Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 577/2006
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U 577/06

Urteil vom 5. Dezember 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Weber Peter.

S. ________, 1977, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Marco
Bivetti, Oberer Graben 42, 9000 St. Gallen,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1,
6004 Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Thurgau vom 13. September 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1977 geborene, aus Serbien und Montenegro stammende S.________, arbeitete
seit 25. November 2002 als Trennwand-Monteur bei der Firma X.________ in
Y.________ und war damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt
(SUVA) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Am 8. August 2004 erlitt er
einen Verkehrsunfall, indem er im Kreisverkehr in einen von rechts
einmündenden Personenwagen fuhr. Dabei zog er sich eine Distorsion/Kontusion
im zervicothorakalen Übergangsbereich zu (Bericht des Spitals Z.________ vom
11. August 2004). Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Nach
verschiedenen medizinischen Abklärungen, insbesondere in der Rehaklinik
E.________, wo sich der Versicherte vom 12. Januar bis 23. Februar 2005 zur
stationären Rehabilitation aufhielt, stellte sie mit Verfügung vom 20. Juni
2005 die Taggeldzahlungen und die Heilbehandlung per 1. Juli 2005 ein, da
keine Unfallfolgen mehr vorhanden seien. Daran hielt sie mit
Einspracheentscheid vom 1. Dezember 2005 fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Thurgau mit Entscheid vom 13. September 2006 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt der Versicherte beantragen, in
Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides seien die gesetzlichen
Versicherungsleistungen zu gewähren. Eventualiter sei die Angelegenheit zur
ergänzenden Sachverhaltsfeststellung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden
das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu
einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt
(Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz.
75) und es wurden die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts
umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten
eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein
Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid
nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da
der kantonale Gerichtsentscheid am 13. September 2006 erlassen wurde, richtet
sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen
Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16.
Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Im Einspracheentscheid und im kantonalen Gerichtsentscheid werden die nach
der Rechtsprechung für den Anspruch auf Leistungen der obligatorischen
Unfallversicherung geltenden Voraussetzungen des natürlichen und adäquaten
Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden
(vgl. auch BGE 129 V 177 E. 3.1 und 3.2 S. 181 mit Hinweisen), insbesondere
bei Schleudertraumen der HWS oder äquivalenten Verletzungen ohne organisch
(hinreichend) nachweisbare Funktionsausfälle (BGE 117 V 359; vgl. auch RKUV
2000 Nr. U 395 S. 317 E. 3, U 160/98) sowie bei psychischen Unfallfolgen (BGE
115 V 133) richtig wiedergegeben. Darauf wird verwiesen.

3.
3.1 Aufgrund der umfassenden medizinischen Aktenlage, insbesondere des
schlüssigen und überzeugenden Austrittsberichts der Klinik E.________ vom 8.
März 2005 steht fest, dass keine relevanten organischen Unfallfolgen mehr
klinisch erklärbar sind. Laut diesem Bericht, welcher alle
rechtsprechungsgemässen Kriterien (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 mit Hinweisen)
für eine beweistaugliche medizinische Entscheidungsgrundlage erfüllt, besteht
ein therapierefraktäres zerviko-okzipitales und zerviko-thorakales
Schmerzsyndrom ohne Seitenprädilektion mit auffälliger Schonhaltung ohne
Hinweise auf eine periphere-neurologische Störung. Aus psychosomatischer
Sicht, basierend auf einem psychosomatischen Konsilium vom 19. Januar 2005,
wurden eine Anpassungsstörung und eine längere depressive Reaktion bei
psychosozialer Belastung (Unfall, drohende Ausweisung) bestätigt. Entgegen
der Vorinstanz kann zwar nicht gesagt werden, sämtliche ärztlichen
Feststellungen liessen in keiner Weise auf ein Schleudertrauma schliessen,
wurde doch ursprünglich eine Distorsion/Kontusion im zervikothorakalen
Übergansbereich diagnostiziert und später anlässlich einer neurologischen und
einer rheumatologischen Abklärung die Diagnose eines zervikothorakalen
Schmerzsyndroms bei Zustand nach Kollisionsunfall gestellt. Allerdings hat
sie das Vorliegen des für ein Schleudertrauma typischen bunten
Beschwerdebildes richtigerweise verneint. So lagen beim Beschwerdeführer im
Anschluss an den Unfall Schmerzen im Kopf und Schulterbereich vor, kognitive
und andere Einschränkungen bestanden aber nicht. Nacken- und Kopfschmerzen
sind zwar typische Symptome eines Schleudertraumas, reichen für sich allein
aber nicht aus. Entgegen dem Beschwerdeführer lässt sich aus dem Urteil vom
18. Mai 2005 (U 122/03 E. 3.2.) nichts Gegenteiliges entnehmen, so sind auch
darin zusätzliche Kriterien erwähnt. Gemäss BGE 117 V 359 bedarf es zur
Bejahung der natürlichen Kausalität bei Schleudertrauma einer Häufung der
Beschwerden, wie diffuse Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrations- und
Gedächtnisstörungen, Übelkeit, rasche Ermüdbarkeit, Visusstörungen,
Reizbarkeit, Affektlabilität, Depression, Wesensveränderung etc.. Die
erstmals im Rahmen des stationären Aufenthalts in E.________ geltend
gemachten Beschwerden vermögen nicht zu einer anderen Beurteilung zu führen.
So hat sich das bunte Beschwerdebild erst nach einer mehrmonatigen Latenz im
Zusammenhang mit einer generellen Symptomausweitung ausgebildet. Vor diesem
Hintergrund wurde für die Beurteilung der Adäquanz des Kausalzusammenhangs zu
Recht die Anwendbarkeit der in BGE 117 V 359 E. 6a S. 366 festgelegten
Kriterien verneint und die in BGE 115 V 133 E. 6c/aa S. 140 für Unfälle mit
psychischen Folgeschäden aufgestellten Grundsätze als massgebend beurteilt.
Überdies ergibt sich aufgrund der medizinischen Akten, dass den physischen
Beschwerden gesamthaft nur eine sehr untergeordnete Rolle zukommt, was
ebenfalls für die Anwendung der Rechtsprechung zu den psychischen
Unfallfolgen spricht. Die Einwendungen des Beschwerdeführers vermögen daran
nichts zu ändern.

3.2 Das kantonale Gericht hat sodann zutreffend dargelegt, dass der für eine
Leistungspflicht des Unfallversicherers rechtsprechungsgemäss (BGE 115 V 133
E. 6c/aa S. 140 ff.) vorausgesetzte adäquate Kausalzusammenhang zum
korrekterweise als mittelschwer im Grenzbereich zu den leichten eingestuften
Unfällen zu verneinen ist. Auch diesbezüglich sind die Einwendungen des
Beschwerdeführers nicht geeignet, zu einer anderen Betrachtungsweise zu
führen. Insbesondere kann von einem Unfall im Grenzbereich zu den schweren
Unfällen aufgrund des Unfallherganges mit Blick auf die geltende
Rechtsprechung nicht die Rede sein. Zudem kann weder von einer Häufung der
erforderlichen Kriterien noch von besonders ausgeprägter Intensität eines
einzelnen Kriteriums gesprochen werden. Die erneut geltend gemachten
Dauerschmerzen, die Dauer der Heilbehandlung und die langdauernde
Arbeitsunfähigkeit, finden ihren Grund in der psychischen Einschränkung und
sind mithin im Rahmen der hier anwendbaren Rechtsprechung zu den psychischen
Unfallfolgen auszuklammern. Bei dieser Ausgangslage sind mit der Vorinstanz
von ergänzenden Sachverhaltsabklärungen keine neuen Erkenntnisse zu erwarten,
weshalb auch im vorliegenden Verfahren im Sinne einer antizipierten
Beweiswürdigung (BGE 124 V 90 E. 4b S. 94) darauf verzichtet wird. Eine
Verletzung des rechtlichen Gehörs ist darin nicht zu erkennen (BGE 122 V 157
E. 1d S. 162 mit Hinweis; SVR 2006 IV Nr. 1 S. 1 E. 2.3, I 573/03).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Thurgau
und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.

Luzern, 5. Dezember 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Weber Peter