Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 486/2006
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U 486/06{T 7}

Urteil vom 14. März 2007

I. sozialrechtliche Abteilung

Bundesrichter Ursprung, Präsident,
Bundesrichter Schön und Frésard,
Gerichtsschreiberin Heine.

Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6002
Luzern, Beschwerdeführerin,

gegen

W.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Fürsprecher Thomas Biedermann,
Brauihof 2, 4902 Langenthal.

Unfallversicherung,

Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts des
Kantons Bern, vom 13. September 2006.

Sachverhalt:

A.
Mit Verfügung vom 15. September 2005 sprach die Schweizerische
Unfallversicherungsanstalt (SUVA) W.________, geb. 1943, für die Folgen eines
am 24. Januar 2003 erlittenen Sturzes auf das rechte Handgelenk (Distorsion
des Handgelenks mit Knochenabsprengungen am Trapezium) eine
Integritätsentschädigung aufgrund einer Integritätseinbusse von 7,5% (Fr.
8'010.-) und ab 1. Februar 2005 eine Rente auf der Basis einer
Erwerbsunfähigkeit von 14% zu. Die Einsprache, worin die Zusprechung einer
Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von mindestens 20% beantragt wurde,
lehnte die SUVA ab (Entscheid vom 14. Dezember 2005).

B.
Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hiess die hiegegen erhobene
Beschwerde in dem Sinne gut, dass es dem Versicherten ab 1. August 2005 eine
Invalidenrente auf der Basis eines Invaliditätsgrades von 25% zusprach und
die SUVA verpflichtete, W.________ eine Parteientschädigung von Fr.
2'012.10.- zu bezahlen (Entscheid vom 13. September 2006).

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die SUVA die Aufhebung des
kantonalen Gerichtsentscheids.

W. ________ lässt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragen.
Das Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:

1.
Am 1. Januar 2007 ist das Bundesgesetz über das Bundesgericht vom 17. Juni
2005 (BGG; SR 173.110) in Kraft getreten (AS 2006 1205, 1243). Damit wurden
das Eidg. Versicherungsgericht und das Bundesgericht in Lausanne zu einem
einheitlichen Bundesgericht (an zwei Standorten) zusammengefügt (Seiler/von
Werdt/Güngerich, Bundesgerichtsgesetz [BGG], Bern 2007, S. 10 Rz. 75) und es
wurde die Organisation und das Verfahren des obersten Gerichts umfassend neu
geregelt. Dieses Gesetz ist auf die nach seinem Inkrafttreten eingeleiteten
Verfahren des Bundesgerichts anwendbar, auf ein Beschwerdeverfahren jedoch
nur dann, wenn auch der angefochtene Entscheid nach dem Inkrafttreten dieses
Gesetzes ergangen ist (Art. 132 Abs. 1 BGG). Da der kantonale Entscheid am
13. September 2006 und somit vor dem 1. Januar 2007 erlassen wurde, richtet
sich das Verfahren nach dem bis 31. Dezember 2006 in Kraft gestandenen
Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege (OG) vom 16.
Dezember 1943 (vgl. BGE 132 V 393 E. 1.2 S. 395).

2.
Im angefochtenen Entscheid werden die Bestimmungen über den Anspruch auf eine
Invalidenrente der Unfallversicherung (Art. 18 Abs. 1 UVG [in der seit 1.
Januar 2003 gültigen Fassung, AS 2002 3453 3471]), die Begriffe der
Invalidität (Art. 8 ATSG) und der Erwerbsunfähigkeit (Art. 7 ATSG) sowie die
Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der Methode des Einkommensvergleichs
insbesondere anhand Lohnangaben aus der Dokumentation von Arbeitsplätzen
(DAP) (Art. 16 ATSG; BGE 129 V 472) zutreffend dargelegt. Darauf wird
verwiesen.

3.
Nach Lage der medizinischen Akten, worunter der voll beweiskräftige (BGE 125
V 351 E. 3 S. 352 mit Hinweisen) Bericht des Dr. med. G.________,
SUVA-Kreisarzt, vom 23. Februar 2005, ist mit allen Verfahrensbeteiligten
davon auszugehen, dass der Beschwerdegegner die vor dem Unfall ausgeübte
Tätigkeit als Dachdecker wegen verminderter Belastbarkeit der rechten Hand
nach Distorsion des rechten Handgelenks mit Knochenabsprengung am Trapezium
nicht mehr ausüben kann. Körperlich leichte Tätigkeiten, ohne Anspruch an
eine besondere Geschicklichkeit der dominanten rechten Hand, sind ihm
demgegenüber zu 100% zumutbar.

4.
4.1 Weder nach den Akten noch auf Grund der Parteivorbringen besteht Anlass,
das hypothetische Einkommen ohne gesundheitliche Beeinträchtigung
(Valideneinkommen) abweichend von der Beschwerdeführerin und der Vorinstanz
festzulegen, die für das Jahr 2005 einen Wert von Fr. 69'550.- ermittelt
haben.

4.2 Streitig ist die Festsetzung des Invalideneinkommens.

4.2.1 Für die Bestimmung des trotz Gesundheitsschädigung zumutbarerweise
realisierbaren Einkommens (Invalideneinkommen) ist primär von der
beruflich-erwerblichen Situation auszugehen, in welcher die versicherte
Person konkret steht. Weil der Beschwerdegegner zwar eine Arbeitsstelle mit
einem Beschäftigungsgrad von 30% im Spital X.________ gefunden hat, bisher
aber noch keine ihm zumutbare vollzeitliche Anstellung ausübt, können nach
der Rechtsprechung entweder Tabellenlöhne gemäss den vom Bundesamt für
Statistik periodisch herausgegebenen Lohnstrukturerhebungen (LSE) oder die
DAP-Zahlen herangezogen werden (BGE 129 V 472).

4.2.2 Mit der Vorinstanz steht fest, dass die SUVA-Unterlagen die geforderten
qualitativen und quantitativen Anforderungen erfüllen, u.a. wurden fünf
Stellen entsprechend dem Anforderungsprofil des versicherten aus 311
DAP-Stellen selektioniert und daraus das Invalideneinkommen ermittelt (BGE
129 V 472 E. 4.2.2 S. 480). Daran ändert auch die vom Versicherten in der
Beschwerde erwähnten Behauptungen nichts, die Auswahl sei nicht verwertbar,
da eine längere Einarbeitungszeit oder Schichtarbeit geleistet werden müsse.
Auch die Tatsache, es handle sich bei den fünf Stellen um keine offenen
Stellen, dringt nicht durch. Massgebend ist, dass die Stellenprofile den
Möglichkeiten des Versicherten sowohl bezüglich den körperlichen
Anforderungen wie auch dem Ausbildungsprofil entsprechen. Die benötigten
Voraussetzungen zur Ausübung einer Tätigkeit als Praktikant-Zuteilung,
Anlageführer, Maschinist bzw. Hilfsmaschinist oder als Hilfsarbeiter-Abpacker
werden vom Versicherten übertroffen. Einarbeitungszeiten von 3 Tagen bis 3
Monate bei einer Arbeit, die bis Mai 2008 ausgeübt werden kann, sind
vertretbar, zumal die Verweildauer an einer Stelle unabhängig vom Alter stark
abgenommen hat. Auch die Notwendigkeit von Schichtarbeit vermag das
Auswahlverfahren nicht zu entwerten, denn bei allen Stellen wurde die
wesentliche Einschränkung - verminderte Belastung der rechten Hand -
berücksichtigt.

4.2.3 Hingegen stellt die Vorinstanz eine rechtsfehlerhafte Ermessensausübung
in der Auswahl fest, da der Durchschnittslohn der DAP-Stellen 11% über dem
Durchschnittslohn der dem Behinderungsprofil entsprechenden Gruppe liegt.
Dabei steht für das kantonale Gericht nicht die numerische Abweichung,
sondern die mangelnde Begründung im Vordergrund.

Die Durchschnittslöhne der ausgewählten fünf DAP-Arbeitsplätze liegen
zwischen Fr. 58'500.- und Fr. 61'750.-. Dass der Durchschnitt diese fünf
Löhne von Fr. 59'598.- einiges über dem Durchschnitt aller 311 Arbeitsplätze
mit gleichem Behinderungsprofil von Fr. 53'598.- liegt, lässt sich bereits
rechtsprechungsgemäss begründen, da die DAP-Methode eine detailliertere
Berücksichtigung der persönlichen und beruflichen Umstände ermöglicht (Urteil
U 405/05 vom 19. Juni 2006 E. 4.2), auf konkreten Arbeitsplätzen beruht und
eine differenzierte Zuweisung von zumutbaren Tätigkeiten unter
Berücksichtigung der behinderungsbedingten Einschränkungen ermöglicht (BGE
129 V 472 E. 4.2.1 S. 477). Zusätzlich weist die SUVA zu Recht darauf hin,
dass der Beschwerdegegner als Elektriker tätig war, über eine abgeschlossene
Dachdeckerlehre und eine langjährige Berufserfahrung verfügt, weshalb
anzunehmen ist, dass er auch im Rahmen geeigneter leidensangepasster
Tätigkeiten eine qualifiziertere Arbeit zu verrichten vermag und daher mit
einem über dem Durchschnitt liegenden Lohn rechnen kann. Unter
Berücksichtigung der Anforderungsprofile für die ausgewählten Stellen und den
Qualifikationen des Versicherten ist die Begründung für die Abweichung von
11% hinreichend. Im Übrigen ist der SUVA bei der Auswahl der für die
Festsetzung des Invalideneinkommens herangezogenen Arbeitsplätze ein
Ermessensspielraum zu gewähren, in welchen nicht ohne triftigen Grund
einzugreifen ist. Ein solcher Grund ist hier nicht ersichtlich, weshalb eine
rechtsfehlerhafte Ermessensausübung im vorliegenden Fall nicht gegeben ist.
Ohne dass es eines Tabellenlohnvergleichs bedarf, ist das von der SUVA mit
Fr. 59'598.- ermittelte Invalideneinkommen daher zu bestätigen.
Der Einspracheentscheid vom 14. Dezember 2005, mit welchem dem
Beschwerdegegner eine Rente aufgrund eines Invaliditätsgrades von 14 %
zugesprochen wurde, besteht zu Recht.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird der Entscheid des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 13. September 2006 aufgehoben.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern,
Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Gesundheit
zugestellt.

Luzern, 14. März 2007

Im Namen der I. sozialrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: