Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Sozialrechtliche Abteilungen U 47/2006
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Prozess {T 7}
U 47/06

Urteil vom 5. September 2006
IV. Kammer

Bundesrichterin Widmer, Bundesrichter Schön und nebenamtlicher Richter
Bühler; Gerichtsschreiber Krähenbühl

S.________, 1954, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Jean
Baptiste Huber, Bundesplatz 6, 6300 Zug,

gegen

Winterthur Versicherungen, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur,
Beschwerdegegnerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Schraner,
Weinbergstrasse 43, 8006 Zürich

Obergericht des Kantons Schaffhausen, Schaffhausen

(Entscheid vom 2. Dezember 2005)

Sachverhalt:

A.
Die 1954 geborene S.________ war ab 1. Juni 2002 als Leiterin des
Sekretariats der Geschäftsstelle X.________ bei der Gesellschaft Y.________
angestellt. Im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses war sie bei der
'Winterthur' Versicherungen (nachfolgend: Winterthur) obligatorisch
unfallversichert. Am 12. August 2002 bog ein überholendes Fahrzeug mit
ungenügendem Abstand auf ihre Fahrbahn ein und kollidierte seitlich vorne
links mit ihrem Personenwagen. S.________ suchte am 16. August 2002 Dr. med.
H.________, auf, der ein "Dezelerationstrauma" der Halswirbelsäule, eine
Wirbelsäulenkontusion und eine Kontusion des linken Knies diagnostizierte,
ihr aber keine Arbeitsunfähigkeit bescheinigte. Mit Schreiben vom
26. September 2002 kündigte ihr die Arbeitgeberfirma die Stelle zum 31.
Dezember 2002. Am 15. Januar 2003 war S.________ erneut in einen
Verkehrsunfall verwickelt, bei welchem ein nachfolgender Automobilist auf das
Heck ihres im Stadtverkehr wegen eines Staus anhaltenden Personenwagens
auffuhr.

Die Winterthur kam jeweils für die Heilbehandlung auf und richtete Taggelder
aus. Nebst Auskünften und Meinungsäusserungen des erstbehandelnden Arztes Dr.
med. H.________ holte sie unter anderm die Berichte des Chiropraktors Dr.
med. M.________ vom 25. November 2002, des Dr. med. K.________ vom 19.
Dezember 2002 und 10. Februar 2003 sowie des Dr. med. P.________ vom 23.
Januar 2003 ein. Des Weitern zog sie die Atteste der Frau Dr. med. U.________
vom 23. Mai und 8. August 2003 sowie die Stellungnahmen des Psychiaters Dr.
med. F.________ vom 30. Januar 2003, des Neurologen Dr. med. A.________ vom
27. Juni und 22. Dezember 2003 und der Universitäts-Augenklinik W.________
vom 22. Oktober 2003 bei. Ausserdem liess sie zu beiden Unfällen je eine
Expertise ihres Leiters 'Unfallanalyse' Dipl. Ing. T.________ vom 11. April
und 27. Mai 2003 erstellen und veranlasste schliesslich eine Begutachtung
durch Dr. med. E.________, Facharzt für Innere Medizin, speziell
Rheumatologie, welcher am 4. November 2003 Bericht erstattete. Gestützt auf
diese Unterlagen verneinte sie gemäss Schreiben vom 3. Dezember 2003 einen
natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang zwischen den weiterhin geklagten
Beschwerden mit der daraus resultierenden Arbeitsunfähigkeit und den beiden
Unfallereignissen vom 12. August 2002 und 15. Januar 2003. Nach Einsicht in
eine Stellungnahme ihres beratenden Arztes Dr. med. Z.________ vom 8. Januar
2004 stellte sie mit Verfügung vom 23. Februar 2004 ihre Leistungen zum 30.
November 2003 ein. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 13. Oktober
2004 fest.

B.
Beschwerdeweise liess S.________ beantragen, die Winterthur sei zu
verpflichten, ihr weiterhin die gesetzlichen Leistungen auszurichten;
eventuell habe sie ein polydisziplinäres Gutachten sowie von einem
unabhängigen Experten eine neue Unfallanalyse einzuholen und hierauf über
ihren Leistungsanpruch zu entscheiden. Das Obergericht des Kantons
Schaffhausen wies die Beschwerde nach Durchführung eines doppelten
Schriftenwechsels mit Entscheid vom 2. Dezember 2005 unter Gewährung der
unentgeltlichen Verbeiständung ab.

