Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 545/2006
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U 545/06

Urteil vom 9. Januar 2008

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterinnen Widmer, Leuzinger,
Gerichtsschreiberin Durizzo.

M.________, 1965, Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Philip Stolkin,
Lausannegasse 18, 1700 Freiburg,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1,
6004 Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Freiburg vom 19. September 2006.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 25. November 2004 und Einspracheentscheid vom 8. März 2005
sprach die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) M.________,
geboren 1965, für einen am 28. Mai 2002 erlittenen Unfall ab 1. November 2004
eine Invalidenrente basierend auf einer Erwerbsunfähigkeit von 46 % sowie
eine Integritätsentschädigung bei einer Integritätseinbusse von 20 % zu.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Freiburg mit Entscheid vom 19. September 2006 ab.

C.
M.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter
Aufhebung des angefochtenen Entscheides sei ihm eine Rente auf der Basis von
mindestens 85 % sowie eine Integritätsentschädigung von 50 % zuzusprechen;
eventualiter sei die Angelegenheit zur Einholung eines polydisziplinären oder
eines handchirurgischen Gutachtens an die Vorinstanz zurückzuweisen. Des
Weiteren beantragt er die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung mit
persönlicher Anhörung und Zulassung seines Rechtsvertreters zum Plädoyer und
ersucht um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.

Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach OG (Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht
des Unfallversicherers gemäss Art. 6 Abs. 1 UVG vorausgesetzten natürlichen
und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem
eingetretenen Schaden (BGE 129 V 177 E. 3.1 und 3.2 S. 181; bei psychischen
Unfallfolgen BGE 115 V 133 E. 6 S. 138 ff.) sowie zum Beweiswert von
Arztberichten und medizinischen Gutachten (BGE 125 V 351 E. 3 S. 352 ff., 122
V 157 E. 1c S. 160 ff.) zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.
Der Beschwerdeführer macht zur Begründung seines Antrags auf Durchführung
einer öffentlichen Verhandlung geltend, die Umstände des Vorfalls vom 28. Mai
2002 seien nicht klar, weshalb er sich deswegen - und um dem Gericht einen
persönlichen Eindruck zu verschaffen - mündlich äussern wolle. Für den Fall,
dass ihm diese Gelegenheit nicht geboten werde, ersucht er im Sinne eines
Eventualantrags um einen zweiten Schriftenwechsel. Diese Möglichkeit wurde
dem Beschwerdeführer eingeräumt; er hat davon jedoch - nachdem die SUVA unter
Hinweis darauf, dass er mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nichts Neues
vorbringe, auf eine umfassende Vernehmlassung verzichtet hat - keinen
Gebrauch gemacht.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist grundsätzlich schriftlich
(Art. 132 i.V.m. Art. 110 OG). Für den Prozess vor dem kantonalen
Versicherungsgericht bestimmt Art. 61 lit. a ATSG, dass das Verfahren in der
Regel öffentlich ist. Es wird damit der von Art. 6 Ziff. 1 EMRK geforderten
Öffentlichkeit des Verfahrens Rechnung getragen (Ueli Kieser, ATSG-Kommentar,
Kommentar zum Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des
Sozialversicherungsrechts vom 6. Oktober 2000, Zürich 2003, N 26 zu Art. 61),
welche im erstinstanzlichen Rechtsmittelverfahren zu gewährleisten ist (BGE
122 V 47 E. 3 S. 54 mit Hinweisen; in BGE 131 V 286 nicht publizierte E. 1.2
des Urteils N. vom 24. August 2005, C 13/05). Nach der Rechtsprechung liegt
bloss ein Beweisantrag vor, auf Grund dessen noch nicht auf den Wunsch einer
konventionskonformen Verhandlung mit Publikums- und Presseanwesenheit zu
schliessen ist, wenn eine Partei beispielsweise lediglich eine persönliche
Anhörung oder Befragung, ein Parteiverhör, eine Zeugeneinvernahme oder einen
Augenschein verlangt (BGE 125 V 37 E. 2 S. 38, 122 V 47 E. 3a S. 55).

Das kantonale Gericht hat den vom Beschwerdeführer schon im vorinstanzlichen
Verfahren gestellten Antrag unter Hinweis auf diese Rechtsprechung in
zulässiger antizipierter Beweiswürdigung (SVR 2001 IV Nr. 10 S. 27 [Urteil S.
vom 8. Februar 2000, I 362/99] E. 4b; BGE 124 V 90 E. 4b S. 94, 122 V 157 E.
1d S. 162 mit Hinweis) abgelehnt mit der Begründung, es sei nicht
ersichtlich, inwiefern eine mündliche Verhandlung als geeignet erschiene, zur
Klärung des Falles beizutragen. Auf die genannten Anträge ist deshalb auch
hier nicht weiter einzugehen. Über den Gesundheitszustand, dessen
Einschätzung Aufgabe des Arztes ist, geben die medizinischen Akten Auskunft
(dazu E. 4). Selbst wenn jedoch ein Öffentlichkeitsanspruch bejaht würde,
wäre zur Durchführung der Verhandlung die Vorinstanz zuständig (BGE 119 V 375
E. 4b/aa S. 380); der Beschwerdeführer stellt diesbezüglich indessen keinen
Rückweisungsantrag.

