Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 540/2006
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U 540/06

Urteil vom 11. Oktober 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Schüpfer.

N. ________, 1954,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher
Thomas Zbinden, Cité Bellevue 6, 1700 Freiburg,

gegen

Helsana Versicherungen AG, Zürichstrasse 130, 8600 Dübendorf,
Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Freiburg vom 19. September 2006.

Sachverhalt:

A.
Die 1954 geborene N.________ stand gemäss Arbeitsvertrag vom 23. April 2001
in der Zeit vom 18. April bis 15. Juli 2001 in einem auf drei Monate
befristeten Arbeitsverhältnis im Haushalt der Familie X.________. Sie war für
diese Tätigkeit bei der Helsana Versicherungen AG (im Folgenden: Helsana)
gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfällen versichert. Am 27. Juli
2001 erlitt N.________ einen Autounfall mit schwersten Beinverletzungen
beidseits, einer Rippenserienfraktur sowie Gesichts- und Schädelverletzungen.
Die Helsana erbrachte Heilbehandlung und richtete Taggelder aus. Mit
Verfügung vom 4. August 2005 sprach die Unfallversicherung N.________ ab
1. Februar 2005 eine Rente auf Grund eines Invaliditätsgrades von 58 % bei
einem versicherten Jahresverdienst von Fr. 5'660.- - entsprechend einer
monatlichen Rente von Fr. 219.- zuzüglich Teuerungszulage - und eine
Integritätsentschädigung basierend auf einem Integritätsschaden von 40 % zu.
Mit der dagegen gerichteten Einsprache rügte die Versicherte den der
Rentenberechnung zu Grunde gelegte versicherte Verdienst, während die
weiteren Verfügungselemente unbestritten blieben. Die Helsana wies die
Einsprache mit Entscheid vom 18. Januar 2006 ab.

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons
Freiburg mit Entscheid vom 19. September 2006 ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt N.________ beantragen, in Aufhebung
des kantonalen Entscheides sei ihr ab 1. Februar 2005 eine monatliche
Invalidenrente von Fr. 1'083.- zuzüglich Teuerungszulage, eventuell eine
solche von Fr. 1'306.50, subeventuell  eine Invalidenrente von Fr. 240.15
auszurichten.

Die Helsana Versicherungen AG und das Bundesamt für Gesundheit verzichten auf
Vernehmlassung zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden
das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu
einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt
(Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz
75) und es wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts
umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten
eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein
Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid
nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art 132 Abs. 1 BGG). Da
der kantonale Gerichtsentscheid am 19. September 2006 und somit vor dem 1.
Januar 2007 erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis 31.
Dezember 2006 in Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der
Bundesrechtspflege (OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S.
395).

2.
Streitig und zu prüfen ist, wie bereits im kantonalen Verfahren, einzig die
Höhe des versicherten Verdienstes, welcher der Berechnung der Invalidenrente
der Beschwerdeführerin zu Grunde zu legen ist. Die Auffassungen gehen
auseinander in der Frage, ob dieser auf den Betrag zu beschränken ist,
welcher die Versicherte auf Grund des zeitlich befristeten Arbeitsvertrages
vom 23. April 2001 erzielt hatte, wovon die Unfallversicherung und das
kantonale Gericht ausgehen, oder ob auch das Einkommen aus einem
Arbeitsverhältnis in der Zeit vom 27. bis 31. Juli 2000 bei Z.________ und
die Entgelte für die auf dem Bauernhof von Y.________ in der Zeit vom 1.
August 2000 bis 27. Juli 2001 verrichtete Arbeit bei der Bestimmung des
versicherten Verdienstes mitzuberücksichtigen sind, wovon die
Beschwerdeführerin ausgeht.

3.
3.1 Nach Art. 15 UVG werden Taggelder und Renten nach dem versicherten
Verdienst bemessen (Abs. 1). Als versicherter Verdienst gilt für die
Bemessung der Taggelder der letzte vor dem Unfall bezogene Lohn, für die
Bemessung der Renten der innerhalb eines Jahres vor dem Unfall bezogene Lohn
(Abs. 2). Gemäss Abs. 3 der Bestimmung setzt der Bundesrat den Höchstbetrag
des versicherten Verdienstes fest und bezeichnet die dazu gehörenden
Nebenbezüge und Ersatzeinkünfte; ferner erlässt er Bestimmungen über den
versicherten Verdienst in Sonderfällen. Als Grundlage für die Bemessung der
Renten gilt nach Art. 22 Abs. 4 Satz 1 UVV der innerhalb eines Jahres vor dem
Unfall bei einem oder mehreren Arbeitgebern bezogene Lohn. Dauerte das
Arbeitsverhältnis nicht das ganze Jahr, so wird der in dieser Zeit bezogene
Lohn auf ein volles Jahr umgerechnet (Art. 22 Abs. 4 Satz 2 UVV). Art. 22
Abs. 4 Satz 3 UVV sah in dem bis Ende 1997 gültig gewesenen Wortlaut vor,
dass bei einem Versicherten, der eine Saisonbeschäftigung ausübt, die
Umrechnung auf die normale Dauer dieser Beschäftigung beschränkt ist. Mit der
auf den 1. Januar 1998 in Kraft getretenen und hier anwendbaren
Verordnungsänderung vom 15. Dezember 1997 (AS 1998 151; BGE 124 V 227 Erw. 1)
wurde der letzte Satz wie folgt neu gefasst: "Bei einer zum Voraus
befristeten Beschäftigung bleibt die Umrechnung auf die vorgesehene Dauer
beschränkt." Das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Bundesgesetz vom 6.
Oktober 2000 über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG)
hat mit Bezug auf die obigen Bestimmungen materiell nichts geändert.

3.2 Art. 22 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 UVV regeln die Frage, ob der Verdienst
auf ein volles Jahr umzurechnen oder der effektiv erzielte Verdienst während
der beabsichtigten Beschäftigungsdauer anzurechnen ist (RKUV 1992 Nr. U 148
S. 124 Erw. 5c). Dabei wird bei unterjährigen Arbeitsverhältnissen vermutet,
dass die versicherte Person ganzjährig zu den gleichen Bedingungen gearbeitet
hätte, weshalb die Umrechnung nach Art. 22 Abs. 4 Satz 2 UVV auf zwölf Monate
zu erfolgen hat, so beispielsweise bei Stellenwechsel, Aufnahme einer
Erwerbstätigkeit, Wechsel von selbstständiger zu unselbstständiger
Erwerbstätigkeit. Bei versicherten Personen, die nur einen zeitlich
begrenzten Teil des Jahres erwerbstätig sind, erfolgt keine Umrechnung,
sondern es gilt als Verdienst derjenige während der vereinbarten Dauer, wie
etwa bei Studenten und Schülern, die nur ferienhalber arbeiten, und bei
Selbstständigerwerbenden, die sporadisch unselbstständige Arbeit leisten
(RKUV 1992 Nr. U 148 S. 120 Erw. 4c/aa). Die Neuformulierung von Art. 22 Abs.
4 Satz 3 UVV, wo anstelle von Saisonbeschäftigung nun von einer zum Voraus
befristeten Beschäftigung die Rede ist, übernimmt die Rechtsprechung, wonach
bei unterjährigen Arbeitsverhältnissen bei zum Vornherein befristeten
Tätigkeiten keine Umrechnung auf ein volles Jahr erfolgt (RKUV 1998 S. 90;
vgl. auch Urteile P. Vom 25. Oktober 2006, U 421/05, B. vom 22. September
2004, U 155/04, und H. vom 24. Juli 2001, U 16/01).