C.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ ihre im kantonalen
Verfahren gestellten Begehren erneuern. Zudem ersucht sie wiederum um
unentgeltliche Verbeiständung.

Die Winterthur schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das
Bundesamt für Gesundheit verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:

1.
Zu prüfen ist, ob die Beschwerdeführerin auf Grund der beiden Unfälle vom 12.
August 2002 und 15. Januar 2003 über den Zeitpunkt der verfügten
Leistungseinstellung zum 30. November 2003 hinaus Anspruch auf Heilbehandlung
und Taggelder sowie später allenfalls auf eine Invalidenrente und eine
Integritätsentschädigung hat.

2.
Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht
des Unfallversicherers vorausgesetzten Erfordernis des natürlichen und
adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen versichertem Unfallereignis und den
darauf zu Tage getretenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen (BGE 129 V 181
Erw. 3.1 und 3.2, 405 f. Erw. 2.2 und 4.3.1, je mit Hinweisen) zutreffend
wiedergegeben, worauf verwiesen wird. Mit dem Inkrafttreten des ATSG am 1.
Januar 2003 hat sich am unfallversicherungsrechtlichen Begriff des
natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhanges sowie dessen Bedeutung als
Anspruchsvoraussetzung nichts geändert (Urteile vom 5. April 2006 [U 20/05]
Erw. 1, vom 28. Juli 2005 [U 74/05] Erw. 1 und vom 9. Juni 2005 [U 47/05]
Erw. 1.2, je mit Hinweisen; vgl. auch Kieser, ATSG-Kommentar, Vorbemerkungen
Rz 37 sowie Rz 20 zu Art. 4 [in fine, mit Hinweis]). Ebenfalls richtig
wiedergegeben hat die Vorinstanz die Rechtsprechung zum Beweiswert und zur
Würdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 125 V 352 ff. Erw. 3, 122
V 160 ff. Erw. 1c, je mit Hinweisen; vgl. auch Peter Omlin, Die Invalidität
in der obligatorischen Unfallversicherung, Diss. Freiburg 1995, 2. Aufl.
1999, S. 296 ff.; Meyer-Blaser, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung
[IVG], in: Murer/Stauffer [Hrsg.], Die Rechtsprechung des Bundesgerichts zum
Sozialversicherungsrecht, Zürich 1997, S. 230).

3.
Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, alle behandelnden Ärzte
hätten eine Einschränkung der Beweglichkeit der Halswirbelsäule, namentlich
eine "schmerzhafte Beschränkung des Seitneigens, der Rotation nach rechts und
links, der Inklination und der Reklination", festgestellt und damit ein
Schleudertrauma der Halswirbelsäule diagnostiziert. Ausserdem sei von
verschiedenen Fachärzten bestätigt worden, dass sie ein typisches
Beschwerdebild nach Schleudertrauma aufweise. Der natürliche
Kausalzusammenhang zwischen diesen Beschwerden und den beiden Unfällen sei
daher gegeben.

