Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 514/2006
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U 514/06

Urteil vom 24. Mai 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichterin Widmer, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Leuzinger, Bundesrichter Frésard,
Gerichtsschreiberin Heine.

B. ________, 1951, Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Erik Wassmer,
Fischmarkt 12, 4410 Liestal,

gegen

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1,
6004 Luzern, Beschwerdegegnerin.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft
vom 12. Juli 2006.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 10. Dezember 2004 sprach die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) B.________, geb. 1951, für die Folgen eines
am 8. Juni 2000 erlittenen Sturzes von einer Lastwagenbrücke (lateral
Tibiaplateau-Spalt-Fraktur und Abriss Vorderhorn am linken Bein) eine
Integritätsentschädigung aufgrund einer Integritätseinbusse von 20 % und ab
1. Februar 2003 eine Rente auf der Basis einer Erwerbsunfähigkeit von 11 %
zu. Die Einsprache, worin die Zusprechung einer Invalidenrente bei einem
Invaliditätsgrad von mindestens 64 % und eine Integritätsentschädigung von
30 % beantragt wurde, lehnte die SUVA ab (Entscheid vom 19. Januar 2006).

B.
Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Kantonsgericht Basel-Landschaft ab
(Entscheid vom 12. Juli 2006).

C.
B.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen und das Rechtsbegehren
stellen, in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheids und des
Einspracheentscheids sei ihm eine Invalidenrente ausgehend von einem
Invaliditätsgrad von 65 % sowie eine Integritätsentschädigung auf der Basis
eines Integritätsschadens von 30 % auszurichten; ferner sei ihm die
unentgeltliche Verbeiständigung zu gewähren.
Die SUVA beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das
Bundesamt für Gesundheit auf Vernehmlassung verzichtet.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden
das Eidgenössische Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu
einem einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt
(Seiler/von Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10
Rz 75) und es wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts
umfassend neu geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten
eingeleiteten Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein
Beschwerdeverfahren jedoch nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid
nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da
der kantonale Entscheid am 12. Juli 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007
erlassen wurde, richtet sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in
Kraft gestandenen Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege
(OG) vom 16. Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Im angefochtenen Entscheid werden die Bestimmungen über den Anspruch auf eine
Invalidenrente der Unfallversicherung (Art. 18 Abs. 1 UVG [in der seit
1. Januar 2003 gültigen Fassung, AS 2002 3453 3471]), die Begriffe der
Invalidität (Art. 8 ATSG) und der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) sowie die
Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der Methode des Einkommensvergleichs
insbesondere anhand der Lohnangaben aus der Dokumentation von Arbeitsplätzen
(DAP) (Art. 16 ATSG; BGE 129 V 472) zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen.

3.
Nach Lage der medizinischen Akten, worunter der voll beweiskräftige (BGE 125
V 351 E. 3 S. 352 mit Hinweisen) Bericht des Dr. med. M.________, Facharzt
für Orthopädische Chirurgie FMH, SUVA, vom 25. Oktober 2005, ist mit allen
Verfahrensbeteiligten davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer die vor dem
Unfall ausgeübte Tätigkeit als Dachdecker wegen verminderter Belastbarkeit
des Kniegelenks nicht mehr ausüben kann. Die Vorinstanz hält ferner fest, die
Oberschenkelproblematik sei vorübergehender Natur, während die Rücken- und
Schulterbeschwerden keine Unfallfolgen darstellen würden. Bei den psychischen
Leiden müsse die adäquate Kausalität verneint werden, weshalb lediglich das
Knieleiden zu berücksichtigen sei. Daraus resultiere, dass ihm eine
leidensbedingte Tätigkeit mit unbehindertem Gehen auf ebenem Untergrund und
Traglasten bei korrekter Hebetechnik bis 20 kg ganztags zu 100 % zumutbar
sei.

3.1 Der Beschwerdeführer macht hingegen geltend, die Femoralisläsion sei auf
die Operation vom 13. Juni 2001 zurückzuführen und die Rückenschmerzen auf
das mit der Quadrizepsatrophie zusammenhängenden Entlastungshinken (Bericht
des Dr. med. S.________, Facharzt für Neurologie FMH, vom 23. November 2005).

3.2 Frau Dr. med. P.________, Fachärztin FMH für Neurologie, SUVA, hält in
ihrem Bericht vom 25. Oktober 2005 ausdrücklich fest, es sei schwierig, eine
40 Minuten dauernde Gefässstauung als Ursache für eine Femoralisläsion
verantwortlich zu machen. Vielmehr stehe eine vaskuläre Ursache im
Vordergrund, da der Beschwerdeführer als damaliger Raucher auch unter
Hypertonie und einer Hypercholesterinämie litt. Dr. med. M.________ führt im
Bericht vom 25. Oktober 2005 aus, Nervenschäden seien nach Arthroskopien
extrem selten und vorübergehend. Entgegen den Behauptungen des
Beschwerdeführers macht Dr. med. S.________ im Bericht vom 23. November 2005
keine konkreten Aussagen zur Ursache der Nervenschädigung. Seine Ausführungen
machen deutlich, wie schwierig die Bestimmung ihrer Ätiologie ist, wobei auch
er eine vorbestehende arteriosklerotische Gefässerkrankung nicht
ausschliesst. Bezüglich der anderen Beschwerden mutmasst Dr. med. S.________
über die möglichen Ursachen, wobei er verschiedene Theorien in Betracht
zieht, sich jedoch nicht festlegt. Nach der medizinischen Aktenlage ist
demnach nicht überwiegend wahrscheinlich, dass zwischen dem versicherten
Unfall und der Femoralisläsion sowie der übrigen Beschwerden, insbesondere
den Rückenschmerzen, ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht. Unter
Berücksichtigung sämtlicher für die Beurteilung massgebenden Faktoren kann
der natürliche Kausalzusammenhang zwischen den vorhandenen Beschwerden und
dem erlittenen Unfall nur als blosse Möglichkeit erscheinen, was für die
Begründung einer Leistungspflicht der Unfallversicherung nicht genügt (Urteil
des Eidgenössischen Versicherungsgerichts U 147/05 vom 8. Juni 2006 E. 5.3
und 5.5). Von weiteren medizinischen Abklärungen kann deshalb in
antizipierter Beweiswürdigung (BGE 122 V 157 E. 1d S. 162) abgesehen werden.

3.3 Hinsichtlich der Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen
dem versicherten Unfall und dem im Bericht des Dr. med. S.________
angedeuteten psychischen Gesundheitsschaden kann auf die Erwägungen des
Einspracheentscheids verwiesen werden. In Anwendung der unfallbezogenen
Kriterien gemäss BGE 115 V 140 E. 6c/aa kam die SUVA zum Schluss, dass das
als mittelschwer einzustufende Ereignis vom 8. Juni 2000 keine adäquate
Kausalität zwischen Unfall und psychischen Beschwerden begründen könne. Die
Vorinstanz schliesst eine adäquat kausale Ursache schon deshalb aus, weil sie
den Unfall als banales Ereignis einstuft. Die Frage, ob es sich um ein
banales oder ein mittelschweres Ereignis handelt, kann offen gelassen werden,
denn was in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde eingewendet wird, insbesondere
ein schwieriger Heilungs- und Behandlungsverlauf, ist auch in Bezug auf ein
mittelschweres Ereignis unbehelflich, zumal objektiv der Heilungsverlauf
zufriedenstellend ist. Für die nach dem Unfall nur von Dr. med. S.________
angedeutete psychische Fehlentwicklung ist daher mit Vorinstanz und
Verwaltung der adäquate Kausalzusammenhang zu verneinen.

4.
4.1 Weder nach den Akten noch aufgrund der Parteivorbringen besteht Anlass,
das hypothetische Einkommen ohne gesundheitliche Beeinträchtigung
(Valideneinkommen) abweichend von der Vorinstanz festzulegen, die für das
Jahr 2002 einen Wert von Fr. 69'036.- ermittelt hat.

