Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 600/2006
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U 600/06

Urteil vom 22. November 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Polla.

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1,
6004 Luzern, Beschwerdeführerin,

gegen

Z.________, 1971, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Patrick
Schönbächler, Hauptplatz 7 (Haus Kreuz), 6431 Schwyz.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Schwyz vom 19. Oktober 2006.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 20. Januar 2006 verneinte die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) den Anspruch des seit Dezember 2004 bei der
Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug angemeldeten Z.________ (geboren
1971) auf Leistungen der Unfallversicherung im Anschluss an einen am 7.
Januar 2006 erlittenen Unfall mangels Versicherungsdeckung im Zeitpunkt des
Eintritts des Risikofalls. Dies bestätigte sie mit Einspracheentscheid vom 3.
April 2006.

B.
In Gutheissung der hiegegen erhobenen Beschwerde hob das Verwaltungsgericht
des Kantons Schwyz den Einspracheentscheid vom 3. April 2006 auf und wies die
Sache unter Bejahung des Vertrauensschutzes zur Abklärung der weiteren
Anspruchsvoraussetzungen an die SUVA zurück (Entscheid vom 19. Oktober 2006).

C.
Die SUVA führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, der
vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben; eventualiter sei der Entscheid des
Verwaltungsgerichts vom 19. Oktober 2006 aufzuheben und die Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Während das kantonale Gericht und Z.________ auf Abweisung der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen (lassen), hat das Bundesamt für
Gesundheit (BAG) auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über das Ende der
obligatorischen Unfallversicherung einer arbeitslosen Person (Art. 3 Abs. 2
der Verordnung über die Unfallversicherung von arbeitslosen Personen, UVAL)
sowie deren Recht, die Versicherung durch besondere, vor dem Ende der
obligatorischen Versicherung zu treffende Abrede um bis zu 180 Tage zu
verlängern (Art. 3 Abs. 3 UVG und Art. 8 UVV in Verbindung mit Art. 1 UVAL;
RKUV 2000 Nr. U 387 S. 273 E. 2, U 340/99), zutreffend dargelegt. Richtig ist
auch, dass die Organe der Arbeitslosenversicherung verpflichtet sind, die
versicherte Person über die Möglichkeit des Abschlusses einer derartigen
Abredeversicherung zu orientieren (RKUV 2000 Nr. U 387 S. 275 E. 3c, U 340/99
in Verbindung mit BGE 121 V 28 E. 2a und b S. 32 ff), dass der Versicherer
für eine Verletzung dieser Informationspflicht einzustehen hat und
grundsätzlich leistungspflichtig wird, sofern die weiteren Voraussetzungen
einer Berufung auf den öffentlichrechtlichen Vertrauensschutz erfüllt sind
(vgl. BGE 121 V 28 E 2c S. 34 mit Hinweisen), sowie dass der Versicherer in
dem Sinne beweisbelastet ist, als es an ihm liegt, die Erfüllung der
Informationspflicht mit dem Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit
nachzuweisen (BGE 121 V 28 E. 2b S. 33 f. mit Hinweisen). Ebenfalls korrekt
ist sodann der Hinweis, dass der Anspruch auf Arbeitslosenversicherung unter
anderem Vermittlungsfähigkeit voraussetzt (Art. 8 Abs. 1 lit. f und Art. 15
Abs. 1 AVIG). Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Streitig und zu prüfen ist die Leistungspflicht der Beschwerdeführerin für
die Folgen des Unfalls vom 7. Januar 2006. Die Parteien sind sich darüber
einig, dass der Versicherte - aufgrund der mit Verfügung vom 4. August 2005
ab 29. Juli 2005 verneinten Vermittlungsfähigkeit - letztmals am 28. Juli
2005 alle Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 8 AVIG erfüllte, sodass mit dem
Ablauf der 30-tägigen Nachdeckungsfrist der obligatorischen
Unfallversicherung für arbeitslose Personen gemäss Art. 3 Abs. 2 UVAL am 27.
August 2005 jedenfalls auch eine allfällige Leistungspflicht der SUVA für
Nichtberufsunfälle (Art. 2 in Verbindung mit Art. 6 UVAL) wegfiel. Ebenfalls
unbestritten ist, dass es der Beschwerdegegner unterlassen hat, die
Versicherung durch besondere, vor dem Ende der obligatorischen Versicherung
zu treffenden Abrede um bis zu 180 Tage zu verlängern. Streitpunkt bildet
einzig die Frage, ob der Beschwerdegegner hinreichend auf das Ende des
Versicherungsschutzes und die Möglichkeit einer Abredeversicherung
hingewiesen worden ist.