3.1 Aus medizinischer Sicht handelt es sich bei der als Schleudertrauma der
Halswirbelsäule bezeichneten Einwirkung um einen Beschleunigungsmechanismus
an der Halswirbelsäule - ohne Kopfanprall - mit der dazugehörigen Diagnose
einer Distorsion der Halswirbelsäule oder des Nackens (RKUV 1995 Nr. U 221 S.
112). Einem klassischen Schleudertrauma gleichgestellt sind auch dem
Schleudertrauma äquivalente Verletzungen wie Distorsionen der Halswirbelsäule
infolge eines "Abknickmechanismus" (RKUV 1999 Nr. U 341 S. 480 Erw. 3b; SVR
1995 UV Nr. 23 S. 67 Erw. 2). Die darauf zurückzuführenden unfallbedingten
Beschwerden können, auch wenn sie organisch nicht (hinreichend) nachweisbar
sind, unter Umständen eine Leistungspflicht des Unfallversicherers auslösen
(RKUV 1999 Nr. U 341 S. 408 Erw. 3b). Ist ein Schleudertrauma der
Halswirbelsäule diagnostiziert und liegt ein für diese Verletzung typisches
Beschwerdebild mit einer Häufung von Beschwerden wie etwa diffuse
Kopfschmerzen, Schwindel, Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, Übelkeit,
rasche Ermüdbarkeit, Visusstörungen, Reizbarkeit, Affektlabilität, Depression
und Wesensveränderung vor, ist der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem
Unfall und der danach eingetretenen Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit in der
Regel anzunehmen (BGE 119 V 338 Erw. 1, 117 V 360 Erw. 4b). Auch bei
Schleudertraumata der Halswirbelsäule bilden indessen zuallererst die
medizinischen Fakten die massgebende Grundlage für die
Kausalitätsbeurteilung. Das Vorliegen eines Schleudertraumas wie seine Folgen
müssen durch zuverlässige Angaben gesichert sein (BGE 119 V 340 Erw. 2b/aa).

3.2
3.2.1 Im Anschluss an den ersten Unfall vom 12. August 2002 hat der
erstbehandelnde Arzt Dr. med. H.________ die Diagnose "Dezelerationstrauma
der HWS" und der die Beschwerdeführerin ab 13. September 2002 behandelnde
Chiropraktor Dr. med. M.________ die Diagnose "Distorsion C1/C2 nach
Schleudertrauma HWS" gestellt. Bei den von diesen beiden Ärzten verwendeten
diagnostischen Begriffen handelt es sich lediglich um andere Bezeichnungen
eines dem Schleudertrauma entsprechenden Verletzungsmechanismus im Bereich
der Halswirbelsäule. Für den ersten Unfall vom 12. August 2002 kann daher ein
Schleudertrauma der Halswirbelsäule als mit überwiegender Wahrscheinlichkeit
nachgewiesen gelten.

3.2.2 Nach dem zweiten Unfall vom 15. Januar 2003 gab Dr. med. K.________ am
17. Januar 2003 als objektiven Befund eine deutlich eingeschränkte
Beweglichkeit der Halswirbelsäule, eine Protraktions-Haltung sowie
ausgeprägte Schmerzpunkte am Trapezius und paravertebral, je beidseits, an.
Die Diagnose eines Schleudertraumas der Halswirbelsäule oder einer
äquivalenten Verletzung stellte er hingegen nicht. Erst Frau Dr. med.
U.________ und der Neurologe Dr. med. A.________ haben in ihren Berichten vom
23. Mai und 27. Juni 2003 festgehalten, die Beschwerdeführerin habe beim
Auffahrunfall vom 15. Januar 2003 ein "erneutes Schleudertrauma" resp. ein
"HWS-Distorsionstrauma" erlitten. Demgegenüber hat der vom Unfallversicherer
beauftragte Gutachter Dr. med. E.________ in seiner Expertise vom 4. November
2003 ausgeführt, die beiden Vorfälle dürften "vom Unfallmechanismus und
Ausmass der Gewalteinwirkung her als eher geringgradige Ereignisse beurteilt
werden, wobei speziell der 2. Unfall (...) als sehr bagatellär anmutet";
bezüglich des zweiten Unfalls spricht er nur von "möglichem
HWS-Distorsionstrauma" mit "möglicher vorübergehender Verstärkung der
Restbeschwerden von Seiten des 1. Unfalles ...". Diese medizinische
Beurteilung ist schlüssig und überzeugend. Sie ist denn auch am ehesten mit
dem am Unfallwagen entstandenen minimen Sachschaden vereinbar, welcher so
geringfügig war, dass eine längerfristige Gesundheitsschädigung im Bereich
der Halswirbelsäule durch einen Beschleunigungsmechanismus unfallmedizinisch
mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auszuschliessen ist (vgl. nachstehende
Erw. 4.3). Davon, dass die Beschwerdeführerin bei ihrem zweiten Unfall vom
15. Januar 2003 ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule oder eine äquivalente
Verletzung erlitten hätte, kann demnach nicht ausgegangen werden.

3.3
3.3.1 Die Vorinstanz hat einen natürlichen Kausalzusammenhang zwischen den
beiden Unfällen vom 12. August 2002 und 15. Januar 2003 und den über den
Zeitpunkt der Leistungseinstellung am 30. November 2003 hinaus geklagten
Gesundheitsstörungen gestützt auf die Schlussfolgerungen des Gutachters Dr.
med. E.________ verneint. Dieser hat seine medizinische Beurteilung vom 4.
November 2003, wonach unfallkausale 'Restbeschwerden' "überwiegend
wahrscheinlich schon seit längerem wieder abgeklungen" seien, damit
begründet, dass die Gegeninnervationen bei der Beweglichkeitsprüfung der
Halswirbelsäule überwindbar gewesen seien, speziell bei der Untersuchung im
Liegen, welche eine vollständig lockere Beweglichkeit der Halswirbelsäule
ohne Schmerzangaben ergeben habe; ausserdem hätten die von ihm selbst
angefertigten radiologischen Funktionsaufnahmen eine normale Funktionalität
der Halswirbelsäule für alle Bewegungsrichtungen einschliesslich Kopfgelenke
ergeben; ebenso habe bereits mit der Magnetresonanztomographie vom 30.
Oktober 2002 keinerlei traumatische Veränderung der Halswirbelsäule
nachgewiesen werden können.

3.3.2 Dieser gutachterlichen Beurteilung stehen abweichende Stellungnahmen
und Befunderhebungen mehrerer Fachärzte gegenüber, welche die
Beschwerdeführerin nach dem 30. November 2003 untersucht oder behandelt haben
und deren Zeugnisse teils im Einsprache-, teils im vorinstanzlichen
Beschwerde- und teils auch erst im vorliegenden
Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren aufgelegt wurden.

So hat der Neurologe Dr. med. A.________ in seiner Stellungnahme vom 22.
Dezember 2003 die medizinische Schlüssigkeit der vom Gutachter Dr. med.
E.________ durchgeführten Beweglichkeitsprüfung der Halswirbelsäule in Frage
gestellt, weil sich mit geeigneter Technik relativ viele reflektorische
muskuläre Widerstände überwinden liessen; die Überwindbarkeit der
Gegeninnervation im Rahmen der Beweglichkeitsprüfung der Halswirbelsäule
lasse daher "keine geeignete Aussage über den Zustand eines Zervikalsyndroms"
zu. Die neuropsychologische Untersuchung in der Neurologischen Klinik und
Poliklinik des Universitätsspitals R.________ vom 1. Juni 2005 ergab gemäss
Bericht vom 2. Juni 2005 leichte Minderleistungen der kognitiven
Flexibilität, der Konzentrations- und Aufmerksamkeitsfähigkeit und im
Gedächtnis; diese Befunde seien mit einem Status nach craniofacialem
Beschleunigungstrauma vereinbar. Der Spezialarzt für Neuraltherapie Dr. med.
von O.________ von der Klinik G.________ hat am 16. Juni 2005 als objektive
Befunde eine deutlich verminderte Mobilität der Halswirbelsäule in allen
Richtungen mit Endphasenschmerz und verschiedene Druckdolenzen unter anderm
in der paravertebralen Muskulatur beidseits, der Muskulatur im
Schulterbereich und im linken Ober- und Unterarm erhoben und ein chronisches
Cervicocephal- und Cervicobrachialsyndrom links mit pseudoradiculären
Störungen und vorwiegend vegetativen Beeinträchtigungen diagnostiziert; er
erwähnte auch Nackenschmerzen, die sich weiter paraspinal beidseits in die
obere Brustwirbelsäule ziehen. Dr. med. D.________ schliesslich, der die
Beschwerdeführerin ab 1. März 2004 behandelte, hat in seinem mit der
Verwaltungsgerichtsbeschwerde beigebrachten Bericht vom 18. Januar 2006
bestätigt, dass eine "nur leichte Traumatisierung der HWS" jeweils zu einer
Exazerbation der seit den Autounfällen bestehenden Beschwerden der
Halswirbelsäule führe; bei der aktuellen Untersuchung habe er
Druckdolenzen/Hartspann der paravertebralen Muskulatur der Halswirbelsäule,
eine eingeschränkte Rotationsbewegung nach links mit deutlichem
Endphasenschmerz und eine linksbetonte Druckdolenz der Schultermuskulatur
festgestellt.

3.3.3 Weder der Kritik der gutachterlichen Untersuchungstechnik bei der
Beweglichkeitsprüfung der Halswirbelsäule noch den von der Neurologischen
Klinik und Poliklinik des Universitätsspitals R.________ festgestellten
neuropsychologischen Defiziten oder den von den Dres. med. von O.________ und
W.________ erhobenen klinischen Befunden kann im Rahmen einer Gesamtwürdigung
der medizinischen Akten jede Beweiskraft abgesprochen werden. Die Richtigkeit
der Schlussfolgerung des Gutachters Dr. med. E.________, wonach ein
natürlicher Kausalzusammenhang zwischen den beiden Unfallereignissen und den
weiterhin geklagten Beschwerden zu verneinen sei, wird dadurch zumindest in
Frage gestellt, wenn nicht gar erschüttert. Der vom Unfallversicherer zu
erbringende Beweis (RKUV 1994 Nr. U 206 S. 328 f. Erw. 3b, 1992 Nr. U 142 S.
75 f. Erw. 4b, je mit Hinweisen auf Lehre und Rechtsprechung) für das
Dahinfallen der natürlichen Unfallkausalität der gesundheitlichen Störungen
kann daher auf Grund der medizinischen Aktenlage zumindest nicht als mit dem
Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit erstellt gelten. Dennoch ist
darüber weder zu Ungunsten des beweisbelasteten Unfallversicherers zu
entscheiden noch ist die Sache zur ergänzenden Abklärung der Unfallkausalität
mittels Einholung eines interdisziplinären medizinischen Gutachtens an eine
der Vorinstanzen zurückzuweisen. Selbst wenn auf Grund zusätzlicher
Abklärungen der natürliche Kausalzusammenhang nämlich zu bejahen wäre, fehlt
es - wie nachstehende Erwägung zeigt - an der kumulativ erforderlichen
Leistungsvoraussetzung des adäquaten Kausalzusammenhanges.

4.
4.1 Die Beurteilung der Adäquanz von organisch nicht nachweisbaren
Unfallfolgen nach einem Schleudertrauma der Halswirbelsäule oder einer diesem
äquivalenten Verletzung erfolgt, sofern nicht eine psychische Problematik
ganz im Vordergrund steht, nach den in BGE 117 V 366 Erw. 6a und 382 Erw. 4b
festgelegten Kriterien. Ist ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule oder eine
diesem äquivalente Verletzung nicht mit dem erforderlichen Beweisgrad der
überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, gelangt die
Adäquanzrechtsprechung zu den psychischen Unfallfolgen gemäss BGE 115 V 138
ff. Erw. 6 zur Anwendung (BGE 127 V 103 Erw. 5b/bb). Der Unterschied besteht
darin, dass für die Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhanges zwischen
einem Unfall mit Schleudertrauma und den in der Folge eingetretenen
Gesundheitsstörungen von einer Differenzierung zwischen physischen und
psychischen Beschwerden abgesehen wird (BGE 117 V 367 Erw. 6a). Demgegenüber
wird die Adäquanz von Unfallfolgen, welchen kein Schleudertrauma oder eine
äquivalente Verletzung zugrunde liegt, ausschliesslich nach den objektiv
fassbaren, physisch bedingten Umständen beurteilt, welche unmittelbar mit dem
Unfall in Zusammenhang stehen und als direkte oder indirekte Folge davon
erscheinen (BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa).

Beiden Adäquanzbeurteilungen ist gemeinsam, dass anknüpfend an das
Unfallereignis und den äusseren Geschehensablauf eine Einteilung in leichte
oder gar banale Unfälle einerseits, schwere Unfälle andererseits sowie die
dazwischen liegenden Unfälle im mittleren Bereich vorzunehmen ist. Bei
leichten Unfällen ist der adäquate Kausalzusammenhang in aller Regel ohne
weiteres zu verneinen, bei schweren hingegen zu bejahen (BGE 117 V 366 Erw.
6a, 115 V 139 f. Erw. 6a und b). Auch bei einem als leicht zu
qualifizierenden Auffahrunfall ist indessen der adäquate Kausalzusammenhang -
als Ausnahme von der Regel - dann zu prüfen, wenn er unmittelbare
Unfallfolgen zeitigt, die sich nicht offensichtlich als unfallunabhängig
erweisen (etwa bei Komplikationen durch die besondere Art der erlittenen
Verletzung, verzögertem Heilungsverlauf, langdauernder Arbeitsunfähigkeit).
In diesem Fall sind die Adäquanzkriterien, die für Unfälle im mittleren
Bereich gelten, heranzuziehen (RKUV 2003 Nr. U 489 S. 360 Erw. 4.2 [U
193/01], 1998 Nr. U 297 S. 244 Erw. 3b mit Hinweis). Ein Unfallereignis ist
indessen - ausgehend vom äusseren Geschehensablauf - immer als solches als
leicht, im mittleren Bereich liegend, oder als schwer einzustufen, ohne dass
der für die Beurteilung der Adäquanzfrage bei Unfällen, die dem mittleren
Bereich zuzuordnen sind, zusätzlich zu berücksichtigende Kriterienkatalog
bereits in diesem Stadium beizuziehen wäre (Urteil vom 17. August 2006
[U 503/05] Erw. 2.2, 3.1 und 3.2).
4.2 Auffahrkollisionen vor einem Fussgängerstreifen oder einem Lichtsignal
hat das Eidgenössische Versicherungsgericht wiederholt als im mittleren
Bereich, aber im Grenzbereich zu den leichten Unfällen liegendes Ereignis
eingestuft. In einzelnen Fällen hat es indessen auch bei Auffahrkollisionen
einen leichten Unfall angenommen, so insbesondere bei einer niedrigen
kollisionsbedingten Geschwindigkeitsveränderung (Delta-v unter 10 km/h) und -
zusätzlich - weitgehendem Fehlen von unmittelbar im Anschluss an den Unfall
aufgetretenen Beschwerden (RKUV 2003 Nr. U 489 S. 360 Erw. 4.2 mit Hinweisen
[U 193/01]).

4.2.1 Bezüglich des ersten Unfalles vom 12. August 2002 geht aus dem
polizeilichen Unfallrapport hervor, dass der Lenker eines Personenwagens auf
der Höhe des Signals "Ende Höchstgeschwindigkeit 60 km/h" das Fahrzeug der
Beschwerdeführerin überholte. Beim Wiedereinbiegen hielt er keinen
ausreichenden Abstand ein, weshalb das hintere rechte Heck seines Autos
seitlich mit der Stossstange vorne links des Wagens der Beschwerdeführerin
kollidierte. Die von der Polizei aufgenommenen Fotos der Fahrzeugschäden
zeigen, dass die vordere Stossstange in den Halterungen fixiert blieb, somit
nicht abgerissen und weggeschleudert wurde, wie die Beschwerdeführerin
nachträglich geltend machte. Die Stossstange wurde lediglich ungefähr auf der
Höhe der linken Karosseriefront aufgerissen. Das Glas der vorderen linken
Blinkerleuchte blieb intakt und das Fahrzeug der Beschwerdeführerin kam nicht
von der Strasse ab. Die Reparaturkosten beliefen sich - unter Ausschluss der
Benzinkosten für den Ersatzwagen - auf Fr. 665.30 (Fr. 142.20 + Fr. 558.10 -
[Fr. 32.55 + 7,6%] = Fr. 665.30). Bereits im Polizeirapport wurde dieser
Verkehrsunfall als "leichte Streifkollision" bezeichnet. Der Unfallanalytiker
dipl. Ing. T.________ hat anhand der an den beiden Fahrzeugen entstandenen
Beschädigungen und ihren Auslaufrichtungen eine kollisionsbedingte
Geschwindigkeitsänderung (Delta-v) des Fahrzeugs der Beschwerdeführerin in
Längsrichtung von maximal 6,2 km/h und in Querrichtung maximal 1,5 km/h
berechnet.

Nach dem Unfall vom 12. August 2002 begab sich die Beschwerdeführerin erst
vier Tage später, nämlich am 16. August 2002, in ärztliche Behandlung bei Dr.
med. H.________. Sie blieb noch während sieben Wochen uneingeschränkt
arbeitsfähig. Eine vollständige Arbeitsunfähigkeit wurde ihr erstmals mit
Attest vom 30. September 2002 ab diesem Datum durch den Chiropraktor Dr. med.
M.________ bescheinigt. Diesbezüglich ist die zeitliche Nähe zu der am 26.
September 2002 erfolgten Kündigung des damaligen Arbeitsverhältnisses
augenfällig.

4.2.2 Beim Unfall vom 15. Januar 2003 hielt die Beschwerdeführerin ihr
Fahrzeug im Stadtverkehr an, weil sich vor ihr ein Stau gebildet hatte. Der
nachfolgende Lenker bemerkte dies zu spät und touchierte mit der Front seines
Personenwagens das Heck des von ihr gelenkten Fahrzeuges. Am hinteren
Stossfänger ihres Wagens entstand ein auf den polizeilichen Fotos kaum
sichtbarer Lackschaden. Am Fahrzeug des Kollisionsgegners wurde das vordere
Nummernschild verschoben und dadurch die Front-Stossstange - etwas deutlicher
sichtbar - zerkratzt. Die Karosserie beider Fahrzeuge wurde nicht deformiert
und die Kosten für die Neulackierung der hinteren Stossstange des Wagens der
Beschwerdeführerin wurden auf Fr. 898.95 berechnet. Der Unfallanalytiker des
Versicherers hat die auf das Fahrzeug der Beschwerdeführerin einwirkende
kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung (Delta-v) auf minimal 2,0 km/h
und maximal 6,2 km/h berechnet.

4.3 Aus diesen äusseren Geschehensabläufen ist zu schliessen, dass weder bei
der leichten Streifkollision vom 12. August 2002 noch beim Auffahrunfall vom
15. Januar 2003 ausserordentliche Kräfte auf die Kopf- und Halsregion der
Beschwerdeführerin einwirkten. Bei beiden Unfällen sind auch sonst keinerlei
äussere Umstände ersichtlich, die geeignet wären, erhebliche und langwierige
Gesundheitsstörungen mit entsprechender Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit zu
verursachen. An das Unfallereignis anknüpfend und von den dargelegten
augenfälligen Geschehensabläufen ausgehend ergibt sich somit, dass weder der
leichten Streifkollision vom 12. August 2002 noch dem Auffahrunfall vom 15.
Januar 2003 für die Entstehung einer Arbeits- und Erwerbsunfähigkeit eine
massgebende Bedeutung zukam. Im einen wie im anderen Fall liegt ein höchstens
leichtes Unfallereignis vor, für welches der adäquate Kausalzusammenhang mit
langdauernden, über den Zeitpunkt der verfügten Leistungseinstellung
anhaltenden Gesundheitsstörungen hinaus ohne weiteres zu verneinen ist (BGE
117 V 366 Erw. 6a). Anhaltspunkte dafür, dass trotz Vorliegens eines leichten
Unfalles ausnahmsweise eine Adäquanzprüfung unter Beizug der Kriterien, die
bei Unfällen im mittleren Bereich gelten, vorzunehmen wäre, liegen nicht vor
(RKUV 2003 Nr. U 489 S. 360 Erw. 4.2 [U 193/01], 1998 Nr. U 297 S. 244 Erw.
3b mit Hinweis).

4.4 Nach dem Gesagten haben Vorinstanz und Beschwerdegegnerin die
Leistungsvoraussetzung des adäquaten Kausalzusammenhanges für beide Unfälle
mit Wirkung ab 30. November 2003 im Ergebnis zu Recht verneint.

5.
Da es im vorliegenden Verfahren um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss
Art. 134 Satz 1 OG keine Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten
erweist sich daher als gegenstandslos. Die unentgeltliche Verbeiständung kann
hingegen gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die
Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu
bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372
Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152
Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse
Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.

Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:

1.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.

2.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

3.
Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Markus
Erb für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht aus der
Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 2'500.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) ausgerichtet.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, Rechtsanwalt Dr. Markus Erb, dem Obergericht
des Kantons Schaffhausen und dem Bundesamt für Gesundheit zugestellt.

Luzern, 5. September 2006

Im Namen des Eidgenössischen Versicherungsgerichts

Die Vorsitzende der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: