Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 579/2006
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U 579/06

Urteil vom 14. November 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiber Lanz.

S. ________, 1955,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dominique Chopard,
Werdstrasse 36, 8004 Zürich,

gegen

«Zürich» Versicherungs-Gesellschaft, Rechtsdienst, Generaldirektion Schweiz,
8085 Zürich, Beschwerdegegnerin,

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich
vom 28. Oktober 2006.

Sachverhalt:

A.
Die 1955 geborene S.________ war ab Juni 2002 als Raumpflegerin in der Firma
X.________ AG tätig und dadurch bei der «Zürich» Versicherungs-Gesellschaft
(nachfolgend: «Zürich») obligatorisch gegen Unfallfolgen versichert. Am 28.
November 2002 wurde sie als Fussgängerin von einem Personenwagen, der
rückwärts aus einer Garage fuhr, angefahren. Im gleichentags zur ambulanten
Behandlung der erlittenen Verletzungen aufgesuchten Spital Y.________ wurden
Kontusionen an beiden Knien ohne ossäre Läsionen diagnostiziert und
elastische Binden sowie Schmerzmittel verordnet. Bei einer am 10. Januar 2003
durchgeführten MRI-Untersuchung wurden überdies linksseitig eine nicht
dislozierte Fraktur des Fibulaköpfchens und ein Zustand nach Zerrung des
medialen Seitenbandes festgestellt. Es entwickelte sich zudem eine
ausgeprägte psychische Problematik. Nachdem anfänglich die Zuständigkeit
eines anderen UVG-Versicherers zur Diskussion gestanden hatte, anerkannte die
«Zürich» ihre Leistungspflicht für die Unfallfolgen. Sie übernahm die
Heilbehandlung und richtete ein Taggeld aus. Mit Verfügung vom 5. Juli 2004
eröffnete sie der Versicherten die Einstellung der Leistungen auf Ende
Dezember 2003. Zur Begründung wurde ausgeführt, die noch geklagten
Beschwerden seien nicht adäquat unfallkausal. Daran hielt die «Zürich» auf
Einsprache der Versicherten hin fest (Einspracheentscheid vom 9. Juni 2005).

B.
S.________ erhob hiegegen Beschwerde. Das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich zog die Akten der Invalidenversicherung, bei der sich
S.________ im Dezember 2003 zum Leistungsbezug angemeldet hatte, bei. Mit
Entscheid vom 28. Oktober 2006 hiess es die Beschwerde in dem Sinne teilweise
gut, dass es die Leistungspflicht der «Zürich» «für die Auswirkungen des auch
nach Ende Dezember 2003 noch vorhandenen Restbefundes in den beiden Knien»
bejahte und die Sache an den Unfallversicherer zurückwies, damit dieser die
geschuldeten Leistungen festlege. Im Übrigen wurde die Beschwerde abgewiesen.
Es betrifft dies die Frage einer Leistungsberechtigung aufgrund der
psychischen Problematik und des zudem bestehenden Rückenleidens.

C.
S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren,
es sei der kantonale Entscheid, soweit auf Verneinung eines
Leistungsanspruchs für die bestehende psychische Problematik lautend,
aufzuheben und die «Zürich» zu verpflichten, hiefür Leistungen auszurichten.

Die «Zürich» schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Der
Krankenversicherer von S.________ und das Bundesamt für Gesundheit verzichtet
je auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Der
angefochtene Entscheid ist indessen vorher ergangen, weshalb sich das
Verfahren noch nach dem Bundesgesetz über die Organisation der
Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) richtet (Art. 132 Abs. 1 BGG;
BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Die Rückweisung der Sache an den Unfallversicherer im Zusammenhang mit den
Kniebeschwerden sowie die Verneinung eines Leistungsanspruchs aufgrund der
Rückenprobleme sind letztinstanzlich nicht umstritten und geben aufgrund der
Akten zu keinen weiteren Bemerkungen Anlass. Streitig und zu prüfen ist die
Frage der Leistungspflicht der «Zürich» aus dem Unfall vom 28. November 2002
für die bestehende psychisch bedingte Beeinträchtigung.

Das kantonale Gericht hat die hiefür massgeblichen Rechtsgrundlagen
zutreffend dargelegt. Es betrifft dies namentlich den für einen
Leistungsanspruch aus der obligatorischen Unfallversicherung vorausgesetzten
natürlichen Kausalzusammenhang (zwischen dem Unfall und dem eingetretenen
Schaden (vgl. BGE 129 V 177 E. 3.1 S. 181 mit Hinweisen; zum Genügen einer
Teilursächlichkeit: BGE 123 V 43 E. 2b S. 45 mit Hinweis, 121 V 326 E. 2 S.
329 mit Hinweisen) sowie den darüber hinaus erforderlichen adäquaten
Kausalzusammenhang im Allgemeinen (vgl. BGE 129 V 177 E. 3.2 S. 181 mit
Hinweis) und bei einer psychischen Fehlentwicklung nach Unfall, wie sie hier
zur Diskussion steht, im Besonderen (BGE 115 V 133).

3.
3.1 Es steht unbestritten fest, dass die psychische Problematik natürlich
(teil-)kausal auf den Unfall vom 28. November 2002 zurückzuführen ist. Das
kantonale Gericht hat sodann im Rahmen der Prüfung des adäquaten
Kausalzusammenhangs erwogen, dass das Ereignis vom 28. November 2002 aufgrund
des augenfälligen Geschehensablaufs entgegen dem Einspracheentscheid vom 9.
Juni 2005 nicht den leichten, sondern den mittelschweren Unfällen zuzuordnen
ist. Dies ist letztinstanzlich nicht umstritten.

Von den weiteren, objektiv fassbaren und unmittelbar mit dem Unfall in
Zusammenhang stehenden oder als Folge davon erscheinenden Umständen, welche
als massgebende Kriterien in die Gesamtwürdigung einzubeziehen sind (BGE 115
V 133 E. 6c/aa S. 140), müssten demnach für eine Bejahung des adäquaten
Kausalzusammenhanges entweder ein einzelnes in besonders ausgeprägter Weise
oder aber mehrere in gehäufter oder auffallender Weise gegeben sein (BGE
115 V 133 E. 6c/bb S. 140). Zu betonen ist, dass die Beurteilung dieser
Kriterien, anders als nach der sog. Schleudertrauma-Praxis (BGE 117 V 359 und
seitherige Entscheide), unter Ausschluss psychischer Komponenten erfolgt (BGE
115 V 133 E. 6c/aa S. 140; vgl. auch BGE 117 V 359 E. 6a in fine S. 367 und
369 E. 4b S. 382 f.).
3.2 Die Vorinstanz ist zum Ergebnis gelangt, es seien einzig und nicht in
besonders ausgeprägter Weise die beiden Kriterien der körperlichen
Dauerschmerzen sowie des Grades und der Dauer der physisch bedingten
Arbeitsunfähigkeit erfüllt.

3.2.1 Die Beschwerdeführerin lässt zunächst einwenden, die Adäquanzprüfung
sei zu früh erfolgt. Dieses Vorbringen ist unbegründet, waren doch spätestens
im Zeitpunkt des Erlasses des Einspracheentscheides vom 9. Juni 2005
sämtliche Adäquanzkriterien zuverlässig beurteilbar.

3.2.2 Weiter wird für den Fall, dass dem ersten Einwand nicht gefolgt werden
sollte, geltend gemacht, der adäquate Kausalzusammenhang sei in Anwendung von
BGE 115 V 133 zu bejahen. Denn über die von der Vorinstanz anerkannten
Kriterien hinaus seien auch diejenigen der besonderen Eindrücklichkeit des
Unfalls, der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung und der
ärztlichen Fehlbehandlung erfüllt.

Gemäss den medizinischen Akten war die Heilbehandlung indessen schon bald
nach dem Unfall in erster Linie auf unfallfremde Rückenbeschwerden und auf
die psychische Problematik gerichtet, wobei Physiotherapie und Medikamente
eingesetzt wurden. Eine länger dauernde regelmässige und zielgerichtete
ärztliche Behandlung der bei der Prüfung der Adäquanzkriterien einzig zu
berücksichtigenden unfallkausalen Beinverletzungen ist nicht ausgewiesen. Das
Kriterium der ungewöhnlich langen Dauer der ärztlichen Behandlung ist daher
mit der Vorinstanz zu verneinen. Hieran würde entgegen der von der
Versicherten vertretenen Auffassung nichts ändern, wenn sich im Rahmen der
vom kantonalen Gericht angeordneten Rückweisung der Sache an den
Unfallversicherer ein erneuter Behandlungsbedarf bezüglich der
Beinverletzungen ergeben sollte.

Entgegen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde genügt sodann der Umstand, dass
die Fraktur des Fibulaköpfchens und die Zerrung des Seitenbandes erst nach
der medizinischen Erstversorgung im Spital Y.________ diagnostiziert wurden,
nicht, um das Kriterium der ärztlichen Fehlbehandlung als erfüllt zu
betrachten, zumal mit der Vorinstanz auch keine Anhaltspunkte dafür gesehen
werden können, dass sich die Unfallfolgen deswegen verschlimmert hätten.

Selbst wenn schliesslich das umstrittene Kriterium der besonderen
Eindrücklichkeit des Unfalls - ohne nähere Prüfung - bejaht würde, wäre es
jedenfalls nicht in besonders ausgeprägter Weise gegeben. Es läge zudem
gesamthaft keine Häufung von Kriterien vor, welche die Bejahung des adäquaten
Kausalzusammenhangs gestatten würde. Dies gilt erst recht, wenn
berücksichtigt wird, dass die Erfüllung des Kriteriums von Grad und Dauer der
durch die unfallbedingten Beinverletzungen bedingten Arbeitsunfähigkeit nach
Lage der Akten eher fraglich erscheint und grundsätzlich näherer Betrachtung
bedürfte. Darauf muss aber nicht weiter eingegangen werden. Denn nach dem
zuvor Gesagten ist unabhängig von der Bejahung oder Verneinung dieses
Kriteriums der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 10.
Dezember 2003 und der psychischen Beeinträchtigung nicht gegeben. Die
Beschwerdegegnerin ist somit hiefür nicht leistungspflichtig.

4.
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 134 OG).

erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 14. November 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

i.V. Widmer Lanz