen Akten
kein unfallbedingtes organisches Substrat gefunden werden konnte, welches die
weiterhin geklagten Beschwerden zu erklären vermöchte. Dies wird in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde auch nicht in Frage gestellt.

Vorgebracht wird hingegen in grundsätzlicher Hinsicht, bei organisch nicht
(hinreichend) nachweisbaren Beschwerden nach Unfall sei der adäquate
Kausalzusammenhang ohne nähere Prüfung mit dem natürlichen Kausalzusammenhang
zu bejahen. Das Eidgenössische Versicherungsgericht (seit 1. Januar 2007:
Bundesgericht) hat indessen in steter Rechtsprechung, von der abzuweichen
kein Anlass besteht, erkannt, dass bei organisch nicht (hinreichend)
erklärbaren Beschwerden eine gesonderte Adäquanzprüfung stattzufinden hat
(statt vieler: BGE 123 V 98 E. 3b S. 102 f. mit Hinweisen).

6.
6.1 Umstritten ist sodann, ob die Adäquanz gemäss den bei psychischen
Fehlentwicklungen nach Unfall geltenden Grundsätzen oder aber nach der
Schleudertrauma-Praxis zu beurteilen ist. Dies ist von Belang, weil nach der
letztgenannten Praxis, anders als im Falle einer psychischen Fehlentwicklung
nach Unfall, bei der Prüfung der abhängig von der Unfallschwere in die
Adäquanzbeurteilung einzubeziehenden unfallbezogenen Kriterien auf eine
Differenzierung zwischen physischen und psychischen Komponenten verzichtet
wird, weil es hier nicht entscheidend ist, ob Beschwerden eher als
organischer und/oder psychischer Natur beurteilt werden (BGE 117 V 359 E. 6a
S. 367 und 369 E. 4b S. 382 f.).
6.2 Die Vorinstanz ist mit guten Gründen zum Ergebnis gelangt, dass die
Symptomatik schon bald nach dem Unfall vom 24. August 2002 in erheblicher
Weise psychisch überlagert war und deswegen die sog. Psycho-Praxis anzuwenden
ist. Hervorzuheben ist zunächst, dass bereits im Bericht des Dr. med.
A.________, Neurologe FMH, vom 11. September 2002 ausgeführt wurde, es liege
eine eindeutige psychische Überlagerung vor. Diese Aussage erscheint entgegen
der in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vertretenen Auffassung verlässlich.
Sodann wurden anlässlich des am 27. November 2002 angetretenen Aufenthalts in
der Rehaklinik Y.________ schon beim ersten Gespräch mit den
berichterstattenden Psychosomatikern vom 4. Dezember 2002 nebst Symptomen
einer depressiven Episode ängstliche und depressive Anteile im Sinne einer
spezifischen psychotraumatischen Symptomatik festgestellt (Psychosomatisches
Konsilium vom 4./5. Dezember 2002). Diese Diagnosen fanden dann auch im
Austrittsbericht der Klinik vom 23. Januar 2003 ihren Niederschlag, wo
überdies ausdrücklich festgehalten wurde, die psychosomatische Situation
stehe ganz im Vordergrund, weshalb sich eine Fokussierung auf die
psychosomatische bzw. psychiatrische Weiterbehandlung der Patientin empfehle.
Vor diesem Hintergrund ist der Beschwerdeführerin nicht zu folgen, wenn sie
geltend machen lässt, die psychische Problematik habe sich erst deutlich nach
dem Unfall manifestiert. Es kann im Übrigen, ohne dass die einzelnen
Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde noch einzeln aufzuführen
wären, auf die einlässliche Darstellung und Würdigung der medizinischen Akten
im angefochtenen Entscheid verwiesen werden.

6.3 Damit kann offen bleiben, ob die weiterhin geklagten Beschwerden nicht
auch mit einer psychischen Erkrankung im Sinne einer von der Symptomatik
einer HWS-Distorsionsverletzung zu trennenden selbstständigen sekundären
Gesundheitsschädigung erklärt werden könnten, was ebenfalls die Anwendung der
Psycho-Praxis zur Folge hätte (vgl. SVR 2007 UV Nr. 8 S. 27, U 277/04).

7.
7.1 Für die Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs ist an das (objektiv
erfassbare) Unfallereignis anzuknüpfen (BGE 115 V 133 E. 6 Ingress S. 139).
SUVA und Vorinstanz haben den Unfall vom 24. August 2002 als mittelschwer
qualifiziert, was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu Recht nicht in
Frage gestellt wird.

7.2 Von den weiteren, objektiv fassbaren und unmittelbar mit dem Unfall in
Zusammenhang stehenden oder als Folge davon erscheinenden Umständen, welche
als massgebende Kriterien in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind (BGE 115
V 133 E. 6c/aa S. 140), müssten demnach für eine Bejahung des adäquaten
Kausalzusammenhanges entweder ein einzelnes in besonders ausgeprägter Weise
oder aber mehrere in gehäufter oder auffallender Weise gegeben sein (BGE
115 V 133 E. 6c/bb S. 140).

Dies trifft, wie die Vorinstanz zutreffend erkannt hat, nicht zu. Die
erlittenen Verletzungen sind weder als schwer zu betrachten noch von
besonderer Art. Die - hier einzig zu beachtenden - unfallkausalen
körperlichen Gesundheitsschäden haben weder zu ungewöhnlich lange dauernder
ärztlicher Behandlung geführt noch Dauerschmerzen verursacht. Anzeichen für
eine ärztliche Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich
verschlimmerte, bestehen nicht. Der somatische Heilungsverlauf war nicht
schwierig oder mit erheblichen Komplikationen verbunden. Eine länger dauernde
physisch bedingte Arbeitsunfähigkeit lag nicht vor. Selbst wenn sodann und
entgegen der Auffassung von Vorinstanz und Unfallversicherer das Kriterium
der besonderen Eindrücklichkeit des Unfalls bejaht würde, wäre dieses
jedenfalls nicht in besonders ausgeprägter Form erfüllt und lägen die
Adäquanzkriterien auch nicht in gehäufter oder auffallender Weise vor.

8.
Unfallversicherer und Vorinstanz haben demnach zu Recht einen adäquaten
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 24. August 2002 und den noch
geklagten Beschwerden und damit einen weiteren Leistungsanspruch der
Versicherten verneint. Hieran ändert nichts, dass die IV-Stelle Zug der
Beschwerdeführerin zwischenzeitlich mit Wirkung ab 1. August 2003 eine ganze
IV-Rente zugesprochen hat. Für die Invalidenversicherung als finale
Versicherung ist nicht entscheidend, worauf eine invalidisierende
Gesundheitsschädigung zurückzuführen ist (vgl. BGE 124 V 174 E. 3b S. 178 mit
Hinweisen). Aus der Zusprechung der IV-Rente lässt sich daher nicht der
Schluss ziehen, dass die - einen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang
zu einem versicherten Unfall erfordernde - Leistungspflicht des
Unfallversicherers ebenfalls gegeben ist.

erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Zug und
dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 23. Oktober 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

i.V. Leuzinger Lanz