Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 533/2006
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U 533/06

Urteil vom 27. August 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Polla.

B. ________, 1969, Beschwerdeführerin, vertreten durch ihren Ehemann,
H.________, und dieser vertreten durch Fürsprecher Beat Müller-Roulet,
Schwarztorstrasse 28, 3007 Bern,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1,
6004 Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern vom 29. September 2006.

Sachverhalt:

A.
Die 1969 geborene B.________ war vom 8. März 1999 bis 31. Januar 2001 als
Abpackerin im Umfang von 50 % bei der Firma X.________ AG tätig gewesen und
damit bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen die
Folgen von Unfällen versichert.
Am 13. Oktober 2000 meldete sie sich unter Hinweis auf Rücken- Bein- und
Kniebeschwerden bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die
IV-Stelle verneinte mit Verfügung vom 5. Dezember 2002 einen Anspruch auf
Invalidenrente. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht
des Kantons Bern ab (Entscheid vom 25. Januar 2005), welchen Entscheid das
Eidgenössische Versicherungsgericht (heute Bundesgericht) mit Urteil vom 9.
August 2005, I 151/05, bestätigte.
Am 24. Oktober 2002 teilte der Rechtsvertreter von B.________ der ehemaligen
Arbeitgeberin mit, die Versicherte sei am 13. September 1999 beim
Käseportionieren verunfallt, indem sie ausgerutscht und auf das Gesäss
gefallen sei. Am 13. November 2002 erstattete er der SUVA dieselbe
Unfallmeldung. Nach medizinischen Abklärungen verneinte die SUVA mit
Verfügung vom 16. April 2004 ihre Leistungspflicht, da kein Unfallereignis im
Rechtssinne vorliege. Daran hielt sie auf Einsprache hin fest
(Einspracheentscheid vom 30. Juni 2005).

B.
Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
mit Entscheid vom 29. September 2006 ab.

C.
B.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Rechtsbegehren,
der kantonale Gerichtsentscheid sei aufzuheben und die Sache zur neuen
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen; der Vorfall vom 13. September
1999 sei als Unfall anzuerkennen und die SUVA sei zu verpflichten, die
gesetzlichen Leistungen zu erbringen. Im Weitern sei ihr für das kantonale
und das letztinstanzliche Verfahren die unentgeltliche Rechtspflege zu
bewilligen.
Die SUVA beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt
für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Der
angefochtene Entscheid ist indessen vorher ergangen, weshalb sich das
Verfahren noch nach dem Bundesgesetz über die Organisation der
Bundesrechtspflege vom 16. Dezember 1943 (OG) richtet (Art. 132 Abs. 1 BGG;
BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
In formellrechtlicher Hinsicht rügt die Beschwerdeführerin, das
vorinstanzliche Gericht sei nicht gehörig besetzt gewesen, da es nur in
Zweier- anstatt Dreierbesetzung geurteilt habe. Entgegen dieser Ansicht ist
nicht ersichtlich, inwiefern hier das kantonale Gericht in korrekter
Anwendung kantonalen Prozessrechts (vgl. Art. 61 ATSG) gestützt auf Art. 126
Abs. 3 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege des Kantons Bern (VRPG;
in der hier anwendbaren Fassung vom 17. September 2003), welches festlegt,
dass die Spruchbehörde offensichtlich begründete oder offensichtlich
unbegründete Fälle in Zweierbesetzung beurteilt, grundlegende
Verfahrensvorschriften - auch im Sinne des verfassungsmässigen
Gehörsanspruchs gemäss Art. 29 BV - verletzt haben sollte.

3.
Materiellrechtlich streitig und zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin am
13. September 1999 einen Unfall im Sinne von alt Art. 9 Abs. 1 UVV (in Kraft
gewesen bis 31. Dezember 2002) erlitten hat.

3.1 Das kantonale Gericht hat die Bestimmungen und Grundsätze über den
Unfallbegriff (alt Art. 9 Abs. 1 UVV) sowie die Rechtsprechung zum
Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors (BGE 122 V 230 E. 1
S. 233 mit Hinweisen; vgl. RKUV 2004 Nr. U 530 S. 576, U 123/04, E.1.2)
richtig dargelegt. Darauf wird verwiesen.

3.2 Die Vorinstanz hat einlässlich und mit in allen Teilen überzeugender
Begründung, auf die verwiesen wird, erwogen, dass der von der
Beschwerdeführerin behauptete Sachverhalt, wonach sie beim Käseschneiden
ausgeglitten und zu Boden gestürzt sei, mangels glaubhaft dargelegter
Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors im Sinne einer unkoordinierten
Bewegung, nicht als Unfall im Rechtssinne zu qualifizieren ist. Was
letztinstanzlich dagegen vorgebracht wird, vermag zu keinem abweichenden
Ergebnis zu führen. Sämtliche initialen medizinischen Akten und Aussagen der
Versicherten lassen den Schluss nicht zu, dass eine unkoordinierte Bewegung -
d.h. eine Störung der körperlichen Bewegung durch etwas "Programmwidriges"
wie Stolpern, Ausgleiten, Anstossen oder ein reflexartiges Abwehren eines
Sturzes etc. (RKUV 2000 Nr. U 368 S. 100 E. 2d, U 335/98; 1999 Nr. U 345
S. 422 E. 2b, U 114/97 mit Hinweisen und 1999 Nr. U 333 S. 199 E. 3c/aa, U
246/96) - oder ein mit Blick auf die Konstitution und die berufliche oder
ausserberufliche Gewöhnung der Versicherten ausserordentlicher Kraftaufwand
(eine sinnfällige Überanstrengung) beim Heben oder Verschieben einer Last -
(BGE 116 V 139 E. 3b mit Hinweisen) vorlag. Gemäss Bericht des
Regionalspitals Y.________ vom 14. September 1999 wurde die Versicherte am
Tag des Ereignisses vom 13. September 1999 aufgrund von rechtsseitigen
Leistenschmerzen und einem Kollaps mit Schütteln und fraglicher
Hyperventilation ambulant behandelt, wobei einleuchtend und nachvollziehbar
dargelegt wurde, es sei aufgrund der Schmerzen zu einem Tonusverlust mit
Zusammensinken gekommen; dass sie ausgerutscht und somit gestürzt sei, wurde
nirgends erwähnt. Nichts anderes ergibt sich aus der
konsiliarisch-psychiatrischen Untersuchung am Regionalspital Y.________ vom
15. September 1999, wonach die Beschwerdeführerin am 13. September 1999 wegen
rechtsseitigen Leistenschmerzen und Kollaps mit Schütteln auf die
Intensivstation gekommen sei und ohne somatischen Befund nach wenigen Stunden
entlassen werden konnte. Gegenüber Dr. med. I.________, Oberarzt Psychiatrie,
welcher den Verdacht auf eine Somatisierungsstörung (ICD-10: F45.0;
differentialdiagnostisch: hypochondrische Störung) äusserte, gab die
Versicherte am 15. September an: "Vor zwei Tagen habe sie während der Arbeit
um 11.00 Uhr Schmerzen in der rechten Leiste verspürt und keine Kraft mehr im
Bein gehabt (...). Gestern habe sie zu Hause nicht mehr laufen können,
weswegen es erneut zur Hospitalisation gekommen sei, (...)". Auch gegenüber
einer hinzugerufenen Betriebsmitarbeiterin, welche die Versicherte am Boden
liegend fand, machte sie starke Unterleibsschmerzen mit Ausstrahlung in die
Beine geltend (SUVA-Protokoll vom 11. März 2003). Erst im Bericht des
Inselspitals Z.________ vom 20. Februar 2001 findet sich unter den
anamnestischen Angaben der Hinweis auf ein am 13. September 1999 erlittenes
leichtes Trauma, da sie beim Arbeiten zu Boden gestürzt sei. Eine
Programmwidrigkeit in der Bewegung im Sinne eines Ausrutschen oder Ausgleiten
wurde auch hier nicht erwähnt. Überdies ist dabei zu beachten, dass sich der
medizinische Begriff des Traumas nicht mit dem Unfallbegriff deckt. Ein
traumatisches Ereignis oder Trauma im medizinischen Sinne kann neben dem
eigentlichen Unfall im Rechtssinne auch Ereignisse umfassen, denen der
Charakter der Ungewöhnlichkeit und/oder der Plötzlichkeit abgeht (nicht publ.
E. 1 des Urteils BGE 130 V 380 mit Hinweis; Urteil U 71/05 vom 9. August
2006, E. 3.1). Auch daraus, dass bei oder nach einer Körperbewegung Schmerzen
auftreten, kann allein nicht auf eine ungewöhnliche Ursache im Sinne eines
programmwidrig gestörten Ablaufs geschlossen werden (Urteil U 258/04 vom 23.
November 2006, E. 3.2 mit Hinweis). Damit vermag die Beschwerdeführerin weder
die einzelnen Umstände des von ihr geschilderten Unfallgeschehens glaubhaft
zu machen, noch dass die unmittelbare Ursache der Schädigung unter besonders
sinnfälligen Umständen gesetzt worden ist (BGE 99 V 136 E. 1 S. 138; RKUV
1996 Nr. U 253 S. 199, U 219/95, E. 4d mit Hinweisen). Es besteht nach dem
Gesagten kein Anlass für weitere medizinische Abklärungen. Eine Verletzung
des rechtlichen Gehörs liegt nicht vor, weshalb es beim vorinstanzlichen
Entscheid sein Bewenden hat.

4.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist offensichtlich unbegründet, weshalb sie
im Verfahren nach Art. 36a OG erledigt wird.

5.
Rechtsprechungsgemäss sind in der Regel die Voraussetzungen für die
Bewilligung der unentgeltlichen Verbeiständung erfüllt, wenn der Prozess
nicht aussichtslos, die Partei bedürftig und die anwaltliche Verbeiständung
notwendig oder doch geboten ist (BGE 125 V 201 E. 4a S. 202, 371 E. 5b S.
372, je mit Hinweisen). Der vorinstanzliche Entscheid, das Gesuch um
unentgeltliche Verbeiständung abzuweisen, war korrekt, weil auf Grund der
eindeutigen Aktenlage offensichtlich der Unfallbegriff nicht erfüllt war.
Nachdem die Vorinstanz in ihrem Entscheid die Rechtslage noch einmal
einlässlich darlegte und begründete und in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
dagegen nichts Erhebliches vorgebracht wird, ist diese ebenso von vornherein
als aussichtslos zu betrachten. Dem Gesuch um Bestellung eines
unentgeltlichen Rechtsbeistandes für das vor- und letztinstanzliche Verfahren
ist darum nicht stattzugeben. Die SUVA stellt den Antrag, es seien dem
Rechtsvertreter der Versicherten - dem Verursacherprinzip folgend - wegen
Unbelehrbarkeit Gerichtskosten aufzuerlegen. Obschon die Beschwerdeführung an
Mutwilligkeit grenzt (SVR 2007 IV Nr. 19 S. 68, E. 2, I 252/06), wird von der
Erhebung von Gerichtskosten abgesehen (Art. 134 OG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.

Luzern, 27. August 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: