Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 530/2006
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U 530/06
Urteil vom 25. Oktober 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Lustenberger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Weber Peter.

J. ________, 1957, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Reto
Zanotelli, Weinbergstrasse 43, 8006 Zürich,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1,
6004 Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des
Sozialversicherungsgerichts des Kantons Zürich vom 21. September 2006.

Sachverhalt:

A.
J. ________, geboren 1957, im Rahmen seiner Anstellung bei der Firma
A.________, bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
obligatorisch gegen die Folgen von Berufs- und Nichtsberufsunfällen
versichert, war am 17. März 2003 in der Mittagspause beim Gehen die
Uferstufen am Zürichsee hinuntergestürzt. Dabei hatte er sich gemäss Bericht
der erstbehandelnden Aerztin Dr. med. F.________ (vom 29. Mai 2003)
Kontusionen der Lendenwirbelsäule, beider Schultern (rechts mehr als links)
sowie des oberen rechten Sprunggelenks zugezogen. Die SUVA erbrachte die
gesetzlichen Leistungen (Heilbehandlung und Taggeld). Nach verschiedenen
Abklärungen und Behandlungen erfolgte aufgrund der chronischen und
therapieresistenten tieflumbalen Schmerzen vom 10. Juni bis 8. September 2004
eine arbeitsbezogene Rehabilitation im Spital X.________, Rheumaklinik und
Institut für Physikalische Medizin (Bericht vom 14. September 2004). In der
Folge stellte die SUVA aufgrund der kreisärztlichen Beurteilung des Dr. med.
W.________ (vom 25. November 2004) mit Verfügung vom 17. Januar 2005 die
Versicherungsleistungen per 28. Februar 2005 ein. Daran hielt sie mit
Einspracheentscheid vom 23. März 2005 fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des
Kantons Zürich ab (Entscheid vom 21. September 2006).

C.
Der Versicherte lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem
Rechtsbegehren, in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides habe die SUVA
auch nach dem 28. Februar 2005 weiterhin Leistungen aus Unfallversicherung
auszurichten.

Während die SUVA auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst,
verzichtet das Bundesamt für Gesundheit auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni 2005 (BGG; SR 173.110)
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Da der
angefochtene Entscheid vorher ergangen ist, richtet sich das Verfahren noch
nach dem Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 16.
Dezember 1943 (OG; Art. 132 Abs. 1 BGG; BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
2.1 Streitig und zu prüfen ist der Anspruch des Versicherten auf Leistungen
der obligatorischen Unfallversicherung (Heilbehandlung, Taggeld) über den im
Einspracheentscheid festgesetzten Terminierungszeitpunkt vom 28. Februar 2005
hinaus. Im kantonalen Gerichtsentscheid und im Einspracheentscheid werden die
für die Beurteilung massgebenden Rechtsgrundlagen, insbesondere auch zum für
einen Leistungsanspruch aus der obligatorischen Unfallversicherung
erforderlichen natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen dem
Unfall und dem eingetretenen Schaden, zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen.

2.2 Zu betonen bleibt, dass die Leistungspflicht des Unfallversicherers bei
einem durch den Unfall verschlimmerten oder überhaupt erst manifest
gewordenen krankhaften Vorzustand entfällt, wenn der Unfall nicht die
natürliche und adäquate Ursache des fortbestehenden Gesundheitsschadens
darstellt, wenn also Letzterer nur noch und ausschliesslich auf unfallfremden
Ursachen beruht. Dies trifft dann zu, wenn entweder der (krankhafte)
Gesundheitszustand erreicht ist, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden
hat (status quo ante), oder aber derjenige Zustand, wie er sich nach dem
schicksalsmässigen Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch ohne Unfall
früher oder später eingestellt hätte (status quo sine; RKUV 1994 Nr. U 206 S.
328 E. 3b, U 180/93, mit Hinweisen). Ebenso wie der leistungsbegründende
natürliche Kausalzusammenhang muss das Dahinfallen jeder kausalen Bedeutung
von unfallbedingten Ursachen eines Gesundheitsschadens mit dem im
Sozialversicherungsrecht üblicherweise massgebenden Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Da es sich um eine
anspruchsaufhebende Tatfrage handelt, liegt die Beweislast nicht beim
Versicherten, sondern beim Unfallversicherer (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 46 E. 2,
U 355/98, mit Hinweisen). Dieser muss jedoch nicht den Beweis für
unfallfremde Ursachen erbringen. Welche Ursachen ein nach wie vor geklagtes
Leiden hat, ist unerheblich. Entscheidend ist allein, ob die unfallbedingten
Ursachen eines Gesundheitsschadens ihre kausale Bedeutung verloren haben,
also dahingefallen sind (RKUV 1994 Nr. U 206 S. 329 E. 3b, U 180/93). Ebenso
wenig geht es darum, vom Unfallversicherer den negativen Beweis zu verlangen,
dass kein Gesundheitsschaden mehr vorliege oder dass die versicherte Person
nun bei voller Gesundheit sei (Urteile O. vom 31. August 2001, U 285/00,
sowie R. vom 11. Juni 2007, U 290/06 mit Hinweisen).

3.
Die Vorinstanz hat aufgrund der medizinischen Akten erwogen, die geltend
gemachte Dekonditionierung der Muskulatur und Stabilität der Wirbelsäule sei
zwar mit dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis vom 17. März 2003
zurückzuführen und mithin der natürliche Kausalzusammenhang gegeben. Unter
Berücksichtigung der dem Beschwerdeführer zumutbaren Willensanstrengung zur
Ueberwindung der Dekonditionierung habe die Verwaltung ihre Leistungspflicht
jedoch zu Recht verneint.

Demgegenüber macht der Versicherte geltend, der Vorwurf der Verletzung der
Schadenminderungspflicht erweise sich als absolut haltlos und sei weder durch
die medizinischen Berichte noch durch eine in den Erwägungen erwähnte
allgemeine "medizinische Erfahrungstatsache" begründet. Es liege ein
Gesundheitsschaden vor, der durch die unfallbedingte Schwächung der
Wirbelsäulen-Muskulatur sowie der Wirbelsäulen-Stabilität verursacht worden
sei.

4.
4.1 Aufgrund der umfassenden medizinischen Aktenlage steht fest und ist
unbestritten, dass beim Beschwerdeführer keine posttaumatischen strukturellen
Verletzungen im Bereich der Lendenwirbelsäule vorliegen. Zudem bestanden
bereits im Zeitpunkt des Unfalles mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
leichte lumbale Degenerationen im Sinne einer leichten Spondylose und einer
minimalen Spondylarthrose. Während die Beschwerden an den Schultern und im
rechten oberen Sprunggelenk (OSG) im Heilungsverlauf abgeklungen waren,
hielten die tieflumbal lokalisierten lumbovertebralen Beschwerden an. Gemäss
den übereinstimmenden Feststellungen der Fachärzte der Rheumaklinik des
Spitals X.________ (vom 26. Februar und vom 14. September 2004) und des
SUVA-Kreisarztes Dr. med. W.________ (vom 25. November 2004) liegt seit dem
Frühjahr 2004 ein chronisches lumbovertebrales bis lumbospondylogenes Syndrom
beidseits, bei Wirbelsäulenfehlform/-fehlhaltung mit lumbalem Flachrücken und
leichten degenerativen Veränderungen lumbal bei deutlicher muskulärer
Insuffizienz (der Rumpfmuskulatur/Stabilisierung sowie im
Brustwirbelsäulenbereich und lumbal) vor, wodurch die Arbeitsfähigkeit des
Versicherten in der angestammten Tätigkeit erheblich einschränkt ist. Zudem
besteht eine Chronifizierungstendenz mit Verdacht auf Symptomausweitung.

4.2 Nach geltender Rechtsprechung betreffend Kausalzusammenhang zwischen
Unfall und degenerativen Rückenbeschwerden ist eine signifikante und damit
dauernde Verschlimmerung einer vorbestandenen degenerativen Schädigung der
Wirbelsäule, hervorgerufen durch einen Unfall, nur dann überwiegend
wahrscheinlich, wenn die Radioskopie ein plötzliches Zusammensinken der
Wirbel sowie das Auftreten und Verschlimmern von Verletzungen aufgrund eines
Traumas aufzeigt (RKUV 2000 Nr. U 363 S. 45 mit Hinweisen). Medizinisch ist
lediglich von einer vorübergehenden Verschlimmerung auszugehen, wenn nach
einer unfallbedingten Kontusion der Wirbelsäule eine bisher stumme,
vorbestehende Spondylarthrose, Spondylose oder eine andere degenerative
Wirbelsäulenerkrankung symptomatisch wird (Debrunner/Ramseier, Die
Begutachtung von Rückenschäden in der schweizerischen sozialen
Unfallversicherung, Bern 1990, S. 52). Die zeitliche Dauer, während welcher
eine vorbestehende Wirbelsäulenerkrankung durch einen Unfall - bei Fehlen
unfallbedingter Wirbelkörperfrakturen oder struktureller Läsionen an der
Wirbelsäule - im Sinne einer vorübergehenden Verschlimmerung beeinflusst
wird, beträgt nach unfallmedizinischer Erfahrung sechs bis neun Monate,
längstens jedoch ein Jahr (Morscher/Chapchal, Schäden des Stütz- und
Bewegungsapparates nach Unfällen, in: Baur/Nigst, Versicherungsmedizin, 2.
Aufl., Bern 1985, S. 192; Debrunner/Ramseier, a.a.O., S. 52; vgl. auch
Bär/Kiener, Prellung, Verstauchung oder Zerrung der Wirbelsäule, Medizinische
Mitteilungen der SUVA [Schweizerische Unfallversicherungsanstalt] Nr. 67 von
Dezember 1994, S. 45 f.). Es handelt sich dabei um einen unfallmedizinisch
allgemein anerkannten Verlauf vorbestehender Wirbelsäulenerkrankungen nach
einem Unfallereignis ohne strukturelle Verletzungen der Wirbelsäule (Urteil
R. vom 11. Juni 2007 U 290/06 E. 4.2.1). Wenn der Kreisarzt Dr. med.
W.________ in seiner Kausalitätsbeurteilung vom 25. November 2004 festhält,
der Unfallmechanismus und der Verlauf erklärten die persistierende
Symptomatologie nicht, stimmt dies mit den allgemein anerkannten
Erkenntnissen der Unfallmedizin überein.

4.3 Vor diesem Hintergrund ist mit Blick auf die gezeigte medizinische
Ausgangslage der natürliche Kausalzusammenhang zwischen den anhaltenden
Beschwerden und dem Unfall vom 17. März 2003 nicht mehr mit überwiegender
Wahrscheinlichkeit gegeben. Die Einstellung der Leistungen der
Unfallversicherung per 28. Februar 2005 ist damit im Ergebnis nicht zu
beanstanden.

4.4 Die Einwendungen des Beschwerdeführers vermögen nicht zu einer anderen
Betrachtungsweise zu führen. Insbesondere kann er aus der Feststellung der
Vorinstanz, dass der Unfall zumindest eine Teilursache der Dekonditionierung
der Muskulatur und der Stabilität der Wirbelsäule sei, nichts zu seinen
Gunsten ableiten. Auch wenn die Dekonditionierung teilweise unfallkausal ist,
vermag dies in Anbetracht der geltenden Rechtsprechung keine weitergehende
Leistungspflicht des Unfallversicherers zu begründen. Es handelt sich
überdies nicht um eine Diagnose mit Krankheitswert. Mithin ist entgegen der
Vorinstanz die Frage der Verletzung der Schadenminderungspflicht, welche dem
Versicherten nach Lage der Akten allerdings nicht vorgehalten werden kann,
vorliegend nicht relevant.

erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 25. Oktober 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

i.V. Lustenberger Weber Peter