4.
Der Beschwerdeführer rügt sinngemäss im Wesentlichen, er sei nur ungenügend
abgeklärt und die Arbeitsfähigkeit nicht mit hinreichender Sicherheit
bestimmt worden.

Dieser Vorwurf ist unberechtigt, nachdem der Versicherte durch die Ärzte der
handchirurgischen Poliklinik des Spitals X.________ intensiv betreut wurde
und Prof. B.________ am 15. Juli 2004 festhielt, es sei ein enormer
Behandlungsaufwand betrieben worden. Zudem sind sich die Ärzte, deren
Stellungnahmen die Vorinstanz einlässlich gewürdigt hat, darin einig, dass
der Beschwerdeführer zwar bei Einsatz der rechten Hand stark behindert,
ansonsten jedoch in der Arbeitsfähigkeit nicht beeinträchtigt ist; dies haben
insbesondere auch der Hausarzt in seinem Bericht vom 4. Juli 2003 sowie Prof.
B.________ in seiner Stellungnahme vom 28. Juni 2004 zuhanden der
Invalidenversicherung ausgeführt (die Einschränkung der täglichen Arbeitszeit
auf sechs Stunden bezog sich ausdrücklich auf eine Tätigkeit in gleich
bleibender Körperstellung). Schliesslich spricht, was den Einwand gegenüber
der Beurteilung durch SUVA-Arzt Dr. med. S.________ (vom 16. November 2004)
betrifft, weder die Tatsache, dass es sich dabei um ein Aktengutachten
handelt noch dass dieses von einem anstaltsinternen Arzt verfasst wurde,
gegen seinen Beweiswert (Urteil S. vom 12. Oktober 2005, U 260/04, E. 5b, mit
Hinweis auf RKUV 1988 Nr. U 56 S. 371 E. 5b; BGE 125 V 351 E. 3b/ee S  353
f., AHI 2001 S. 112 [I 128/98] E. 3b/ee mit Hinweisen). Dass der
Beschwerdeführer anlässlich seiner von der Invalidenversicherung veranlassten
Abklärung durch die Berufliche Abklärungsstelle Y.________ gemäss deren
Schlussbericht vom 3. Mai 2004 wegen Schmerzen keine volle Leistung
erbrachte, vermag keine Zweifel an der übereinstimmenden ärztlichen
Einschätzung zu begründen, ist es doch Aufgabe des Arztes, den
Gesundheitszustand zu beurteilen und zur Frage Stellung zu nehmen, in welchem
Umfang und bezüglich welcher Tätigkeiten der Versicherte arbeitsunfähig ist
(BGE 125 V 256 E. 4 S. 261). Ebensowenig vermögen die vorinstanzlich
eingereichten Berichte der Frau Dr. med. A.________, Neurologie FMH, vom
7. Mai 2006 und des Dr. med. E.________, Innere Medizin FMH, speziell
Rheumatologie, vom 9. Juni 2006 daran etwas zu ändern, da sie sich zur
Arbeitsfähigkeit gar nicht äussern beziehungsweise nicht begründen, weshalb
der Beschwerdeführer überhaupt keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgehen können
soll.

Bezüglich der geltend gemachten Rückenbeschwerden ergibt sich aus den Akten,
dass sich die Schulterfunktionen am 15. Januar 2004 verbessert hatten und die
Beweglichkeit keine wesentliche Einbusse mehr erlitt (Krankengeschichte des
Prof. B.________). Der Hausarzt Dr. med. R.________, Allgemeinmedizin FMH,
stellte in seinem Zwischenbericht vom 15. Mai 2004 keine entsprechende
Diagnose mehr, erwähnte jedoch, dass es während der beruflichen Abklärung
(vom 16. Februar bis 7. Mai 2004) im Bereich des Nackens und Schultergürtels
durch ungewohnte ungünstige Haltung zu Schmerzen gekommen sei. In den
weiteren Verlaufsberichten des Hausarztes sowie des Prof. B.________ finden
sich indessen keine entsprechenden Anmerkungen mehr. Frau Dr. med. A.________
erwähnt Schmerzen in der rechten Schulter zufolge chronischer Fehlbelastung.
Angesichts der umfassenden Betreuung im Spital X.________, wo gemäss
Prof. B.________ ein enormer Behandlungsaufwand betrieben worden war und
dementsprechend auch, sofern erforderlich, die Abklärung einer allfälligen
Rückenproblematik angeordnet worden wäre, und mit Blick auf die
übereinstimmende ärztliche Einschätzung der Arbeitsfähigkeit erübrigen sich
diesbezügliche weitere Abklärungen.

5.
Der Beschwerdeführer beruft sich des Weiteren darauf, er leide unter
psychischen Beschwerden, welche in adäquat-kausalem Zusammenhang zum Unfall
vom 28. Mai 2002 stünden.

Das Vorliegen einer psychischen Gesundheitsschädigung ist nach Lage der
medizinischen Akten nicht erstellt: Dr. med. K.________, Psychiatrie und
Psychotherapie FMH, hat gemäss Bericht vom 20. April 2004 zuhanden des
Hausarztes Dr. med. R.________ kein psychisches Leiden mit Krankheitswert
diagnostiziert. Grund der Überweisung waren nächtliche Unruhezustände mit
teilweise aggressivem Verhalten sowie die Beurteilung der psychiatrischen
Möglichkeiten, die Rehabilitationschancen zu verbessern. Der Psychiater
stellte fest, dass das aggressive Verhalten mit Einführung einer
medikamentösen Behandlung (Saroten) eine eindeutige Besserung erfahren habe
und kein zusätzlicher Behandlungsbedarf bestehe.

6.
Bezüglich der erwerblichen Auswirkungen des Gesundheitsschadens wird in Bezug
auf das Invalideneinkommen gerügt, die SUVA habe zu dessen Ermittlung
lediglich vier statt der rechtsprechungsgemäss erforderlichen fünf
DAP-Blätter herangezogen (BGE 129 V 472). Dieser Einwand trifft nicht zu. Die
SUVA hat fünf DAP-Tätigkeiten ausgesucht, welche - nebst Berücksichtigung der
wechselnden Köperstellung - ausdrücklich auch einhändig verrichtet werden
können (betreffend DAP Nr. 6247 gemäss Arbeitsplatzbeschrieb), und die
entsprechenden Löhne mit Blick auf diese Einschränkung jeweils um bis einen
Drittel reduziert. Alsdann wurde der Durchschnitt der bereits herabgesetzten
fünf DAP-Löhne als Invalideneinkommen in die Vergleichsrechnung eingesetzt,
womit dem Leiden des Versicherten vollumfänglich Rechnung getragen wurde.

7.
Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird schliesslich eine höhere
Integritätsentschädigung beantragt. Deren Bemessung richtet sich laut Art. 25
Abs. 1 UVG nach der Schwere des Integritätsschadens. Gestützt auf Art. 25
Abs. 2 UVG hat der Bundesrat in Anhang 3 zur UVV Richtlinien für die
Bemessung der Integritätsschäden aufgestellt und in einer als gesetzmässig
erkannten, nicht abschliessenden Skala (BGE 124 V 29 E. 1b S. 32) häufig
vorkommende und typische Schäden prozentual gewichtet. Bei Verlust einer Hand
entspricht die Integritätsentschädigung nach dieser Skala 40 %, wobei gemäss
Ziff. 2 die völlige Gebrauchsunfähigkeit eines Organs dem Verlust
gleichgestellt wird. Eine völlige Gebrauchsunfähigkeit liegt hier indessen
nicht vor; wie sich aus den medizinischen Akten übereinstimmend ergibt, kann
der Versicherte seine rechte, dominante Hand wegen eingeschränkter
Beweglichkeit der Finger, (geringfügiger) Deformität der Langfinger, deutlich
verminderter Kraft und Schmerzen nur, aber immerhin noch als Hilfshand
einsetzen. Im Rahmen der Angemessenheitskontrolle (Art. 132 lit. a OG; vgl.
auch BGE 126 V 75 E. 6 S. 81), insbesondere aber auch mit Blick auf
vergleichbare Fälle (vgl. etwa Urteil M. vom 27. April 2007, U 470/06, N. vom
27. März 2007, U 339/05, und Q. vom 16. Oktober 1995, U 108/95) ist die
Einschätzung der Integritätseinbusse und damit die Höhe der zugesprochenen
Integritätsentschädigung nicht zu beanstanden.

8.
Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG; E. 1). Dem Begehren des
Beschwerdeführers auf unentgeltliche Verbeiständung (Art. 152 Abs. 2 OG) kann
nicht entsprochen werden, weil die prozessuale Bedürftigkeit nicht erstellt
ist. Unter Berücksichtigung der Einkommen beider Ehegatten (BGE 115 Ia 193 E.
3a S. 195, 108 Ia 9 E. 3 S. 10, 103 Ia 99 S. 101 mit Hinweisen) von
Fr. 3'185.- bzw. Fr. 5'367.-, des um 25 % erhöhten Grundbedarfs der
fünfköpfigen Familie und aller vom Beschwerdeführer im Erhebungsbogen für die
unentgeltliche Rechtspflege angegebenen Auslagen verbleibt ein monatlicher
Überschuss von gut Fr. 400.-. Angesichts dessen ist es dem Beschwerdeführer
zuzumuten, für die Anwaltskosten selbst aufzukommen, sollte er doch damit in
der Lage sein, die Kosten des Prozesses innert Jahresfrist zu tilgen (Pra
2006 Nr. 143 S. 987 [Urteil X. vom 9. Februar 2006], E. 1.2), falls er nicht
ohnehin in den Genuss des gewerkschaftlichen Rechtsschutzes gelangen sollte.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der unentgeltlichen
Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg,
Sozialversicherungsgerichtshof, und dem Bundesamt für Gesundheit schriftlich
mitgeteilt.

Luzern, 9. Januar 2008

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Ursprung Durizzo