Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 567/2006
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U 567/06

Urteil vom 13. Dezember 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Widmer, Leuzinger,
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold.

M.________, 1981, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Adrian Fiechter, Poststrasse 6, 9443 Widnau,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1,
6004 Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Versicherungsgerichts
des Kantons St. Gallen
vom 13. September 2006.

Sachverhalt:

A.
M.________, geboren 1981, arbeitete seit 1. Januar 2000 zu einem halben
Arbeitspensum bei seinem Vater als Hilfsarbeiter im Strassenbau und war
dadurch bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (nachfolgend:
SUVA) gegen die Folgen von Unfällen versichert. Daneben verfolgte er den
Wunsch, Profifussballer zu werden. Am 7. Februar 2000 verunfallte der Minibus
der Mannschaft während eines Trainingslagers im Ausland. Der mitreisende
Mannschaftsarzt, Dr. med. B.________, Facharzt für Allgemeine Medizin,
diagnostizierte in seinem Bericht vom 29. März 2000 multiple Schürfungen und
Prellungen (Gesicht, Skrotum) sowie eine Kontusion des Nackens und der
Halswirbelsäule (HWS) und attestierte eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % vom
7. bis 27. Februar 2000 und eine solche von 50 % von 28. Februar bis 31. März
2000. Die SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen. M.________ verhandelte
im Sommer 2000 mit dem FC X.________ über einen Spielervertrag, der wegen
unterschiedlicher finanzieller Vorstellungen jedoch nicht zustande kam. In
der Folge spielte M.________ bei verschiedenen Clubs in der 1. und 2. Liga
wettkampfmässig Fussball. Dabei zog er sich Verletzungen zu (Abbrechen eines
Zahns am 14. Mai 2000, Schambeinverletzung am 11. Juni 2001, Verletzung am
linken Fuss am 21. Mai 2002 sowie Verletzungen am rechten Fuss am 1. Oktober
2002). Mit Verfügung vom 6. Mai 2003, bestätigt mit Einspracheentscheid vom
31. Oktober 2003, lehnte die SUVA die Ausrichtung von Taggeldern nach dem
1. April 2000 sowie die Übernahme weiterer Heilbehandlungen nach dem 6. Mai
2003 ab.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons
St. Gallen mit Entscheid vom 13. September 2006 ab.

C.
M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde ans Eidgenössische
Versicherungsgericht (seit 1. Januar 2007: Bundesgericht) führen mit den
Anträgen, es seien der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben, ihm die
gesetzlichen Leistungen, insbesondere Taggelder und Heilbehandlung,
auszurichten, und die Umschulungskosten zum technischen Kaufmann zu
übernehmen. Eventualiter sei ein Gutachten bei Dr. med. O.________ in Auftrag
zu geben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
Zudem ersucht er um unentgeltliche Verbeiständung. Die SUVA schliesst auf
Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Gesundheit
verzichtet auf eine Vernehmlassung.

D.
Mit Eingabe vom 14. Dezember 2006 liess M.________ zusätzliche Unterlagen
nachreichen und das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung zurückziehen.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom
16. Dezember 1943 (OG; Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Die Vorinstanz hat die Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf
Taggelder (Art. 16 UVG) und den Begriff der Arbeitsunfähigkeit (Art. 6 Abs. 1
ATSG; BGE 130 V 343 E. 3.1 S. 345, 129 V 51 E. 1.1 S. 53, je mit Hinweisen)
zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
Anzufügen bleibt, dass entgegen der vorinstanzlichen Ausführungen die
materiellen Bestimmungen des ATSG nur für strittige Leistungen nach dem
1. Januar 2003 zur Anwendung gelangen (BGE 130 V 445 mit Hinweisen).

3.
3.1 Dr. med. B.________ hielt in seinem Bericht vom 29. März 2000 multiple
Schürfungen und Prellungen, insbesondere im Gesicht und Skrotum, sowie eine
schmerzbedingt aufgehobene Beweglichkeit der HWS und des Nackens fest. Ein
Schleudertrauma sei möglich. Der Versicherte sei nach dem Unfall bis zum
27. Februar 2000 voll und danach zu 50 % arbeitsunfähig. Der
Behandlungsabschluss erfolge voraussichtlich in drei Wochen.

3.2 Am 4. Mai 2000 gab der Versicherte an, er sei nach dem Unfall nicht
bewusstlos gewesen, kenne aber den genauen Unfallhergang nicht, da er
geschlafen habe, und erinnere sich erst wieder, als er nach dem Unfall neben
dem Bus am Strassenrand gesessen habe. Bereits auf der Unfallstelle habe er
Nackenschmerzen verspürt. Er leide hin und wieder unter Kopfschmerzen. Die
Kopfbeweglichkeit sei nicht optimal. Er könne normal durchschlafen. Am Morgen
habe er eine steife Nackenpartie. Es bestehe keine Vergesslichkeit. Auch sei
die Konzentrationsfähigkeit nicht eingeschränkt. In den ersten Tagen nach dem
Unfall habe er Ausstrahlungen in die Arme verspürt. Heute komme dies selten
vor.

3.3 Dr. med. B.________ berichtete der SUVA am 9. Mai 2000, der Versicherte
sei ab 1. April 2000 wieder voll arbeitsfähig geschrieben. Seit diesem
Zeitpunkt besuche er auch wieder das Training des FC X.________. Der Vater
des Versicherten habe bezüglich der Arbeitsfähigkeit intervenieren wollen.
Nach Ansicht des Dr. med. B.________ gehe es nicht an,
Versicherungsleistungen zu erwarten, aber auf dem Fussballplatz voll
leistungsfähig zu sein. Es bestünden wohl noch gewisse Restbeschwerden als
Folge des Unfalls. Der Versicherte befinde sich weiterhin in
physiotherapeutischer Behandlung. In seinem Bericht vom 14. Juni 2000
diagnostizierte Dr. med. B.________ ein posttraumatisches Cervikalsyndrom mit
Blockierungen der oberen HWS. Die Beschwerden hätten sich soweit gebessert,
dass eine volle Belastung möglich sei. Nach stärkeren Belastungen bestünden
noch Schmerzen. Die Behandlung bei ihm sei abgeschlossen. Die
Arbeitsunfähigkeit habe vom 7. bis 27. Februar 2000 100 % und vom 28. Februar
bis 31. März 2000 50 % betragen.

3.4 Dr. med. M.________, Facharzt für Allgemeine Medizin, stellte am
11. Oktober 2000 eine leicht verspannte HWS-Muskulatur fest, hielt angesichts
der Funktionsstörung sowie der noch vorhandenen Beschwerden eine Mobilisation
der HWS für angezeigt und verschrieb weitere Physiotherapie. Auf Nachfrage
hin gab Dr. med. M.________ an, er habe sich bewusst zur Arbeitsfähigkeit
nicht geäussert, da er sich nicht in diese Angelegenheit einmischen wolle.
Weitergehende Abklärungen halte er nicht für notwendig.

3.5 Dr. med. H.________, Chefarzt Rheumatologie, Medizinisches Zentrum
Y.________, attestierte am 28. November 2001 wegen einer Beckenringentzündung
eine volle Arbeitsunfähigkeit ab 7. November 2001 für vier Wochen.

3.6 Dr. med. W.________, Facharzt für Radiologie, Medizinisches Zentrum
Y.________, hielt in der Normalposition verstärkte Lordose mit diskretem
Retroglissement HWK4 gegenüber HWK5, einen funktionellen Blockwirbel HWK5/6
mit konsekutiver Hypermotilität der oberen Zervikalsegmente, entsprechend
diskretem ventralem Gleiten HWK3 gegenüber HWK4 resp. HWK4 gegenüber HWK5 in
Inklination sowie eine dorsale Spondylophytose HWK4 als mögliche
Voraussetzung für eine Beeinträchtigung des Spinalkanals fest (Bericht vom
29. Januar 2002).

3.7 Am 14. Februar 2002 berichtete Dr. med. H.________, es bestünden nach wie
vor Beschwerden im Bereich der HWS, welche er abklären lasse. Im Bericht vom
18. April 2002 hielt er fest, die im Februar 2000 zugezogene HWS-Distorsion
habe zu einer Funktionsstörung geführt, welche nach wie vor Probleme in Beruf
und Alltag bereite.

3.8 Am 27. November 2002 bescheinigte Dr. med. H.________ eine
Arbeitsunfähigkeit von 50 % seit 17. April 2002; die beschriebene volle
Arbeitsunfähigkeit seit 7. November 2001 sei zu 50 % auf den Unfall
zurückzuführen. Die fussballspezifischen krankheitsbedingten Veränderungen an
Schambein und Leiste seien vollständig verschwunden. Im Vordergrund stehe die
mit dem Unfall vom 7. Februar 2000 zusammenhängende schmerzbedingt
eingeschränkte Funktion der mittleren und unteren HWS.

3.9 Dr. med. E.________, Facharzt für orthopädische Chirurgie,
Versicherungsmedizin, SUVA, diagnostizierte in seinem Bericht vom 11. April
2003 Nackenbeschwerden ohne klar objektivierbares organisches Substrat, den
Zustand nach mehreren Verletzungen des fibulotalaren Bandes am rechten oberen
Sprunggelenk ohne derzeitige Symptomatik sowie thorakale und lumbale
Rückenbeschwerden unklarer Genese. Die von Dr. med. H.________ angeführte
Hypermobilität C5/6 sei am ehesten auf eine Wachstumsstörung (Blockwirbel)
zurückzuführen. Es handle sich dabei um einen vor den Röntgenaufnahmen vom
24. Januar 2002 als nicht speziell erwähnenswert eingestuften Nebenbefund.
Somit könne der von Dr. med. H.________ erwähnten traumatisch bedingten
Instabilität C4/5 nicht gefolgt werden. So habe auch Dr. med. W.________ dies
ausschliesslich als Folge des funktionellen Blockwirbels C5/6 gesehen. Es sei
sehr unwahrscheinlich, dass Verletzungsfolgen in einem Ausmass oder in einer
Art vorliegen würden, welche noch einer Therapie zugänglich seien.
Medizinisch lasse sich nicht fundiert begründen, dass solche Verletzungen
noch relevant den Alltag beeinträchtigen würden.

3.10 Auf entsprechende Nachfrage der Vorinstanz teilten Frau Dr. med.
A.________, Chefärztin, Orthopädie Sportmedizin, und Prof. Dr. med.
D.________, Chefarzt, Neurologie, Klinik Z.________, am 14. August 2006 mit,
ohne Einsicht in die speziellen Akten zu haben dürfte ein (Hobby-)Sportler,
der auf 1. und 2. Liganiveau wettkampfmässig Fussball spiele, bezüglich
seiner HWS und des Bewegungsapparates im beruflichen Alltag nicht nennenswert
eingeschränkt sein.

4.
Mit der Vorinstanz ist festzuhalten, dass vorliegend nur die Tätigkeit als
Strassenbauer und eine damit zusammenhängende eingeschränkte Arbeitsfähigkeit
sowie die Übernahme von Heilbehandlungen für die auf den Unfall vom
7. Februar 2000 zurückzuführenden Beschwerden streitig sein können.

4.1 Hinsichtlich des Beweiswertes eines ärztlichen Berichts ist entscheidend,
ob der Bericht für die streitigen Belange umfassend ist, auf allseitigen
Untersuchungen beruht, auch die geklagten Beschwerden berücksichtigt, in
Kenntnis der Vorakten (Anamnese) abgegeben worden ist, in der Beurteilung der
medizinischen Zusammenhänge und in der Beurteilung der medizinischen
Situation einleuchtet und ob die Schlussfolgerungen des Experten begründet
sind (BGE 125 V 351 E. 3a mit Hinweis).

4.2 Dr. med. B.________ attestierte eine volle Arbeitsunfähigkeit nach dem
Unfall und eine solche von 50 % von 27. Februar bis 31. März 2000. Der
Versicherte besuche auch wieder das Training des FC X.________ (Bericht vom
29. März 2000 und Aussage vom 9. Mai 2000). Im Juni 2000 hielt Dr. med.
B.________ fest, die Beschwerden hätten sich soweit gebessert, dass wieder
eine volle Belastung möglich sei. Dr. med. M.________ enthielt sich explizit
einer Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit, da er sich nicht in die
Angelegenheit einmischen wolle. Dr. med. E.________ fand nach eingehender
Begutachtung keine unfallbedingte medizinische Begründung für eine
Einschränkung der Leistungsfähigkeit.
Auffallend ist, dass nach dem 1. April 2000 von keinem der behandelnden Ärzte
eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit mehr bescheinigt wurde. Nur Dr. med.
H.________, welcher den Versicherten seit November 2001 behandelte,
attestierte am 27. November 2002 rückwirkend eine seit 7. November 2001
bestehende unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit von 50 %. Dies vermag nicht zu
überzeugen, zumal sich Dr. med. H.________ nicht - auch nicht in seinem
letztinstanzlich erstmals aufgelegten Bericht vom 27. November 2006 - mit der
abweichenden Ansicht der übrigen Ärzte auseinandersetzt und keine Begründung
für das Vorliegen einer unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit abgibt, welche die
Einschätzung der übrigen Ärzte in Zweifel zu ziehen vermöchte. Soweit der
Versicherte im massgebenden Zeitpunkt (BGE 129 V 1 E. 1.2 S. 4 mit Hinweisen)
noch über Beschwerden klagt, schränken diese seine Leistungsfähigkeit als
Strassenbauer nicht ein (HWS-Bereich) und sind somit nach dem Gesagten nicht
auf den Unfall vom 7. Februar 2000 zurückzuführen (sportspezifische
Beschwerden und vorbestehende Rückenbeschwerden). Damit ist mit der
Vorinstanz die Einstellung der Taggelder per 1. April 2000 durch die SUVA zu
bestätigen. Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass die SUVA die Übernahme
weiterer Behandlungskosten ablehnte. Denn auf Grund der ärztlichen
Einschätzungen und der bereits im Jahr 2000 wiedererlangten vollen
Leistungsfähigkeit in der angestammten Tätigkeit (vgl. Bericht des Dr. med.
B.________ vom 14. Juni 2000) ist von einer über den 6. Mai 2003
hinausgehenden Behandlung keine wesentliche Besserung des
Gesundheitszustandes (BGE 116 V 41 E. 2c S. 44) zu erwarten. Die SUVA hat
denn auch in ihrem Einspracheentscheid vom 31. Oktober 2003 zu Recht darauf
hingewiesen, dass die versicherte Person nur Anspruch auf eine zweckmässige
Heilbehandlung (vgl. Art. 10 Abs. 1 UVG), nicht aber auf alle denkbaren
medizinischen Vorkehren hat. Bei dieser Sachlage erübrigen sich im Rahmen der
antizipierten Beweiswürdigung (SVR 2001 IV Nr. 10 S. 27 E. 4b mit Hinweisen)
weitere medizinische Abklärungen, zumal die versicherte Person keinen
Anspruch auf eine Begutachtung durch einen bestimmten, von ihr gewünschten
Arzt hat (BGE 132 V 93 E. 6.5 S. 109).

5.
Das Verfahren ist nicht kostenpflichtig. Das Gesuch um unentgeltliche
Verbeiständung wurde zurückgezogen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird als durch Rückzug
gegenstandslos geworden abgeschrieben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons
St. Gallen und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich mitgeteilt.
Luzern, 13. Dezember 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Riedi Hunold