Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 560/2006
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U 560/06

Urteil vom 28. Juni 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Schön, Bundesrichterin Leuzinger,
Gerichtsschreiberin Heine.

R. ________, 1955, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher
Jean-Michel Girod, Spitalgasse 34, 3011 Bern,

gegen

Gerling-Konzern, Allgemeine Versicherungs-Aktiengesellschaft, Dufourstrasse
46/48, 8034 Zürich, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt
Christoph Frey, Genferstrasse 24, 8027 Zürich.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, vom 11. Oktober 2006.

Sachverhalt:

A.
Die 1955 geborene R.________ arbeitete seit 1997 für das Modehaus B.________
als Filialleiterin und war bei der Gerling-Konzern Allgemeine
Versicherungs-AG ("Gerling") obligatorisch gegen die Folgen von Unfällen
versichert. Am 9. Dezember 1999 zog sie sich bei einem Auffahrunfall ein
Schleudertrauma der Halswirbelsäule (HWS) zu. Die "Gerling" erbrachte die
gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung, Taggelder). Nach einem Gutachten der
Frau Dr. med. L.________, Neurochirurgie FMH, vom 20. Februar 2004 sprach die
"Gerling" der Versicherten eine Integritätsentschädigung auf Grund einer
Integritätseinbusse von 5 % zu und wies den Anspruch auf weitere
Heilbehandlung und Invalidenrente ab (Verfügung vom 10. August 2004). Daran
hielt sie mit Einspracheentscheid vom 8. Dezember 2004 fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
ab (Entscheid vom 11. Oktober 2006).

C.
R.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und folgendes
Rechtsbegehren stellen: Der kantonale Gerichtsentscheid und der
Einspracheentscheid seien aufzuheben und die Sache zwecks weiterer Abklärung
und neuer Verfügung an die "Gerling" zurückzuweisen.

Die "Gerling" beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während
das Bundesamt für Gesundheit auf Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden
das Eidg. Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu einem
einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt (Seiler/von
Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz. 75) und es
wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts umfassend neu
geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten
Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch
nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses
Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der kantonale Entscheid am
11. Oktober 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet
sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen
Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16.
Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht macht die Beschwerdeführerin eine
Gehörsverletzung, wegen mangelnder Möglichkeit die Gutachterin abzulehnen und
Gegenvorschläge zu unterbreiten, geltend. Sodann sei Frau Dr. med. L.________
versicherungsfreundlich und damit voreingenommen.

2.1 Was die Beschwerdeführerin gegen Frau Dr. med. L.________ einwendet,
dringt nicht durch. So ist die Rüge, wonach die Gutachterin befangen sei, da
sie regelmässig im Auftrag der Sozialversicherer tätig ist, unbegründet.
Ähnlich wie in Bezug auf die medizinischen Abklärungsstellen (MEDAS) ist
entscheidend, dass fachlich-inhaltlich eine Weisungsunabhängigkeit der
begutachtenden Ärzte besteht (AHI 1998 S. 125). Es liegen keine Gründe vor,
die auf mangelnde Objektivität und auf Voreingenommenheit der Ärztin
schliessen lassen, was Zweifel am Beweiswert ihrer Begutachtung rechtfertigen
könnte.

2.2 Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs kann in der Tatsache, dass der
Unfallversicherer die Beschwerdeführerin nicht auf die Möglichkeit hinwies,
die Gutachterin abzulehnen und Ergänzungs- und Abänderungsanträge zu stellen,
nicht erblickt werden. Im vorliegenden Fall wurde die Versicherte explizit
mit Schreiben vom 9. Dezember 2003 auf die Möglichkeit von Ergänzungsfragen
hingewiesen. Dies ist ausreichend, da die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer
früheren Erfahrung wusste, dass sie die Gutachterin ablehnen durfte
(Schreiben vom 16. Mai 2000). Nachdem auch in der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde keine begründeten Ausstandsgründe gegen die
begutachtende Ärztin vorgebracht werden, kann auf das Gutachten abgestellt
werden. Eine Gehörsverletzung liegt nicht vor.

3.
3.1 Die Vorinstanz hat die Bestimmungen über den Anspruch auf Heilbehandlung
(Art. 10 Abs. 1 UVG) und Taggelder (Art. 16 Abs. 1 und 2 UVG) sowie die
Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers
vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall und dem
eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) zutreffend dargelegt (BGE
119 V 335 E. 1 S. 337). Entsprechendes gilt für die von der Judikatur
entwickelten Grundsätze zum Erfordernis des adäquaten Kausalzusammenhanges im
Allgemeinen (BGE 125 V 456 E. 5a S. 461) sowie bei psychischen Unfallfolgen
im Besonderen (BGE 115 V 133), zur Bemessung der Integritätsentschädigung
(BGE 116 V 156 E. 3a S. 157) und zum Beweiswert medizinischer Berichte und
Gutachten (BGE 122 V 157 E. 1c S. 160). Darauf wird verwiesen.

3.2 Laut angefochtenem Entscheid begründen die unfallkausalen
Restbeschwerden, mangels Invalidität, keinen Rentenanspruch.

3.3 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird geltend gemacht, auf Grund des
unvollständigen Fragekatalogs sei der natürliche Kausalzusammenhang,
zumindest teilweise, zu Unrecht verneint worden. Ferner beruhe die
Feststellung einer 100%igen Arbeitsfähigkeit als Filialleiterin auf falschen
Annahmen. So seien die Angaben des Herrn M.________, Personalverantwortlicher
der Firma C.________, überprüfungsbedürftig. Eine Befragung der Leiterin des
Einkaufs, Frau S.________, würde eine sachdienliche Einschätzung der
Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin ermöglichen.

3.4 Die Behauptungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde sind unbegründet,
weil die Vorinstanz den natürlichen Kausalzusammenhang zwischen den
Restbeschwerden und dem Unfall, gestützt auf die medizinischen Akten, nicht
verneint. So hielt Frau Dr. med. L.________ in ihren Berichten vom 30. Juli
2000 und vom 20. Februar 2004 explizit  fest, dass die Beschwerden
zweifelsohne auf den Unfall zurückzuführen seien.

Hingegen führt sie in ihrem ersten Bericht aus, die Beschwerdeführerin habe
früher an lumbalen Schmerzen gelitten. Nach dem Auffahrunfall vom 9. Dezember
1999 habe sie schliesslich am 10. Januar 2000 die Arbeit zu 50 % und ab dem
28. Februar 2000 zu 75 % aufgenommen. Obwohl eine Bewegungseinschränkung und
eine Druckdolenz der Halswirbelsäule (HWS) bestehe, hätten die Röntgenbilder
(15. Dezember 1999 und 17. Januar 2000) lediglich degenerative Veränderungen
aufgezeigt. Das MRI vom 26. Januar 2000 habe eine sehr kleine präforaminale
Discushernie und degenerative Veränderungen auf Höhe C5/6 und C6/7 ergeben.
Sodann seien die Beschwerden wesentlich zurückgegangen, so dass ab August
2000 eine uneingeschränkte Arbeitsfähigkeit bestehe. Im zweiten Bericht wird
ergänzend eine nächtliche Sensibilitätsstörung der Hände und auf Grund der
seit dem Unfall ausgelösten Nackenbeschwerden und vermehrten Kopfschmerzen
ein Integritätsschaden von 5 % festgestellt. Gestützt auf die Befunde nimmt
die Gutachterin insgesamt eine 100%ige Arbeitsfähigkeit an. Bezüglich der
auszuführenden Tätigkeit stellt sie in erster Linie auf die Schilderungen der
Versicherten und die dabei subjektiv wahrgenommenen Beschwerden ab. Entgegen
den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist ersichtlich, dass
die Ärztin bei der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit nicht von einem falschen
Stellenprofil ausgeht, sondern aus erster Hand Informationen über den
Arbeitsablauf hat, weshalb auf eine Zeugeneinvernahme wie auch auf weitere
Abklärungen in antizipierter Beweiswürdigung zu verzichten ist (BGE 122 V 157
E. 1d S. 162). Sodann ist die Beschwerdeführerin gemäss Zwischenzeugnis vom
3. Mai 2004 nach wie vor zu 100 % als Filialleiterin tätig und ihr Lohn wurde
zwischenzeitlich von Fr. 80'600.- auf Fr. 89'700.- angehoben, weshalb das
kantonale Gericht weitere Leistungen mangels Invalidität zu Recht verneinte.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.

Luzern, 28. Juni 2007
Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
i.V.