4.2 Streitig ist die Festsetzung des Invalideneinkommens.

4.2.1 Für die Bestimmung des trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise
realisierbaren Einkommens (Invalideneinkommen) ist primär von der
beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die versicherte
Person konkret steht. Weil der Beschwerdeführer bisher keine ihm zumutbare
vollzeitliche Anstellung ausübt, können nach der Rechtsprechung entweder
Tabellenlöhne gemäss den vom Bundesamt für Statistik periodisch
herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE) oder die DAP-Zahlen herangezogen
werden (BGE 129 V 472).

4.2.2 Mit der Vorinstanz steht fest, dass die SUVA-Unterlagen die geforderten
qualitativen und quantitativen Anforderungen erfüllen, u.a. wurden fünf
Stellen entsprechend dem Anforderungsprofil des Versicherten aus
124 DAP-Stellen selektioniert und daraus das Invalideneinkommen ermittelt
(BGE 129 V 472 E. 4.2.2 S. 480). Daran ändert auch die vom Versicherten in
der Beschwerde erwähnte Behauptung nichts, die Auswahl sei nicht verwertbar,
da die physischen und psychischen Beeinträchtigungen nicht gebührend
berücksichtigt worden seien. Im Gegenteil machen die Stellenprofile deutlich,
dass die Möglichkeiten des Versicherten bezüglich den körperlichen und
geistigen Anforderungen berücksichtigt wurden. Aus orthopädischer Sicht ist
eine weitgehend normale Belastung des Kniegelenks möglich, lediglich eine
vollständige Hocke oder eine links kniende Stellung sei nicht zumutbar.
Belastungen, die in keinem der Stellenprofile und auch bei einer angepassten
Tätigkeit als Raumpfleger nicht vermehrt vorkommen. Demzufolge ist dem
errechneten Invalideneinkommen von Fr. 61'626 (Fr. 50'674.- + Fr. 10'952.-)
durch die Vorinstanz nichts entgegenzuhalten. Der angefochtene Entscheid, mit
welchem dem Beschwerdeführer eine Rente aufgrund eines Invaliditätsgrades von
11 % zugesprochen wurde, besteht demnach zu Recht.

5.
Der kantonale Gerichtsentscheid ist bezüglich Integritätsentschädigung nicht
zu bemängeln. Es fehlt namentlich an triftigen Gründen, die eine abweichende
Ermessensausübung als naheliegender erscheinen liessen. Gemäss SUVA-Kreisarzt
Dr. med. W.________ (Bericht vom 23. Juli 2004) bestand eine hochgradige
Parese des linken Nervus femoralis, während die folgenden kreisärztlichen
Untersuchungen von einer deutlichen Regredienz der Atrophie und demnach von
einem erfreulichen Reinnervationsprozess sprechen. Der Integritätsschaden von
20 % entspricht 80 % des Richtwertes von 25 % für eine vollständige
Femoralislähmung, weshalb mit der Vorinstanz von einem Integritätsschaden von
20 % auszugehen ist und sich eine Erhöhung als nicht rechtmässig erweisen
würde.

6.
Nach Gesetz (Art. 152 OG) und Praxis sind in der Regel die Voraussetzungen
für die Bewilligung der unentgeltlichen Prozessführung und Verbeiständung
erfüllt, wenn der Prozess nicht aussichtslos erscheint, die Partei bedürftig
und die anwaltliche Verbeiständung notwendig oder doch geboten ist (BGE 125 V
201 E. 4a S. 202). Die Vorinstanz hat in ihrem Entscheid den Sachverhalt und
die Rechtslage einlässlich dargelegt und begründet. Die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde war von vornherein aussichtslos. Dem Gesuch um
Bestellung eines unentgeltlichen Rechtsbeistandes ist darum nicht
stattzugeben.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Das Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung wird abgewiesen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Sozialversicherungsrecht, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.
Luzern, 24. Mai 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Das präsidierende Mitglied:  Die Gerichtsschreiberin: