Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 562/2006
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U 562/06

Urteil vom 25. Juni 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Widmer, Leuzinger,
Gerichtsschreiberin Heine.

R. ________, 1949, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Volker
Pribnow, Stadtturmstrasse 10, 5400 Baden,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1,
6004 Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Schwyz vom 19. Oktober 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1949 geborene R.________ arbeitete seit 16. Dezember 1991 bei der Firma
T.________ AG als Hauswart und war bei der Schweizerischen
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen
versichert. Am 27. Januar 2005 zog er sich nach einem Sturz auf einer
vereisten Treppe eine Commotio cerebri und eine Ellenbogenkontusion zu. Die
SUVA erbrachte die gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung, Taggelder). Nach
einem Austrittsbericht der Rehaklinik X.________ vom 21. Juni 2005 stellte
die SUVA mit Verfügung vom 3. Januar 2006 die laufenden
Versicherungsleistungen ab dem 8. Januar 2006 ein. Daran hielt sie mit
Einspracheentscheid vom 4. Mai 2006 fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Schwyz ab (Entscheid vom 19. Oktober 2006).

C.
R.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und das Rechtsbegehren
stellen, die SUVA sei, in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids, zu
verpflichten, über den 8. Januar 2006 hinaus die gesetzlichen Leistungen zu
erbringen; eventualiter sei der vorinstanzliche Entscheid aufzuheben und die
Sache zu weiteren Abklärungen an die SUVA zurückzuweisen.

Die SUVA beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das
Bundesamt für Gesundheit auf Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden
das Eidg. Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu einem
einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt (Seiler/von
Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz. 75) und es
wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts umfassend neu
geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten
Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch
nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses
Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der kantonale Entscheid am
19. Oktober 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet
sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen
Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16.
Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
2.1 Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den Anspruch auf Heilbehandlung
(Art. 10 Abs. 1 UVG) und Taggelder (Art. 16 Abs. 1 und 2 UVG) sowie die
Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers
vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem
eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) zutreffend dargelegt (BGE
119 V 335 E. 1 S. 337). Entsprechendes gilt für die von der Judikatur
entwickelten Grundsätze zum Erfordernis des adäquaten Kausalzusammenhanges im
Allgemeinen (BGE 125 V 456 E. 5a S. 461) sowie bei psychischen Unfallfolgen
im Besonderen (BGE 115 V 133), zur Bemessung der Integritätsentschädigung
(BGE 116 V 156 E. 3a S. 157) und zum Beweiswert medizinischer Berichte und
Gutachten (BGE 122 V 157 E. 1c S. 160). Darauf wird verwiesen.

2.2 Die Adäquanzbeurteilung nach HWS-Distorsionen (ohne organisch
nachweisbare Unfallfolgeschäden) hat grundsätzlich nach der in BGE 117 V 359
E. 6a S. 366 und 117 V 369 E. 4b S. 382 dargelegten Rechtsprechung mit ihrer
fehlenden Differenzierung zwischen körperlichen und psychischen Beschwerden
zu erfolgen (zum Ganzen BGE 123 V 98 E. 2a S. 99, 119 V 335, BGE 117 V 359 E.
6a S. 366 und 117 V 369 E. 4b S. 382). Von diesem Grundsatz ist abzuweichen,
wenn die zum typischen Beschwerdebild eines HWS-Schleudertraumas gehörenden
Beeinträchtigungen zwar teilweise gegeben sind, im Vergleich zur ausgeprägten
psychischen Problematik aber unmittelbar nach dem Unfall ganz in den
Hintergrund treten oder die physischen Beschwerden im Verlaufe der ganzen
Entwicklung vom Unfall bis zum Beurteilungszeitpunkt gesamthaft nur eine sehr
untergeordnete Rolle gespielt haben: diesfalls ist die Prüfung der adäquaten
Kausalität praxisgemäss unter dem Gesichtspunkt einer psychischen
Fehlentwicklung nach Unfall gemäss BGE 115 V 133 ff. vorzunehmen (BGE 123 V
98 E. 2a S. 99).

3.
Streitig und zu prüfen ist zunächst, ob die Schwindelbeschwerden
unfallbedingt und in natürlich kausaler Weise auf den versicherten Unfall vom
27. Januar 2005 zurückzuführen sind. Mit Blick auf die Aktenlage und die
Parteivorbringen besteht kein Anlass, den vorinstanzlich in einlässlicher
Würdigung der medizinischen Unterlagen verneinten natürlichen
Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und den bestehenden somatischen
Beschwerden letztinstanzlich erneut der richterlichen Überprüfung zu
unterziehen (BGE 110 V 48 E. 4b S. 53).

3.1 Mit der Vorinstanz ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer
Schwindelbeschwerden hat. Hingegen schliesst sie den natürlichen
Kausalzusammenhang aus, weil eine allfällige milde traumatische
Hirnverletzung nicht objektivierbar und die Wahrscheinlichkeit eines
ursächlichen Zusammenhangs mit dem Unfall von den Ärzten verneint worden ist.

3.2 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird dagegen gehalten, es sei zwar
richtig, dass sich der Beschwerdeführer am 5. Februar 2001 einer
Teilresektion eines Meningeom des linken Kleinhirnbrückenwinkels mittels
Gamma-Knife habe unterziehen lassen müssen und bereits im Zusammenhang mit
dieser Erkrankung unter Schwindelbeschwerden gelitten habe, jedoch seien die
heutigen Schwindelanfälle auf den Unfall vom 27. Januar 2005 zurückzuführen.
Dies werde deutlich im Bericht des Prof. Dr. med. L.________ vom 28. April
2004, der nach dem Eingriff nur noch einen Restschwindel feststellte. Die
Vorinstanz ignoriere in ihrer Würdigung die verschiedenen Arten von
Schwindelbeschwerden, weshalb sie nicht erkenne, dass es sich beim heutigen
Beschwerdebild um ein anderes handle als das nach der Tumoroperation. Sodann
dürfe den Berichten des Hausarztes Dr. med. S.________ nicht die
Beweistauglichkeit abgesprochen werden, zumal die anderen Berichte
hauptsächlich von SUVA-Ärzten geschrieben worden seien. Ferner könne der
status quo sine nicht erreicht sein, denn schliesslich sei der
Beschwerdeführer vor dem Unfall arbeitsfähig gewesen, was seither wegen der
dauernden Sturztendenz nicht mehr der Fall sei.

3.3 Vor dem Unfall schildert Prof. Dr. med. L.________, Spezialarzt
Neurochirurgie FMH in seinem Bericht vom 28. April 2004, entgegen der
Darstellung in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, der Schwindel habe sich
zwar gebessert, jedoch sei ein Leitersteigen unmöglich und es bestehe eine
Sturzgefahr vor allem nach links. Dr. med. P.________, Leitender Arzt
Chirurgie, Spital Y.________, hält im Kurzbericht vom 29. Januar 2005 - nach
dem Unfall - eine Commotio cerebri, eine Ellenbogenkontusion und ein
Meningiom (Altbefund) fest, wobei der stationäre Aufenthalt unauffällig
verlief. Im Gutachten der Rehaklinik X.________ vom 21. Juni 2005, nachdem
der Versicherte neurootologisch, psychosomatisch und neurologisch untersucht
wurde, wird die lageabhängige Schwankschwindelsymptomatik als unfallfremd
identifiziert. In der Folge verneint Dr. med. G.________, SUVA Abteilung
Arbeitsmedizin, gestützt auf die Untersuchungsresultate der Rehaklinik
X.________ im Schreiben vom 12. Juli 2005 den kausalen Zusammenhang zwischen
den Schwindelbeschwerden und dem Unfallereignis. Im Bericht der
kreisärztlichen Untersuchung vom 17. August 2005 bestätigt Dr. med.
M.________, FMH orthopädische Chirurgie, SUVA Zentralschweiz, die
Sturztendenz und verneint ebenfalls die Unfallkausalität zwischen den
Schwindelerscheinungen und dem Unfall. Auch in der neurologischen Beurteilung
vom 13. Dezember 2005 durch Dr. med. K.________, Facharzt für Neurologie,
SUVA Versicherungsmedizin, wird die Unfallkausalität verneint. Die Kausalität
zwischen Schwindelbeschwerden und Unfall wird von sämtlichen Ärzten
ausgeschlossen. Selbst der behandelnde Hausarzt Dr. med. E.________ behauptet
zu keinem Zeitpunkt, dass zwischen dem Unfall und dem Schwindel eine
Kausalität bestehe. Nur Frau Dr. med. S.________, Spezialärztin FMH für
Ohren-Nasen-Halskrankheiten, hält in einem Schreiben vom 25. Februar 2005
fest, es sei durch den Sturz ein zusätzlicher cervikaler Schwindel
aufgetreten, räumt dabei aber ein, dass das Beschwerdebild komplex und es
unklar sei, wie der Patient die Situation kompensieren könne. Entgegen der
Auffassung in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vermag dieses Schreiben nicht
den im Recht liegenden Bericht der Rehaklinik X.________ zu entkräften,
welcher auf interdisziplinären Untersuchungen basiert und im Einklang mit den
anderen Berichten steht (BGE 122 V 157 E. 1c S. 160).

Auf Grund der Aktenlage sowie der Beweiswürdigung nach dem im
Sozialversicherungsrecht herrschenden Beweisgrad der überwiegenden
Wahrscheinlichkeit besteht zwischen dem versicherten Unfall und den
Schwindelbeschwerden kein natürlicher Kausalzusammenhang. Unter
Berücksichtung sämtlicher für die Beurteilung massgebenden Faktoren kann der
natürliche Kausalzusammenahng zwischen den vorhandenen Beschwerden und dem
erlittenen Unfall nur noch als blosse Möglichkeit erscheinen, was für die
Begründung einer Leistungspflicht der Unfallversicherung nicht genügt (Urteil
des Eidg. Versicherungsgericht U 147/05 vom 8. Juni 2006 E. 5.3 und 5.5).
Eine Prüfung der adäquaten Kausalität erübrigt sich demnach, zumal die
medizinische Aktenlage, inbesondere das psychosomatische Konsilium vom 10.
Mai 2005 unter Berücksichtigung der ganzen Entwicklung vom Unfall bis zum
Beurteilungszeitpunkt erhebliche psychische Störungen mit Krankheitswert,
Symptomausweitungszeichen und eine Verschlüsselung nach ICD-10 F
ausgeschlossen hat (vgl. E. 2.2). Von weiteren medizinischen Abklärungen kann
deshalb in antizipierter Beweiswürdigung (BGE 122 V 157 E. 1d S. 162)
abgesehen werden, so dass mit der Vorinstanz der Unfall nicht mehr die
natürliche Ursache des Gesundheitsschadens darstellt, Letzterer sodann nur
noch und ausschliesslich auf unfallfremden Ursachen beruht. Die
vorinstanzlich bestätigte Leistungseinstellung auf den 8. Januar 2006
erfolgte demnach zu Recht.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Schwyz
und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 25. Juni 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
i. V.