3.2 Verletzen die Organe der Arbeitslosenversicherung ihre Pflicht, eine
versicherte Person über die Möglichkeit einer Verlängerung des
Unfallversicherungsschutzes durch Abschluss einer Abredeversicherung zu
orientieren, hat dies unter bestimmten Voraussetzungen eine Leistungspflicht
der SUVA zur Folge (RKUV 2003 Nr. U 477 S. 111, U 160/02 mit Hinweisen). Mit
Art. 27 ATSG besteht nunmehr eine umfassende Aufklärungs- und
Beratungspflicht der Durchführungsorgane in ihrem Zuständigkeitsbereich. Auf
konkrete Fragen hin ist der versicherten Person eine problembezogene,
detaillierte Antwort zu geben (BGE 131 V 472; Ulrich Meyer, Grundlagen,
Begriff und Grenzen der Beratungspflicht der Sozialversicherungsträger nach
Art. 27 Abs. 2 ATSG, in: Sozialversicherungsrechtstagung 2006, St. Gallen
2006, S. 9 ff., S. 27 f. mit Hinweisen auf die seither ergangene
Rechtsprechung; Urteil C 119/06 vom 24. April 2007, E. 6). Entgegen der
vorinstanzlichen und beschwerdegegnerischen Ansicht ist die Behörde mit der
Thematisierung der Unfall- und Krankenversicherung während der
Arbeitslosigkeit im Rahmen des Erstgesprächs mit der RAV-Personalberatung
(vgl. Schreiben des RAV vom 30. November 2006) sowie mit der am 16. Dezember
2004 unterschriftlich bestätigten Abgabe entsprechender
Informationsbroschüren ihrer Aufklärungs- und Beratungspflicht gemäss Art. 27
ATSG genügend nachgekommen (vgl. Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung,
in: Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht, Soziale Sicherheit, 2. Auflage,
Basel 2007, Rz. 324 f.). Auch wenn das Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit
(KIGA) des Kantons Schwyz in seiner Verfügung vom 4. August 2005 hinsichtlich
der Unfallversicherung nicht nochmals ausdrücklich auf die Rechtslage bei
fehlender Erfüllung der Anspruchsvoraussetzungen nach Art. 8 AVIG hinwies,
geht aus der (unbestrittenermassen erhaltenen), von der SUVA zum Thema
Arbeitslosigkeit und Unfallversicherung herausgegebenen Broschüre "
Arbeitslos und Unfall. Informationen von A bis Z." (in der ab 1. Juli 2003
gültig gewesenen Fassung) deutlich hervor, dass die Versicherung mit dem 30.
Tag nach dem Tag an dem der Versicherte letztmals Anspruch auf
Arbeitslosenentschädigung hatte, endete. Sie enthält auf S. 4 ausdrücklich
den Hinweis, dass für den Unfallversicherungsschutz sämtliche
Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosenentschädigung erfüllt
sein müssen. Dabei versteht sich, dass der Versicherte mit Verneinung der
Vermittlungsfähigkeit auch den Taggeldanspruch verlor. Die Broschüre
thematisiert sodann die Möglichkeit einer Verlängerung des
Versicherungsschutzes über die 30-tägige Nachdeckungsfrist (gemäss Art. 3
Abs. 2 UVAL) hinaus durch Einzelabrede mit der SUVA.

Es ergibt sich weder aus den Akten noch wird geltend gemacht, dass der
Beschwerdegeger mit einer konkreten diesbezüglichen Frage an die RAV-Beratung
oder die Arbeitslosenkasse gelangt ist, welche nicht oder unrichtig
beantwortet worden wäre. Unter den gegebenen Umständen liegt demnach keine
ungenügende oder unterbliebene Aufklärung und Beratung der Organe der
Arbeitslosenversicherung vor. Im Übrigen ist fraglich, ob der Versicherte
aller Wahrscheinlichkeit nach auch bei nochmaligem Hinweis auf den Verlust
der Versicherungsdeckung von einer Verlängerung des Nichtberufsunfallschutzes
Gebrauch gemacht hätte. Denn ausgehend davon, dass der Versicherte
arbeitgeberseitig mit der Kündigung seiner vom 8. August bis 8. September
2005 bei der Firma X.________ AG dauernden Tätigkeit ebenfalls auf das Ende
des durch dieses Arbeitsverhältnis (bei der SUVA) begründeten
Unfallversicherungsschutzes hingewiesen worden war, schloss der
Beschwerdegegner auch im Anschluss an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses
keine Abredeversicherung ab. Damit dringt die SUVA mit ihrer Beschwerde
durch.

3.3 Bei diesem Verfahrensausgang ist auf die beschwerdeweise vorgebrachte
Rüge, die vorinstanzliche Auseinandersetzung mit der bis dahin von keiner
Seite aufgeworfenen Problematik der Abredeversicherung stelle eine Ausdehnung
des Streitgegenstandes dar, welche einer vorgängigen Anhörung der Parteien
bedurft hätte, weshalb der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 1 BV)
verletzt worden sei, nicht näher einzugehen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Schwyz vom 19. Oktober 2006 aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 22. November 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Polla