3.3 Die in Art. 22 Abs. 4 Satz 3 UVV vorgesehene Limitierung auf die
Beschäftigungsdauer hängt eng mit dem Äquivalenzprinzip zwischen versichertem
Verdienst und Prämienordnung zusammen. Dieser Grundsatz will sicherstellen,
dass bei den finanziell wichtigsten Versicherungsleistungen, wie bei den
Renten, von den gleichen Faktoren ausgegangen wird, die auch Basis für die
Prämienrechnung bilden. Saisonarbeiter und befristet Beschäftigte haben nur
Prämien von demjenigen Lohn zu entrichten, den sie während ihrer
Beschäftigungsdauer effektiv erzielen, und nicht auf Grund eines
hypothetischen, hochgerechneten Jahreseinkommens (BGE 118 V 301 Erw. 2b).
Entscheidendes Kriterium für eine von Art. 15 Abs. 2 UVG abweichende
Ermittlung des versicherten Verdienstes bildet die infolge zeitlich
reduzierter Erwerbstätigkeit eingetretene Verdiensteinbusse, indem die
versicherte Person während einer gewissen Zeitspanne innerhalb der für die
Bestimmung des versicherten Verdienstes massgebenden Periode keine Einkünfte
hatte (RKUV 1990 Nr. U 114 S. 387 Erw. 3c und d).

4.
4.1 Art. 22 Abs. 4 Satz 3 UVV hat also lediglich den für die Umrechnung
massgebenden Zeitraum zum Gegenstand, wenn im Moment des Unfallereignisses
eine zum Voraus befristete Beschäftigung ausgeübt wird. Diese Bestimmung wird
nicht nach Sinn und Zweck interpretiert, wenn geschlossen wird, sie gelte
allgemein für alle zum voraus zeitlich beschränkten Arbeitsverhältnisse. Denn
eine zum voraus befristete Beschäftigung ist nach dem oben in Erwägung 3.3
Gesagten nicht gleichzusetzen mit einem zum voraus zeitlich beschränkten
Arbeitsverhältnis (Urteil P. vom 25. Oktober 2006, U 421/05). Eine andere
Sichtweise führte in Fällen, in welchen ein betroffener Arbeitnehmer im
Moment des Unfalles seit längerer Zeit voll im Erwerbsleben als
unselbstständig Erwerbender stand, zu stossenden, mit der Regelung in Art. 22
Abs. 4 Satz 3 UVV (in der früheren und der geltenden Fassung) nicht
beabsichtigten Ergebnissen.

4.2 Massgebend kann nach dem Gesagten nicht alleine sein, dass der
Arbeitsvertrag mit der Familie X.________ nicht auf unbestimmte Zeit
abgeschlossen worden ist. Es gilt vielmehr darüber zu befinden, ob dieses
Arbeitsverhältnis in einer Reihe anderer stand und ob die Beschwerdeführerin
auch weiterhin beabsichtigte, erwerbstätig zu sein. Nicht entscheidend,
sondern lediglich ein Indiz für eine unselbstständige Erwertstätigkeit ist
dabei ein entsprechender Eintrag im individuellen Konto gemäss AHVG. Dass
tatsächlich Arbeit gegen Entgelt geleistet wurde, kann auch mit anderen
Beweismitteln untermauert werden. Dabei gilt jedes Entgelt inklusive
Naturalleistungen als massgebender Lohn im Sinne von Art. 5 Abs. 1 AHVG.
Beitragspflichtig und daher verantwortlich, dass für Lohn auch
Sozialversicherungsbeiträge entrichtet werden, die Eingang im individuellen
Konto finden, ist der Arbeitgeber (Art. 12 Abs. 2 AHVG). Falls solche
Beitragszahlungen unterlassen worden sein sollten, ist dies also nicht der
Beschwerdeführerin anzulasten.

4.3 Bereits im Einspracheverfahren und wiederum im kantonalen und
letztinstanzlichen Gerichtsverfahren hat die Beschwerdeführerin dargelegt,
dass sie in der relevanten Zeit vom 27. Juli 2000 bis 26. Juli 2001, also
während eines Jahres vor dem Unfall, ständig in einem Arbeitsverhältnis
stand. Diese Behauptung ist insofern nicht von der Hand zu weisen, als auf
Grund des IK-Auszuges feststeht, dass die Beschwerdeführerin seit ihrer
Scheidung im Januar 1999 immer einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, was
angesichts der Tatsache, dass ihr Unterhaltszahlungen von lediglich
Fr. 1200.- geschuldet waren, auch nachvollziehbar ist. Die Helsana wird in
Nachachtung ihrer Abklärungspflicht daher den diesbezüglichen Sachverhalt
nochmals eingehend zu eruieren haben. Das wird beispielsweise durch Anhörung
von Zeugen wie Familienangehörigen, Freunden und anderen Personen, die
regelmässig auf dem Hof der Familie Y.________ verkehrten, zu geschehen
haben. Zudem ist mittels Bankbelegen oder ähnlichem zu erforschen, ob
Y.________ - wie behauptet - Rechnungen der Beschwerdeführerin bezahlt hat,
um welche Beträge es sich dabei handelte und ob diese in einem vernünftigen
Verhältnis zu Arbeitsleistungen der Betroffenen stehen. Weiter wird auch
abzuklären sein, ob die Beschwerdeführerin nach dem Engagement bei der
Familie X.________ weitere Arbeitsstellen suchte. Erst auf Grund der mit
einer eingehenden Abklärung des Sachverhaltes zu erreichenden Erkenntnisse
wird es möglich sein zu entscheiden, ob die Erwerbstätigkeit der Versicherten
zeitlich befristet im Sinne von Art. 22 Abs. 4 Satz 3 UVV war, oder lediglich
als ein Glied in einer Abfolge jeweils zeitlich begrenzter Tätigkeiten stand.
Je nach dem wird der versicherte Verdienst nach dem Gesagten mit der Summe
des während eines Jahres verdienten, oder nur mit dem Betrag, des beim
letzten Arbeitgeber erzielten Lohnes beziffert werden.

5.
5.1 Im vorliegenden Verfahren geht es um die Bewilligung oder Verweigerung
von Versicherungsleistungen, weshalb von der Auferlegung von Gerichtskosten
abzusehen ist (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend ist der
Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 135 in
Verbindung mit Art. 159 OG).

5.2 Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde macht der Rechtsvertreter der
Beschwerdeführerin ein Honorar von Fr. 3046.- zuzüglich Auslagen von
Fr. 38.90 und Mehrwertsteuer von Fr. 234.45 geltend. Indessen handelt es sich
bei der vorliegenden Streitsache nicht um eine überaus komplizierte
Angelegenheit, welche ein Abweichen von dem sich auf Fr. 2500.- (Auslagen und
Mehrwertsteuer inbegriffen) belaufenden Ansatz, den das Bundesgericht einer
anwaltlich vertretenen Versicherten im Normalfall zuspricht, rechtfertigen
würde (vgl. RKUV 1996 Nr. U 259 S. 261). Über eine Parteientschädigung im
vorinstanzlichen Verfahren wird das kantonale Gericht entscheiden, an das die
Sache in diesem Punkt zurück geht.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird teilweise gutgeheissen. Der Entscheid
des Verwaltungsgerichts des Kantons Freiburg, Sozialversicherungsgerichtshof,
vom 19. September 2006 und der Einspracheentscheid der Helsana Versicherungen
AG vom 18. Januar 2006 werden aufgehoben, soweit sie den versicherten
Verdienst für die Rentenberechnung betreffen. Die Sache wird an die
Unfallversicherung zurückgewiesen, damit sie den Sachverhalt im Sinne der
Erwägungen weiter abklärt und neu über den Anspruch der Beschwerdeführerin
verfügt.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem
Bundesgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) zu bezahlen.

4.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg, Sozialversicherungsgerichtshof
wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend
dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden haben.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Freiburg,
Sozialversicherungsgerichtshof, und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 11. Oktober 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: