Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 526/2006
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U 526/06

Urteil vom 27. August 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Heine.

H. ________, 1960, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Marc R.
Bercovitz, Jurastrasse 15, 2502 Biel,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1,
6004 Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern vom 26. September 2006.

Sachverhalt:

A.
Der 1960 geborene H.________ arbeitete vom 12. Mai 1997 bis 7. Februar 2000
in der Firma S.________ AG als Metallbauschlosser und war damit bei der
Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen die
Folgen von Unfällen versichert. Am 7. Februar 2000 traf ihn eine
herunterfallende Platte, wodurch er fünf Meter tief vom Gerüst fiel und dabei
Rippenbrüche, einen Fussbruch und eine Gehirnerschütterung erlitt. Mit
Verfügung vom 6. Juni 2002 und in Rechtskraft erwachsenem Einspracheentscheid
vom 19. September 2002 sprach die SUVA dem Versicherten eine
Integritätsentschädigung auf der Basis eines Integritätsschadens von 30 % zu.
Am 24. Mai 2005 sprach die IV-Stelle Bern H.________ eine halbe
Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 56 % ab 1. Februar 2001 zu.
Nach weiteren medizinischen Abklärungen verfügte die SUVA am 22. November
2005 eine Invalidenrente gestützt auf eine Erwerbsunfähigkeit von 34 % ab 1.
Dezember 2005. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 22. März 2006
fest.

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern
ab (Entscheid vom 26. September 2006).

C.
H.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und folgendes
Rechtsbegehren stellen: Es sei ihm in Aufhebung des vorinstanzlichen
Entscheids sowie des Einspracheentscheids eine Rente für eine
Erwerbsunfähigkeit von mindestens 65 % auszurichten.

Die SUVA beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das
Bundesamt für Gesundheit auf Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden
das Eidg. Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu einem
einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt (Seiler/von
Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz. 75) und es
wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts umfassend neu
geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten
Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch
nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses
Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der kantonale Entscheid am
26. September 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet
sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen
Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16.
Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Verwaltung und Vorinstanz haben die Bestimmungen über den Anspruch auf
Heilbehandlung (Art. 10 Abs. 1 UVG) und Taggelder (Art. 16 Abs. 1 und 2 UVG)
sowie die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des
Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen
dem Unfall und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod)
zutreffend dargelegt (BGE 119 V 335 E. 1 S. 337). Entsprechendes gilt für die
von der Judikatur entwickelten Grundsätze zum Erfordernis des adäquaten
Kausalzusammenhanges im Allgemeinen (BGE 125 V 456 E. 5a S. 461) sowie bei
psychischen Unfallfolgen im Besonderen (BGE 115 V 133), zur Bemessung der
Integritätsentschädigung (BGE 116 V 156 E. 3a S. 157) und zum Beweiswert
medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 122 V 157 E. 1c S. 160). Darauf
wird verwiesen.

3.
Streitig ist, ob die psychischen Beschwerden unfallbedingt und in natürlich
kausaler Weise auf den versicherten Unfall vom 7. Februar 2000 zurückzuführen
sind.

3.1 Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer neurologische und
neuropsychologische Defizite aufweist, die in einer 50%igen
Arbeitsunfähigkeit resultieren. Hingegen verneint die Vorinstanz den
natürlichen Kausalzusammenhang, weil gestützt auf die medizinischen
Unterlagen die objektivierten kognitiven Defizite sich nicht durch den Unfall
erklären liessen und diese eher dem jahrelangen Alkoholkonsum zuzuschreiben
seien.

3.2 In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird vorgebracht, der natürliche
Kausalzusammenhang könne nicht bereits wegen des Alkoholkonsums verneint
werden, da eine erneute Begutachtung nach einer Alkoholabstinenz erforderlich
sei, um genauer die Ursache der Defizite identifizieren zu können. Ferner
hätten die Ärzte der Klinik X._______ und ABI nicht die Röntgenbilder des
Universitätsspitals Y.________ konsultiert, sondern ihre Befunde nur auf den
Austrittsbericht abgestützt.

3.3 Im Austrittsbericht des Universitätsspitals Y.________ vom 28. Februar
2000 stellten die Ärzte die umbestrittenen somatischen Befunde und eine
Commotio cerebri fest. Bezüglich den bildgebenden Untersuchungen wurde die
Computertomographie des Schädels als unauffällig bezeichnet. Anlässlich der
Untersuchung vom 12. Januar 2004 hielt Dr. med. F.________, Psychiatrie,
Aerztliches Begutachtungsinstitut GmbH (ABI), im Gutachten vom 11. März 2004
fest, die angegebenen kognitiven Schwierigkeiten seien auf einen überhöhten
Alkoholkonsum zurückzuführen. Obwohl der Versicherte den Konsum von Alkohol
vor der Untersuchung verneint habe, hätten die Laborresultate Alkohol im Blut
und erhöhte Leberenzymwerte ergeben. Im Sinne einer besseren Abgrenzung der
kognitiven Schwierigkeiten müsse der Versicherte mehrere Wochen oder Monate
den Alkoholkonsum stoppen, um dann neuropsychologische Abklärungen vornehmen
zu können. Im neuropsychologischen Bericht vom 21. September 2004 bestätigten
Dr. med. B.________, Chefarzt, und Frau Lic. Phil. A.________, Psychologin
FSP Neuropsychologin, Klinik X.________, Neurorehabilitation
Parkinson-Zentrum Epileptologie, neuropsychologische Defizite und schlossen
gestützt auf den Austrittsbericht des Universitätsspitals Y.________ eine
Kausalität zwischen dem Unfall und den objektivierten Beschwerden aus. Auf
Grund der neurologischen Untersuchung verneinte auch Frau Dr. med.
R.________, Oberärztin, Klinik X.________, Neurorehabilitation
Parkinson-Zentrum Epileptologie, in ihrem Bericht vom 4. Februar 2005 eine
Kausalität zwischen dem Unfall vom 7. Februar 2000 und den kognitiven
Einschränkungen, während sie den jahrelangen Alkoholabusus als Ursache in
Betracht zog. Im Arztzeugnis vom 23. Mai 2005 führt der Hausarzt Dr. med.
K.________, Allgemeine Medizin FMH, aus, der Beschwerdeführer habe zwischen
Oktober 2004 und Mai 2005 den Alkoholkonsum massiv eingeschränkt und sei mit
dem Ergebnis zufrieden.

Zwar ist richtig, dass die Beurteilung, ob ein natürlicher Kausalzusammenhang
zwischen einem Unfall und den eingetretenen Gesundheitsschädigungen besteht,
eine Tatfrage ist, über welche die Verwaltung und im Beschwerdefall das
Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit dem im Sozialversicherungsrecht
herrschenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu befinden
haben. Hinsichtlich der Kausalität findet sich in den Akten keine eindeutige
ärztliche Zuordnung der psychischen Beschwerden. Die kognitiven Defizite
bestehen zwar, was für die Bejahung der Unfallkausalität indessen nicht
genügt. Von zuverlässigen ärztlichen Angaben, welche die psychische
gesundheitliche Beeinträchtigung auf den Unfall zurückführen würden, kann
gestützt auf die medizinischen Unterlagen nicht gesprochen werden. Viel
wahrscheinlicher für die neurologischen und neuropsychologischen Defizite
erachten sämtliche Ärzte den Alkoholmissbrauch. Nach der Aktenlage - der
Versicherte bagatellisiert den Konsum von Alkohol und war in der Zeit von
Oktober 2004 bis Mai 2005 nur in der Lage, den Konsum einzuschränken - ist
demnach überwiegend wahrscheinlich, dass dies die Ursache für die psychische
Beeinträchtigung ist, zumal er sich nach eigenen Angaben bei eingeschränktem
Konsum besser fühlte. Unter Berücksichtung sämtlicher für die Beurteilung
massgebenden Faktoren kann der natürliche Kausalzusammenhang zwischen den
vorhandenen Beschwerden und dem erlittenen Unfall nicht als mehr denn eine
blosse Möglichkeit erscheinen, was für die Begründung einer Leistungspflicht
der Unfallversicherung nicht genügt (Urteil des Eidg. Versicherungsgerichts U
147/05 vom 8. Juni 2006 E. 5.3 und 5.5). Sodann wurde der rechtserhebliche
Sachverhalt durch die Vorinstanz richtig und vollständig festgestellt. Daran
ändert auch nichts, dass die Ärzte der Klinik X.________ und ABI sich auf die
Beurteilung der Mediziner des Universitätsspital Y.________ verliessen und
die Röntgenbilder nicht selber konsultierten. Von weiteren medizinischen
Abklärungen kann deshalb in antizipierter Beweiswürdigung (BGE 122 V 157 E.
1d S. 162) abgesehen werden.

4.
In verfahrensrechtlicher Hinsicht macht der Beschwerdeführer zusätzlich eine
Gehörsverletzung geltend. Es sei ihm verwehrt worden, den Beweis zu
erbringen, dass die kognitiven Defizite auch ohne Alkoholkonsum weiter
bestehen würden.

4.1 Gemäss Art. 29 Abs. 2 BV haben die Parteien Anspruch auf rechtliches
Gehör. Das rechtliche Gehör dient einerseits der Sachaufklärung, andererseits
stellt es ein persönlichkeitsbezogenes Mitwirkungsrecht beim Erlass eines
Entscheids dar, welcher in die Rechtsstellung einer Person eingreift. Dazu
gehört insbesondere deren Recht, sich vor Erlass des in ihre Rechtsstellung
eingreifenden Entscheids zur Sache zu äussern, erhebliche Beweise
beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen Beweisanträgen
gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise entweder
mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn dieses
geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 132 V 368 E. 3.1 S. 370 mit
Hinweisen).

4.2 Vorliegend war der Beschwerdeführer nicht in der Lage, auf Alkohol zu
verzichten. Gemäss Arztzeugnis seines Hausarztes wurde der Alkoholkonsum
lediglich eingeschränkt. Weitere medizinische Untersuchungen hätten somit
keine neuen Erkenntnisse gebracht, da die überwiegend wahrscheinliche Ursache
- der Alkoholabusus - nach wie vor auf den Versicherten wirkte. Eine
Gehörsverletzung liegt unter diesen Umständen nicht vor.

5.
Auf Grund des Gesagten ist der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem
Unfall und den kognitiven Defizite zu verneinen, weshalb sich Erwägungen zur
adäquaten Kausalität erübrigen.

6.
Unbestritten durfte die Vorinstanz für die weiteren Schritte der
Invaliditätsbemessung von einer unbeschränkten Leistungsfähigkeit in einer
dem gesundheitlichen Anforderungsprofil entsprechenden Verweistätigkeit
ausgehen. Gegen die vorinstanzliche bestätigte Festlegung des
Invaliditätsgrades von 34 % ist nichts einzuwenden.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.

Luzern, 27. August 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: